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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.06.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190906042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090604
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090604
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-06
- Tag 1909-06-04
-
Monat
1909-06
-
Jahr
1909
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Bezugt-Prei- s tr »,d «oroa» d«rch »»>«»» LiLqrr »nd s»«dit««« in« H«« «dr-cht: ».70 vtrr«rlj»brl. »ei unler» gtliLlen u. »nnoh»eft«ll«v -b,«h»ln 7S ös mmmU., » TS virrt-tjL-rl. v«rch di« V«k: inner-«lr Deui>ck>innd4 »nd d«r deoiiche« knienten dierteljthri. ».»» »««tl. 12W -nlichl. Pnstdeslellzeld. Ferner in vel-ien, Dänemark, de« Donanstaate». Jt«N«, Loremdnrn. «tederlande, «er» weaen, O«err«tch-Ln^rn, «»»land, Schweden, Schwei, ». Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di, »«schtfttftell- de« Matte« er-titltch. Da« Letp^aer Lag-blatt erscheint wüchiM- lich 7 mal «ad Mar inergen«. «bmnmwentMnnahme i A^nstnsvlntz 8, bch unsere« Dräaern, Mllalen, Spediteuren und «nnabmestelle», (»wir P»«ü»wr» and BrieftrLger». Di« «inline Sinmmer kostet 1v «edakktoa und Geschiftlsteller Johanni«, ass« 8. Fernsprecher: l«M2. I4S88. I4SS4- WM Ta-Mall Handelszettung Nmtsvsatt des Rates und des Rokizeiamtes -er Stadt Leipzig. 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Art.s * Der Sächsische Gymnasiallehrerverein und der Sächsische Realgymnasiallehrerverein halten in diesen Tagen ihre Jahresversammlungen in Dresden ab. sS. d. bes. Art.) * Der Verein zur Erhaltung des Deutschtums im Aus lande (Deutscher Schulverein) hielt gestern in Berlin eine akademische Feier ab, bei der Pros. Lamprecht-Leipzig eine glänzende Rede über „Deutsches Volkstum und deutsche Kultur im Aus- lande" hielt. sS. Letzte Dep.) * Der frühere Reichstagsabgeordnete Dr. Theodor Barth ist in der Nacht zum Donnerstag in Baden-Baden gestorben. sS. Leitart.) * Die Reichsregierung lehnt die Kotierung«»., Kohlenaus- fuhr, und Mühlen um satzsteuer ab. sS. d. bes. Art.) * Wie aus Petersburg gemeldet wird, wird der Zar bei seiner bevorstehenden Entrevue mit Kaiser Wilhelm von Stolypin und Iswolski begleitet sein. sS. Ausl, und Letzte Dep.) * Im türkischen Ministcrrat ist die Angelegenheit der Orientbahnen abermals beraten worden, auch diesmal ohne Re sultat. * InMessina haben sich wiederum zwei heftige Erdflöhe ereignet. sS. Perm.) Theodor Barth Die bürgerliche Demokratie hat ihren fähigsten Mann verloren. Theodor Barth, ihr bester Sprecher und ihr schlechtester Taktiker, ist gestorben. In einem Moment gestorben, der geeignet schien, ihm neue politische Lebenskraft einzuflößen, der sogar bis zu einem gewissen Grabe eine Rechtfertigung der Barthschen Haltung und seiner Sezession von der freisinnigen Vereinigung zu enthalten schien. Theodor Barth predigte den freisinnigen Radikalismus und haßte den Block als ein Korrnmpicrnebilde. Nnd er mußte sterben, als dieser Block auseinander- siel. Nun hätten sich ihm vielleicht neue Möglichkeiten geboten. Der Grund der Trennung von den alten Freunden war beseitigt, und Theodor Barth hätte im Freisinn von neuem eine Rolle spielen können Damit wll keineswegs seine Haltung, seine politische Intransigenz als richtig hingestellt werden, aber die Gerechtigkeit erfordert doch, zu kon statieren, daß er manches richtig erkannt und manches richtig voraus gesehen hat. Trotzdem war auch