Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230617
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230617
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-17
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Dono Erscheint tttalich morgen«, außer Montag«. Höhere Gewalt lcvltetzt Srftltlung au«. Dchrtitlrttung. GeschLttSstellr. nukerei: Leip,»-. Johann««gaffe 8 (gcrnsprecher 17080-170S2): ««da und t« affe« ffiltaleii Anzrtgen- und Sdonnement« Annahme; auch nimm» jede« Postamt Bestell»»««» an. ffandels-ZettunS Arr-ergenoreis: auSw Jnserent M. 400. Sonderpreise: yamilienanz. v. Prtv. mm Aeilc M. 7b,Gelegcnhet««anz. (pnv. Natur) u.St«llenang«d..»m. Aetl« M. 100. Stellenges'mm.^etl« M. 85.anitt. Bekanntm. Doppel- mw-ZeileM.450.«.auöw.M 800lRekl 72mmbr.mm-LetleM.NOO.s.au-w M.l700 AuSlandsan,.m.valutaautIchl. Bei Wieder». Rachlatz. Platz- u.Dalcnvorsch.unver»t»dl.Srskll.-Or1Lrip,ig. Poftsche<a.L««p»L004. Da» «etasiaer enttziUt «»ttich« «eranntWache»»»«» Vock Mato» »ar »t«dt Lai»«««, der PolizeinriMdi»«« Lei»^s, de« A«1»a«r1»tS Lei»»««, sowie »eeschiedener »«derer veddrden rrr 140 einrslnummsr SOO WH«rk kretlLg, «ieu IS. /ual 1923 ^e^n-^uLKsds 117/Ldrg. Politik und Währung A. V. Leipzig, 14. Juni. Die Mark ist zugrunde gerichtet. Warum? Weil die Politik-trostlos ist. Das kann man jetzt stündlich hören Es spricht sich sehr leicht aus und verlangt kein nachdenkendes Gehirn. Ist es doch lewe-: diü Eigentümlichkeit sehr vieler Zeitgenossen, daß sie die ungeheuer mannigfaltigen Erscheinungen des politischen Lebens nur mit größter Unlust exakt ins Buge fassen und sich lieber mit cm paar Schubladen begnügen, in denen sie zwar alles wirr durcheinanderwerfen, die sich aber, je nach Belieben, sehr prompt aufziehen lassen. Die Neigung, in Gemeinplätzen zu denken, ssl aber deshalb eine so große Gefahr, weil solche be scheidene Denker sich damit den von ihnen gar nicht durchdachtem Dingen bedingungslos aus- liefern und somit die Masse derer vergrößern, die für einige wenige, dafür aber um so ge rissenere Zeitgenossen nichts anderes als Aus- bcutungsobjekte werden. Gewiß sehen unsere politischen Der- hältnisse nicht schön aus. Es ist aber doch zu verwundern, daß ein ganzes Volk vor diesem wenig einladenden Aspekt einfach die Augen nie derschlägt, und sich gar nicht erst entschließt, ein mal hinter die Dinge zu sehen. Diel ist schon gewonnen, wenn man sich vornimmt, sich nicht einfach von den Erscheinungen überwältigen zu lassen, sondern sie seinerseits zu durchschauen. Es ist ja nun kein Wunder, wenn dem Deut- schen der Glaube an eine Aufheiterung des polt- tischen Himmels schwer wird. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß in der großen Weltpolitik auch einmal Momente eintreten können, die — Me daß deutsche, Wohlergehen ihr Ziel «sire — uns doch zum Heil werden und uns nach oben reißen können. Ls ist wiederum die Schublade, die solche Möglichkeit sofort unkend wegstreiten will. Macht nichts; wir müssen die Dinge sehen wollen, wie sie sind. Was macht heute dieEntente? Sie macht wenig, aber: sie will Frankreich auch nichtAllein-Macherseinlass en. Kein Wort mehr von der „vollkommenen Ueberein- strmmung", die früher jeden Augenblick zwischen London und Paris festgestellt wurde. Zahlen, einst so pathetisch und unumstößlich, werden gegenüber dem tributpflichtigen Deutschland nicht mehr genannt. Als unsere letzte Note ab geschickt war, machte aufmunternde Kritik den Ton der Musik, die als Antwort erklang. Ein Teil dec französischen Presse blieb zwar — man kann sich nicht immer so schnell umstellen, und auch in Paris gibt es Schubladen — bei dem „Unannehmbar", mußte sich aber schon nach eint- gen Tagen beruhigen. England nahm die deutsche Note hin als das, was sie war: die Folge einer englischen Anregung. Und jetzt vernimmt man Tag für Tag aus