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Nr. 53 — 93. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Sonnabend, den 3. März 1934 Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.r „Tageblatt 6Wt AWtOMU ab 1. AM Jie Ws der AWiWWchWN Wichtige Mitteilungen des Staatssekretärs Reinhardt. Das „Hamburger Fremdenblatt" veröffentlicht eine Unterredung des Staatssekretärs im Reichsfinanzministe rium, Reinhardt, mit dem Berliner Vertreter des Blattes. Das Gespräch erstreckte sich u. a. auf Fragen der allgemeinen Steuerpolitik. Besonders beschäftigt den Staatssekretär die Hebung der Kaufkraft der ärmeren Bevölkerungs schichten. Die Spanne zwischen Brutto- und Nettolohn erscheint ihm gegenwärtig aus verschiedenen Gründen zu hoch. Dazu trügen nicht nur die staatlichen Abgaben bei, sondern vielfach auch die hohen Pflichtbeiträge für Organisationen usw., für deren Verringerung er sich bereits mit Nachdruck eingesetzt habe. Das Reich werde mit gutem Beispiel vorangehen. Die Abgaben für Arbeitslosenhilfe erbringen im laufenden Rechnungsjahr rund 525 Millionen Mark. Er beabsichtige nun, die Abgaben mit Wirkung ab 1. April 1934 umrund285Millionen Markzusenken. Vom 1. April ab wolle er alle Einkommen von nicht mehr als 200 Mark völlig frei von der Abgabe zur Arbeitslosenhilfe gestalten. Die Einkommen von 200 bis 300 Mark monatlich sollen um 35 Millionen Mark weniger und die Einkom mensstufen von mehr als 300 Mark monatlich um 25 Mil lionen weniger als bisher an Abgabe zur Arbeitslosen hilfe aufbringen. Im übrigen komme die f r e i w i l l i g e Spende zur Förderung der nationalen Arbeit, die ihre große Wirkung in den Wintermonaten getan habe, am 1. April ebenfalls in Fortfall. Auch die Haushallslage des Reiches fei Künftig zu beurteilen. Zum Schluß der Unterredung machw Staats sekretär Reinhard» eneraisck Front gegen alle Ge- „Die Welt beginnt zu erkennen, daß der National sozialismus ein neuer, durchaus origineller Versuch ist, mit der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Krise, die Europa in Verfolg des fruchtbaren Krieges befallen hat, fertig zu werden, mit neuen Methoden neue Lösungsmög lichkeiten zu suchen", — darin gipfelten die Ausführungen des Reichsministers Dr. Goebbels vor der auslän dischen Presse. NeueMethodenzur Lösung auch der Saarfrage und damit auch der deutsch-französischen Spannung hat des deutschen Volkes Führer und Kanzler den Franzosen immer wieder vorgeschlagen. Bisher ver gebens. Noch sind die Verteidiger der alten, innerlich längst ausgehöhlten Methoden stark genug, um das Werden eines neuen, besseren Europas zu hemmen. Aber ebenso, wie sich an der Saar alle ihres deutschen Volkstums be wußten Parteien verschmolzen haben zu einer stählernen Front im Kamps für dieses Volkstum, kann, aber nur mit neuen Methoden, auch der Kampf gegen die jetzige Krise Gesamteuropas nur durch eine gemeinsame Front geistig, wirtschaftlich und politisch bis zum Siege durchgefochten werden. Dr. Pr. lüste nach einem inflationistischen öder devalvaiionistischen Kurs, der ein Verbrechen an der Wirtschaft darstellen würde. Regieruna und Reichsdank seien entschlossen, nicht das Vertrauen der Sparer zu enttäuschen. Eine großzügige familienpolitische Tat der deutschen Aerztefchaft. Berlin, 3. März. In der Erkenntnis, daß gerade die deutschen Aerzte in der Familienpolitik richtung- und beispiel gebend voranzugehen haben, hat der Führer der deutschen Aerzteschast Dr. Wagner die Schaffung eines Ausgleichskassen- jystems veranlaßt, das am 