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Freitag» äen 7. Oktober 1921 IS. Jahrgang Nr. 23S Mer Tageblatt Mzeiger für öas erzgebirge KM lelegramme: Tageblatt flueerzgebirg». VieftS Statt enthält öle amtlichen öekanntmachungen -es Rates -er Eta-t ^lue. Postscheck-Sontor flau Leipzig Nr. 1»»». Das Wichtigste vom Tage. Wie zuverlässig bekannt wirb, schließen Einnahmen und.Ausgaben des Reichshaüs'haltes für das Quartal JuN/Sept«Mber mit einem aberma ligen Fehlbetrag von 7,5 Milliarden Mk. ab. - ! M Ti« offiziöse französische Telegraphen- ageutur Havas erklärt auk Grund amtlicher Auskünfte, daß alle Nachrichten über et^ie Teilung Oberschlesiens ver frllht und die dar über umlaufenden Gerüchte Phantasien feien. . > > ' . Lord Robert Cecil hat einem Berichterstatter erklärt, ein Aufnahmegesuch Deutschlands in den Völkerbund würde einen sehr guten Ein druck machen und angenommen werden * Die interalliierte Finanzkonierenz in Brüssel, die über die Bel.ahungskosten beraten soll, ist bis nach dem 14. Oktober verschoben worden, da erst an diesem Lage die Verhandlungen des amerikanischen Senates über den Friedens vertrag beginnen. Der äeutschrfranzösische Lieserungsvertrag unterzeichnet. Die Minister Dr. Rnthenn« nnd Louchenr haben gestern in Wiesbaden in Vollmacht ihrer R«- gierungen da« Abkommen über deutsche Sach, iieferungen au Frankreich abgeschlossen Di« Unterzeichnung der Nebenabkommen erfolgt vor aussichtlich am heutigen Freitag. Ver Inhalt -es Abkommens. In dem Abkommen über deutsche Sachlieserungcn an Frankreich bekunden die beiden Regierungen ihren Willen, den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Norvfrankreichs durch Lieferung bezw. Gestellung pon Einrichtung^- und BetriebSgegLnstäilden und von Baustoffen in möglichst großem Umfang zu bewirken. Die Durchführung der Lieferun gen soll auf befden Seiten durch privatrechtliche Organisationen erfolgen. Zu dem Verfahren der Anlage 4 zu Teil 8 des Friedensvertrages kann,nach einer Kündigungsfrist von 1 Jahr zurückgekehrt werden. Die deutsche Negierung darf jedoch diese Kündigung frühestens am 1. Mai 1923 für den 1. Mai 1924 aus sprechen. Für die Lieferungen aus dem Abkommen gilt die Einschränkung, daß sie Frankreich lediglich tür Zwecke des Wiederaufbaues verwenden darf. Zu den Lieferun gen ist die deutsche Organisation nur, insoweit verpflich tet, als sie mit den Produktivnsmöglichkei,ten Deutsch lands, den Bedingungen seiner Rohstoffversorgung und den inneren Bedürfnissen seines sozialen und wirtschaft lichen Lebens vereinbar sind. De r Gesamtwert der Leistungen soll Vis 1. Mai 1928 7 Milliarden Gold» mark nicht übersteigen. Tie Lieferungen spllen erfol gen durch unmittelbare freie Vereinbarung der deutschen und französischen Organisa tionen. Für den Fall, daß eine Vereinbarung nicht zustandekommt, entscheidet eine Kommission über Lteferungsmügltchkett und Preis, Transport', üiefe- rungS- und Abnahmebedingungen endgültig. Tie Kom mission setzt sich zusammen aus einem Deutschen, einem Franzosen und einer dritten, gemeinsam bestimmten oder vom .Schweizer Bundespräsidenten ernannten Person. Für die PreiSfestsev^lng, soweit sie nicht in freier Vereinbarung erfolgt, gilt ungefähr Ser nor male französische Inlandspreis abzüglich der französischen Zollgesälle und der Transportkosten Ist der in den Preisverzeichnissen erstellte Preis niedriger als der gleiche Preis für die gleichen, Waren in Deutsch land, so ist Deutschland nur verpflichtet, zu liefern, so