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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960428021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896042802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-04
- Tag 1896-04-28
-
Monat
1896-04
-
Jahr
1896
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Abend-Ausgabe Druck und Berlnq von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang M Dienstag den 28. April 1896. L „rst weniger geschickt als bitter, die Mutterliebe gilt dieser Verbindung nut einem jungen Edelmann, der noch Allgemeinen mehr al- jede andere für uneigennützig; ärmer al- verliebt ist, nicht begehren-werth genug, um ihnen > > Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. 216.— 214.— 216,10 645 486 510 «4 LUS- avei! Ke k St,Mk » » » r 101,— 96.50 102.30 103,80 36.50 102.30 103,80 87.70 103,25 153.90 16«,10 153.— 160,50 111.25 83,60 98,10 116.25 108.75 103,80 95.75 59 — 105,70 ivscd. b'usioa in per >,SV ^c. r llLi scheint die französische Minislerkrise ihrer 567,50 63,15 486 - 26,87-2 .15,— I Wieder einmal werden von Blättern, die sich den An schein geben möchten, als ob sie das Gras wachsen hörten, und die ihren Lesern mehr Geschmack an sensationellen Ge rüchten als an Thatsachen zutrauen, allerhand Krisengcrnchte colportirt und evmmentirt. Allen diesen Gerüchten wird heute in der „Magdeb. Ztg." folgendes kategorische Dementi entgegengestellt: „Die jetzt vielfach verbreiteten Gerüchte über eine Reichs- kanzlerkrisiS entbehren der thatsächlichen Begründung; daß innerhalb des Ministeriums Meinungsverschiedenheiten über manche Dinge herrschen, ist kein Geheimniß; es ist aber eine arge Ueber- treibung, wenn diesen Differenzen eine jo erhebliche Bedeutung beigemessen wird, daß der Rücktritt eines oder des anderen Ministers in Frage käme. Boni Kriegsminister Bronsart von Schellendorf ist bekannt, daß er keineswegs an seinem Amte klebt, und sollte die Angelegenheit der Reform der Mi litair- strafproceßordnung wirklich eine Wendung genommen haben, die es ihm unmöglich machte, länger im Amte zu bleiben, so würde er keinen Augenblick zur Einreichung seines Abschiedsgesuches ver loren haben. Das hat der Minister aber thatsächlich nicht gethan. Der Vollständigkeit halber mag erwähnt sein, daß auch die Stellung des Handelsministers v. Berlepsch als erschüttert bezeichnet wird; auch hier hat man es ausschließlich mit einem Niederschlag von un begründeten Gerüchten zu thun." Die Rückkehr des Kaisers nach Berlin wird Gelegenheit wenn vaS Verhältniß beider Reichshälften iu Zu- noch unerquicklicheres werden wird, als cs letzt 108.70 103 80 99.70 88.70 5230 Anzeigen.Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reelamen unter dem Redactionsstrich (-ge spalten) 50 vor Len Familiennachrichtrn (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Annahmeschluß lur Anzeigen. Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annadmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Ne-actio« nn- Expedition: Johanne»,affe 8. Die Ex-edition ist Wochentag» »»unterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend- 7 Uhr. 76.60 134 75 135,25 91.50 121.40 91,30 148.— 202,— 153, - 287,50 126. - 112,75 283. - 67,50 77,— 101. — 102, — für die Ungiltigkeit sprechenden Thatsachen, immer voraus gesetzt, daß der Gewählte über einen Candidaten der Mehr heit Äuol Bebel-Czarlinski obgesiegt hat. Herr v. Börtlicher vertrat in der Frage der Beweiserhebung das gewöhnliche Recht, dieAbgg.Gamp und Marquardseu (nat.