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Die „Gttendorser Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen t,20 Mark. Annahme von Inseraten bi, vormittag w Uhr. Inserate werben mit w Pf- für die Spaltzeile berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Nr. 29. Mittwoch, den 8. Mär; 1905. 4. Jahrgang. Wekannünachung. Zum 1. April d. I. ist die Nachtwächterstelle nebst Kotengängen und Laternenauslöschen für die Gemeinden Grossokrilla und Kleinokrilla anderweit zu vergeben. Geeignete Bewerber wollen sich mit Angabe ihrer Gehaltsansprüche bis mit 15. dieses Monats bei den Unterzeichneten melden. Auswahl unter den Bewerbern Vorbehalten. Großokrilla, den 3. März 1905. Der Gemeinderat. Kühw Gemeinde-Vorstand. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Wkrilla 4. März >905 — Infolge leichtsinnigem Umgänge mit einem Revolver schoß sich am Sonntag nach mittag ein hiesiger größerer Schulknabe durch die Hand. — Von dem am Sonnabend abend 8,18 Uhr nach Königsbrück abgehenden Zuge stürzte kurz vor Laußnitz ein Bremser beim Ueberschreiten von einem Wagen zum audern vom Zuge und kam direkt neben denselben zu liegen. Außer der ausgestandenen Angst kam der Mann ohne größeren Schaden davon. — Die Handelskammer Dresden hat an die Königlichen Ministerien des Innern und der Finanzen eine Eingabe gegen Einführung von ScbiffahrtSabgaben auf der Elbe und anderen natürlichen Wasserstraßen gerichtet. — Mit Eintritt der günstigen Witterung wird der Gebrauch des Fahrrades wieder allgemein. Es sei deshalb daran erinnert, daß jeder Radfahrer im Besitz einer giltigen Radfahrkorte sein muß' Die Radfahrkarten gelten nur für das Kalenderjahr, für das sie ausgestellt sind. Radfahrer welche bei Revisionen ohne gültige Radfahrkarte sind, werden mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft. — Beim Parteitage der sächsischen Sozial demokratie, der am 25. April und folgende Lage im „Volksbaus Tivoli" zu Leipzig statt findet, ist als erster Punkt der Tagesordnung der Bericht des Zentralkomitees vorgesehen und zwar: a- Organisation, b. Agitation. Referenten: Sindermann und Braune. Weiter soll über die Steuergesetzgebung in Sachsen, die Landtagswahlen und die Armengesetzgebung in Sachsen verhandelt werden. Einen weiten Raum der Verhandlungen werden auch diesmal wieder die Anträge der Parteigenossen einnehmen. — Der polizeilichen Auflösung verfiel die am Sonnabend abend in Stadt Leipzig abgehaltene, gut besuchte sozialdemokratische Volksver sammlung, in welcher Redakteur Eichhorn aus Mannhein über die russische Revolution referierte, wobei er eine scharfe Kritik an der russischen Negierung und dem Zarem übte. Als er auch der deutschen Regierung gewisser maßen Helfersdienste hierbei vocwarf, wurde ihm vom überwachenden Polizeibeamten das Wort entzogen. Schließlich verfiel die Ver sammlung, die diese Maßnahme mit großem Tumult beantwortete, der Auflösung. Schwepnitz. In Sachen des am Abend des zweiten KirmeStages im Hause des Herrn Kaufmann Dümler hier stattgefundencn schweren Einbruchsdiebstahls hat dieser Tage vor der Strafkammer des Kgl. Landgerichtes Bautzen Verhandlung stattgesunden. Mls Täter war bekanniluh der Schweizer Rauscher vom Ritter gut Grüngräbchen ermittelt worden. Rauscher, der der Tat überführt, bezw. geständig war, wurde zu 4 Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Eh-verlust und Stellung unter polizeiliche Ausncht