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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumcxations- Preis Ü2; Sgr. sj THIr.) viert-Mklich, 3 THIr. sür da» ganz« Jahr, ohne Er höhung, in allen Theil«» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prLnum«rirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS Zeitung (ZriedrichSstr. Nr. 72); in der Provinz so ipie im Ausland« bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 8S. Berlin, Mittwoch den 15. Juli 1840. Italien. Dic Erziehung, wie sie seyn soll.") I. Die Eigenschaften des Erziehers. Die Schwierigkeiten der Erziehung würde» allein in der schlech ten Natur ves Zöglings liegen, wenn der Lehrer weiter nichts zu thun hatte, als zu kommandiren, und wenn man sicher wäre, durch dieses vielleicht mit Belehnungen und Strafen begleitete Kommando unfehlbar aus den Willen zu wirken. Es wurde dann hinreichen, zu sagen: „ich will", und eS kostet so wenig, eS ist so angenehm: „ich will" zu sagen. Aber leider läßt sich das menschliche Herz durch nichts weniger leiten, als durch den bloßen Befehl. Und selbst wenn derselbe einen äußeren Gehorsam erzwingen könnte, würde er auch den Willen fügsam machen, würde er dir innere Uebcrzeugung von dör Nothwendigkeit, zu gehorchen, schaffen, würde er dic geistigen Fähigkeiten der Kinder entwickeln und regeln? Er ist vielleicht zu weilen von glücklichen Wirkungen begleitet, wenn er mild ist, wenn das Vernünftige desselben gleich in die Augen fällt, wenn er von einer geliebten und geachteten Person einem Kinde gegeben wird, das durch die Güte seines Charakters und durch andere Erziehungs mittel dazu geschickt gemacht worden, bereitwillig oder wenigstens mit Resignation zu gehorchen; aber das Befehlen an sich, das Be fehlen allein hat keinen Werth für dic Erziehung; eS ist nur dazu gut, die Herzen zu verhärten und zu entfremden. Die Schwierigkeiten der Erziehung liegen in dem Erzieher selbst; darum ist das Erziehen ein so schweres, darum aber auch ein so erhabenes, dem, der sich ihm widmet, nützliches Geschäft, ein Ge schäft, das so angenehm auszuüben ist und so voll von jenem höheren Genuß, der die unter der Last der Miseren dieser Welt niedergedrückte Seele allein aufzurichten vermag. Zwei Dinge gehören vorzüglich dazu, »in ein guter Erzieher zu scpn: erstens der feste Entschluß, sich mit Eifer mit der Erziehung zu beschäftigen. Versteht sich dies nicht von selbst, wird man sagen. Weiß nicht Jeder, der sich der Erziehung widmet, daß er sich damit beschäftigen muß? Aber wenn ich sage: beschäftigen, so meine ich eö nicht so, daß inan nebenher den Zerstreuungen der Welt uach- gchen und überhaupt auch Anderes treiben kann; ich meine: sich mit allen Kräften und Fähigkeiten darauf legen und die Erziehung feiner Kinder oder Zöglinge als seine einzige oder wenigstens als seine Hauptarbeit betrachten, als den Zweck des Lebens, als eine von Gott selbst auferlegte Mission. Nur durch sorgfältige beharrliche Beobachtung kann man eine sichere und tiefe Kenntniß der Erziehungskunst erlangen. Nur auf diesem Wege kann der Erzieher den Charakier feiner Zöglinge kennen lernen. Die Bücher über Erziehung reden ihm eine unverständliche Sprache, denn die Bücher nützen nur dem Praktiker; nur diesen lehren sie die Vorschrift, die sie immer nur in allgemeinen, un bestimmten Worten ausdrücken, auf den einzelnen Fall anwendcn. Wenn wir Linne's Werke auswendig wüßten, würden wir darum schon die Natur kennen, so lange wir nicht selbst dic Pflanzen und die Thiere, die dieser Schriftsteller beschrieben hat, beobachtet und zergliedert haben? Und ist der, welcher nicht mit eigenem Schweiß das Feld, das er anbauen will, benetzt hat, darum schon ein guter Landwirth, weil er Columclla und Varro gelesen hat? Nein; wenn andere Geschäfte deine Zeit in Anspruch nehmen, wenn du dich nicht entschließen kannst, dich dem Berufe des Erziehers ^anz zu widmen, so gieb dich nicht für einen solchen aus. Du würdest dir nur Ver druß ohne Trost zuzichcn und deine eigenen Hoffnungen wie dic der Anderen täuschen; auch nicht der kleinste Erfolg würde deine halben Bemühungen belohnen. Hast du aber die Zeit und den Willen, dich ganz und gar der Erziehung zu widmen, dann fürchte nichts. Nicht dürfen dich vann dic Hindernisse und Schwierigkeiten jeder Art von außen, wie in dir selbst, nicht deine Fehler und Mißgriffe muthlos machen. Gehe nur mit festem Schritt vorwärts. Im Machen lernst du gut machen, und früh oder spät wirst du Meister in dieser Wissenschaft, die sich nicht lehren läßt und die nur der Lohn der Thätigkeit, der Ausdauer, des Denkens und der Arbeit ist. Aber damit der Erzieher aus der Beobachtung der Dinge lerne, muß er damit eine gründliche und redliche Beobachtung seiner selbst I sluö der