-lib.) wiesen die Unstichhältigkeit anderer für die Ungiltigkeitserklärung geltend gemachter Gründe nach — vergebens! Klerikale, Socialdemokraten, Freisinnige u. s. w. warfen das BrennuS- schwert der Mehrheit in die Waagschale, und die Wahl wurde cassirt, ebenso die des Abg. Holtz, dem ein Pole unter legen ist. Der heute im Reichstage ^beginnenden zweiten Lesung des Börsenrcforingcsctzcs haben zwei große Börsen organe Prologe vorausgeschickt, die nicht unbemerkt bleiben werden. Die „Neue Freie Presse" meint u. A., der Berliner Markt fürchte mehr die Debatte als die Reform, und der „Frankfurter Zeitung" wird aus Berlin ge schrieben: „Man sehnt den Tag herbei, an dem das Börsen gesetz entschieden sein wird, um endlich diesen Hemmschuh los zu werden. Inzwischen wird eine fieberische Tbätigkeit in der Einführung neuer Werthe an der Börse entwickelt, und ebenso aufgeregt benimmt sich dabei das Publicum. Jede Vernunft hört jetzt dabei auf, und wenn man Gelegen heit hat, einmal eine solche Ziehungsliste anzuseben, so muß man sich fragen, wie es möglich ist, daß sonst ruhige, solide Menschen unter das Risico so hoher Beträge ihren Namen setzen können." Wider Willen bestätigen beide Blätter die Nvthwendigkeit einer gründlichen Reform. Was das Schicksal der Vorlage betrifft, so wurde darüber, wie die „Post" meldet, während der gestrigen Wahlprüfungsdebatte in den Foyers lebhaft gesprochen. Ziemlich allgemein war die Ansicht vertreten, daß die Beschlüsse der Commission auch im Plenum eine Mehrheit finden würden. Ferner wurde, angeblich auf Grund genauer Ermittelungen bei den einzelnen Abgeordneten, gleich falls aus eine Mehrheit, wenn auch nur eine kleine, für das Verbot des Term in Handels in Getreide und Mühlenproducten gezählt. Auf der agrarfreundlichen Seite des Hauses wollte man mit Bestimmtheit wissen, daß die verbündeten Regierungen die Vorlage an der Annahme dieses Verbots nicht scheitern lassen würden. Filialen: Htto Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, Loni» Lösche, Kstharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. 143.75 105,50 120.75 158,25 12S,— 58.50 83.— 78,75 105,SO 82'i 64'. 26'« 98'. 8650 11140 14675 124. - 187.40 120.50 30925 204.40 85.— 166. - 104.50 Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ° 611. s SO'. > V» I 31's r. a. L s ir a.! u i>. e. o -kets- <26 4) v«rik. Mple e wpksr Noiu- LLrck 0ooi^ »pker Heute Lösung nahe. Nachdem Sarrien erkannt batte, daß die feint lichen Parteien nicht zu einem .Versöbnungsunnisterium zusammenzuschweißen seien, Hal er die ihm von Faure an vertraute Mission definitiv in dcfscti Hände zurückgcgebeu, und Mölin e erscheint wieder auf ter Bildfläche als der immer bereite Ministercandivat. Obwohl von radicaler Herkunft, ist er mit der Zeit doch so abgeblaßt, daß er von Faure zur Bildung eines rein gemäßigt-republikanischen Cabinets herangezogen werden kann. Ueber die Erfolge Möline's gehen uns folgende Meldungen zu: * Paris, 27. April. Moli ne hatte Unterredungen mit Billoi, Barthou, Hanotaux und Cochery. Faure empfing Hanotaux und drang lebhaft in ihn, das Portefeuille des Aeußeren au- zunehmen; man glaubt, daß Hanotaux annehmeu wird. Sehr wahrscheinlich wird die Bildung des neuen Cabinets morgen zu Stande kommen, aber erst spät am Tage, so daß Las Ministerium erst Mittwoch oder Donnerstag vor die Kammer treten wird. Von 186.50 lU 142,50 217,25 85,— 67.— 219.—^ 124,— 347,— Irl 122,75 74,— 67,— 9,54'- 137,25 244,75 56,60 :dskll — 82,50 9940 > 58.80 120.20 . 47.77's 9.54 58,80 . 1.27'. 