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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 fÜt UN- Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, siir den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide im Wilsdruff. 81. ArrhrgaKg. Nr. 244 Donnerstag/Freitag 2./3. November 1922. Amtlicher Teil. Helft «Le M, -er M entWenMtes! Mit Schrecken müssen wir erkennen, wie der Kreis derer, die durch die rasende Schnelle und Höhe der um sich greifenden Teuerungswelle in Not und Elend stürzen mußten, immer größer wird. Auch in unserem Städtchen beginnt die Gefahr der Not an die Türen zu pochen. Vor allem betrifft es die alleinstehenden alten Leute, die Familien von Hinterbliebenen und kinderreiche Familien. Wenn auch die städtischen Kollegien weitestgehende Maßnahmen getroffen haben, um der Not entgegenzutreten, so schreitet leider der immer sich noch steigernde allgemeine wirtschaftliche Notstand über die vorhandenen Verfügn>sse. Darum haben sich die hiesigen Vertreter behördlicher und frei williger Wohlfahrtseinrichtungen zusammengeschlossen und richten an alle, die mithelfen können, die herzlichste Bitte: „Helft mit, der Not entgegenzutreten, jetzt ist die Zeit, wo man nicht mehr vom Ueberfluß gibt, sondern vom Besitz mttteilt denen, die darben müssen.* Schon haben sich mildtätige Personen bereit erklärt und bedürftige Kinder und alleinstehende alte Leuts zum täglichen Mittagstisch herangezogen. Anmeldungen dies bezüglich nimmt das Wohlfahrtsamt im städtischen Verwaltungsgebäude entgegen. Es wird auch mnigst gebeten, die Sammler, die in diesem Sinne jetzt die Häuser besuchen, weitgehendst zu unterstützen. Spenden jeder Art: in Geld, in Nahrungs« und Lebensmitteln, in gebrauchten Kleidungsstücken und Sckuhwerk, nehmen jederzeit das Wohlfahrtsamt sowie der Frauen verein (Frau Oberlehrer Kühne), und der Fechtverein (Herr Lackierermeister Kuntze) entgegen. Wilsdruff, am 1. November 1922. Der Stadtrat. — Wohlfahrtsamt. Zs» Bürgermeister Dr. Kronfeld. MMIWWIMII1W st! HIMIMMHsslss lsssl , Die Wahl z«m Landtag findet Sonntag den S. November 1922 von 9 Uhr vorm. bis 6 Uhr nachm. statt. Die hiesige Stadt ist in 2 Wahlbezirke eingeteilt worden. Der 1. Wahlbezirk wird aus dem links der Freiberg—Meißner Straße gelegenen Stadtteile (westlicher Stadtteil) und der 2. Wahlbezirk auS dem rechts von dem angegebenen Slcaßenzuge gelegenen Stadtteile (östlicher Stadtteil) gebildet. Als Wahllokal ist für den 1. Bezirk der Stadtocrordnetenfltzungssaal im Rathause und für den 2. Bezirk Zimmer 2 des Verwaltungsgebäudes bestimmt worden. Zu Wahlvorstehern bezw. Stellvertretern sind ernannt worden: a) für den 1. Bezirk Herr Stadtrar Louis Wehner, Wahlvorsteher, Herr Stadlrat Max Zschoke, Stellvertreter, b) für den 2. Bezirk Herr Schuldirektor i. R. Karl Thomas, Wahlvorsteher, Herr Lagerhalter Paul Neumann, Stellvertreter. Wilsdruff, am 24. Oktober 1922. Der Stadtrat. Mr Mm WM, WM bin mmltG 1v Ur WsMöei. !!M!!N!!^ Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Vertreter der Reparationskommtssion haben in Berlin die Beratungen mit der Reichsregierung ausgenommen. * Der Rücktritt des bayerischen Ministerpräsidenten Grasen Lerchenfeld wird bestätigt. * Am 7. November beginnt in Berlin eine außerordentliche Tagung des deutschen Landwirtschastsrates. * Im besetzten Gebiet wurde wieder ein Deutscher von be trunkenen marokkanischen Soldaten erschossen. * Die Pläne der Entente für die Verhandlungen in Berlin enthalten eine weitgehende Finanzkontrolle und eine schärfere Einschränkung des Devisenhandels. * Der italienische König hat die neue Ministerliste Mussolinis genehmigt. Die Faszistenarmee wird demobilisiert. Hilfe den Erwerbsunfähigen! Als der Weltkrieg zu Ende ging und feststand, daß e» für uns verloren war, taten sich die führenden Männer des Arbeitgeber- und des Arbeitnehmerstandes zur deutschen Arbeitsgemeinschaft zusammen, in der Erkenntnis, daß nur noch bei zielbewutztem Zusammenwerfen der Gesamtkräfte! Ler Nation das Schlimmste von uns abzuwenden sei. Die Arbeitsgemeinschaft hat es auch in den Jahren der Revolu tion und des Wirtschaftszusammenbruches nicht an sich feh len lassen, sie hat