verurteilt. Radeburg Vom hiesigen Konservativen Verein wird am 1. bez. 2. April Bismarcks 90. Geburtstag begangen und sind allgemeine Feiern von Schillers 100. Todestag und von Königsgeburtstag geplant. Weinböhla- In der Poststraße wurde in einem Karton verpackt der Leichnam eines neu geborenen Kindes aufgefunden. Die gewissen lose Mutier ist noch nicht ermittelt. Cossebaude. Ein Zigarrenreisender hatte im hiesigen Gasthofe vor einigen Tagen mit vier Kindern Wohnung genommen. Am Tage nach seiner Ankunft ist der Mann unter Zurücklassung der Kinder spurlos verschwunden. Kleinopitz. Hier ertrank das zweijährige Töchterchen des Arbeiters Reich in einem sich im Garten des Reicheschen HauSgrundstückS befindlichen Wassertümpel. Bautzen. Durch die Explosion einer kleinen Menge von Karkidgas erlitt am Sonntag nachmittag ein hiesiger Klempnermeister in seinem Hofraume einen Armbruch. — Wegen mehrfacher Betrügereien und Verübung größerer Diebstähle, hauptsächlich Fahrroddiebstähle wurde am Sonntag von der hiesigen Polizei ein vormaliger Steinschleifer aus Großhähnchen in Haft genommen. Demitz-Thumitz. In vergangener Nacht wurde bei dem Uhrmacher Herrn C. August Rüsche hier ein frecher Einbruchsdiebstahl aus- geführt. Der Einbrecher hat mit einem großen Eiseninstrument die Fensterflügel einer Neben stube aufgewuchtet und ist von dieser aus in den Laden gelangt. Dazu scheint er sich eines Nachschlüssels bedient zu haben. Es sind eine große Menge Uhren, goldene Damen- und Herrenketten, Ringe usw. gestohlen worden. Die Kästen, in denen j,die Goldsachen auf- bewahrt werden, hat der Dieb aufgebrochen, nicht aufgeschlossen, Das Ausbrechen der Geldkasse ist ihm aber trotz großer An strengungen nicht gelungen. Der Dieb bat im Laden ein großes Messer und ein seidenes Halstuch zurückgelaffen. Vielleicht iführt dies zur Entlarvung des Täters. Verdacht wurde schon ausgesprochen. Oybin. Unterm Verdachte, die jüngst im Hochwald-Restaurant ausgeführten Einbruchs- Diebstähle verübt zu haben, wurde von der Gendarmerie in Gabel ein 12 Jahre altes böhmisches Mädchen verhaftet. Zittau. Durch Verschütten tötlich ver unglückt ist im städtischen Steinbruch im Schülerbusch bei Pethau der Arbeiter Hermann Förster von hier. Priestewitz. Wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen an einem Minderjährigen wurde in einem hiesigen Hotel ein daselbst über Nacht gebliebener Gast aus Elsterwerda arretiert. Döbeln. Bei einem Stubenbrand erstickte Sonntag abend auf dem Görneschen Vorwerk zu Simselwitz ein junges Mädchen, das als Wirtschafterin angestellt war. Das Mädchen war am Tische eingeschlafen und hatte im Schlafe dis Lampe umgeworfen, wodurch der Brand entstand. Nachdem die Flammeu gelöscht waren, fand man die Unglückliche mit Brandwunden bedeckt und mit verbrannten Haar tot in dem Zimmer auf. Leipzig. Sonnabend abend ertränkte die Frau des Kürschners Hering in Leipzig-Gohlis ihr 3r/z Jahres altes Töchterchen in dem Wasserlache eines Gartens. Dann eilte sie mit aufgelösten Haaren nach der Thüringer Bahn und warf sich vor dem daherbrausenden Zuge auf die Schienen, um sich überfahren zu lassen. Sie wurde von der Maschine zur Seite geschleudert und lebensgefährlich verletzt. Die Unglückliche war schwer nervenkrank und hat die entsetzliche Tat offenbar in einem An falle von Geistesstörung begangen. Augustusburg. Infolge Genusses gesund heitsschädlichen Fleisches sind in unserer