115,— 283,— rk Ltalr- Polittsche Tagesschau. * Leipzig, 28. April. Der Reichstag hat gestern abermals aus Anlaß von Wahlprüfungen seines „Richteramtes" gewaltet, und abermals präsentirte sich dabei Themis ohne Binde vor den Augen. Es handelte sich um die Wahl des Abg. Pö hl- mann, der in Schlettstadt, wo er Kreisdirector ist, gegen einen klerikalen Elsässer gewählt war, also von den Präsidial parteien nothwendigerweise zum Mandatverlust verdammt werden mußte. Die in dem Protest gegen seine Wahl und im Reichstag behaupteten Thatsachen waren theilS nicht er wiesen, theils nicht von der Art, daß sie die Uugiltigkeits- crklärung hätten rechtfertigen können. Weder war Pöhl- mann's Candidatur eine officielle nach Art der Napoleo nischen — der Staatssecretair v. Börtlicher legte ent schieden Verwahrung gegen die Angabe ein, daß solche Candidaturen im Elsaß vorkämen —, noch ist der nach der Wahl auf Grund des Gesetzes seines Amtes enthobene Bürgermeister Spieß von Schlettstadt der einzige Bürger meister des Wahlkreises gewesen, der ein Circularschreiben für Pöhlmann nicht unterzeichnet hatte. Auch die Behaup tung, daß die Bürgermeister dieses Schreiben durch den Gemeindeboten zur Sammlung von Unterschriften hätten umhertragen lassen, erwies sich unbegründet, und was den Bürgermeister Spieß angeht, so hat die Beweisaufnahme ergeben, daß die Amtsentsetzung nicht mit seinem Verhalten bei der Wahl im Zusammenhang steht. Spieß hatte sich unverträglich und als fanatischer Französling gezeigt nnd seinen Sohn vor Erreichung deS militairpflichtigen Alters nach Frankreich auswandern lassen; er darf sich also dem be kannten Herrn Haas, den jetzt wieder die theure französische Erde trägt, ohne Ueberhebung an die Seite stellen. Diese Umstände lassen die Amtsenthebung sehr begreiflich erscheinen und können nur Verwunderung darüber erregen, daß sie nicht schon viel früher erfolgt ist. Als der Abg. Gamp <Rp.) den Abg. Simonis (Elsässer), während dieser den Fall Spieß in französische Beleuchtung rückte, mit einem gut charakterisirenden, aber starken Ausdruck unterbrach, rief ihn der Vorsitzende zur Ordnung — ein Verfahren, das für die Aufrechterhal tung der Disciplin des Parlaments gelegentlich unentbehrlich ist, aber an den Dingen, die „sind", natürlich nichts zu ändern vermag. Zm Commissionsbericht wird anerkannt, daß Herrn Pöhlmann's Auftreten als Candidat correct ge wesen ist. Aber er hatte sich doch vor der Wahl nicht un ausgesetzt zu Hause gehalten und sogar — man denke! — in Wählerversammlungen gesprochen, und das ist einem Candidaten aus dem Beamtenstande, wenn er nicht zum Centrum oder dessen Affiliirten gehört, nicht erlaubt! Außer diesem Factum schrie noch ein zweites zum Himmel. Die Gerichte hatten hei den vom Reichstag anqeordneten Beweis erhebungen über die Behauptungen des Wahlprotestes auch Zeugen vernommen, die nicht vom Reichstag benannt worden waren. Mit der tiefen Empörung, die den Edlen er zittern macht, wenn er das Reckt gebeugt sieht, donnerte der Abg. Spahn (Centr.) das Verdammungsurtheil über diese Ungeheuerlichkeit in den Saal, und die Gleichgesinnten stimmten ihm durch stürmische Zurufe bei! Nun ist das Präsidialparteienrecht für solche Fälle „gefunden". Es läuft darauf hinaus, daß nur der Kläger zum Beweise seiner Be hauptungen zugelassen wird, denn der Reichstag kann nur die Vernehmung solcher Zeugen anordnen, die der Wahlprotest genannt, also von den Gegnern des Gewählten vorgeschlagen sind; der Zweck der Beweiserhebung ist also nicht die Er forschung der Wahrheit, sondern der Beweis der behaupteten, darüber würde die Meinung der Welt zwischen Herrn d'Arton und mir nicht lange sich z«'entscheiden zögern!" „Aber ich versichere Sie, liebe Dame", sagte lachend die Marquise, „die Welt hält Sie durchaus nicht für die Mutter der Frau Baronin Martial; und, im Ernst, sollten Sie cs wünschen ? Was die Uneigennützigkeit meines Neffen anlangt, so ist sie so groß, daß der arme junge Mann noch vor vier zehn Tagen die wirkliche Lage der Frau Baronin gar nicht kannte. Ich habe ihn von einer Menge Einzelheiten unter richtet, nach denen ich mich erkundigt habe; denn Sie fühlen, daß man in meinem Alter nicht die erste Liebe, die einem zwanzigjährigen Schwärmer durch den