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Weißerih-Zeitrmg Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. 17. Januar 1862. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Psg. Ms- Md Mngk-Mall der MiMchk» Grnchls-Acmlkk Md Nadtrtlhk M Pippoldimaldk, m>d Verantwortlicher Nedacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Briefe über Gewerbefreiheit. »n Zweck dieser Briese kann es nicht sein, das ganze Detail des Gewerbegesetzes zu besprechen, und wir verweisen Diejenigen, welche sich specieller unterrichten' wollen, auf die im Buchhandel sür 20 Ngr. zu habende Ausgabe des Ge werbegesetzes , vom Regierungsrath Königsheim, welche neben den einschlagenden Gesetzen selbst eine geschichtliche und kritische Erläuterung des Textes der Gesetze enthält. Hier kommt es nur darauf an, das für ihren Leserkreis, also für das wirth- schastliche Leben kleiner Städte, Wichtigste, zu besprechen. Wir wenden uns heute zum Hausir handel. Zunächst sollte man meinen, daß es dem Principe des Gesetzes consequent gewesen wäre, die Freiheit des Gewerbebetriebes auch auf den Gewerbebetrieb im Umherziehen, einschließlich des Hausir- handels auszudehnen. Dies ist nicht geschehen, vielmehr der Hausirhandel in der Hauptsache verboten. Der Grund dieses Verbots lag sür die gesetzgebenden Gewalten weniger in den, vom Hausirhandel etwa zu besorgenden Nachtheilen auf gewerblichem Gebiete, als hauptsächlich in den socialen Uebelständen, welche dieser Handel sür die Hausircr selbst und das Publicum im Gefolge hat. Der Dep.-Bericht der I!. K. sagt hierüber: „Die Hausirer, meist den unteren Classen der Gesellschaft angehörig, gewöhnen sich oft an eine vagabondirende Lebensweise, werden arbeitsscheu und gerathen nach und nach in sittliche Verderbnis;, in welcher sie vielfach ihr Gewerbe nur als Verwand, als Deckmantel für das Betteln und andere noch schlimmere Zwecke benutzen. Dabei belästigen sie ost das Pbulikum durch ihre Zudring lichkeit , halten das Gesinde von der Arbeit ab und verleiten dasselbe zu unnöthigen Ausgaben." Dazu kommt, daß man in einem so dicht bevölkerten Lande, wie Sachsen, wo der Handel auch auf den Dörfern meist feste Etablissements hat, ein wahres wirthschaftliches Bedürfnis; für den Hausirhandel nur in beschränkter Weise zugegeben werde» konnte. Nach den; Gewerbegesctz gestaltet sich nun der Hausirhandel in folgender Weise: Es bedarf dazu einer Erlaubnis; der Obrigkeit, welche auf Inländer, die ihren Wohnsitz in; Verwaltungsbe zirke der Behörde haben, und auf den Handel mit Besen, Sieben, ordinären Holz-, Stroh- und Flechtwaaren, Hand- spinngeräthschasten, Sensen, Sicheln, Futterklingen, Wetzsteinen, und Wagenschmiere beschränkt ist. Der Hausirhandel mit anderen Maaren ist in der Regel verboten, nur die Bewohner der Ortschaften, welche für gewisse Erzeugnisse eine allgemeine Hausirerlaubniß haben, z. B. nut erzgebirgischen Spitzen, Blechwaaren rc., dürfen auch mit diesen anderen Producten Hausirhandel treiben; nur bedürfen sie, soweit sie hiermit noch nicht versehen, eines Erlaubnißscheines der Krcisdirection. Der Hausirhandel ohne Erlaubnißschein zieht Geldstrafe bis zu 20 Thlr., nach Befinden Consiscation der Maaren nach sich. Als Hausirhandel wird nicht angesehen und ist daher voll ständig frei: 1) die Ausführung von Gewerbsarbeiten durch ständige Gewerbtreibende oder deren Arbeiter bei ihren Kunden, sowie das Austragen bestellter Maare; 2) das Anbieten von Leistungen; 3) das Herumtragen von Erzeugnissen der Land- wirthschast, des Waldbaues, des Gartenbaues, der Viehzucht, der Jagd und Fischerei, von Viktualien und Brennmaterialien, ordinären Holzwaaren, Besm und Strohwaaren, Sand, Thon und dergl; 4) der Einkauf inländischer Erzeugnisse und das Sammeln von Bestellungen durch Gewerbtreibende. Man sieht, es ist in der Hauptsache das bisherige Recht und die bisherige Praxis, welche bezüglich des Hausir- handels in der neuen Gewerbegesetzgebung Ausnahme gefunden haben. Den unbefugten Hausirhandel, welcher sich vorzugs weise auf Schnittwaaren, Leinwand, Teppiche, Regenschirme und dergl. geworfen hat, ganz zu unterdrücken, halte ich meinerseits für unmöglich, wenn man nicht in jedes Dorf einen Gensdarmen stationiren will. Unter der Firma: „bestellte Maare" läßt sich vielfach sündigen; zumal das Publikum die Polizeibehörden, die ja bekanntlich selten zu seinen Lieblingen gehören, nur wenig unterstützt, wenn nicht gar die Parthie der Hausirer nimmt. Andrerseits ist der unbefugte Hausirhandel, wie er in Sachsen vorzukommen pflegt, nicht von den obenerwähnten nachtheiligen sittlichen Folgen begleitet, und deshalb in der Hauptsache unschädlich; denn abgesehen von den meist concessionirten Hausirern privile- gnter Ortschaften, der Lausitzer Leinweber- und erzgebirgischen Spitzen- und Blechwaarenhändler, kommen echte Hausirer, welche nionatelang das Land durchziehen, ohne in die Heimath zurückzukehren, nur selten vor; vielmehr beschränkt sich das verbotswidrige Hausircn darauf, daß einzelne Gewerb- und Handelstreibende in dm Städten, ihre Angehörigen oder Dienstboten mit einem Tragkorbe voll Maaren auf die be nachbarten Dörfer schicken und ihren Kunden und Bekanntm Maare anbietm lassm. Die betreffmdm Waarenträger kehren meist nach ein- oder höchstens zwei- bis dreitägiger Ab wesenheit in die Heimath zurück und sind sowie ihre Absender, dem Publikum, mit welchen sie verkehren, meist persönlich bekannt. Diese Art Localverkehr zwischen Stadt und Land könnte von der Gesetzgebung unbedenklich freigegebm werden, wenn es möglich wäre, Grenzm zu ziehen, die nicht über schritten werden. Deshalb muß, wie auch so manchmal im Leben, auch hier der Gerechte mit dem Ungerechten leiden. Hier sei nur noch des seltenreellen und deshalb meist schädlichen Hausirhandels nut Schreibmaterialien und Blumenzwiebeln, Pflanzen und dergl. gedacht. Letzterer Handel wird häufig von Würteinbergern, Schwaben, betrieben, welche mit seltener Geschicklichkeit die Anfänger in der edeln Gartenbaukunst aus zuwittern und ihnen mit der fabelhaftesten Aufdringlichkeit und Dreistigkeit die^ordinärsten, in Dresden oder sonst für ei;i Spottgeld zusanunmgekauftm Pflanzen, Zwiebeln und dergl. »m hohen Preis als Raritäten aufzuschmieren vcrstehm.