unter dem Gesichtswinkel der heutigen Situation nach unserer Auffassung der Barthsche Linksabmarsch ein unverzeihlicher Fehler, und es hat sich ja auch gezeigt, daß ein Bodon für die Barthschen Ideen im Volke nicht vorhanden war. Und im Freisinn machte sich iowohl das Minus an Intelligenz wie an Energie überaus bedauerlich bemerkbar. Weil man im Mock nicht das Ideal einer poli tischen Partcikonstellation zu sehen braucht, hat man noch kein Recht, auf die liberalen Möglichkeiten im Block zu verzichten. Wie wir wissen, sind die Erfolge der Linken nicht allzu groß gewesen, aber es ist doch gar nicht zu bestreiten, daß das Vereinsgesetz und das Börsengejctz im Grunde liberale Gesetze sind, und daß sic ohne den Block nicht zustande gekommen wären. Eine Politik aut Oaeftar aut nistil zu betreiben, hat keinen Sinn für eine Fraktion von der numerischen Stärke, oder viel- mehr Schwäche der Freisinnigen Vereinigung. Und das Barthsche Rezept hätte zudem der Regierung die moralische Rechtfertigung eines neuen Techtelmechtels mit den Klerikalen auf dem Präsentierbrctt ge boten. Wenn also auch heute der Block nicht mehr existiert, so hat er doch einmal gelebt und manches Gute gewirkt. Schon deshalb können praktische Politiker bei aller Achtung vor der Barthschen Energie und konsequenten Mannhaftigkeit doch seine zerstörerische Politik, die mit dem Kopf durch die Wand wollte, nicht billigen. Sv tief Theodor Barth den Block und das junkerliche Regiment haßte, so zärtlich war er der Sozialdemokratie zugetan. Ihr verzieh er alles, sie konnte er historisch und ökonomisch auffassen, ihr billigte er die Existcnznotwendigkeit zu. die er dem historisch wie ökonomisch doch ebenso realem Konservatismus einfach versagte. Noch im November 1908 gab er eine Broschüre heraus, über „Liberalismus und Sozialdemokratie", worin er seine alte Lieblingsidee von der liberal- sozialdemokratischen Kampfgenossenschaft verfocht. Und noch in dieser späten Schrift finden sich alle die gründlichen Irrtümer über das Wesen der deutschen Sozialdemokratie wie über die heutigen Möglichkeiten. Es ist einfach falsch, die deutsche Sozialdemokratie für bündnisfähig zu halten. Und selbst wenn Barth recht hätte in seiner Ansicht von der schon überaus weit vorgeschrittenen Durchsetzung der Genossenschaft mit Evolutionspolitikern, so würde das doch an der praktischen Unmöglich, keit, mit der Sozialdemokratie ein Bündnis zu schließen, nichts ändern können. Vorläufig haben Bebel und Kautsky noch das Heft in der Hand. Theodor Barth bat sich auch darin geirrt, daß er die Bereitwilligkeit im Bürgertum zu einer solchen Kampfgemeinschaft voraussetzte, oder doch glaubte, schaffen zu können. Das Bürgertum ist heute weniger als je geneigt, mit der Sozialdemokratie zu paktieren. Es hat die Kulturlosigkeit und Kulturfeindschofft dieser Partei längst begriffen, und diese Partei hat für das Bürgertum ihre Schrecken längst verloren. Die Zeiten, da die jungen Brauseköpfe der Nation mit den Genossen sympathisierten, sind vorüber. Theodor Barth war ein unbeugsamer und unversöhnlicher Epigone. In ihm, der als freisinniger Vereinsmann dem Volksparteiler Eugen Richter in manchen Punkten schroff gegenüber stand, verkörperte sich doch der Geist der Richterschen Starrköpfigkeit, der auch vor der Selbst- Vernichtung nicht zurückscheut. So hat dieser, persönlich wie politisch hochachtbare und hochbesähigte Nanu doch ei» Lebe« lang äußerlich so gnt wie erfolglos kämpfen, sich oufreiben müssen. Mit