Kopf geht, blind lings begünstigt. So kenne ich denn gewisse Dinge, die alle zu Gunsten der Baronin Martial sprechen, die vornehme Ge burt dieses reizenden Kindes, das so jung schon das Opfer habsüchtiger Leidenschaften war, die auf ihrVermögen speculirten; die zweite Heirath ihres Vaters, die, gestatten Sie mir, offen zu reden, gar Manchem hat seltsam scheinen können, ihre eigene Vermählung mit einem Mann, der sie wenigstens hinlänglich zu schätzen verstand, um den Wunsck zu hegen, sie dem ge waltigen Einfluß ui entziehen, der sie ihm zugeführt hatte. Ich fürchte nur, Madame, daß eö ihm nicht gelungen ist." Die lebhafte Röthe, von der Cecile in ihrem Zorn er glühte, verschwand nach und »ach, und der leise Anflug von Schminke aus ihren Wangen verbarg schlecht die Blässe, die ihr Gesicht bis auf die zitternden Lippen überzog. Sie raffle alle ihre Kräfte zusammen, um mit kalter Würde dem An griff zu begegnen, der sie in die größte Verwirrung setzte, und der peinlichen Lage ein Ende zu machen, stand sie auf und antwortete mit einem Tone voll Bitterkeit: „Sehr wohl, Madame, ich sehe jetzt, was sie meiner Tochter zu sagen gewünscht hätten; aber ich verspreche Ihnen Ihre getreue Dolmetschers zu sein und keinen Ihrer Be weisgründe zu vergessen. Sie soll wissen, daß, wenn sie all ihren Gefühlen Hohn sprechen will, denen für die Frau, die Mutterstelle an ibr vertreten hat und von deren Aufopferung sie sich hat überzeugen können, bis zu denen für den Gatten, den sie so schwach ist, mit ihrem Wittwen- schmerz zu ehren, sie nur der Neigung zu folgen braucht, die Madame de Cbalantzay in ihrem Herzen gelesen hat; sie hat daun nur in die Heirath einzuwilligen, vie man ihr vor schlägt. Indessen erscheinen ihr vielleicht die Annehmlichkeiten BezugS-Pret- m der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aut- Ladestellen abgeholt: vierteIiahrlich./l4.50, vei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» b.50. Durch die Post bezogen für Deutschland ui d Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandjendung in» Ausland: monatlich 7.50- ihre Freunde, ihre Unabhängigkeit und ihr Vermögen auf zuopfern." Die Marquise war ebenfalls aufgestanden und hatte Madame de Lubersac mit verbissenen Lippen angehört. Als Cecile zu Ende war, schwieg die alte Dame einen Augenblick; dann erwiderte sie ruhig und besonnen: „Ja wohl, ich glaube, daß Sie alles das sagen werden; das will heißen, Sie werden nickt ohne Gewandtheit aus meinen Worten allen Nutzen ziehen; nach Allem aber, denke ich, würden Sie gewiß zu demselben Resultate gelangt sein, wenn ich Ihnen diesen Vorthcil auch nicht gegeben hätte. Somit erwarte ich denn, werthe Madame, ohne große Un geduld die versprochene Antwort, deren Inhalt ick schon im Voraus kenne, und bitte Sie um Verzeihung, Sie so früh mit einem Besuch gestört zu haben, der ebenso wenig an genehm für Sie wie für mich ist." Mit diesen Worten grüßte die Marquise Madame de Lubersac, die ibr mit oer stolzen, triumphirenden Miene eines Generals, der Herr deS Schlachtfeldes geblieben ist, daS Geleit gab. Sobald sie allein war, wollte sie ihren Sieg ausbeuten und ließ Antonine bitten, zu ihr zu kommen. Wir wollen ihr nicht in dieser Unterhaltung folgen, bei der sie ihre ge wohnte Geschicklichkeit entfaltete und aufs Neue einen ent scheidenden Erfolg errang. Wir wollen nur sagen, daß Antoninen's Thränen, ihre Niedergeschlagenheit, der Wider wille, mit der sie die Verdächtigungen ihrer Stiefmutter betreffs der Marquise aufnahm, und der entschiedene Wider stand, den sie denselben entgegensetzte, wenn von Maxence die Rede war, Madame de Lubersac mit dem Gedanken er füllten, daß die Gefahr, der sie entging, weit ernster war, als sie anfangs geglaubt hatte. Als Maxence zu seiner Tante kam, um