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LL für die Berlin, Mittwoch keu 17. Juni 1840. KUDO UW Man pränumcrirt auf dicseS Literaiur-Blatt i» Berlin in der Expedition der Allq. Pr. Staan-Zeitiing (FriedriedSsir. Ne. 72); in der Provinz so wie im Äuslanbe bei den Wodilöbi. Post - Aemtern. Eiacntlich soiuen wöchentlich nur drei öffentliche Sitzungen sc»n, diele Borschriit war ader langst vergelten, die Eraltirten vehaupkelen, das; tioße Erörterungen in den DitteanS den Patriotismus erkalteten, und so wurden ost an einem Tage zwei Sitzungen gehalten. Die Abend Sitzungen waren dann immer die heftigsten und lärmendsten. Wöa>en«ich erscheinen drei Nummern. Prannmeeations. Preis 22 h Sgr. Thlr.) oierteljädrlich, Z Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Frankreich. Die Nächt des vierten August 1789. Eine Scene aus dem ersten Jahre der Französischen Revolution. Von Joseph Droz. °) Die Erstürmung der Bastille am 14. Juli I78ü uns die grauzeuvolle Hmrichcung Berthier's uns Hvulon's am 22sten uno 23. Juli hatten dem Volke zu Paris auf das deutlichste bewiesen, was es hei der Ohnmacht der Behörden wagen durfte. Zahl reiche Unruhen in den Provinzen folgten, Plünderungen der adeligen Schlosser, unerhörte Mißhandlungen der Edcllcute und Gutsherren blieben ungestraft, die Abgaben wurden nicht mebr A bezahlt, Handel und Gewerbe stockten, und in der National-Ler sammlung wurde das Ucbcrgewicht der Demokratie nur zu sicht bar, als am 2. August der konstitutionelle Deputirtc Thonret die ihm übertragene Präsidenten-Stelle nieberlegrc und dieselbe mit großer Stimmen-Mehrhcit dem Demokraten Ehapeüer über tragen wurde, der sie auch sogleich unter dem lautesten Beifalle seiner Partei antrat. Die Häupter der Esnstitutionellcu ge istehen selbst"!, daß von diesem Tage an, wo Drohungen und Schreck va» Resultat einer gesetzlichen Abstimmung vernichteten, die siegende Partei Alles wagen, an nichts mehr verzweifeln durfte. Wir lassen nun den Französischen Geschichtschreiber selbst sprechen. Während diese Vcrbandlungcn die höchste Währung bcrvor- gerufeu hatten, vervielfältigten sich die Verbrechen in den Pro vinzen. Der Berichts-Ausschuß wurde durch die Nachrichten, g Forderungen und Klagen, die täglich zu seiner Kenntniß kamen, erschreckt und sprach sich am 3. August in der Versammlung w folgender Weise hierüber aus; „Das Eigeuthum der Einzelnen, von welcher Art es auch scp, ist die Beute der strafbarsten Räubereien; überall sind die Schlösser verbrannt, die Kloster ver wüstet, die Landhäuser geplündert. Die Abgaben, die herrschaft lichen Gefälle werden nicht mehr entrichtet. Die Gesetze sind ohne Kraft, die Behörden ohne Ansehen, die Gerechtigkeit'ist ein leeres Trugbild, die man in von Gerichtshöfen vergeblich sucht." A Der Berichterstatter forderte also die National-Versammiuug aus, Maßregeln gegen diese Unordnungen zu ergreifen und zu erklären, daß die Abgaben und jede bisher entrichtete Leistung nach wie vor sollten gebracht werden, bis die darüber bestehenden Gesetze abgcänvcrt wären. Diese Vorschläge führten eines der wichtigsten Ereignisse per Revolution herbei, vielleicht das wichtigst, von allen, wenn man auf die Folgen desselben sieht. Die Mitglieder der Minorität unter den Adeligen waren von den Leiden des Vaterlandes tief ergriffen. Der Herzog von Aiguillon trat mit mehreren seiner Kollegen zusammen; er stetste ihnen vor, daß vas Verlangen, sich den Erb und Lehusrechtcn der Gutsherren zu entziehen, die hauptsächlichste Ursache der E:- W bittcrung bei den Bewohnern vcS platten Landes sev, uns Saß also jedem anderen Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung AH notbwcndig die Befreiung von diesen lästigen und peinigenden Rechten vörangchcn müsse. Alic, mit denen er hierüber sich be sprach, theilten seine grGmAlsigkn Absichten und versprachen, winc Motion in der Versammlung zu unterstützen, worauf Aiguillon eine Denkschrift auffetzte und sic im Klub Breton" ) verlas, der sie mit der größten Begeisterung aufnahm. Der U Herzog von Aiguillon war der Sohn des früheren Ministers, und man hat ost gesagt, daß sein Patriotismus nur dir Folge seines Hasses gegen den Hof gewesen scy, an dem er sich wegen AuS der zweiten Ausgabe rce in diesen Blättern bereits mekreach erwähnten !Ii*luire «m XV I., le« »u Ion zu»uvi.it 6iliu,er la rcvolutiou hie ju Parts trn I.llrrc 18Z9 erschienen ist. ) Lally-Tolendal 1'. l. ^7. Mounier Axl'»«»« qui < «»r Pi,!,-.