ihm ist der letzte bedeutende bürgerliche Radi kale ins Grab gesunken. Nicht nur seine wenigen politischen Freunde, sondern ganz Deutschland hat den Tod einer Intelligenz von hoben Graden zu beklagen. Dieser Mann, der in seinem Aeußeren die Ein fachheit selbst war und sogar eine leise Philistrosität ausströmte, war als Politiker und Redner, als Schriftsteller und Agitator der freiesten und tüchtigsten einer. Nirgends verleugnete sich Theodor Barths Fähig keit zur Initiative und zur politischen Arbeit. Als er sich die Zu stimmung zu der Blockpolitik seiner Freunde nicht abzuringen vermochte, und auch noch nicht zur Sezession entschlossen war, ging er auf Monate nach Amerika, um dort soziale Einrichtungen zu studieren. Schon hier aus ersieht man, wie dieser Mann nicht mit dem Maß des Durchschnitts gemessen werden darf, der an der Erlangung eines Mandats sich ge nügen läßt. Er pflückte nicht die Trauben, die am niedrigsten hingen, ihn reizten nur die höchsten Ziele. Daß ihm keines dieser Ziele zu er reichen vergönnt war, kann man die Tragik dieses Lebens nennen. Tra gisch auch deshalb, weil er selbst sehr gut wußte, daß eS nur seines Wollens bedurft hätte, um ihn persönlich wie sachlich weit hinein ins Land der Erfolge zu bringen. Wer den Umgang dieses seltenen Menschen genießen durste, war seinem persönlichen Einfluß verfallen. Nicht genug wissen zumal seine Freunde, wissen aber auch z. B. die Teilnehmer an der großen England fahrt der deutschen Journalisten den Reiz seiner starken Persönlichkeit, seiner Gewandtheit und seines vollendeten persönlichen Taktes zu rühmen. Ein tapferer, geistvoller politischer Kämpfer ist mit ihm gestorben, dem nur der Blick für die realen Möglichkeiten fehlte, um ihm zur Größe zu helfen. Theodor Barth wurde am 16. Juni 1849 in Duderstadt sReg.°Bez. Hildesheim) geboren, studierte 1868—71 in Heidelberg, Leipzig und Ber- lin Jura und Nationalökonomie, war bis 1872 Rechtsanwalt in Bremen, bis 1876 Amtsassessor in Bremerhaven und bis 1883 Syndikus der Han delskammer zu Bremen. Gleichzeitig war er Generalsekretär der Deut- schen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Bankkommissar bei der Reichsbankhauptstellc und Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. 1879 vertrat er die drei Hansastädte in der Zolltarifkommission des Bun- desrates. Seine staatswirtfchaftlichen Kenntnisse erweiterte er aus Reisen in England, Frankreich und Nordamerika. Diese Reisen fanden ihren literarischen Niederschlag in verschiedenen Büchern. 1883—1907 gab Barth die Wochenschrift „Nation" heraus. Dem Reichstag gehörte er in den Jahren 1881—98 und 1901—03 als Mitglied der Freisinnigen Vereinigung an; ini preußischen Slbgeordnetenbause hatte er ein Mandat während »>er Jahre 1898-1903 inne. Seit der Trennung seiner engeren Anhängerschaft von dem Freisinn bemühte er sich, «ine neue liberal« Partei unter dem Namen „Demokratische Vereinigung" zu schaffen. Barth, der von der Harvard-Universität ehrenhalber den Doktortitel er hielt, hat auch außerhalb des Parlaments an sehr vielen Orten des Deutschen Reiches gesprochen. Seine Krankheit verhinderte ihn bereits, in einer im April in Leipzig abgehaltenen Versammlung der Demokra tischen Vereinigung das geplante Referat zu halten. Am gestrigen 3. Juni ist er in Baden-Baden seinen Leiden erlegen. Der königliche Ausverkauf. sVon unserem Brüsseler Korrespondenten.) Brüssel, 2. Juni. Die deutsche Sprache ist gar nicht so arm. Für ein und dieselbe