sich nach dem Erfolge ihres Schrittes zu erkundigen, fand er die alte Dame tief in ihrem großen Lehnstuhl versunken und so eifrig mit dem Stricken beschäftigt, wie sie gar nicht gewohnt war. „Ah, da bist Du? Guten Tag!" sprach sie, indem sie die Augen zu ihm ausschlug und sich dann wieder an die Arbeit machte, als wenn es für sie von der größten Wichtigkeit gewesen wäre, ihre arme Nadel von der Wolle zu befreien, die um sie berumgewickelt war." Diese Einleitung versprach nicht« Gutes. Maxence setzte sich schweigend nieder, dann sprach er mit einer von Bewegung fast erstickter Stimme: „Sie hatten versprochen, liebe Tante, eine» Schritt »u thun, ... der Baronin Martial einen Besuch zu machen/" Der Roman einer Schwiegermutter. Fräulein I. de Saint-Aignan uacherzählt von H. Semmig. 4s Nachdruck verdaten „Ich hätte sie gern von ihr selbst erhalten, liebe Dame", betonte die Marquise, entschlossen, in die ironische Kälte und daS geschickte Manöver der Frau de Lubersac eine Bresche zu legen. „Sie scheinen sich im Voraus eine so feste Meinung darüber gebildet zu haben, daß ich fürchte, sie wird sich auch Ihrer Frau Stieftochter aufbrängen." „Man müßte sehr ungläubig sein", antwortete Cöcilc im Innern verwirrt, aber mit hochmüthigem Lächeln, „wenn mau an der vollkommenen Freiheit der Baronin Martial zweifeln wollte; ihre Stellung, ihr Vermögen machen sie durchaus unabhängig." „O, mein Gott, ich weiß es wohl, verehrte Frau", fuhr die Marquise fort, um den eben errungenen Vortheil zu be nutzen. „Die Frau Baronin kann Alles machen, was sie will; aber, gestehen Sie mir, kann man nicht versuchen, sie wollen zu machen? Eine einflußreiche Freundin bat so viele Mittel, um eine Person zu leiten, deren Schwächen, Bedenklichkeiten und zarte Empfindsamkeit sie kennt, und wenn zufällig ein mächtiges Interesse diesen geheimen, unwiderstehlichen Hebel in Bewegung setzte . . ." „Ich . . . Madame", unterbrach Cecile, durch diesen direkten Angriff in Aufregung versetzt; „und welches Interesse könnte ich haben?" „Ein Interesse des Herzens, liebe Dame", fuhr die un barmherzige Marquise fort, ohne in Verwirrung zu gerathen, und bediente sich auch weiter der traulichen Anrede, unter der sie die stolze Cecile in stiller Wuth sich krümmen sah; „ein Herzensinteresse . . . oder ein andres. Es ist etwa« Schöne«, zu herrschen, und man hat oft die ersten Minister sich abmühen sehen, die glückliche Zeit zu verlängern, während deren sie über die königlichen Domamen verfügten." „Ihre Bemerkung, Frau Marquise", sagte Cecile, roth vor Wuth, und richtete dabei ihre Augen fest auf die alte Dame, „ist weniger geschickt als bitter, die Mutterliebe gilt i« — - - rechtsten und ausschlaggebenden Factor förmlich anerkennt, an die Loyalität und den Patriotismus Lueger'S, dem nun Niemand mehr Illoyalität und dergl. vorwerfen kann, hat er dock ein kaiserliches höchsteigenhändiges Patent aus das Gegentheil, auf alle Bürgertuaenden, die man einem Stadthaupt nur wünschen kann. Der Ausgang ist kläglick, aber es war kein zweiter denkbar, wenn Wien nicht aus Jahre hinaus der communalen Spitze beraubt sein sollte, ein Mißstand, der sich erst letzthin beim Besuch des deutsckcu Kaisers höchst peinlich fühlbar gemacht hatte. Wie gemeldet wird, werden bereits die Gemeiuderäthe Kupke und Strohback und der Abg. Professor Schlesinger als erste Bürgermeister candidaten genannt, auch wird behauptet, es sei beabsichtigt, Lueger im Herbst wieder zum Oberbürgermeister zu wählen und eS sei ihm für den Fall die kaiserliche Genehmigung in Auösickl gestellt, daß er bis dahin in seiner Amtsführung keinen An stoß gegeben habe. DaS wäre der völlige Sieg der klerikal- antisemitischen Partei in Wien, den man, was durchaus nickt unwahrscheinlich, in gewissen Hofkreisen