aber dank der Ungunst der internatio nalen Verhältnisse es nicht verhindern können, daß wir mehr und mehr zur Gründung von Notgemeinschaften übergehen müssen. Sichtbarsten Ausdruck hat die verzweifelte Lage weiter Volkskreise in Deutschland jetzt durch die Gründung der deutschen Notgemeinschast gesunden, zu der der Reichsarbeitsminister Dr. Brauns führende Männer aller Wirischastsstände eingeladen hatte. Städte und Ge meinden, Industrie und Handel, Gewerkschaften und pri vate Wohlsahrtsorganisationen warm vertreten und sag ten wirksame Hilfe für das große Werk der Nächstenliebe zu, das Herr Dr. Brauns in Gang zu bringen entschlossen ist. Es handelt sich zunächst um Hilfe für die dringendste Not der erwerbsunfähigen Volksgenossen. Hier sollen durch den vom Reichspräsidenten erlassenen Aufruf alle Volksgenossen, die dazu noch irgendwie in der Lage sind, um Hergabe von Geldspenden und Waren gebeten werden. Von der Landwirtschaft insbesondere wird die Be reitstellung von Lebensmitteln erhofft und die Arbei terschaft soll für die Leistung einer Überstunde zu gunsten dieser Notaktton gewonnen werden. In erster Reihe gedenkt man der Armenpflege anheimfallenden Personen beizuspringen. In der Tat, wer heute noch so viel Arbeitskräfte sein eigen nennt, daß er sich rüstig regen und selbst verdienen kaim, was er braucht, hat allen Grund, seinem Schöpfer zu danken und — wenn auch von Überfluß bei ihm wahrlich nicht die Rede sein kann — seinen arbeitslosen oder arbeitsunfähigen Mitmenschen ab- zugeben, was er selber irgendwie entbehren kann. Er hat ein Dach über seinem Haupte, ein Stück Brot auf sei nem Tisch, während die Ärmsten 'der Armen, früher noch durch geringfügige Aufwendungen öffentlicher Anstalten oder wohltätiger Spender vor dem Schlimmsten behüter, heute schon vielfach völliger Hilfslosigkeit verfallen sind. Landwirtschaft und Industrie, Handel und Gewerbe, Arbeitgeber und Arbeitnehmer mögen sich, so mahnt der Reichspräsident, in Einmütigkeit zusammentun, um die Notgemeinschast zu fördern. Soll auch nur der Lringend- gen Not gesteuert werden, so sind große Mittel erforder lich und darum soll jeder rasch und reichlich geben, der von sich selber nicht behaupten kann, daß er in Not sei. Die Notgenreinschaft will dafür sorgen, daß die Gaben regel mäßig den Gebieten zugute kommen, aus denen sie stam men. Schon werden, insbesondere aus dem westlichen In- dustriebezirk, erschütternde Tatsachen berichtet. So sind im NuhrbeZirk allein in den letzten Wochen- über 100 Selbst morde aus Nahrungssorgen gemeldet worden. Was soll auch aus unseren alten Invaliden, den Witwen und Wai sen werden, wenn sie sich selbst überlassen oder auf sie notwendigerweise kärglichen Bezüge angewiesen bleiben, die heute nur noch für diese auf fremde Hilfe angewiesenen Teile des deutschen Volkes zur Verfügung stehen. Massen versammlungen, aussehenerregende Straßenumzüge kom men für diese Ärmsten der Armen nicht in Frage. Sie sind viel zu verschüchtert und verängstigt, um auch nur auf den Gedanken zu kommen, sich dieser modernen Mittel zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit zu bedienen. Wir müssen uns dessen bewußt werden, daß nicht immer die lauten Rufer die Hilfsbedürftigsten sind, daß viel mehr das Elend, das sich verborgen hält, unserer tätigen Teilnahme ungleich bedürftiger ist. Vergessen wir auch nicht, daß dieser Aufruf zur deutschen Notgemeinschaft dazu dienen kann, uns über alle Parteischranken und Par teihetzen hinweg zu menschlich reinem Wollen und Tun zusammenzuführen. Schließlich sind wir ja doch alle eines Volkes Kin der, und wenn wir vergessen wollten, was wir unseren Armen und Elenden schulden — werbürgt uns dasür, daß und wie lange jeder von uns selber noch aus eigener Kraft aufrecht bleiben, oder nicht vielmehr in den Strudel der Arbeitslosigkeit versinken wird? Alle für einen, einer für alle war noch die schönste Parole, die eine Volksgemein schaft sich zur Richtschnur setzen konnte. Es ist Zeit, höchste Zeit, daß wir zu dieser Gesinnung und zu ihr entsprechen der ratfroher Hilfsbereitschaft znrückkehren. Ser plan der AeparationslomniWn. Beginn der Berliner Verhandlungen. Am Dienstag mittag