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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration?- Preis 22^ Sgr. (1 Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der PreuSüchen Monarchie. Magazin für die Man xränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zeitung i» Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im AuSlandc bei den Wchilöbl. Posi - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 46 Berlin, Montag den 17. April 1837. Spanien. Physiognomie von Madrid. Noch am die Mine des sechzehnten Jahrhunderts soll Madrid ein kleiner armseliger Ort gewesen scy», der willen in den Wäldern lag, von welchen bastiiien damals bcdcckl war. Dieser Orl dienle den Herren vom Hofe zuweilen als ein Jagd-Rendezvous. Die von den Mauren lange verhinderte freie Entwickelung der Spanischen Monarchie war bis dahin noch nicht einmal so weil gediehen, daß dem Reiche ein Minelpuukl angewiesen werten konnle. Nach der Bereinigung von Eastiücn und Aragonien schien es, als wollle der Hos sch sür immer in Toledo Niederlagen, bis Philipp II. zur Herrschasl kam. Dieser Monarch jaglc zuweilen in der Gegend von Madrid; er gefiel sich hier und lehrte öfter dahin zurück. Spater vergrößerte und verschönerte er diesen Aufenthalt, und endlich verlegte er seine Residenz dahin. Seit dem ist Madrid die Hauptstadt der Spanischen Könige geblieben. Aber schon der erste Anblick dieser in ihrer Art merkwürdigen Hauptstadt zeigt, daß nur rin Königlicher Wille und nicht das Pedürfniß sic in dieser an allen HülfSquellen so armen Gegend ins Dascpn gerufen habe. Der Ursprung der meisten Europäischen Hauptstädte ist in Dunkel gehüllt und verliert sich im grauen Alterthum. Eine günstige Lage, die nach und nach eine zahlreiche Bevölkerung anlockie, politische Kon junkturen, die Gründung einiger gelehrten Institute und am häufigsten alle diese Umstände zusammen erwarben jenen Städten eine wirkliche Suprematie, die sie schon besaßen, ehe man daran dachte, ihre Ansprüche zu bestätigen. So war es mit Rom, Paris, Wien, London, Neapel. Nur Berlin und St. Petersburg mache» eine Ausnahme von der Re gel; aber diese beiden Hauptstädte, von zwei große» Männern in zwei ausblübendcn Staaten gegründet"), waren wenigstens die Zeugen der politischen Machlentwickelung beider Nationen, deren Eentrum sic sev» sollten; sie dienten, gleich den Ländern Preußen und Rußland, als sprechender Beweis dafür, daß ter Genius nicht erst die Probe der Jahrhunderte zu bestehen braucht. Zum Unglück sür Spanien war cS kein Herrscher von überlegenem Geiste, der seine Hauptstadt ins Dasehn ries, sondern ein finsterer, egoistischer Monarch, dem die Befriedigung seiner Grille» viel mehr, als der Ruhm seines Landes am Herzen lag. Es ist gar nicht zu ver kennen, daß diese unzweckmäßige Wahl einen schädlichen Einfluß aus die Spanische Nation gehabt Hal: Spanien ist von mehreren unter sich sehr verschiedenen Völkern bewohnt, die durch Gebirgsketten, durch ihre Neigung zu einer seßhas- len Lebensweise, ihre geringen Bedürfnisse und die Fruchtbarkeit eine« Boden«, hex Alles erzeugen kann, seit alter Zeit isolirt sind. Hätte dieses Land nun durch den Genius seiner Fürsten eine zum Handel glücklich belegene Hauptstadt erhalten, die den Rcichlhum, die ganze Energie und die Betriebsamkeit