schon längst herbe: gewünscht haben soll. Im liberalen Lager ist man noch nickt zu einer bestimmten Haltung dem Unvorhergesehenen gegen über gekommen. Ein Theil schäumt vor Wuth gegen das Cabinet Badeni, ein anderer ist völlig deprimirt und wirst die Flinte ins Korn, ein dritter tröstet sich damit, daß nun endlich die Probe auf die „Negieruuqsfähigkeil" des Anl: semitismus gemacht werden könne, oer zweifellos in aller Kürze sich abwirthschaften werde. So rasch wird das srci- lich nicht gehen. Wie wir s. Zt. schon ausführten, werden die antisemitischen Katze», wenn sie sich in den Bürgermeister- Fauteuils eingerichtet haben, die Krallen so lange wie möglich einziehen und durch Einführung der schreiend nöthigeu Reformen im Gemeinwesen, welche von dem liberalen Regime nicht zu erlangen waren, ihrerseits den Beweis führen, daß das Wohl der Gemeinde nur in ihren Händen gut aufgehoben ist. Dann wird die Einschmuggelung der klerikal-anti semitischen Geister sich schon von selber und ohne wesent lichen Anstoß vollziehen. Lueger ist zudem eine kenntniß- reiche, im communalen Leben großgewordene Kraft, die sich sicher allen Angriffen gegenüber gewandt, zähe und wider standsfähig erweisen wird. Am peinlichsten wird man in Pest er Regierungskreisen über den Triumph des Ungarn fressers Lueger berührt sein und man braucht sich nicht zu wundern, kunst ein schon ist. geben, die herrschenden Meinun^Sdifferenzen zu begleichen; erst dann, wenn der Begleichung Schwierigkeiten sich entgegen stellen sollten, würde von Krisen die Rede sein können. Während die „Nordd. Allg. Ztg." noch am Sonnabend es als selbstverständlich bezeichnete, daß die Behörden social demokratischen Aufzügen aus Anlaß der Maifeier „entschieden nnd nachdrücklich" cntgegentreten werden, hat, wie wenigstens im „Vorwärts" zu lesen ist, die Behörde in Delmenhorst «Oldenburg) „Vas Programm des Festzugs u. s. w." genehmigt. Die das Vereinswesen in Olden burg regelnde Verordnung enthält über Straßenauszüge keine Bestimmung, sie handelt nur von Versammlungen; da aber die Behörde den Straßenaufzug zu genehmigen hatte, so steht es außer Zweifel, daß sie ihn ver bieten konnte. Daß dies nickt geschehen, wird einiges Aufsehen erregen. Den Dank der Socialdemokratie hat sie sich turck die Erlaubniß anscheinend nicht erworben. Denn der „Vorwärts" bemerkt zu der Einschränkung, daß Frauen und Mädchen nicht mit rothen Regenschirmen und in rothen Strümpfen erscheinen dürfen: „Diese Verfügung scheint uns um so wunderbarer, als die rotbe Farbe bekanntlich gerade was Schönes ist." „Gerade wat Schönes" ist eine neuere Berliner Redensart, durch deren Gebrauch man seinem Gegenüber nicht gerade Respect ausdrücken will. Bemerkenswerth ist auch, waS der „Vorwärts" zu dem Beschlüsse der Lübecker Fabrikanten sagt, den 1. Mai nicht freizugeben und Zuwiderhandelnde zu ent lassen: „Ein Amtsrichter, Namens Wodick, hatte die Ver sammlung arrangirt. Was sich ein Richter um solche Sachen zu kümmern hat, entzieht sich unserem Auffassungs vermögen." Socialdemokratische Freiheit! Irgend ein „Genosse", der herausgcfunden hat, daß es sich von Arbeiter groschen besser und bequemer lebt als vom Arbeiten, darf sich in Versammlungen und in der Presse um Alles kümmern, und er kümmert sich mit Vorliebe um Sachen der Rechts pflege, freilich so, wie er die Sachen und daS Recht versteht. Aber ein Richter, der sich um die hochpolitische Angelegenheit der Abwehr deS ersten im großen Maßstabe unternommenen soeialdemokratischen Versuchs, eine Diktatur des „Proletariats", d. h. der Herren Singer u. s. w., zu etablireu, kümmert, der macht sich nach dem socialdemo- kralischen Auffassungsvermögen eines Uebergriffes schuldig. Vielleicht bringen die Herren die Sache im Reichstag zur Sprache. In