1. April 1934 in Kraft treten wird. Darnach wird bei der Hauptgeschäftsstelle der kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands, wie der „Völkische Beobachter" mel det, eine „Ausgleichskasse" errichtet, die sich in eine „Familien lastenausgleichskasse" und in die „Aerztliche Ausgleichskaste für Notstandsgebiete" gliedert. Die letztere hat den Zweck, durch Unterstützung der Kassenärzte in wirtschaftlich notleioenden Ge bieten die ärztliche Hilfe der Bevölkerung sicherzustellen. Die „Familienlastenausgleichskaste" dagegen dient dazu, bei der Verteilung des Kassenarzthonorars kinderreiche Aerzte besonders zu berücksichtigen. Vom 1. Januar 1934 ab führen sämtlich« Orts-, Betriebs-, Jnnungs- und Ersatzkasten 3 v. H. und sämt liche Landkrankenkasten 2 v. H. der von ihnen für die Kassen ärzte zu zahlenden Vergütungen an die Hauptgeschäftsstelle der kassenärztlichen Vereinigung ab. Aus diesen Beträgen zahlk dann die Zentrale Familienausgleichskaste vom 1. April 1934 ab an alle Aerzte, die Mitglieder der kastenärztlichen Vereini gung sind und drei und mehr Kinder haben, für jedes dritte und weitere Kind monatlich den Betrag von fünfzig Mark unmit telbar aus. Vorläufig werden etwa 7500 Aerzte mit vier und mehr Kindern den Vorteil von dieser Regelung haben. Die Zuschüsse werden bis zum 21. Lebensjahre geleistet. Alte und neue Methoden. Königsmacher. — Abseits vom Völkerbund. — Der Weg aus der Krise. Die Krise ist die Mutter der Gerüchte und je größer und umfassender solch eine Krise ist, desto mehr wächst auch die Kinderschar der Gerüchte an. Das gilt zur Zeit Wohl am meisten für Österreich. Für alle Mächte des europäischen Westens, Südens und Ostens ist dieser Staat nur eine Figur im Schachspiel, — nur für Deutsch land nicht! Denn für uns ist er Blut von unserem Blut. Und bleibt es! Aber die anderen Mächte behandeln dieses Österreich, das so urplötzlich zum Drehpunkt ihres poli tischen Für- und Gegeneinander geworden ist, doch in einer etwas merkwürdigen Art. Vierzehn Tage erst ist es her, als in feierlichen Trompetenstößen die Erhaltung der österreichischen Unabhängigkeit aller Welt als die Forderung des Tages verkündet wurde. Jeder, der nicht blind auf beiden Augen war, lächelte skeptisch oder bitter. Denn allzu viele Fäden, die wie Ketten aussehen, ziehen sich von Paris, Gens, Paris nach Wien. Bald zupft man daran von hier, bald von dort aus — und die Puppen tanzen. Soll nun etwa eine neue Puppe auf die Bühne gestellt werden, eine Puppe, die eine Krone trägt und — man verzeihe das Bild — der das dünngewordene Blut der Habsburger durch die Adern tröpfelt? Soll Otto von Habsburg Herrscher in Österreich werden, nicht von Gottes, sondern von Auslands Gnaden? Diese Methode ist ein bißchen alt; die hat man vor 120 Jahren schon mal in Frank reich bei den Bourbonen angewandt, — allerdings mit entschiedenem Mißerfolg! Die damalige „Restauration" führte alle zurück, die mehr als zwanzig Jahre „nichts hinzugelernt und nichts vergessen hatten". Danach riecht's auch ein wenig in einem Teil jener Kreise, die heute in Österreich augenblicklich an der Macht sind oder sich da nach hindrängen. Doch „Habsburg" bedeutet mehr als nur Österreich, — es bedeutet für den Donauraum ein Pro gramm. Und infolgedessen mußte Herr Benesch, der Führer der diesem Programm entgegenstehenden Nach folgestaaten, wieder den Salonwagen gen Paris benutzen und inzwischen daheim allerhand dunkle Drohungen gegen eine Habsburger-„Nestauration" in Österreich in die Lüfte steigen lassen. Dabei