der Provinzen zu sich berufen konnte, um ihnen Alles i» noch höherem Maße und besonders mii dem Stem pel der nationalen Einheit zurückzugcbcu, so würde vielleicht dieser ein zige Umstand viele von den Hindernissen besiegt haben, welche die Eon- siguralicn des Boden« und die Verschiedenheit der Nationalitäten dar- bielel. Nun aber konnle Madrid, wegen seiner Lage in den nackten Ebenen Easiiliene, sern von jedem großen Flusse und im Mittelpunkt einer Bevölkerung, die Vielleich, die indolenteste aus der ganzen Halb insel ist, weder zu kaufmännischem Wohlstände, noch zu einem durch diesen Wohlstand bedingten Einfluß auf die Provinzen gelangen. Von einer anderen Seite riesen die berühmten Universitäten zu Alcala und Salamanca die lernbegierige Madrider Jugend au« dem Schooße ihrer Vaterstadt, so daß Madrid, der HülfSquellen de« Handel« und der Ge lehrsamkeit beraubt, zur Begründung seine« Uebergcwicht« nur da« sehr unzureichende Privilegium balle, dem Hose und dem Monarchen als Residenz z„ dienen. Dies fühlen die Madrider auch sehr wohl; so olt sie von ihrer Stadt reden, sagen sie nicht etwa: diese Stadl oder Hauptstadt", sondern „dieser Hos" («st» oorle). Noch verdient be merkt zu werden, daß, seit Philipp'S V. Zeit, Frankreich am Spanischen Hose den Ton angegeben bat und Madrid also nicht einmal dec Brennpunkt der Künste de« LurnS werte» konnte, wie die meisten übrigen Hauptstädte. Alle diese Tbalsachen dienen zur Beantwortung der Fragen, warum in Spanien die Bewegung »ie von einem Mittelpunkte ausgebt, warum die Provinzen Alles thun, immer die Initiative ergreifen und ter , Berlin soll also eben so von Friedrich gegründet kenn, alS St. Peker« bürg von Peter dem Groben! Mau steht, daß es dem Franiöstschen Ver taner aus eenen Anachronismus von sünchnndert Jahren nicht a»komn>t. Hauptstadt am Ende nicht« übrig bleibt, al« Amen zu sagen? Sowohl Provinzen als Individuen erkennen nur ein Supremat an, da« mit wahrhafter Ucbcrlegcnheil verbunden ist. Wo will man aber diese in Madrid suche»? Der Handel ist so gut als null; von den gelehrten Anstaltcn weiß man kaum, daß sie cristircn, und da« Theater Hal wenigsten« kcinen Vorzug vor denen zu Barcelona, badix u. s w. Zwar Hal die Regierung in Madrid ihren Sitz; gcsälll cs ihr aber, etwa morgcn eine andere Residenz zu wählen, so ist Madrid nicht« mehr. Diese Stadt besitzt also keine wahre Vorzüge, womit sie große Ansprüche rechtfertigen könnte. Auch grollen ihr die Provinzen gar nicht wegen ihrer künstlichen Supcrioriläl. Madrid schickt ihnen Feld herren; sic bcbaltcn dicsclbc» und stellen sie, wenn cs ihnen (den Pro vinzen) cinsällt, zu rebclliren, in« Vorderlreffen. Bei jeder wichtigen Gelegenheit gebe» sie sich selbst eine Verwaltung, besorgen sie selbst ihre Geschäfte und gehorche» sie ter Hauptstadt nur, wenn sie noch etwa« guten Willen übrig haben. Auch verdient cs Beachtung, daß Madrid, im Falle einer Invasion, immcr zuerst untcrlicgl, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es hier leine große Interessen irgend einer Art zu verihcidigcn giebt. Die überwiegende Klasse in Madrid bilden die Beamten, die allcrwärt« ein sehr friedfertige« Tewpcramenl haben. Lassen wir aber jctzl die politischen Betrachtungen bei Seite; gehen wir in die Stadl und studircn wir ihre Physiognomie. Madrid