Volltext Seite (XML)
BkGrFiyeiqE und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nud Mischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. - 38. Jahrgang. Erscheint jeden Wochentag Ab-ndS V,7 Uhr für den ! Jnserate wer^n bis Vonnittag H Uhr angcnom. ^?186. Donnerstag, de« 18. August. >« 1885. !ahl der Der Berbandstag der Kranken- nnd! Vegräbniß-Unterftütznngskasien Sachsens. bericht für das Jahr 1884/85, ans welchem hervorging, daß das Präsidium und der Verwaltunasrath in Chemnitz 13 kombinirte Sitzungen abhielten, welche stets reichlichen Berathunasstoff boten. Trotz der großen Mitgliedcrzahl hat das Verbandsorgan noch nicht die gehoffte Abonnenten- zahl gesunden, so daß dabei mit einem Defizit zu rechnen ist. Sowohl der Geschäftsbericht wie der Kassenbericht, welcher letztere einen kleinen Ueberschuß aufwies, wurden von der Versammlung gutgebeißen, worauf man zur Be- ralhung der cingegangenen Antrags übergehen konnte. Die von mehreren Kaffen beantragte Umwandlung des sächsischen Krankenkassenverbandes in einen deutschen Kranken- kasscnverband wurde von den Herren Bartmuß-Lengefeld, Amberg-Leipzig und Hofmann-Pieschen warm befürwortet, dagegen sprachen mehrere Chemnitzer Delegirte und Herr LehmanN'Kötzschcnbroda gegen einen deutschen Verband mehrfache Bedenken aus und betonten, daß man erst im eigenen Lande festen Fuß fassen müsse. Herr Kürsten- Freiberg drückte seine Ueberzeugung aus, daß viele Kassen dem Verbände bisher nur deshalb fern blieben, weil er noch nicht auf ganz Deutfchland ausgedehnt war. Herr Bartmuß-Lengefeld wies darauf hin, daß sich für die Kaffen eines deutschen Verbandes viele Mitglieder gewinnen lassen würden, die jetzt lieber den freien Hilfskasscn beitreten. Nachdem Herr Scheps-Leipzig mitgetheilt, daß man in Berlin bereits mit der Gründung eines deutschen Kranken- kasscnverbandes umgehe, wurde die Umwandlung des sächsi schen Krankenkasscnverbandes in einen deutschen Verband mit allen gegen drei Stimmen beschlossen. Nach einer zweistündigen Mittagspause fand eine längere Debatte über verschiedene Anträge statt, welche eine Ver schmelzung des Präsidiums mit der Redaktion des Korre spondenzblattes anstrebten. Schließlich nahm man den Vermittlungsantrag an, daß künftig das Präsidium und die Redaktion an einem Ort, aber in verschiedenen Körper schaften, arbeiten sollen. Der Antrag des Bezirksverbandes Chemnitz, das Korrespondenzblatt monatlich nur einmal er scheinen zu lassen, wurde heftig bekämpft und beschloß die Versammlung, es bei dem zweimaligen Erscheinen im Mo nat bewenden zu lassen. Ohne jede Debatte fand dagegen der Antrag Annahme, den Titel des Verbandsorgans um zuändern in „Die Krankenkasse". Der Antrag des Herrn Krauße-Rößchen: „Zugereiste Mitglieder, welche Verbänden oder Krankenkassen angehören, mit denen Vergleiche abge schlossen worden sind, und die binnen 3 Wochen nach er langtem festen Wohnsitze nachweisen, daß sie ihren Ver pflichtungen gegen ihre bisherige Kaffe nachgekommen find, bleiben vom Eintrittsgeld befreit" wurde dem künftigen Präsidium zur Berücksichtigung bei Ausarbeitung der neuen Statuten empfohlen. In Bezug auf den Jahresbeitrag wurde auf Antrag des Herrn Riemann-Chemnitz beschlossen, wie bisher zur Bestreitung der Verbandskosten von jedem Vereine pro Mitglied ein Eintrittsgeld von Pfennig und eine jährliche Steuer von 1 Pfennig zu erheben. Ferner fand der Anttag des Herm Bock-Dresden, dem Präsidium zunächst nur 125 Mk. Entschädigung zu ge währen, die Billigung der Mehrheit. Die Wahl des Präsidiums