Stadt gegen 20 Personen an Trichinofis erkrankt. Da gleichzeitig eine starke Influenza-Epidemie besteht, konnte die Trichinose anfänglich sehr schwer mit Bestimmtheit festgestellt werden. Reichenbach i. V. Der nachmittags 4 Uhr 50 Minuten vom hiesigen oberen Bahn- Hofe nach Göltzschtalbrücke verkehrende Güter zug ist Freitag zwischen Oberreichenbach und der Haltestelle Karolinenstraße mit einem mit Bruchsteinen beladene, dem Gutsbesitzer Präglcr in Oberreichenbach gehörigen Lastwagen zu sammengestoßen, wobei der Hintere Teil des Geschirres zertrümmert wurde. Mylau i. V. Die hier bestehende Filiale des Deutschen Textilararbeiterverbandes hat in ihrer Generalversammlung ihre Auflösung be schlossen, um der seitens des Ctadtrates er gangenen Aufforderung zur Einreichung der Mitgliederliste nicht Folge leisten zu müssen. In dieser Versammlung wurde u. a. auch be merkt, daß die Geraer Textilarbeiter in eine Lohnbewegung eingetreten seien und die Gefahr bestehe, daß sich diese Bewegung auf das ge samte Sächsisch-Thüringische Vogtland erstrecken könne. Lus der Woche. Wie von einem Wespenschwarm überfallen, so zuckt der Riesenleib des russischen Stauts- körpcrs in krampfhaften Windungen. Der Zar muß erkennen, wie unzugänglich seine Allmacht ist; um den kranken Staatskörper bemühen sich einstweilen nur Kurpfuscher, die noch nicht einmal untereinander einig sind: die einen schlagen lindernde Mittel, die andern Feuer und Eisen vor — und der arme Zar kann zu keinem Entschlusse kommem- Aber nicht nur die revolutionäre Bewegung schafft dem Selbstherrscher schlaflose Nächte. Auch der ferne Osten will und kann keine Nachrichten senden, die das Gemüt des Monarchen auf heitern. Kuropatkin, der früher den Mund so voll genommen hatte und so herrliche Siege den Ruffen prophezeite, ist mit seinem Latein zu Ende. Vier volle Monate hat er die Stellung am Schatze gehalten, weil ihn die Japaner nicht ernstlich angriffen. Jetzt, wo dies nach kaum beendeter Frostperiode geschieht wiederholt sich, was sich bisher immer bei Zusammentreffen zwischen den beiden feindlichen Heeren zeigte; die russischen Truppen bewähren sich als heldenhaft, aber die Führung taugt nichts und die intelligenten Japaner sind ihnen an Tapferkeit gleich, an Vorsicht, Gewandtheit und Bedürfnislosigkeit überlegen, so daß die russische Uebermacht schließlich immer wieder dem an Zahl geringeren Feinde weichen muß. Kuropatkin ist jetzt gezwungen, eine ganze Strecke zurückzugehen und damit seine neue Niederlage einzugestehen, wenn er nicht seine ganze Armee aufs Spiel setzen und sie von ihren Verbindungslinien abdrängen lassen will. Denn wenn dies geschähe, so wäre Rußland zu einem schnellen demütigenden, Frieden ge zwungen. Unterdessen ist Stöffel in Zarskoje Selo vor seinen Zaren hingetreten und hat diesem Bericht erstattet bezüglich der Not wendigkeit, Port Arthur zu übergeben. Dem wackeren General, der sein Aeußersteö getan hat, seinem Vaterlande den wichtigsten russischen Stützpunkt in der Südmandschurei zu erhalten, und der menschlich genug dachte, um nicht seine ganze wackere Mannschaft unter den Trümmern )er unhaltbaren Festung begraben zu lassen — der einzige Heerführer, der während des ganzen Feldzuges die russische Soldatenehre mit Ruhm bewahrt hat — er wird jetzt von den eigenen Landsleuten mit Schmutz beworfen. Und wenn m einem Dorfe erst ein Hund heult, dann kläfft es bald auf allen Gehöften. Immer