weit diese Preisdifferenz nicht größer ist als 5 Prozent. Ter W^rt d'eser Verlustlieferungen wiederum kann Höch- sten» 5 Prozent de» Gesamtwerte» der Lieferungen des betreffenden Jahve» betragen. Kommt für Spoztalmato- rtal (Maschinen, Industrieeinrichtungen) eine Verstän digung .nicht zustande, -so kann die französische Regierung auf da» L>eierungSvevfahren nach Anlage 4 zu Teil 8 de» Frtedensvertrages zurückgreifen, jedoch nur soweit die Gegenstände in den an Deutschland früher übergebe nen Listen bereits enthalten sind. Die Zahlungen an die deutsche. Liefe- rung»ptganisation geschehen durch die deutsch« Regierung. Dieser wird der Wert der Lieferun gen auf ReparalivnSkonto gutgefchrteben. Da bei unterscheidet da» Abkommen drei Zeitabschnitte, bi» 1. Mai 1SS6, di» 1. Mat 1SSS und die Folgezeit. Die Lieferungen im ersten Zeitabschnitt werden Deutschland nur mit 35 Prozent des Wertes Mtg--schrie ben. Beträgt dev Wert der Lieferungen aus dem Ab kommen in einem Jahre weniger als 1 Milliarde Gold mark, so werden in diesem Jahre 45 Prozent des Wer tes dieser Lieferungen gutgeschrieben. Ter Höchstbetrag, der, Deutschland in einem Jahre gutgeschrieben werden darf, ist 1 Milliarde Goldmark. Ter Betrag des in den einzelnen Jahren nicht flutgeschriebenen Wertes der Lieferungen trägt einfache Jahreszinsen zu 5 Prozent. Am 1. Mai 1926 werden die Restbeträge zusammenge rechnet. Die so gewonnene Summe ist in 10 gleichen Jahresraten bis 1. Mai 1936 nebst den fällig werden den einfachen Zinsen gutgrschrieben. Bei den Liefe rungen vom 1. Mai 1926 vb wird grundsätzlich der volle Wert gutgeschrieben, jedoch darf die jährliche Gut schrift auch jetzt 1 Milliarde Goldmark nicht überschrei ten. Beträgt der Gesamtwert der Leistungen bis 1. Mai 1926 mehr als 7 Milliarden Goldmark, fo ist der über schüssige Betrag innerhalb 3 Monaten ab 1. Mai 1926 Deutschland doll gutzuschreiben, ohne Rücksicht auf die Regelung der sonstigen Gutschriften. Am 1. Mai 1936 ist Wiederum festzustellen, welche Beträge etwa Deutschland noch guthat. Dieser Saldo ist mit 5 Pro zent Zinsen und Zinseszinsen in vier HalbjahrSraten 1936 und 1937 abzutragen. Alle Gutschriftbestimmun gen gelten mit der Maßgabe, daß keine Jahresflutschrift höher sein darf als der Anteil Frankreichs (52 Proz.) an den gemäß Artikel 4 des Londoner Zahlungsplanes unter die Alliierten gelangenden deutschen Antnuuäten. Vom 1. Mai 1V36 ab kann Deutschland alle Leistun gen ablehnen, soweit durch ihve Ausführung der von Frankreich in einem Jahre äußerstenfalls gutzuschrei bende Betrag (52 Prozent der Annuität) überschritten werden würde. ' > Marksturz unä ParteipolMK. Nv. Ter Kurs der Mark hat in den letzten Wochen einen weiteren erschreckenden Smrz ins Bodenlose er fuhren. ES liegt auf der Hand, daß sich das auf die gesamte deutsche Wirtschaft und auf die Lebenshaltung aller Volkskreise auswirken muß. Der niedrige Siand der deutschen Zahlungsmittel ist denn, auch bekanntlich zum Hauptthema der internationalen Erörte rung geworden, und zahllos sind die Pläne und Vor schläge, dem Uebel zu steuern. Es soll eine Valutakon serenz anberaumt werden und auch,, auf der Washing toner Konferenz soll die Sanierung der deutschen Ff- nanzverhältnisse zu einer Hauptfrage«, gemacht werden, weil von allen Setten erklärt Wird, daß durch den Nie dergang der deutschen Valuta dis Geld- und Wirtschafts verhältnisse sämtlicher anderen Länder aufs schwerste in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Sogar tu