Tätigkeit hat sie oft eine ganze Reihe von Ausdrücken. Z. B. schwindeln, schwefeln, die Unwahrheit sagen, lügen. Geht dies hierzulande von einer diplomatischen Stelle aus, gebrauchen wir gern Fremdwörter. Da sagen wir: Offiziös verlautet, offiziös wird berichtet. Ist es aber eine faustdicke Lüge, dann nennt man es: Offizielles Dementi. An dies und an einen nunmehr schon lange verstorbenen Leipziger Rechtslehrer mußte ich bei der leidigen belgischen Affäre öfters denken. Letztgenannter Herr dozierte nämlich über jeden Kollegienstofs nnr folgender Einleitung: (er diktierte: großes römisches ^.): Die histo rische Entwicklung. L (großes römisches L): Der heutige Stand. In der historischen Entwicklung des königlichen Ausverkaufes kommen viele offiziöse Auslassungen und Dementis vor. Im Dezember vorigen Jahres erschien in einem hiesigen Blatt zum erstenmal eine Notiz, es ginge das Gerücht, der König wolle seine Gemälde verkaufen. Postwendend Dementi: Das Gerücht entbehre ieder tatsächlichen Be- aründung. Ein paar Tage später in einem andern Blatt die positive Nachricht, der König habe den und den Experten mit Inventarisierung und Wschätzung seiner Bilder beauftragt. Nun hätte kein Mensch mehr einem Dementi Glauben geschenkt. Daher setzten die offiziösen Verlaut barungen ein: „Richtig sei, daß zurzeit der König eine Jnventarisie- rung vornehmen lasse, aber zu ganz anderem Zweck, als befürchtet werde." Und kurze Zeit später: „Aus Hofkreisen verlaute, daß der König der Stadt Brüssel wieder eine großartig^ Schenkung aus seiner Gemäldegalerie machen werde." Das wirkte. Man war beruhigt. Da kam vor wenigen Wochen wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nach- richt, daß der Monarch seine sämtlichen Bilder an einen Herrn Klein berger in Paris, der Wohl nächstens den Titel: „Königlich Belgischer Hof trödler" erhalten wird, verkauft habe. Nicht nur das, daß der König auch alles übrige, was in seinen Schlössern nicht niet- und nagelfest war, verschleißen werde und einen Katalog an Millionäre in England und Amerika versandt habe. Die offiziellen Dementis riefen nur noch ein Hohngelächter der Hölle hervor; die Volksseele kochte. Aber der Belgier haust nicht umsonst in der Nähe Albions, er hat von da drüben schon gelernt, daß man sich nur dann über etwas moralisch entrüstet — wenn das Unmoralische nichts einbringt. Nicht etwa die Tatsache, daß der König durch den Verkauf seine Kinder um ihr Vermögen bringen will, erregte ihre Entrüstung, sondern daß er die Gemälde inS Ausland verkaufte. Manch anderes Volk hätte sich wohl bedankt, auch aus der Hand eines könig lichen Spenders Kostbarkeiten entgegenzunehmen, die den eigenen Kindern entzogen wurden, aber der Belgier ist darin gar nicht so. Aus dem gleichen Motiv hat der König Millionen werte Ländereien den. Staate geschenkt und schmunzelnden Dank dafür geerntet. Natürlich mußte die Sache auch vor das Parlament kommen. Merk würdigerweise durch die sozialistischen Abgeordneten. Obwohl doch nach ihrer Theorie der Herrscher recht gehabt hat, denn sie donnern ja gegen die ganze Erbschaftsinstitution — wenn sie nicht selbst einmal zufällig als Erbe eingesetzt werden. Da der Minister erklärt hatte, die Hand- lang des Königs sei ein Privatakt, kein Staatsakt, und er werde deshalb die Interpellation nicht beantworten, so gab man ihr eine ganz allge meine und harmlose Fassung: „Welche Maßregeln gerenkt die Regierung zu ergreifen, um zu be wirken, daß wertvolle Kunstschätze im Lande