machte einige Schwierigkeiten, da die vorgeschlagenen Kandidaten fämmtlich ablehnten. Die Herren Krauße-Rößchen und Hoffmann-Pieschen ver anlaßten die Delegirten trotzdem ihre Stimmen auf Herrn Hauschild-Chemnitz zu vereinigen, dessen bisherige Thätigkeit und jetzige exakte Leitung der Verhandlungen den Beweis geliefert hätten, daß er auch bei einer Ausdehnung des Vervandes allen Anforderungen genügen werde. Herr Haufchild könne das begonnene Werk unmöglich halbsertig Im rothen Saale des Krystallpalastes zu Leipzig wurde am vorigen Sonnabend der erste Verbandstag der Krankm und Bcgrälmiß-Unterstützungskassen Sachsens durch dm Verbandspräsidenten, Herrn Robert Hauschild aus Chemnitz, eröffnet, dem nach Feststellung der Geschäftsordnung wieder um der Vorsitz übertragen wurde. Bei der Wahl der Kommission wurde u. A. Herr Hofmann-Freiberg in die Rechnungsprüfungskommission gewählt. Die Haupt verhandlungen des Verbandstages begannen erst Sonntag Vormittag 11 Uhr. Die Feststellung der Präsenzliste er gab, daß von den gegen 40000 Mitglieder umfassendm 105 Kassen des Verbandes 90 Kassen durch 99 Delegirte vertreten waren. Der Vorsitzende erstattete den Geschäfts liegen lassen. Derselbe wurde darauf mit großer Stimmen mehrheit gewählt und nahm auch unter dem Beifall der, Versammlung die Wahl an, so daß der Sitz des neuen deutschen Verbandes in Chemnitz bleibt. Nach dem ge faßten Beschluß muß nun auch die Redaktion des Verbands organes ihren Sitz nach Chemnitz verlegen und Haden die Kassen des Chemnitzer Bezirksverbandes sowohl für die Ergänzung des Präsidiums als auch für die Zusammen setzung der Redaktionskommission für das Verbandsorgan Sorge zu tragen. Die Abrechnung des Korrefpondenzblattes veranlaßte Herm Lange-Chemnitz zu einer mißbilligenden Aeußerung, welche der Redakteur Herr Scheps ziemlich energisch berichtigte, worauf die Verfammlung durch Er heben von den Sitzen der bisherigen Thätigkeit der Redaktion des Verbandsorganes ihre Anerkennung zollte. Nachdem noch verschiedene Dankes- und Abfchicdswortc gesprochen waren, erklärte der Vorsitzende die Verhandlungen des ersten Verbandstages der Kranken- und Begräbniß-Unterstützungs- kassen Sachsens für beendet und gab der Hoffnung Aus druck, daß Jedermann an dem Ausbau des Werkes rüstig mitarbeiten werde. Mit einem Hoch auf dm neuen „Deut schen Krankenkassen-Verband" wurde die Versammlung geschlossen. Tagesschau. Freiberg, den 11. August. Der deutsche Kaiser hat gestern seine diesmal ganz besonders erfolgreiche Badekur in Gastein beendet und im besten Wohlsein von dort die Heimreise angetteten. Gestern früh machte der greise Monarch noch einen Spaziergang au dem Kaiserwege, kehrte dann nach dem Badeschlosse zurück welches er um 1 Uhr 20 Minuten Nachmittags wieder ver ließ. Im Vestibüle erwarteten ihn zahlreiche Kurgäste, von denen der Kaiser in leutseligster Weise Abschied nahm, die Hoffnung auf glückliche Wiederkehr aussprechend. Von der am Straubingerplatze angesammelten Menge enthusiastisch be grüßt, begab sich Se. Majestät sodann in's Hotel Straubinger, um der Großherzogin von Weimar seinen Abschiedsbesuch ab zustatten. Hier verweilte der Kaiser etwa zwanzig Minuten, worauf derselbe im Wagen Platz nahm; neben ihm saß der Flügeladjutant v. Plcssen. Die Musik spielte die preußische Volkshymne und das Publikum brachte endlose begeisterte Hochrufe aus. Der Kaiser dankte, aufrecht im Wagen stehend, nach allen Seiten, worauf die Abreise um 1 Uhr 50 Min. erfolgte. Den Ortsarmen überwies der Kaiser 500 Gulden. In