liegt in einer großen Hochebene, die im Norden von dem Gebirge Guadarrama, an jeder anderen Seite aber nur vom Horizonte begränzt wird. Wer au« Aragonien kommt, dem erscheint bastiiien nur als eine Fortsetzung jener öde» und lraurigcn Provinz. Der Boden ist zwar ungemein fruchtbar; er trägt fast Alle« ohne Anbau; aber die Bauern haben hier zu Lande einen so eingefleischten Haß gegen jeden Baum, daß man, zwei oder drei kleine Oliven-Haine abgerechnet, von der Französischen Eränzc bis Madrid vielleicht kaum ein halbes Dutzend Bäume anlrifft. Durch ein sehr schöne« Thor hältst Du in Madrid Deinen Einzug; e« ist das Alcala-Thor, da«, gleich den meisten übrigen Bautcn von Bedeutung, Karl III. seine Existenz verdankt. Die Alcala-Straße, eine große und prachtvolle, an beiden Seiten mit schönen Hotel«, Kaffee häuser» und Staats-Gebäuden besetzte Siraßc, führt Dich zu der be rühmten Puerta del Sol, einem langen öffentliche» Platze vor dem Post-Hause, in welchen vier der volkreichsten und bedcutendstcn Straßen auklauscn. Aus dem großen Platze steht eine Fontaine; ein gewaltig großes Zifferblatt am Giebel einer Kirche, da« jeden Abend erleuchtet wird, zeigt der Meiischenmcnge, die sich hier herumireibl, Zeit und Stunde an. Was lhut man hier? Wenig mehr al« Nicht«; man plaudert, geht auf und ab, erzählt sich Neuigkeiten, die man weiß und nicht weiß; mit Einem Worte, die Pucrta del Sol ist die Börse der müßigen Leute und der NcuigkcilSkrämcr von Madrid. Außerdem ist sie das Stadtviertel z>ar exovllonce; jcder Ausruhr Hal hier seinen Ausgangspunkt, jedes Extrablatt wird hier zuerst auSgernfeii. Hätte die Puerta del Sol noch einen Basar und Garten, so könnte sie da« PalaiS-Roval von Madrid heiße». Ein Fremder, dcr nur zwei Stunden hier verweilt, bat Madrid in Miniatur gesehen. Am Abend bezieht sich ganz Madrid nach dem Prado, diesem großen Salon sür die Gesellschaft dcr Hauptstadt. ^Man geh, hier spazieren, man begrüßt sich, man stellt einander seine Freunde vor, man schwatzt und schmäucht Zigarren. Hier siebst Du, was Du in keinem anderen Lande sehen kannst, den Wasserträger (a-ruastor) »nd den Kutscher seine Zigarre an der eine« vornehmen Grande» anzünden, den er vorher darum böslich begrüßt bat. Da« Interessanteste aber, wa« man hier beobachten kann,'sind die schöne» Frauen-Trachten und die noch anmuthigcren Gesichter. Ich bin weit entfernt, zu bezweifeln, daß c« in Frankreich viel mehr und bessere Politiker giebt, al« in Spanien; cS ist aber nicht weniger gewiß, daß mau auf dem Prado in einer Viertelstunde mehr hübsche und schöne Frauen sicht, als die Tuileriecn in acht Tagen ausweisen können. Mehrere Stadtviertel von Madrid sind mit Pracht und Luxus ge baut; die Straßen Alcala, Atocha, Monlcra, San Bernardo, Toledo, balle Mayor würden selbst in Paris nur wenige ibre« gleiche» finden. Alle diese Straßen haben ei» modernes und herrschaftliche« Ansehen, da« noch besser gefiele, wen» hj„ »»d wieder ein ehrwürdiger alter Bau ihre monotone Schönheit unterbräche. Zwei Dinge sind c«, an denen e« in Madrid vorzugsweise gebricht: Erinnerungen und geschäfti ge« Leben. Weder Vergangenheit noch Gegenwart kommen hier ge nügend zum Vorschein; man sollte fast glaube», die Stadt fev nur von Herzogen und Großen bewohn!. Es giebl dieser Herren allerdings Viele,