Frankreich melden sich Stimmen, dis auf die ver hängnisvolle Kehrseite der Reparation Hinweisen und aus alledem wird eS begreiflich, daß auch die politft schen Parteien bei uns die deutsche Valutanot -um Ge genstand dauernder Und sehr eingehender Behandlung machen. Die internationale politische Lage des Reiches ist nun aber .wieder die Ursache dafür, daß alle Be trachtungen in dex Praxis bis auf weiteres ergcbniS- l o S bleiben müssen, was aber die« Parteien mit Recht nicht verhindert, das Thema weiter im Vordergrund ihres Interesses Ku belassen. Ihrer Taktik ist es über alle politischen Gegensätze bjnauS ein Gememsame», daß.sie ihre Stellungnahme in dem Sinne einer mög lichst beschleunigten Stabilisierung, d. h. einer inneren Festigung und Besserung kennzeichnen. Unabhängige wie Teutschnationale finden sich in dem dringenden Wunsche, den Stand der deutschen Väluta in nicht allzu ferner Zeit wieder dem Normalntveau anzugletchen. Nur die Komwuntsten ersehen auch in einem Leiden, das, wie schon einmal gesagt, alle Kreise der Bevölke-i rung Deutschlands trifft, ein Mittel ausgesprochenster Parteipoltttk. So bringt die Rote Fahne einen langen Aufsatz, in welchem die Markkatastrophe mit der Koalt- ttonsfrage in engste Beziehung gebracht wird. ES wird da so dargestellt, als ob der heutige Zustand der deut schen Papiermavk nichts als die Folge des bösen Wil len« de» deutschen Kapitalismus sei, und daß Industrie und Handel tatsächlich nicht nur kein Interests an einer Hebung pes Markkurses, sondern vielmehr den bestimm ten Wunsch hätten, diesen Kur» Ar unabsehbare Zett möglichst tief herunterzudrücken. Diese Unterstellung Hut volkswirtschaftlich genau die gleiche innere Berechtigung wie die im feindlichen Ausland«« geäußerte Ansicht, .daß an dem niedrigen Markkur» die deutsche Regierung di« Schuld trage, die damit auf das Mitgefühl der anderen Länder spekuliere, und auf diese Weise die Unmöglich» beit der Reparationsleistung vor Augen zu führen trachte. Ter Stnn de» Artikel» der Roten Fahne wirb denn auch in der Richtung offenbar, daß gegen di» MedrÜOttS» fozialdemokraten und die Unabhängigen zugunsten der V.K.P.T. Stimmung gemacht werden soll. Ter Gör- litzer Beschluß der S P D. bedeutet die Opferung der Arbeiterschaft zugunsten der Katastrophenpolftik de» deutschen Kapitals usw. Man kann dazu nur sagen. Paß es nicht angeht, Pie schwere Erkrankung des deutschen Wirtschaftskörpers vor den Wagen niedrigster Partei politik zu spannen. Tas w ahre Interesf»e der Ar beiterschaft liegt in ganz anderer Richtung. Der ungarische Skanäal. St. Es ist keine Frage, daß Ungarn durch den Frie den von Trtanon ungeheuer gelitten hat. In gleichem Matze, oder besser in noch größerem Maße hat aber auch D e u t f ch - Ossterre i'ch leiden müssen. Au allem Un. glück, das beide Staaten betroffen hat, haben die Frie densschlüsse zwischen diesen Ländern nicht den Frieden, sondern neuen S t r e t t gebracht. Das Burgenland ist der Zankapfel geworden, aus dem neue Komplika tionen erwachsen sind. Westungarn ist, da seine Be völkerung in der übergroßen Mehrheit deutsch ist, den Deutsch--Oesterreichern zugesprochen worden. Bi» zur, endgültigen Uebergabe wurde es unter die Verivaltung einer interalliierten Generalkommifston gestellt und hat hier nun die Schicksale durchmachen müssen, dis auch Oberschlesien unter der Verwaltung einer interalliierten Kommission durchgemacht hat. Am 27. August bereit» sollte nach dem Friedensvsrtrag die offizielle Heber» gäbe