wohlunterrichteten Kreisen ist man davon überzeugt, daß der im Schloß Kremsier stattfindenden Zusammenkunft der Kaiser von Oesterreich und Rußland doch noch eine Begegnung der Kaiser von Deutschland und Rußland folgen werde. Ob diese Begegnung an der deutsch-russischen Grenze oder auf deutschem Boden stattfinden werde, ist noch nicht bekannt. Man glaubt aber, daß der Aufenthalt des der Person des Kaisers Wilhelm attachirten russischen Fürsten Dolgorucky in Gastein mit diesem Plane in Beziehung stand. In der augenblicklich in Berlin versammelten inter nationalen Telegraphen- Konferenz wurden gestern die Kommissionen zusammengesetzt. Die Tarifwesen- Kommission besteht aus den Delegirten Deutschlands, Oesterreich- Ungarns, Belgiens, Dänemarks, Spaniens, Frankreichs, Groß britanniens, Italiens, Japans, Luxemburgs, Norwegens, der Niederlande, Portugals, Rußlands, Schwedens, der Schweiz und der Türkei. Zum Präsidenten wurde Brunner v. Watten- wyl (Oesterreich), zum Vizepräsidenten 1)r. Amico (Italien), zum Berichterstatter Fribourg (Frankreich) gewählt. Die Kommission für technische Betriebsangelegenheiten besteht aus den Delegirten Deutschlands, Belgiens, Brasiliens, Frankreichs, Großbritanniens, Rumäniens, Schwedens, Portugals, Rußlands und Britisch-Jndiens. Zum Präsidenten wurde Hake (Deutsch land), zum Vizepräsidenten Capanema (Brasilien), zum Be richterstatter Delarge (Belgien) gewählt. Der Verein deutscher Eisenbahnver waltun gen- hatte am 3. März 1883 verschiedene Preise ausgeschrieben, um welche sich 28 Bewerber stritten. Die geschästsführende Vereinsdirektion fällte nun folgende Entscheidung: Einen Preis von 3000 Mark erhielt Richard Schwartzkopff, Ingenieur in Berlin, für einen Sicherheitsapparat für Dampfkessel, sowie Heindl, Inspektor der k. k. Generalinspektion der österreichi schen Eisenbahnen in Wien, für ein Oberbausystem mit eisernen Querschwellen; einen Preis von 1500 Mark Schrabetz, Zivilingenieur in Wien, für eine von ihm konstruirte Biege vorrichtung sür Eisenbahnschienen. Einen Preis von 3000 M. empfing Mahla, Obermaschinenmeister der Generaldirektion der k. bairischen Verkehrsanstalten, für eine Schlauchverbindung mr die Dampfheizung der Eisenbahnwagen; einen Preis Von 1500 Mark Sedlaczek, Telegraphen-Kontroleur der k. k. Generaldirektion der österreichischen Staatseisenbahnen in Wien, ür die von ihm konstruirte Lokomotivlampe mit elektrischer Beleuchtung, und endlich je einen Preis von 1500 Mark Ulbricht, Vorstand des statistischen Bureaus der sächsischen Staatseisenbahnen in Dresden, für die von ihm verfaßte Er klärung eines technischen Hilfsmittels im Dienste der Eiseu- bahnstatistik zur Abkürzung und Vereinfachung der Arbeite« bei Ermittelung der Verkehrsergebnisse, Brosius, k. Ma schineninspektor der k. Eisenbahndirektion in Magdeburg, und Koch, Chef der Sektion für Eisenbahnbetrieb im k. serbischen Bautenministerium in Belgrad, für die von denselben gemein schaftlich verfaßten Schriften „Die Schule des Lokomotiv führers" und „Das Lokomotivführer-Examen", und Frank, Professor an der technischen Hochschule in Hannover, sür seine Abhandlung über die Widerstände der Lokomotiven und Eisen bahnzüge, den Wasser- und Kohlenverbrauch, sowie den Effekt der Lokomotiven. Das deutsche Geschwader vor Zanzibar hat einm schmerzlichen Verlust zu beklagen. Telegraphischen Nachrichten zu Folge ist der Kapitän zur See v. Nostiz, Kommandant S. M. Krcuzersregatte „Stosch", am 5. August auf der Reise von Mauritius nach Zanzibar am Herzschlag verstorben. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" weist darauf hin, daß die Chancen für die juristische Laufbahn auf lange Zeit hinaus ungünstig genug liegen, um von dem Studium der Jurisprudenz abzurathen, und fährt dann fort: „Gewöhnlich werden solche Abmahnungen mit dem Einwande zurückgewiesen, daß die Chancen für andere Zweige des gelehrten Studiums nicht günstiger liegen. Dieser Einwand ist so zutreffend, daß man kaum begreift, wieso er als Entschuldigung für eine ver fehlte Wahl des Spezialfaches dienen soll, statt den Zudrang zur gelehrten Laufbahn überhaupt zu mäßigen. Leider begeg nen wir ähnlichen Erscheinungen auch auf anderen Gebieten des bürgerlichen Erwerbslebens. Wie groß ist der Zudrang zum höheren Baufach, zum Kaufmannsstande! Auch hier wird das Bedürfniß von dem Angebot so weit überflügelt, daß die Klagen über Erwerbslosigkeit und Uebersüllung in allen Fächern gewerblicher Thätigkeit gerade in diesen Kreisen ein volltöniges Echo finden. Und doch werden die Klagen der Landwirth- schaft über Mangel an Arbeitskräften, die Klagen des Hand werks über Mangel an hinreichend ausgebildeten Gehilfen vollständig überhört oder geringschätzig zurückgewiesen, weil die Gesellschaft, im gewissen Widerspruch mit sich selbst, sich in einen Ständeunterschied hineinlebt, den sie doch politisch über wunden hat oder überwunden wissen will. Das durch die Verfassung proklamirte Staatsbürgerrecht hat den Unterschied zwischen „höherem" und „niederem" Bürgerstand beseitigt; aber die Gesellschaft stellt ihn wieder her, indem sie in dem Handwerk das Kriterium einer niederen Lebensstellung erblickt, aus welcher sie sich in die „höheren" Beufsstände zu erheben strebt. Hauptsächlich sind cs die Eltern selbst, welche darauf denken, ihre Kinder in „höhere" Lebenssphären zu bringen, indem ihre Phantasie von dem Zauber einzelner glän zender Existenzen bestrickt wird. Sie bedenken leider nicht die Summe sozialen Elends, welchen! eine große Anzahl solcher Aufstrebenden verfällt, weil der Erfolg von so vielen Be dingungen abhängt, die außerhalb der Arbeitslust und Arbeits tüchtigkeit liegen, welchen der bürgerliche Geschäftsbetrieb sein Gedeihen in der Regel allerdings vorwiegend zu danken hat. Denn cs verpflanzt sich hier in der Summe der Erfahrungen und Beziehungen selbst von dem mittellosen Vater eine Erbschaft auf den in gleicher Lebenssphäre fortarbeitenden Sohn, welche diesem ganz von selbst eine breitere ExistcnzbafiS sichert: eine Erbschaft, welche damals, als man noch von dem „goldncn Boden des Handwerks" sprach, gewiß mit berück sichtigt wurde, wenngleich dieser „goldne Boden" noch andere Voraussetzungen hatte, deren Ersatz, den neuen Verhältnissen entsprechend, noch zu finden ist. Natürlich denken wir nicht daran, die Nation in Kasten einengen zu wollen, wenn wir davor warnen, aus Eitelkeit oder ähnlichen Motiven das Glück in neuer, höherer Lebenssphäre zu suchen. Recht und Ver fassung sichern einem Jeden den Zugang zu den Bahnen mit höchsten Zielen; aber die Summe des allgemeinen Wohlstandes und der allgemeinen Zufriedenheit mehrt si-K schieden nicht, wenn die Chancen des Erfolgs außerhalb se.. Aus ¬ setzungen liegen." Graf Kalnoky, der Leiter der auswärtigen Politik Oester- reich - Ungarns, ist gestern Vormittag zum Besuch des deutschen Reichskanzlers nach Varzin abgcreist. Bei der Kaiser- Zusammenkunft in Kremsier wird Graf Kalnoky natürlich eine sehr wichtige Rolle spielen, aber der ungarische Ministerpräsident Tisza, welcher vorgestern nach Ostende abreiste, angeblich aus