gibt es doch für die Be seitigung aller zwischen Himmel und Erde nur denkbaren Möglichkeiten der Friedensstörung eine ebenso alte wie schlecht bewährte Methode, die die Überschrift trägt: Der Völkerbund. Freilich paßt auch auf ihn eines deutschen Dichters hartes Wort: „Der Bund, dieser Hund, der ist nicht gesund!" Aber Benesch, dieser „eommis vo^ngeur" des Völkerbundes, sollte doch nicht solche, ihn selbst und die andern noch mehr kompromittierende Androhungen mit Waffengewalt in seiner Mustertasche herumtragcn! Denn das sind doch seit 1918 längst überwundene Metho den, deren Wiederanwendung Herr Benesch bisher doch höchstens Deutschland vorwarf. -j: Politisch rückständige Zeitgenossen könnten im Hin blick auf dieses eigenartige „Spiel" in und um Österreich den hehren Hüter des Selbstbestimmungsrechtes der Völker, also den Völkerbund, einmal darauf auf merksam machen, daß dieses Recht doch eigentlich auch für — das österreichische Volk gelte. Und daß man nun eigentlich dieses selbst einmal befragen sollte, wie es über das ganze Spiel denke. Doch dann würden die „Königs macher" wohl ihr blitzblaues Wunder erleben! Aber — wer fragt denn heute überhaupt noch den Völkerbund oder mach ihm! Fern von der auf Eis gelegten, schon recht er starrten Abrüstungskonferenz reiste der englische Staats sekretär auf „Diplomatentour", und die Annäherung zwischen DeutschlandundPolen vollzog sich weit ab von den Genfer Salons. Die zwischen beiden Mächten getroffenen politischen Vereinbarungen haben nun ihre Vervollständigung erfahren durch ein wirtschaftlich-zoll politisches Übereinkommen; diesem aber ist ein besseres Schicksal beschieden als dem viel umkämpften deutsch- polnischen Handelsvertrag vom Jahre 1930, der zwar in Berlin und Warschau unterschrieben, aber dann weder vom Deutschen Reichstag, noch vom polnischen Sejm ratifiziert wurde. Jetzt soll zunächst einmal dem Zoll- und Handelskrieg ein Ende gemacht werden, der mit allen Mitteln der Zolltarifpolitik, der Einfuhrverbote usw. gegeneinander geführt worden ist und den gegenseitigen Güteraustausch zwischen den beiden Staaten — soweit er überhaupt noch bestand — auf ärgste erschwerte. Daß auch der deutsche Osten, vor allem Schlesien und Ost preußen, schwer darunter litten, daß andererseits aber auch °rr Wirtschaft Polens in diesem achtjährigen Krieg icywere Wunden geschlagen wurden, versteht sich angesichts °er ^aisache von selbst, daß beide Staaten auf Hunderte von Kilometern die gleiche Grenze haben, also Nachbarn ^"^,"ud es ist immer besser, für beide zuträglicher, wenn s'ch vertragen, als wenn sie sich schlagen. Eine Verständigung aber wäre nie zustande gekommen, nenn man etwa auf den Völkerbund mit der Ölkanne iciner Verständigungsempfehlungen gewartet hätte. * Frankreich bleibt hartnäckig. „Nichts Neues aus Paris!" Mit diesem geflügelten Wort könnte der englische Großsiegelbewahrer Eden den Bericht über seine Erkundungsreise inRom, Berlin und Paris vor seiner Regierung einleiten. Es ist ihm allen Anschein nach nicht gelungen, Frankreich von seinem halsstarrigem Standpunkt in der Abrüstungs frage abzubringen: In Pariser Kreisen wird der Stand punkt Frankreichs gegenüber den von Eden vorgetragenen Auffassungen in folgenden Punkten sestgelegt: Es sei un möglich, einen Vertrag zu unterzeichnen, der aus eine Wiederaufrüstung Deutschlands hinauslaufe. Man sei nicht deshalb auf die Genfer Konferenz gegangen. Es sei unmöglich, daß außerhalb der Reichs wehr die derzeitigen militärähnlichen Verbände, SA. und SS. aufrcchterhalten würden. Es sei unmöglich, den Gedanken einer Kontrolle anzunehmen, ohne daß damit die Möglichkeit von Sanktionen ver bunden sei. Frankreich erhebe Einspruch dagegen, daß Deutschland eine militärische Luftrüstung zu gesprochen werde.. Außerdem schließe Frankreich sich der Auffassung hinsichtlich der Rückkehr Deutschlands n a ch G e n f an. Das bedeutet eine strikte Ablehnung jeder ver mittelnden Schritte, die von Italien und England unter nommen worden und die Aufstelluna von Forderungen, die für Deutschland selbstverständlich unannehmbar sind. So sind wieder einmal, wie schon so oft, die Ab rüstungsgespräche ergebnislos geblieben, und es ist .wahr scheinlich, daß die Haltung der französischen Negierung jede weitere Abrüstungsaussprache sehr erschwert hat. Eden hat während seiner Pariser Verhandlungen in ständiger Verbindung mit seiner Negierung gestanden, und der ablehnende Standpunkt Frankreichs ist schon vor seiner Rückkehr nach London dort bekanntgeworden. Man kann es gewissermaßen als eine vorweggenommene Antwort an Frankreich betrachten, daß die englische Öffentlichkeit in den letzten Tagen fortgesetzt im Sinne einer Aufrüstung bearbeitet wird. Auch findet Eden ein rüstungswilligeres Kabinett vor, als er es verließ. In dem neuen Etat für die Luftflotte waren nur vier neue Kampfflugzeuggeschwader angesor- dert worden, jetzt hat aber die Regierung bereits einen Nachtragsetat für die Landesverteidigung angekündigt. Auch in Italien hat das Verhalten Frankreichs stark verschnupft. Die italienische Zeitung „Stamva" schildert die Lage durchaus richtig, wenn sie schreibt, die Fortschritte, die man inBerlin und Rom gemacht, und die Annäherung, die man zwischen der italieni schen und der englischen These erreicht habe, hätten in Paris nichts weiter zur Folge gehabt, als daß man auf frühere Stellungen sich zurückgezogen habe, die man längst überwunden glaubte. Frankreich zeige sich jedesmal nur dann in der Abrüstungsfrage bereitwillig, wenn die an deren drei Mächte unter sich uneinig seien, sobald aber auch bei den anderen nur ein leichtes Zeichen der Über einstimmung sich zeige, ziehe sich Paris unmittelbar zu rück, um nicht in die Gefahr zu kommen, beim Worte genommen zu werden. Es sei nicht unmöglich, daß man die augenblicklichen Besprechungen auf diplomatischem Wege für einige Zeit noch fortsetze, weil es natürlich den Franzosen unangenehm sei, sür das Nichtzustande kommen eines Abkommens verantwortlich gemacht zu werden. Wenn England die Besprechungen fortsetzen wolle, dann würde Frankreich mitmachen, um den Eng ländern zu beweisen, daß man auch kein Opfer scheue, um ihnen gefällig zu sein; in Wirklichkeit werde man aber nicht das Geringste tun. Jedenfalls wird Eden von seiner Reise die Über zeugung mitgebracht haben und in London auch ver treten, daß nicht, wie es Frankreich immer hinstellen möchte, Deutschland die Schuld am Scheitern jeder Abrüstungsbesprechungen trägt, sondern daß Frankreichs böser Wille alle Bemühungen um eine Befriedung Europas immer und immer wieder zuschanden macht. MsdrufferTageblaii Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des StadtF rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das ^Wilsdruffer Tageblatt« erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 1V Npsg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. Geschäftsstelle, nehmen zu ^derzeit Bestellungen -nl. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Segen. 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