dieses Landes an Deutsch-Oesterreich staitfinden. Aber durch den Einbruch der ungarischen Banden in Westungarn und iv Nisderösierveich wurde die Ueber-- gabe vereitelt. Tie abenteuernden Militär» verspotte ten durch ihr Vorgehen die Vertreter der Entente. We in Oedenburg faßen und das Vorgehen der Ungarn nicht zu hindern vermochten. Tie Entente stellte dann zwar ein Ultimatum und verlangte von Ungarn die Räumung des Landes. Ungarn, um sich nicht allzu sehr in- Un recht zu setzen, nahm auch diese Lösung, an und räumte das Burgenland — aber nur auf dem Papier«. Ta- ungarische Militär und die ungarischen Verwaltung-- beamten wurden offiziell zurückgezogen, inoffiziell aber blieben sie nach wie vor im Lande und in ihrer Tätig«« leit, und die Weigerung Oesterreichs, das von Unaarn auf dem Papier vertragsmäßig übergebene Territo rium zu Übernehmen, ist schon aus dem Grunde ver ständlich. weil Oesterreich praktisch gar nicht in der Lage war, das Land zu übernehmen. Auch reichten seine ge ringen Machtmittel keineswegs aus, um das Burgenland «erfolgreich von den Banden zü säubern. Wenn jetzt das amtliche ungarische Nachrichtenbüro eine Erklärung der ungarischen Regierung verbreitet, nach der in West ungarn l okal *>E xek u t tvau s s chü s s e entstanden sind, die sich als neutrale unabhängige Gebilde orga nisieren wollen und denen keinerlei Bedeutung.beige messen wird, so ist das nichts als eitel Spiegelfechterei., Man kann ja verstehen, daß die ungarische Regierung sich den Anschein gibt, als ob sie diesen. Exekuttvaus- schlissen keinerlei Bedeutung beimißt und nichts damit zu tun haben will, es überschreitet aber doch die Grenz« des Erträglichen, wenn die ungarische Regierung, di« doch genau weiß, um was es (ich handelt, jetzt behaup tet, daß diese Erscheinungen nur infolge der Weigerung Oesterreichs, das Land zu übernehmen, möglich, gewor den seien. Oesterreich w ill Wohl, aber es ka nn nich t. T«r einzig Leidtragende ist die Bevölkerung de» Burgenlandes, das den langersehnten Frieden» nun noch' weiterhin entbehren muß. Danziger Vries. Der Wunsch, über die Vorgänge iw unserem lieben Men Danzig, gut unterrichtet Zu bleiben, hat uns veran laßt, einen hervorragenden politischen Führer Danzig» für Danziger Briefe zu gewinnen Wir veröffentlichen ' heute den ersten D. Red. Vom ersten Tafle an, wo die Schreckenskunde zu uns nach Danzig drang, daß wir von, unserem deutschen Vaterland« los gerissen und ritte Freie Stadt werden sollten, stand al» dunkelste Wolke an unserem Horizont unser Verhältnis zu Polen, von dem wir wohl wußten, daß e, während der Friedensverhandlungen von Versailles die skrupellio,est«n An- strengungeiw gemacht hatte, zu dem sogenannten polnischen Korri dor auch Danzig zu bekommen, und da, auch seit unserer Frei sprechung unablässig am Werk« geblieben ist, innerhalb de» viel- fach dehnbaren Versailler Vertrage, nicht nur, sondern «eit darüber hinaus seine Machtbefugnisse gegenüber Dan-tg M er weitern. Gerade und krumm« Wege mußten in gleicher Weis«, dazu dienen, wobei die Polen allerdings, wenn e* über di, ver- tragsgvenzev hinausging, vom dem ersten Kommissar de» Völ kerbundsrats Slr Reginald Tower sowohl, wie von dem zweiten jetzt amtierenden General Kaklng, meist energisch, Zurück- Weisung erfuhren. Um so größer «ar di« Bestilröung, ak, kn d'r Gtsenbahnsrag» ur längst der OLerkommissar «inen geradezu erschreckenden Spruch fällt«. Nach dem Versailler vir- trag sollten di» Bahnen tm Freistaat »wischen A»kn nnd