verbleiben?" lieber diese Interpellation sand heute die Verhandlung in der Kammer statt. Ader der erwartete „große Tag" blieb aus. DaS Wort ergriffen bloß zwei sozialistische Abgeordnete, die an sich nichts Neues vorbrachten und auch das Alte nicht in besonders interessanter Form. ES fielen zwar einige bemerkenswerte Sätze, wie: „Ehemals bat es noch Minister ge geben, welche es wagten, dem Könige die Wahrheit ;u sagen." „Heutzu- tage hat der König eine solche Autorität gegenüber »einen Ministern ge- Wonnen, daß keiner auch nur Vorstellungen zu erheben wagt." Ferner: „Bei der schlechten Aufführung des Königs kann man nicht sagen, das ist seine Privatsache, wie bei einem einfachen Bürger, sondern er blamiert damit die ganze Nation." „Niemals hat ein König mehr für die republikanische Idee getan und den monarchischen Gedanken mehr diskreditiert!" Und der Sozialistenführer Vandervelde verflieg sich zu der Behauptung: „1>s Roi a evrnmis un väritablo sacrilvksv quÄ las courtisaus pourroot approuvsr, inais quv la Nation n oudliora pn->", aber die Interpellanten begingen den großen taktischen Fehler, ihrem Antrag die falsche juristische Begründung zu geben, der König könne über sein Privatvermögen nicht verfügen, weil es eine Art von Nationalgut sei. Demgegenüber hatte der Minister leichtes Spiel, und der Schlußeffekt der ganzen Aktion war die Zurückziehung der Inter- pellation als zwecklos. Das Endresultat der Affäre bleibt der Ankauf einzelner Gemälde durch den belgischen Staat zu horrenden Preisen und — Io Ikoi s'amuso. Zuv Reichsfinanzrefsriii. Die , Drohnote" DülorvS, dil^jn der Wiener „Neuen Fr. Presse" veröffentlicht worden ist (wir teilten sie in ausführlichem Auszug im Depeschenteil der gestrigen Num- mer mit), hat eine Kommentierung erfahren. Die „N. Fr. Pr." meide: von authentischer Seite aus Berlin: . „Es ist durchaus unrichtig, daß die Mahnung des Reichs kanzlers an die Liberalen in der Reichsfinanzreform al-Z drohende Note aufzufassen ist. Die Regierung stehe nach wie cor auf dem Standpunkt, daß die Finanzreform nicht mit den Klerikalen und Konservativen, sondern mit den Liberalen zu machen ist. Die Mahnung der Regierung geht dahin, diesen Plan zu ermöglichen. Die Mahnung richtet sich sowohl an die Konservativen als auch an die Liberalen. Die Regierung wird nichts unversucht lassen, um die Konservativen zu einer Aenderung ihrer Haltung zu bringen. Die Regierung ist einstweilen entschlossen, einem Teil der in der Finanzkommission des Reichstages beschlossenen Steuern die Zu stimmung zu versagen, insbesondere kann von einer Kotierungs steuer für Wertpapiere keine Rede sein." Der Schlußsatz ist das Erfreulichste an dieser neuen offiziösen Aus lassung. Zu ihrem Inhalt im übrigen möchten wir nur kurz bemerken, daß die Liberalen an Entgegenkommen bereits so viel geleistet haben, lnß ihnen fast nichts mehr übrig bleibt. Deshalb sollte Fürst Bülow seine Mahnungen lieber ausschließlich an die Konservativen richten. Wie verlautet, hat Fürst Bülow in Wiesbaden vom Kaiser den Au«, trag erhalten, die Finanzresorm nicht unter Ausschluß der Linken durch- zufuhren und in diesem Sinne tätig zu sein, lieber den Erfolg seit,er Bemühungen wird der Reichskanzler dem Kaiser noch vor dessen Nord- landsreise berichten.. Welche Entscheidungen der Monarch dann treffen wird, liegt noch völlig im Unklaren. Wahrscheinlich ist, daß Entschei dungen von'weittragender Bedeutung am Ende d. M. in Kiel fallen' werben. Es wäre nicht das