London, wie die Re gierung Baldwins immer weiter in der einmal eingeschlagenen Linie fortschreitet: die Reparationsfrage soll geklärt werden. Das geht freilich nicht von heute auf morgen. Aber viel ist schon gewonnen, wenn Störendes verhindert wird. Eine brüske Antwort an Deutschland hat sich Paris bis zu dieser Stunde doch noch nicht leisten können. Auch die Frage des passiven Wider st andes, der für Frankreich bisher gar keine „Frage" war, sondern eine niederzukämpfende Auflehnung, wird immer mehr in die politische Debatte gezogen, und man glaubt in London sogar schon ohne Furcht vor einem Bruch der Entente danach forschen zu dürfen, was Frankreich wohl für „Aenderungen in seiner Besatzungspolitik" eintreten lassen möchte, wenn Deutschland diesen Widerstand aus- gebe. Der passive Widerstand ist also für uns bereits eine Art von Tauschobjekt gewor- den, das bei Verhandlungen eine gewichtige Rolle spielen kann. England, dem über ein Weltreich Herr- schergewalt gegeben ist, will das Prinzip durch gesetzt wissen, ohne das es dieses Reich nie in seiner Hand halten könnte: einen Zustand der Völker und i^:er gegenseitigen Beziehungen, der keinen Boden für Bewegungen und Unruhen ab- gibt. Die französische Ruhrpolitik ist — wie wir bereits betont haben —, unter diesem Gesichts punkt gesehen, etwas durchaus Anarchistisches, von dem die Welt befreit werden muß. Um dieses Zieles willen geht die englische Politik immer mehr auf Aufhebung de» Druckes hin- Nu», dvß AraBvekh auf Dentschlund k*gt. G, Meinungs-Austausch London—Pans trifft sich hierin mit der übrigen Welt. Italien rückt von Frankreich immer mehr ab, und heute, lesen wir die bezeichnende Nachricht, daß auch in bisher ruhe beiseitestehenden Ländern der Ueberdruß an dem beunruhigenden französischen Imperialismus zum Siedepunkt kommt: iin nor wegischen Storthing hat es darüber eine sehr temperamentvolle Debatte gegeben, die Frank reich als Unheilstifer hinstellte. Die große Politik will los von der Un regelmäßigkeit, von der Willkür, wie sie die Hypertrophie einer einzelnen Macht mit sich bringt. So gesehen, ist die Politik doch nicht trostlos, sondern enthält den Keim zur Klärung. Um so unverständlicher ist es aber, wenn die deutsche Währung gerade gegenärtig so ganz be sonders im Trüben steckt. Die Mark ist wohl so krank, daß es ihr selber übermütig erscheint, aus Besserung zu hoffen. Und diese Verzweiflung scheint manchen Herrschaften nicht unwillkommen zu sein. Auf die angebliche Verwirrung in der hohen Politik hinweisend, beängstigen sie die Ec- müter, daß sie vor der kranken Mark davon- laufen und in Devisen, Effekten, seidenen Strümpfen oder Jumpers ihre Zuflucht suchen. Bald peitschen sie die Mark dann wieder etwas in die Höhe, um die billigeren Effekten und Jumpers aufzukaufen, die bei einem neuen Stei gen des Dollars wieder Riesenmarkgewinne ein bringen, mit denen sich von neuem Devisen und Strümpfe kaufen lassen usw. Wenn natürlich auch Frankreich durch allerlei Machenschaften die Mark und somit Deutschland niederzuhalten bestrebt sein mag, so dürfte cs doch gut und heilsam sein, wenn die Deutschen nicht vergessen, wie gewisse Kreise, auf die nicht immer das Wort von den „Edelsten der Nation" anzuwendcn ist, ihre Freude an diesem Mark- Prellen haben. Je weniger sich aber der einzelne Deutsche damit begnügt, sich bloß kannegießern ch lytt den Ereignissen der hohen Politik abzufin- den, um so weniger wird er bereit sein, das Opfer solcher Prellerei zu werden. Auch für die Politik und ihre Begleiterscheinungen gilt die alte Regel, daß mangelnder Mut zur Erkenntnis die Wurzel alles Hebels ist. Gegen dieHegemonreZrankreichs Frankfurt a. M., 14. Juni. (Eig. Tel.) Nach einer Drahtmeldung der Frankfurter Zeitung kam es am Dienstag im norwegischen Stor thing zu einer außerordentlich lebhaften Debatte, Ls