der Wiener Bnrgermeisterfrage ist der Ausweg schließlich doch noch eingeschlagen worden, der, nachdem Gras Kielmansegg durch seine Indiskretion die Lage gänzlich ver fahren hatte, als der einzig mögliche noch frei blieb: der Verzicht Lueger's zu Gunsten eines antisemitischen Stroh manns, neben dem Lueger als der kaiserlichen Bestätigung nicht bedürfender erster Vicebürgermeistcr, thatsächlich das Stadtregiment führen wird. Soweit ist an der Lösung nichts Auffälliges, nur daß sie eben einen wenig ruhmvollen Aus gang für die liberale Partei, ein gänzliches Unterliegen der „communalen" Politik Badeni's und einen kaum minder glänzenden Sieg als die Bestätigung Lueger's für den Antisemitismus bedeutet; höchst auffallen muß dagegen das ungewöhnliche Hervortreteu des Kaisers, der seinem Mini sterium das Problem, welches dieses nicht zu lösen vermochte, aus der Hand nahm, um in persönliche Verhandlung mit Lueger zu treten und seinen persönlichen Einfluß in die Waagschale zu Wersen. Weicker Triumph, für den anti semitischen Parteihäuptling und dessen Partei! Der Kaiser appellirt, indem er den Antisemitismus in Wien als be- „Ia ... ja wohl! ... ich bin dort gewesen." „Und das Ergebniß?" „DaS Ergebniß ist daS gewesen, aus das Du gefaßt sein mußtest. Ich glaube, daß Du nicht gut etwas Anderes als einen Korb erwarten konntest." Nach diesen trocknen Worten und ohne sich, wie es schien, im Geringsten um den Eindruck zu kümmern, den sie auf den armen Maxence macken konnten, warf sich die alte Dame aufs Neue iu ihren Lehnstuhl zurück und das Geklapper der Holznadeln ließ sich lauter als je vernehmen. Wir brauchen nicht zu sagen, daß in der kurzen Zeit von vierundzwanzig Stunden Phantasie, Geist und Herz des jungen ManneS sich nicht tief genug unter das Joch der Vernunft gebeugt hatten, um keine jener thörichten und doch beglückenden Illusionen aufkommen zu lassen, unter denen die Seele des Verliebten so gern erschauert. Unwillkürlich halte er sich bei der Frage, die er an seine Tante richtete, einer süßen Hoffnung hingegeben, die nur zu grausam getäuscht werden sollte. Ein paar Minuten lang stand er wie nieder geschmettert, dann rief er bitter auS: „Also bleibt mir keine Hoffnung, liebe Tante?" „Von Seiten der Stiefmutter hast Du, denke ich, niemals welcke haben können", sagte die alte Dame mit demselben trockenen Tone. „Was dagegen die Tochter betrifft, so finde ich nickts verändert." „Aber wenn fie mich abweist?" sing Maxence wieder an. „Da hast Dn ihren Brief", sagte die Marquise wieder nnd warf ihm ein Papier zu, daS neben ihr auf dem Tische lag. Zitternd entfaltete Maxence das Billet, worin die arme Antonine mit ebenso unsicherer Hand einige verwirrte, un- zusammenbängende Phrasen gekritzelt hatte, die die Ehre der von der Marquise vorgeschlagenen Verbindung ablebnten, die Gründe, die sie zur Entsagung zwangen, schmerzlich aus- eiiiaudersetzlen, und aus allen Zeilen die geheime Empsindnng durchblicken ließen, der sie so mühsam widerstand. Vielleicht hatte Madame de Lubersac dies so zärtliche Billet nicht gelesen; vielleicht war sic über die Einzelheiten darin flüchtig binweggegangen. Maxence dagegen, empfindsamer oder hell sehender, drückte daS Blatt an seine Lippen, stand auf, um seine Aufregung zu verbergen, und sprach mit tief bewegter Stimme: „Ich danke Ihnen, liebe Tante; so schmerzlich auch diese« Billet abschließt, bringt es wir doch einigen Trost. Ich werde e- bewahren, und wen» ich mich einmal zu unglücklich fühlen nMttTaMalt Anzeiger. Ämtsölatt des königlichen Land- nnd Ämtsgeri^tes Leipzig, des Rathes nnd Polizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Neue Freie Presse eilung" wird aus Berlin ge- äg herbei, an dem das Börsen-
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