erste Mal, daß in Kiel Entschlüsse von großer Tragweite gefaßt würden. Genau vor zwei Jahren hat der Kaiser bekanntlich in Kiel nach einem Vortrag des R-ichskanzlers me Verabschiedung des Grafen Posadowsky und die Ersetzung des damaligen Kultusministers v. Studt durch Dr. Holle beschlossen. Neue Konferenzen in» Reichsfchatzamt. Reichsschatzsekretär Sydow hat wieder eine Reihe von Interessenten und Sachverständigen aus allen Teilen des Deutschen Reiches zu einer Besprechung über die neuen Steuervorschläge eingeladen. Die erste dieser Besprechung fand am Donnerstag statt, und zwar handelte es sich dabei um die Parfüm-Steuer. Im Laufe dieser Woche dürften die Konferenzen abgeschlossen werden. Es steht dann vielleicht eine offizielle Erklärung des Reichsschatzamtes zu den neuen Steuern in Aussicht. Die Regierung un- -ie Anträge -er"„Runrpfkonimii-ion". Aus sicherer Berliner Ouelle erhalten wir folgende wichtige, in ihrem Inhalt sehr erfreuliche Ausführungen: Unter den Steuercntwürfen, die von der „Rumpskommission" akzep. tiert worden sind, werden von der Regierung mit aller Schärfe be- kämpft: die Ko t i e r u n g s st e u e r, die M ü h l c n n m s a tz st c u e r und der Kohlenausfuhrzoll. Die Kotierungssteuer entspricht der Forderung der ver- bündetcn Negierungen nach hundert Millionen Besitzstcnern aus dem Grunde nicht, weil sie nicht allgemein wirkt. Eine Steuer, die in einseitiger Weise ein einzelnes Gewerbe belastet, ist keine Be- sitzsteuer. Die Kotierungssteuer wird also weder als Ersatz für die Erb- onsallsteucr, noch überhaupt als Besitzsteuer in Betracht kommen. Sie muß von der Regierung abgelehnt werden. Was von den ge- forderten hundert Millionen die Erbschastsbesteuerung nicht decken kann, ist durch allgemeine Besitz steuern zu ergänzen nnd nicht durch einseitige Belastung von Handel nnd Industrie. Dabei bleibt cs. Die M ü h le n u m s a tz st e u c r ist im Reichstag verlangt als eine wirtschaftliche Maßregel zum Schutze der kleineren Betriebe. Da es verfehlt ist, sic in das Finanzgesetz hineinarbeiten zu wollen, wie der Schatzsekretär in der Rumpskommission nachdrücklich betont hat, ist sie sür die verbündeten Regierungen im Rahmen der Finanzreform gleichfalls nicht annehmbar. Der Kohlenausfuhrzoll endlich würde in die ganze Kon- struktion der Grubenindustrie in völlig unzulässiger Weise eingreifen, da die Zechen ihn hauptsächlich auf die Konsumenten abwälzcn würden, was noch dazu bei den ausländischen Konsumenten nicht immer durchführbar wäre. Es würde eine Verteuerung des inländischen Kohlenmarktes die unausbleibliche Folge sein, und das würde wiederum in bedenklichster Weise auf die ganze Industrie rückwirkcn. Selbst wenn der Kohlenausfuhrzoll nur 20 Millionen betragen soll, wären Lohnreduktionen und Preis erhöhungen unausbleiblich. Aus diesem Grunde wird die Regierung auch hier nicht mitgehen. Man darf sich darauf verlassen, daß der Kanzler, dessen Stellung zu den drei genannten Steuern sich mir diesen Ausführungen deckt, von dieser seiner Position nicht ab weichen wird. I« der Abwehrversammlung, die der Zentraloerband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes und der Zentralverband Deutscher Industrieller auf den 12. Juni d. I. nach Berlin einberufen haben, werden, wie wir hören, eine Reihe der ange sehensten Vertreter der deutschen Handelswelt und Industrie daS Wort ergreifen; so u. a.: Handelskammerpräsident Max Schinckel-Ham-
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