mehr Ankläger treten gegen den einzigen Helden auf und schleudern ihm ungescheut ihre Vorwürfe ins Antlitz. Wie sittlich tief muß ein Volk stehen, das seine Helden in solcher Weise verunglimpfen läßt und wie sehr zeigt schon diese eine Tatsache, wie weit die Russen noch „zurück" sind. Und dieses arme betörte Volk will seine Geschicke selbst in die Hand nehmen, vielleicht weil es meint: schlimmer wie es ist, kann's nicht werden. — Die ungarische Krise dehnt sich endlos aus, und damit den Zeitungen ja der Stoff nicht schwindet, tritt nun auch der jahrelang hingeholtene schwedisch norwegische Konflikt in brennender Form auf. Wie Ungarn von Oesterreich, so will sich Nor wegen von Schweden gänzlich loslösen. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hat Norwegen aufgehört, eigene Könige zu haben; es gehörte seitdem zu Dänemark, später zu Schweden. Nun will es wieder sich felbst gehören, während ihm der Regent im Gegenteil den Rat gibt, sich ganz an Schweden anzuschließcn. — Frankreich hat die Erbschaft Waldeck-RousieauS und Combes' an das Ministerium Rouvier übertragen, dem die wenig dankbare Aufgabe zufällt, das Programm: Trennung von Kirche und Staat, zur praktischen Durchführung zu bringen. Die Radikalen wollten der Kirche und der Geistlichkeit ein Bein stellen und deren Wirksamkeit möglichst eindämmen, aber sie haben, als es zum Löffeln ging, manches Haar in der Suppe gefunden. Frankreich gab bisher für sein Kirchenbudget jährlich rund 32 Millionen Frank aus, nachdem aber beschlossen ist, die kirchlichen Gemeindeschaften zu „Vereinen" herabzudrücken, die ihre Be amten — die Geistlichen — selbst zu besolden haben, sparen sie zwar !die 32 Millionen jährlich, aber sie müssen die Geistlichen, die bisher hinsichtlich ihrer Bezüge Staatsangestellte waren, pensionieren. Die einzelnen kirchlichen „Vereine" werden mit Leichtigkeit ihre „An gestellten" besolden und wenn darunter auch der Psterspfennig leidet, so hat doch der Papst nach Abschaffung des Konkordats nicht mehr darnach zu fragen, ob die von ihm ein- zuletzenden französischen Prälaten den Herren von Paris gefallen oder nicht. Mit der Trennung von Staat und Kirche in Frankreich dürfte also wahrscheinlich der dortige „Kultur kampf" nicht beendet sein, sondern vielmehr nur in ein neues Stadium treten. — In unserm Vaterlande passieren wohl tagtäglich der Dinge viele, aber nicht solche, die sich kraftvoll nach außen hin geltend machen. Unsre Politik hält treu zu Rußland, was manchem nicht in den Sinn will; aber wenn man sich die Sache recht überlegt, ist eine Aenderung — etwa zugunsten des „perfiden Englands — kaum zu wünschen. Unsre angel sächsischen Brüder jenseits des Kanals tun nicht leicht etwas um Gotteswillen und die Ge neigtheit Kaiser Wilhelms zur englische Aristo kratie dürfte auch einen sachten Stoß durch die Tatsache erhalten, daß vornehme englische Segeisportklubs der „Kieler Woche" — dieser Lieblingsschöpfung des Kaisers — eine . . . na, sagen wir; unanständige . . . Konkurrenz machen wollen. Die englischen Regatten sollen in diesem Jahr zur Zeit der „Kieler Woche" abgehalten werden. Unsere Freunde hoffen dadurch ihre Sports-Leute im Kanal behalten und auch die Amerikaner als Gäste für sich abfangen zu können. Es ist ein schönes Ding um die intime Freundschaft, die ebenfalls „auf dem Masier liegt", aber auch durch über triebene Rücksichtslosigkeit „zu Wasser werden" kann.