Italienisch«» Zeitschrift Seil' LSuvatore e ietlure »er rcdlznk von Raphael va m d r » S chi n i. verbinden. Ohne Kenntniß des menschlichen Herzens ist man nicht im Stande, Kinder nach Gefallen zu leiten, und wie will man das Herz der Anderen kennen, ohne das seinige beobachtet zu baden? Wir haben Alle, mehr oder weniger entwickelt, dieselben Nei gungen zum Bösen, dieselben Keime der Tugend in uns. Dcr Eindruck, den die äußeren Dinge auf uns machen, lehrt uns die Wirkung kennen, welche dieselben Dinge in der Seele dcr Kinder hervorbringen. Wenn wir an uns erfahren haben, wodurch man eine böse Gewohnheit zerstört ober eine gute annimmt, so werden wir in ähnliche» Fällen auch unsere Zöglinge zu leiten wissen. Die Kenntniß und Erziehung ves eigenen Selbst kann uns allein bei der Erkenntniß und Erziehung dcr Anderen zur Regel dienen. Die moralische Welt ist für uns ganz in uns selbst konzcntrirt, und wir können dic Erscheinungen und Gesetze derselben nur auf ähnliche Weise erkennen, wic wir etwas von den Erscheinungen und Gesetzen der physischen Welt entdecken, d. h. durch Beobachtung. Ein in sich gekehrter, denkender Mensch, der viel mit sich gelebt hat, ist schon dadurch allein ein trefflicher Erzieher. Will er ein Kino von einer schlechten oder unpassenden Handlung zurückhaltcn, so wird er ihm das Häßliche und die üblen Folgen derselben an schaulich darstellcn. Will er eS zum Guten und zur Tugend führen, so weiß er, welche Gründe er gellend zu machen hat, um das Kind für seine Absichten zu gewinnen. Wenn er den Mund öffnet, so weiß er, welcher Worte er sich zu bedienen hat, um ein junges Herz zu rühren; er weiß die, welche wehe thun, zu vermeiden, und dic, welche überzeugen, anzuwenden. Er kennt dic Wirkung, die er her vorbringt: in einem nnartikulirtcn Wort, in einein Blick, in einer Muskelbcwcgung erkennt er den Gedanken und den Willen, dcr sich nicht zu äußern wagt. Kurz, er handhabt dic Seelen dcr Kinder mit gleicher Sicherheit und Leichtigkeit, wic dcr Tonkünstler daS Instrument, mit dem er vertraut ist. Um aber diese tiefe und klare Kenntniß unserer selbst, die uns in dcr Seele der Anderen lesen läßt, zu erreichen, muß man sich »ilithia entschließen, sich von den äußeren Dingen loszumachcn; man muß sich in der Stille der Einsamkeit gefallen, sich der Ruhe dcS Denkens hmgcben und auf die Stimme des Innern lauschen. Diese Stimme, erst schwach, undeutlich, läßt sich bald hell vernehmen, und selbst im Tumult des Lebens räth sie uns als ein weiser, verstän diger Freund, dcr unS nie verläßt. Wir beobachten dann unsere kleinsten Scelenbcwcgungen; eine Veränderung der Lage, ein neues Ereigniß macht einen Eindruck auf unS, der uns einen Blick in uns selbst thun läßt. Wir müssen uns aber nicht begnügen, diese Ent deckungen zu machen, sondern sic aufschreiben, die Vergleichungen, die Ansichten, die Gedanken, dic sich daraus ergeben, notircn, gleich dem Naturforscher, der dic Form eines Blattes ober den Flügel eines Insekts aufs genaueste beschreibt. Junge Erzieher, nehmt dieses. Verfahren an. Studirt euch selbst und schreibt, und ihr werdet das ganze menschliche Geschlecht studirt haben.' Brauche ich erst zu sagen, daß dcr Erzieher scinc Zöglinge lieben muß? Ich würde glauben/meine Leser zu beleidigen, wenn ich hier auf in allgemeinen Ausdrücken dringen wollte; aber cs wird nicht überflüssig scpn, etwas näher ins Einzelne cinzugchcn. Wenn dic Kindes liebenswürdig, gelehrig, gut und klug sind, so werden sie von selbst Liebe einflößcn. Aber bei Kindern, die von der Natur vernachlässigt, die dumm, eigensinnig, arrogant, tückisch, nei disch sind, ist diese Liebe, außer bei den Acltcrn, eine Tugend, und eine schwere Tugend. Ich will nicht behaupten, daß man so ab schreckenden Kreaturen dieselbe Freundlichkeit und Zutraulichkeit zeigen muß oder auch nur kann, die uns die offenen und liebenswürdigen Charaktere abgcwinnen; im Gegcntheil. Schlcchtgeartetcn Kindern mit Vorsicht LiebeSbcweise geben, und zwar nur so oft, als sic ihre bösen Neigungen bekämpfen, während man ihnen in der Regel ein ruhiges und heiteres, aber ernstes Gesicht zeigt, das heißt sie lehren, um welchen Preis Achtung und Liebe zu erlangen sind. Es ist leicht, sich nicht von den körperlichen Fehlern eines Kindes gegen dasselbe einnehmen zu lassen; desto mehr können die moralischen Fehler einen Erzieher, dcr für das Gute und Edle glüht, erbittern und abstoßen. Ich habe Personen von den größten Vorzügen ge kannt, mitleidig, rein, der größten Opfer fähig, voll Empfänglichkeit für die Schmerzen und Freuden dcr Freundschaft, die aber ihren Zorn nicht im Zaum halten konnten, wo sie einen Mangel von Auf richtigkeit, eine Handlung des Egoismus oder andere leichte Laster sahen, dic in der Regel unbemerkt vorübergehen, in ihren Augen aber