sind die in Berlin eingetroffenen Mitglieder der Reparationskommission, insgesamt vierzehn Herren, vom Reichskanzler empfangen worden, wobei Dr. Wirth und Barth ou Ansprachen hielten. Noch am Nachmittag begannen im Reichsfinanzministerium die sach lichen Verhandlungen. Sowohl die Ententevertreter wie auch die deutsche Regierung haben fertige Pläne als VerhanÄungsgrundlage aufgestellt, über den Inhalt der deutschen Vorschläge wird selbstverständlich Stillschweigen bewahrt. Die Haupt punkte des gegnerischen Planes sind folgende: 1. Strenge Finanzkontrolle über das Reick und Lie Bundesstaaten. Das Garantiekomitee bleibt in Berlin, schafft aber in München, Stuttgart und Karlsruhe Kontroll- kommifsionen. Die Befugnisse Les Garantiekomirees werden eine große Ausdehnung erhalten. Das Reich wird ohne Zustimmung des Garantiekomitees das Budget mit keinen neuen Ausgaben belasten dürfen. 2. Beschleunigung Ler vom Reichstag beschloßenen neuen Steuermatznahmen, eventuell neue Steuern. 3. Verbot feder Devifenfpekula- tt o n. Kein Devisenverkaus soll ohne besondere Erlaubnis des Finanzministeriums vorgenmnmen weiden. 4. Innere An leihen zur Stabilisierung der Mark. 5. Die Goldreserve der Neichsbank muß sofort zur Stabilisierung Ler Mark herange- roaen werden. 6. Ein neues Moratorium wird nickt vewiUigt werden. Meie Frage wird auf der Brüsseler Konse- reuz entschieden werden. Wie weit die deutsche Regierung auf solche Pläne ein geben kann, werden die Verhandlungen ergeben. Man hofft, zu bestimmten Abmachungen zu kommen. Dis Kohlensor-erungen -er Entente. Deutschlands innere Versorgung gefährdet. Im Reichsministerium für Wiederaufbau fand eine Besprechung mit führenden Männern der kohlenfördernden und kohlenverbtauchenden Industrien über Lie neuen Kohlenförderungen der Reparationskommission für die nächsten Monate statt. Die ReparMonskommission will! Lie monatlichen Lieferungen, die bisher 1,725 Millionen Tonnen betrugen, auf rund 1,95 Millionen Tonnen er höht sehen. Die Sachverständigen betonten, daß die Anforderun gen der Reparationskommission im neuen Programm nicht nur absolut, sondern auch im Verhältnis zur deut schen Gesamtförderung gegen früher erheblich heraufgesetzt seien, obwohl die Reparationskommission mit den bis herigen Forderungen anerkanntermaßen schon bis an die Grenze der deutschen Leistungsfähigkeit, wie sie von ihr selbst beurteilt sei, herangegangen sei. Die bisherigen Kohlenlieserungen an die Entente hätten nur durchgeführt werden können, weil die deutsche Wirtschaft sich durch An kauf ausländischer Kohlen in ungefähr gleicher Menge wie die Reparationslieferungen geholfen habe. Dieser Ankauf ausländischer Kohlen werde aber durch den Tiefstand der Mark unmöglich gemacht. Schon die bisherigen Lieferungen hätten die notwen dige innere Versorgung Deutschlands stark gefährdet und Verhältnisse geschaffen, die zu schwerer Besorgnis Anlaß gäben. Im übrigen könne die Kohlenfrage nur zusammen mit dem allgemeinen Reparationsproblem gelöst werden. politische Rundschau. . Deutsches Reich. Güter- Md Personentarife. Zu der am 1. November in Kraft MeMen Erhöhung der Gütertarife um 50 Prozent war die Mitteilung ver breitet worden, -daß eine weitere Steigerung um 100 Pro zent am 1. Dezember beabsichtigt sei. Dazu wird halb- amtlich erklärt: „Die weitere Entwicklung der Güter tarife hängt «durchaus von Ler heute noch nicht zu über sehenden weiteren Preisentwicklung ab. Anscheinend han delt es sich bei der Meldung um eine Verwechslung mit Len Personentarifen der Reichsbahn. Diese werden am I. November um 100 A, und am 1. Dezember um weitere 100 22 erhöht, und zwar, um eine Angleichung der Per sonentarife an die Gütertarife der Reichsbahn anzu- babnen." . Der Rücktritt des Grafen Lerchenfeld. Aus München kam die Nachricht, daß Lerchenfelds Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten vollendet« Tatsache ist. Der Landtag wird alsbald zusammenberufen werden, um den neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der bisherige Staats rat Meyer. Der Rücktritt Lerchenselds, der aus der innenpolitischen Entwicklung iw Bayern heraus zu er klären ist. wurde schon seit einiaer Leit erwartet. Dio