wurde ein von den Sozialdemokraten mit Unter stützung der Kommunisten gestellter Antrag, Nor wegen solle seinen Austritt aus dem Völ kerbund erklären, gegen die Stimmen der ge nannten Parteien abgelehnt, doch äußerten sich in der Aussprache die Vertreter sämtlicher politische: Gruppen mit solcher Schärfe über die bisherige Be tätigung des Bundes, daß die Frage des Ausschei den» Norwegens, das übrigens auch von der Mehr heit des Derfassungsausschusses befürwortet ist, im Falle einer Ablehnung der norwegischen Wünsche auf der Herbsttagung des Völkerbundes unbedingt aktuell werden dürfte. Der Sozialistenführer Magnusseb erklärte, bei längerem Verbleiben im Bunde laufe Norwegen Gefahr, in die ausgeprägte imperialistische Politik der Bundesvormacht Frankreichs mithinein gezogen zu werden. — Der Vorsitzende der De r fa ssu n g »k o m m iss io n bezeichnete die Herrschaft der Rheinlandkommiffion im Saarge biet al» despotisch. Zur Zeit herrsche überhaupt die Gewalt. Frankreich sei jetzt dabei, eine Hege- monie über Europa aufzurichten, wie sie seit dem Reiche Napoleons nicht ihresgleichen gehabt habe. — Der Konservative Hamboe stellt im gleichen Sinne fest, solange der Völkerbund der Bund des Versailler Vertrages, das heißt des unsittlichsten Friedensschlusses der Weltgeschichte sei, könne man keinen Fortschritt in den internationalen Verhält nissen erhoffen. Der Minister des Auswärtigen und sein Amts vorgänger versuchten wiederholt die Politik des Völ kerbunde« in Schutz zu nehmen, erreichten damit aber nur, daß die Kritik des Hauses schärfer wurde. Italienische Stimmen gegen Frankreich ' Turin, 14. Juni. Die Stampa führt in einem Leitartikel au«, PoincarL verfolge keine wirtschaft lichen Ziele, sondern erstrebe den Besitz des Ruhr gebiets auf unbestimmte Zeit und versuche, England zu» Werkzeuge seiner Politik zu machen. Unter wiederholtem Hinweis auf die Fehler der italienischen Politik der letzten Monate fordert die Stampa die Regierung in Rom auf, die französische Polt- tik auch nicht mehr indirekt zu unterstützen und die bisherigen Fehler durch gemeinsam mit England zu vereinbarende Richtlinien wieder gutzu machen. Die Entente soll« zuerst unter sich verhan deln und gemeinsame Beschlüsse fassen und erst vor der Zuziehung Deutschland» zur der Konferenz die Forderung noch Ausgabe de» passiven Widerstandes WM» versöhnliche Einwirkung durch England Loudon, 14. Juni. (Eig. Tel.) Wie bereits ; gestern von offiziöser Seite betont wurde, geht der freundschaftlicher Form vollzogene Mei nungstausch unter den Alliierten weiter. Für den Geist, in dem er geführt wird, ist die Meldung des vom englischen Botschafter informierten Pariser Berichterstatters der Times charakteristisch, die folgen dermaßen lautet: „Nachdem die Unterhaltung über das Reparationsproblem begonnen hat, würde ein Bruch verhängnisvoll sein. Es darf keine Ucber- eilung geben. Eines ist sicher, daß weder Frankreich noch England die Verhandlungen abzuschlietzen wünscht, bevor eine wirkliche Verständigung er reicht ist. Auf Grund offiziöser Informationen und ange sichts der veränderten Haltung der französischen Presse hat man den sehr nachhaltigen Eindruck, daß wir uns auf dem Wege einer Reparations lösung befinden. Durch Vermittlung der Bot- schaftcr wird der Versuch fortgesetzt, die englischen und französischen Ansichten in Uebereinstimmung zu bringen, und es bedürfe gerechtfertigt sein, zu pro phezeien, daß der Abschluß eines Kompromiß ses sehr wahrscheinlich ist und damit ein Ausgleich in der Reparationsfrage, wenn auch in einer fernen Zukunft, in Aussicht steht. Im Verlaufe der Verhandlungen wird ein vorläufiges Ueberein- kommen zwischen Frankreich, Deutschland und Eng land erzielt werden, und nachher kann in einer bes seren Atmosphäre der Verständigung das Problem der Reparationen mit bester Aussicht für eine Lösung in Angriff genommen werden. Es ist immer wahr- scheinlicher, daß, wenn nun einmal eine offene Aus sprache zustande kommt, ein Ausgleich erzielt wer- den kann, jedenfalls ist jetzt der ehrliche Wunsch zu verhandeln vorhanden. Die Bedingung der Pariser Regierung, den passiven Widerstand im Ruhrgebiet anfzubeben, bietet keine unffver- windliche Schwierigkeiten. Die Aussichten einer Verständigung sind heute besser, als sic in den letzten sechs Monaten jemals gewesen sind." wachsende Neigung zum verhandeln London, 14. Juni. (Eig. Tel.) Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph will wissen, daß die englische Regierung folgende Fragen dem belgischen und dem französischen Kabinett zur Be- antwortung übersandt hat: 1. Eine genaue Umschreibung dessen, was in Frankreich unter dem Begriff des „passiven Wi derstandes" verstanden wird. 2. Die Art, in der Frankreich bereit sei, die zur Zeit ausgeübte Desatzungspolitik auf politi schem und wirtschaftlichem Gebiet zu verändern, wenn eine Entspannung der Lage eintreten würde. 3. Wie lange gedenken Frankreich und Belgien das Ruhrgebiet besetztzuhalten? 4- Die volle Handlungsfreiheit der deutschen Industrie und Verwaltung muß wieder- herge stellt werden, ohne die die Produktions fähigkeit des Ruhrgebiets nicht ihren vollen Umfang erlangen kann. Die Daily Ehronicle und andeutungsweise auch einige andere Zeitungen ergänzen diese Aufstellung durch folgende Frage: „Würde Frankreich, wenn Deutschland mit seinem passiven Widerstand aufhört, bereit sein, einen Reparationsplan in Erwägung zu ziehen, der wahrscheinlich die Zustimmung aller Alliierten finden würde?" Diese Fragestellung läßt erkennen, wie wenig in maßgebenden Kreisen jemals Neigung vorhanden gewesen ist, die englisch-franzö- sischen Meinungsverschiedenheiten zu einem Bruch zu erweitern. Eine starre und unversöhnliche Haltung ist nie Sache der englischen Regierung gewesen. pari» lenkt ein KanzleiHesprechnngen, keine Konferenzen Pari», 14. Juni. (Eig. Tel.) Im Anschluß an das gestern übergebene englische Dokument über die Besetzung des Ruhrgebietes und die Regelung der Reparationen, das der französische Botschafter in London in den Abendstunden vom Foreign Office erhielt, erwähnt der Petit Parisien, daß der Meinungsaustausch zwischen London, Pari, und Brüssel nunmehr über die Gesamtheit der Probleme, die mit der Besetzung de« Ruhrgebiets und den Reparationen Zusammenhängen, fort- gesetzt wird. Marcell Ray im Petit Journal glaubt zu wissen, daß Poincarö unter dem nötigen Vorbehalt gegen- über einer Befragung von Sachverständigen nicht mehr systematisch den Gedanken einer Sachverstän- digenkonfecenz von der Hand weise, unter der Vor aussetzung, daß die Vollmachten- dieser Sachverständigen und das Programm ihrer Diskussion von vornherein genau ab- gegrenzt würde und daß die Einberufung nicht -atHftrde, beaor -t» diplomat^ch« Berständigmyz der Alliierten erreicht sei. Auch müssen natürlich die deutschen Sachverständigen ausgeschlossen bleiben. Im allgemeinen glaubt Dtarcell Ray, daß der Ge sichtspunkt des französischen Kabinetts nunmehr der folgende ist: Frankreich, das selbst nach dem Abbruch der Verhandlungen im letzten Januar nie mals aufgchört hat, den Meinungsaustausch mit London über die laufenden Geschäfte fortzusetzen, ist geneigt, mit England auf diplomatischem Wege über die Neparationefrage zu spre ch e n. Schriftliche Roten werden infolgedessen durch die Kanzleien bi» zur vollkommenen Klärung der gegenseitigen Stellungnahme ausgetauscht werden. Diese Unterhaltungen können eine gewisse Zeit an dauern, vielleicht mehrere Wochen, und erst wenn sie beendet sind und wenn ein Erfolg vorliegt, könncn die Entscheidungen über eine Antwort oder gemein same Mitteilung an Deutschland über eine Sach- verständigenkonfercnz und schließlich