« l'tturmhlee ustionlOe I. p. ZI- "'t Der Bretagner-Klub war Vie Bereiniguna der alnhendsten und hestiasten ^relheirsfreundc und Hane tast alle vereinzelte Verlindunaen der burgerllchen Devutirten in stä) ausgenommen. M- s. des (General von Schuh Ge,chichre der Staatsveranderung in Frankreich li r04 - 298- der Ungnade seines Vaters habe rächen wollen. Immerhin kann dicser Haß auf seine Stellung während der Revolution nicht ohne Einfluß geblichen scpn, jedoch ich weiß nicht, wie man sagen kann, er habe nur ocn Zweck gehabt, dem Hofe nachthcilig zu Uhu, va er offenbar den allgemeinen Vorthcil seinem persönlichen Nutzen vorzog, indem er selbst mehr als hnnderttauscnd LivreS aus dem Ertrage seiner lcbnshcrrlicheu Rechte bezog. Dec Vicomte von NoaiLUs, L.uapetie'S Schwager, war nicht bei vec oben erwähnten Besprechung zugegen gewesen, aber er kannte ihr Resultat, und eifersüchtig, sich von einem Anderen in einem Vorschläge, der nach allen Seiten hin wieberhaUcn würde, über troffen zu scheu, nahm er in der Abend-Sitzung des 4. August das Wort vor ocm Herzog von Aiguillon. °) Nach einigen Be trachtungen über den Zustand Frankreichs schlug er folgendes Dckre. vor: „Es sollen alle öffentliche Lasten gleichmäßig vcr- thellt werben, die gutsherrlichen Zinsen und Gefälle mit Geld abgelöst, die persönlichen Lasten aber unentgeltlich frcigegcbcn werden." Zweihundert Deputirtc nahmcn diesen Vorschlag mit freudigem Jubel auf, ader im Allgemeinen zeigte sich Ucber- raschung und Zögern; ein Theil der Versammlung erwartete mit Ungeduld, wie sich die Opposition vernehmen lassen würde, ein anderer Tbeil suchte mit Unruhe nach Mitteln, um einen Vor ¬ schlag zu hintertreiben, der in seinen Augen eine Kriegserklärung! war. Da bestieg ocr Herzog von Aiguillon die Rednerbühne: leine Vorschläge schienen dieselben zu seyn, obgleich sie in Wahr heit weniger durchgreifend waren. Er beantragte zuerst die gleiche Vertbeilung der Abgaben und schlug dann folgendes Dekret vor: „Die Nattvnal-Bcrsammlung erkennt, daß die gutsherrlichen LehnS- gefalle und Dienste lästige Abgaben sind, welche dem Ackerbau schaden und bas Land entvölkern. Sie verhehlt sich aber auch nicht, baß dieselben ein wahrhaftes Eigcnthum sind, und baß sie nicht ganz ohne Entschädigung können aufgehoben werben. Sie setzt also fest, baß dem Volke der Abkauf der gutsherrlichen Dienste und Gefälle nach einem von der National-Versammlung in jeder Provinz zu bestimmenden Kapital-Verhältnis; freigcgebcn werden sollen. Sie bestehlt, daß alle diele Rechte sollen bis zu ihrer voUsi.mvigen Abkantung genau ausrcchl crbalicu werden, wie früher geschehen ist.^ Der Beifallsruf eines großen Theils der Versammlung erstickte das Murren aus der Seite der Minorität. Dnpont oe Nemours trat nach diesen Rednern auf; er thcilte ihre Ansicht, aher da er fürchtete, daß man bei der Aufhebung der Feudal-Lasten in Frankreich die Mittel znr Steuerung der Unruhen ans rem platten Lande aus den Augen verlieren möchte, so drang er darauf, Maßregeln gegen jene Unordnungen zn er- greifcu. Seine Worte erregten mveß nur geringe Aufmerksam keit. Da erschien ein Gutsbesitzer aus der niederen Bretagne, Le Gmu de Kcrengcl, in der Bancrutracht seiner Provinz auf , der Reduerbübue. Er äußerte sich zuerst iu harten Worte,, über die Versammlung, daß sic die Zerstörung der Schlösser nicht ver hindert bärtc, uwem sic früher hätte beschließen sollen, daß die in ihnen befindlichen Unterdrückungs-Werkzeuge durch einen cr- zwungenen Abkauf unschävltcb gemacht würden; dann aber sprach er mit donnernder Beredsamkeit gegen die angeblichen Adelsrechte, welche die Mcnschtichkcit und dic Schamhaftigkcit mit Füßen traten; er erinnerte an vic Bcrcchtigüngcn des Adels, welche den Lausmann mir den Zug- und Lastthiercn ans dem Felde gleich- sielltcn, welche die Leibeigenen nöthigtcn, sich vor den Karren zu spannen, und die Bauern zwängen, des Nachts dic Teiche zn fischen, damit dic Fröschc nicht dcn Schlaf' der Gutsherren bcnn- ruhigten. Ei» anderes Mitglied des Klub Breton, La Ponlc, trug vic Farben noch weit greller auf; er geficl sich in der A»f- zähtuug ganz unbekannter Barbareien aus weit entlegener Zeit, ja er ging so weit in seinen Behauptungen, daß er von einer Bercchtignng gewisser adeliger Herren sprechen konnte, zweien ihrer Vasallen veu Banch öffiien zn lassen, um sich nach der Rückkehr