vielleicht über eine interalliierte Konferenz getroffen werden. In der vorhergehenden Periode werden keine Minister konferenzen stattfinden. Pari», 14. Juni. (Eig. Tel.) Die englische Regierung hat den Botschaftern Frankreichs und Bel giens zur Weitergabe an ihre Regierungen Frage bogen eingehändigt, um aus diese Weise vor end- gültiger Stellungnahme eine genaue Auskunft dar über zu erlangen, wie Frankreich und Belgien sich i die Einstellung des deutschen Wider- ! standes und die Räumung des Ruhrge ibiets denken. In Pari« wird dieser englische Schritt als Entspannungssymptom begrüßt und al, i vorläufiger Verzicht des Londoner Kabinetts auf ! endgültige Beschlüsse als Beweis dafür betrachtet, daß England aufrichtig die Wiederherstellung der alliierten Einheitsfront wünscht. Es ist jetzt so gut wie sicher, daß Frankreich nicht mehr auf einer bedingungslosen Kapitulation Deutsch lands besteht, sondern zum Abschluß de» von Eng land gewünschten Waffenstillstandes bereit ist. Ferner scheint Frankreich unter belgischem Einfluß auf den Plan zur direkten Ausbeutung des Ruhrgebiet» ver zichtet zu haben.' Die Verhandlungen über die Ge samtregelung werden sich nach der in Pari« vor herrschenden Ansicht immerhin noch sehr schwierig gestalten. Man hält es für möglich, daß di« Ver bündeten wochenlang unter sich verhandeln müssen, ehe sic nach Ausarbeitung eines gemeinsamen Pro gramms in Einzelverhandlungen mit Deutschland eintretcn können. Daß «der die Lösung der Repara- tionsfrage nun in absehbarer Zeit zu erwarten ist, daran zweifelt niemand mehr. Zu den Londoner Meldungen über die Möglichkeit siner Zusammenkunft zwischen Baldwin und Poin- carö wird bemerkt, der französische Ministerpräsident sei bereit, eine intime Aussprache mit dem englischen Ministerpräsidenten herbeizuführen. Frankreich könne sich vorläufig aber nicht auf groß aufgemachte Kon ferenzen einlaflen. Kritik an Mussolini Rom, 14. Juni. (Eig. Tel.) In der heutig« Sitzung des Senats erwiderte Senator Albertini, der Besitzer des Lorriere della Sera, als erster auf die Rede Mussolinis. Seine Rede kann als Ausdruck für die Gedankengänge weiter demokratischer Kreise gelten. Albertini be stritt, daß es möglich sei, durch eine Gewaltherrschaft die allgemeine Zustimmung des Volkes zu er zwingen. Praktisch sei ein Saat, der die Zustim mung ' auf dem Wege der Gewalt suche, ein Staat ohne Gesetz, da die Opposition durch kein Justi»lnftem geschützt sei, sondern von der Generosität der Re- gierung abhänge. Albertini erinnerte daran, daß in einem monarchischen Staat der Souveräner dem Volke gegenüber den Eid abgelegt hat, die Verfassung zu schützen. Er, Redner, fragte, warum Mussolini, der doch so viel Zustimmung selbst unter den Gegnern finde, diesen nicht mehr Achtung entgegenbringe, wo- durch es ihm doch leicht werde, auch mit der Oppo- sition auszukommen? Es sei gefährlich, da» ober flächliche Gefühl der Ruhe, mit dem Ge fühl eines wirklichen Wohlbefinden« zu verwechseln. Schließlich erinnerte Albertini an die Worte Eavours, daß die schönsten Revolutionen immer verdorben worden seien durch jene Revolutionäre, die sich von den allgemein geltenden Gesetzen freimachen wollten, um eigene Gesetze zu schaffen. Die Rede Albertini» wurde trotz ihrer gemäßig ten Form häufig unterbrochen. Al» Alberini an die Worte Mussolini» erinnerte, der den Gegnern „eben noch das Recht zu murmeln" einräumen wollte, unterbrach ihn der Senataprästdent Tittoni mit den Worten: „Sie erbringen selbst den Beweis dafür, daß dem nicht so ist." In Besprechung de» finanziellen Exposee» waente Albertini davor, Anstrengungen zu machen, um den Kur» der Lira zu hebe», da hierdurch die schärfsten Komplikationen für di« italienisch« Wirtschaft — ähnlich der tschechisch« Kris« WiKchm »«et«,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite