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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.06.1923
- Erscheinungsdatum
- 1923-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192306127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19230612
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19230612
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1923
-
Monat
1923-06
- Tag 1923-06-12
-
Monat
1923-06
-
Jahr
1923
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Schriltlettung. «elchLflsstell«, ^rueleret: Leipzig. JohanntSaaff« 8 (Fernsprecher »7080-17082): etwa «»» m alrn Filialen Amelsen- und «tzonnement- Mnnchme; auch ulnnut jede« Postamt Bestrüungen an. « Da» r««e»latt ««ttiebe veranntMachnn«»« do« »a«o» »e* ««»dt «eioeio. do« Go»t»ot»»«tdi»»S do» ««ISnoricht» Leiv,i«. s»»i- vorlchlodener »»derer Beddrd»» Xr. 137 kiNLSlNUMMSr LS0 I^rk 0l«»lLS, Seo 12. Juul 1923 fsrn-^UL8«dV 117.)»krs MM MMMMW U MM MM MM ,um ZeOeM. 7>.(9eleaenhcllSanz. «prtv.Nalurlu.Ptellenangeb^nuu- UM U N WW7 M E L M» M > M, ML .^eile M. 100, Slcllengcl WM ><e»c M. 8.5.am,«. Bckanmm. Toppel- M MM iuiu-ZetleM.450.f.au»w.M.800.ReN 72wwbr.,mw-AetleM.1100,«.auSW M.l700 «u«land»an,.m.valutaanNchl. »ei Wtederv.Aachlatz. Platz« u.Da«envorsch.unverbtndl.Erfüll.-OrlLeipzig. Postsche<ä.L»tpzL004. Lismbottjskis Sturz L. X. Leipzig, 11. Juni. Als der bulgarische Ministerpräsident Stambolijski in der letzten Maiwoche die neugewählte Sobranje, in der er mehr als sieben Achtel der Mitglieder als seiner Bauernpartei zugehörig begrüßen konnte, mit der Verlesung einer Thronrede des Königs Boris eröffnete, wird er sich wohl kaum bewußt gewesen sein, daß er in schon so kurzer Zeit nicht mehr an dieser Stelle stehen werde. Allerdings, die über aus freudige Zustimmung aller Oppositionspar teien zu den außenpolitischen Forderungen, die in der Thronrede mit so starker und ernster Be tonung in bezug auf Thrazien und die unter drückten Minderheiten in den abgetretenen und Grenzgebieten zum Ausdruck kamen, hätte ihm zu denken Anlaß geben können. Denn es war nur eine Ironie, wenn die Blätter der Opposition mit Genugtuung feststellten, daß die Regierung endlich aushöre, mit angeblichen außenpolitischen Erfolgen zu prahlen und mit den trefflichen und genauen Forderungen die Politik aller Bul- garen treibe. Es heißt denn auch, daß Sta.nbo- lijski das heraufziehende Gewitter geahnt und sich schon seit acht Tagen aus Sofia zurückgezogen habe, um bei seinen Parteifreunden auf dem Lande eine Zufkuht zu suchen. Aber die Außenwelt ist durch den so plötz lichen Sturz des fast allmächtigen „Bauernkönigs" einigermaßen überrascht worden. Schon seit Jahren ist man daran gewöhnt, daß etwa jeden Monat einmal die Nachricht auftaucht, in Bul- garien sei eine Revolution ausgebrochen, welchtz Meldung dann ebenso regelmäßig wieder deinen- Isert zu werden pflegte. So wurde die Welt all- mählich auf die kommenden Dinge vorbereitet, denn wenn die bulgarischen Rsvoluttonsnachrich- ten auch den Tatsachen vorauseilten, so enthielten sie doch immer ein Fünkchen Wahrheit, das von der inneren Zerrüttung des Staates ein ernstes Bild zeigte. Man fühlte, daß geheime Kräfte am Werke waren, die ein neues Regime vorbereite ten, aber es war ein Rätsel, wie dieser anschei nend von einer so großen Volksmehrheit gestützte Ministerpräsident zu Fall gebracht werden könnte. Und doch ist es über Nacht zur Tatsache gewor den: ein politisch in der Öffentlichkeit wenig be- kannter Professor Zankoff tauchte plötzlich an der Spitze ihm getreuen Militärs in den Straßen Sofias auf, riß die Gewalt an sich und setzte nach dem berühmten Beispiel Stambolijskis die Mini- ster gefangen. Also ein Militärputsch, wie ihn einst in Deutschland ein Kapp versuchte, der aber ohne Blutvergießen zum Erfolg führte und nach den bisher vorliegenden Meldungen keinen ernsten Widerstand gefunden zu haben scheint. Man kann das verstehen, wenn man sich die Quellen des Umsturzes anfieht. Hinter dem neuen Ministerpräsidenten Zankoff sichen nicht nur das Militär und die gesamte Opposition, sondern auch ein großer Teil der Bauern, die an der Entente kriecherei des alten Kabinetts schon seit langem Anstoß genommen hatten. In dem neutralen Verhalten der Bauernschaft, von der Stambo lijski einst an die Spitze des Staates gehoben war- den war, drückt sich die Tatsache aus, daß die Aktion vor allem als gegen die Person Stam- bolijskis gerichtet betrachtet wird. Dieser hat sich als Liebkind der Entente eine Gegnerschaft auch in den Reihen der eigenen Partei zugezogen, die mit der völligen Unterwerfung unter den Willen der Alliierten nicht einverstanden war. Das nationale Empfinden des bulgarischen Vol kes ist von jeher überaus stark gewesen, und die ganze Geschichte des Landes ist von diesem Empfinden geleitet. So hat es denn eine tieff Wunde in die bulgarische Volksseele gerissen, als mit dem Ausgang des Weltkrieges nicht nur der bulgarische Teil der Dobrudscha an Großrumänien fiel, sondern auch da» rein-bulgarische Westthrazien an die Griechen abgetreten werden mußte. Der zwar durch den Vertrag von Reuilly garantierte Zugang zur Aegäi» ist bis heute noch nicht geschaffen und hat erst in diesen Tagen zu ernsten Vorstellungen bei den Tntentrregierungen Anlaß gegeben. Aber am wenigsten konnte da» bulgarische Volk es Stambolijski vergessen, daß er zum Zwecke der Verbrüderung mit dem serbischen Erbfeind einen dauernden Verzicht auf Mazedonien aussprach, auf jene» GMet, wo zum großen Teil bulgarische Bevölkerung lebt und um das sich Bulgarien 1918 in den zweiten Balkankrieg stürzte. So hatte es denn das „Hohe mazedonische Komitee*, das einst von dem inzwischen durch Mörderhand gefallenen Boris Sarafoff mit dem Ziele eines Groß-Bulgarien gegründet wurde und das noch heute als Geheimbund fortbesteht, leicht, das bulgarische Volk gegen den ,anii-nationalen Volk» Verräter" aufzuwiegeln. Das Komitee, dem schon so viele Politiker des Balkans zum Opfer fielen, hat sich auch diesmal den Milltärputschi- sten angeschlossen und scheint eine der Haupt stützen Zankoffs zu sein. Nicht glücklicher war Stambolijski in seiner inneren Politik. . Durch die einseitige BertrUung der Interessen der Bauernschaft hat er es mit allen anderen Klassen des Landes ver dorben, um so mehr, als er eine strenge Diktatur ausübte. Als er seinerzeit ans Ruder kam, prägte er das Afi rt: „Wir wollen nicht die Preußen des Balkans «ein, sondern wir wollen die Schweizer auf dem Balkan werden!" Ab.>r bald zeigte es sich, daß Bulgarien keine Schweiz jein konnte und daß es >n die weniger angenehme Lage eines Pufferstaates geriet. So wurde cs zum Tummel platz der aus der Krim vertriebenen Wrangel- armee, bis diese schließlich zur Gefahr des Staates wurde und gewaltsam entwaffnet werden mußte. Und so wurde auch das Volk, wie es scheint, mehr und mehr von den bolschewistischen Ideen durchsetzt, wodurch Stambolijski bald i ernste Konflikte nut den Kommunisten geriet. Das gesamte Bürgertum stieß er aber durch sein radi kales Vorgehen gegen die Mitglieder der Kriegs kabinette vor den Kopf, die er tns Gefängnis warf, soweit er ihrer habhaft werden konnte. Dieser Kotau vor den Kommunisten, der ihm jetzt vielleicht selbst verhängnisvoll werden kann, da er als Präzedenzfall ausgelegt werden könnte, hat wohl wesentlich zu Stambolijskis Sturz bti- getragen. - ,. Die nächste Zukunft Bulgarien» hängt nun davon ab, ob es der neuen Regierung gelingt, sich eine Mehrheit zu verschaffen. Zankoff selbst ist politisch ein noch unbeschriebenes Platt, und . m. weiß bisher nur von ihm, daß er im besten Verhältnis zum König steht und «in Freund de» Generals Protogeroff ist, der als einer der er bittertsten Gegner Stambolijskis gilt. Die Entente selbst dürfte den Ereignissen in Sofia mit gemischten Gefühlen folgen, denn einen so getreuen Diener wie Stambolijski wird sie an der Spitze der bulgarischen Regierung wohl kaum wie- der sehen, während auf der anderen Seite der Sofioter Putsch ein neues Moment der Unruhe für den Balkan bedeuten kann. Der Umsturz vollendet Stam-osijski vom KSnis entrosten — Neins Opfer Sofia, 11. Juni. (Eig. Tel.) Die Regierung Stambulinski kann nunmehr endgültig al» be seitigt angesehen werden. Der Umsturz war vom Offiziersbund inszeniert. Um die 2. Morgenstunde de» S. Juni wurden die Kadetten alarmiert und zogen bald darauf unter Führung ihrer Offiziere zur Poli zeistation, die sie unter dem Vorwande einnahmen, sie wollten die Polizeiwache verstärken. Dana be- fetzten sie Post, Telegraph und andere wichtige Punkte der Stadt. Die Entwaffnung wurde leicht durchge- führt. Nur an einigen Stellen war Widerstand zu überwinden. In 1-L Stunde war da» Werk ge schehen, und Stambulinski, der 20 Jahre regieren wollte, besiegt. Um 2 Uhr nachts ging Professor Zankoffals Beauftragter des Dotksausschuffe» zum König nach Schloß Lvauja. Der König fah die Notwendigkeit des Wechsel» ein und unterzeichnete um 3 Uhr nacht» drei Verordnungen: die Entlassung des Kabinett» Stambulinski, Ernen nung der neuen Minister und sofortige Auflösung der Sobranje. Der Umsturz ist ohne Ruhestörung und ohne Opfer erfolgt. Die Hauptstadt Sofia zeigt heute bereit» wieder ihr gewöhnliche» Aussehen. Auch aus der Provinz liegen günstige Nachrichten vor. Vas „Kabinett der nationalen Konzentration" S»fio, 11. Juni. (Gig. Tel.) Ministerpräsident Zankoff besuchte am Sonntag all« fremden Gesandtschaften und teilte ihden den Regie rungswechsel mit. Daß die neue Regierung der Minderheit der Sobranje entnommen wurde, habe seinen Grund in der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Regierung Stambolijski, die nunmehr durch ein Kabinett der aationalen Konzen- tration ersetzt werde. Vie Regierung werde sich das Vertrauen der breiten Schichten zu erwerben trachten, indem st« die gegenwärtige Verwirrung beseitige, dte «in Werk Stambolijski» sei. Am Rach- mittag empfing der König da» neue Kabinett. Ja der ganzen Stadt sah mau be« Sonntag über starke Komttatschibanden, die »tt wilden Freudenau»- brächen für die Regierung manifestierten. Die in Kästendil Petritsch versammelten Komitatschi mar- schieren auf Sofia, um der Regierung gegen «twaiv Angriffe Schutz zu bieten. Ein neues Massaker Fünf Dortmunder von -s« Franzosen erschossen Essen, 11. Juni. sEig. Tel.) Die Franzosen haben in Dortmund wegen ver Erschiessung der beiden Offiziersaspiranten blutige Vergeltungsmassnah men vorgenommen. Anfolge der Ausregung nach der Tat wurde von der Bevölke rung das Derkehrsverbot, dass nach S Nhr abends niemand die Strasse betreten darf, vielfach überschritten. Die französischen Trnppcn schossen ohne weiteres auf das nach v Nhr anf der Tirasse anwesende Publikum. .'»Personen wurden ge tötet. Die Leichen wurden von französischen Loldaten an derselben Stelle nie dergelegt, wo gestern die beiden Franzosen erschossen worden waren. Das Stadt hans ift militärisch beseht worden. Die Besetzung weiterer Gebäude steht bevor. Der Vertreter des Oberbürgermeisters sowie drei andere Herren wurden al- Geisel« festgenommen. Neber die Ermordung der Offiziere wird noch bekannt, dass die beiden Er mordeten von zwei Deutschen auf der Strasse ausgefnnden wurden, die die franzö sische Wache benachrichtigten. Die beiden Deutschen wurden von den Franzose» festgenommen. Dortmund, 11. Inn!. (Lig. Tel.) Der Dor- gong, bei dem zwei frai höfische Feldwedel erschossen wurden, ist bisher noch nicht aufgeklärt. Angel)- lich haben drei Deutsche hinterrücks auf die Fran zosen geschossen. Einer von ihnen war sofort tot, der andere starb auf dem Transport in das benach barte Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft hat eine vorläufige Belohnung von 5 Millionen Mark auf Angaben ausgesetzt, die zur Ermittelung der Täter dienen können. Die Franzosen haben sofort scharfe Maßnahmen gegen die Stadt ergsffffen. So wurde über die Altstadt und die eingemeindeten Ortschaften Dorstfeld und Köri<: der Belagerungszustand verhängt und aller nächtlicher Verkehr verboten. Paßstempel werden nur noch in den dringendsten Fällen ausgefertigt. Die Franzosen Hasen die Ueberlassung zweier Bahnsteige des. Hauptbahnhofes für die neu mili tarisierte Strecke verlangt. Da dies abzelehnt wurde, ist mit der Besetzung des Bahr Hofes zu rechnen. „Line hübsche Ouvertüre" Der Matin, der in der Pariser Presse ungefähr die übelste Spielart der Deutschenfresserei vertritt, bezeichnete die Crmordnung der beiden französischen Feldwebel in Dortmund als eine „hübsche Ouvertüre neuer Verhandlungen". Aus solcher hämischen Be merkung, die nach den letzten Meldungen mit den Aeußerungen der übrigen Pariser Blätter ziemlich übereinstimmt, klingt deutlich die Genugtuung, die der französische Nationalismus über jedes Ereignis empfindet, das geeignet ist, die Beziehungen zwilchen Deutschland und Frankreich womöglich noch zu ver schlechtern, auf jeden Fall eine friedliche Lösung der zwischen den Nachbarrepubliken schwebenden Streit fragen für absehbare Zeit unmöglich zu machen. Eine zweifelsfreie Feststellung über die Persönlich, keit der für die Ermordung der Dortmunder Feld- wedel Verantwortlichen ist indessen bis jetzt nicht er- folgt, und bis auf weiteres berechtigt nichts zu der in der französischen Presse alsbald aufgetauchten Per- mutung, daß es sich um einen Racheakt für die Hin richtung Schlageters gehandelt habe. Die Franzosen haben jedoch die Aufklärung der unglücklichen Be- gebenheit nicht abgewartct, sondern sich beeilt, jene schändliche und barbarische Kollektivjustiz zu üben, in deren Formen sonst die europäische Kultur in Ncgcrdörfern aufzutreten pflegte. Schon sind fünf Opfer der französischen Wut gefallen, abermals die Erbitterung vermehrend und die Aussichten einer endlichen Wiederherstellung des Friedens ver mindernd. Den Franzosen, die offensichtlich nicht auf Frie den, sondern auf brutale Machtentfaltung, nicht auf Verständigung, sondern auf Vernichtung, nicht auf billige Entschädigung, sondern auf Raub ausgehen, ihnen ist mit einer derartigen Entwicklung der Dinge vortrefflich gedient. Ganz ander» ober stellt sich das Problem von unserem Standpunkt dar, die wir dos allergrößte Interesse daran haben, in Ermangelung der Macht, die heute nicht unter unseren Möglichkeiten zählt, wenigsten» da» moralische Recht auf unsere Seite zu bringen und damit, wenn auch noch nicht Verbündete, so doch zunächst einmal Freunde in der Welt zu gewinnen. Wie die Machtvrrhältnifle heute liegen, werden wir jedesmal den Kürzeren ziehen, wenn wir Gewalt mit Gewalt zu erwidern suchen, und e» unterliegt gar keinem Zweifel, daß das Schick sal de» Widerstand» an der Ruhr in dem Augenblick besiegelt wäre, wo er «ms einem passiven zu einem aktiven werden wollte. Freilich, ist e» möglich, den passiven Widerstand mit all der Erregung und Erbitterung, die er auf beiden Seiten eegeugt, «in« beliebige Zeit in den von kühler Ucbkrlcgung gesteckten Grenzen zu halten?. Vielmehr scheint es der menschlichen Natur zu ent sprechen, daß ein Unternehmen von der Art des im Ruhrgebiet geführten Kampfes allmählich in Gefahr gerät, seinen Trägern aus der Hand zu gleiten und unerwünschte, in ihren Wirkungen zum mindesten problematische Formen anzunehmen. Ein Grund mehr für die Reichsregierung, sich durch keinerlei Zwischenfälle nbschrecken zu lassen, keine Bemühung der Klugheit zu versäumen, wenn es sich darum hast- dclt, eine Begleichung der Reparationsfrage herbei- zuführen und damit auch die Beilegung des Ruh.r- kampfcs zu beschleunigen, der sich bereits der ruhigen Ucberlczung und zweckmäßigen Führung zu entziehen und zu Methoden übcrzugchen droht, von denen man nicht mehr mit Sicherheit zu sagen vermag, ob sie ihrem Zweck noch dienen können oder ihm am Ende gar cntgegenwirken. Schändung eines Kindes Frankfurt a. M., 11. Juni. (Eig. Tel.) Zn Wörth am Rhein hat ein Marokkaner einen sieben jährigen Jungen, nachdem er ihn durch einen Schlag auf den Kopf betäubt hatte, vergewaltigt. Auf eine Anzeige bei der Besatzungsbehörde hin wurde der Täter festgenommen. Es gelang ihm aber, vor seiner Verhaftung Selbstmord zu verüben. Den Eltern ist von den Franzosen „Genugtuung" zugesichert worden. Damit kann sich aber die Bevölkerung, die immer von neuem durch die farbigen Truppen in Gefahr gebracht wird, nicht beruhigen, und eine solche nach träglich angebotene Genugtuung schasst den Schaden, der einem schulpflichtigen Jungen geschieht, doch nicht aus der Welt. viehisch, aber nobel Dortmund, 11. Juni. In Herne wurde am 8. Juni eine Frau von französischen Soldaten schwer verletzt. Sie ist inzwischen an den Folgen der Ver letzungen gestorben. Die Pesatzungsbehörde hat den Angehörigen eine Entschädigung von 500 000 Mark angeboten, die aber abgclehnt wurde. Einzelheiten über den Vorfall sind noch nicht bekannt. Lloyd George als vutzprediger . London, 11. Juni. (Eig. Tel.) Lloyd Ge orge Hal sich gestern im Anschluß an den Gottes dienst einer freien Kirche, wie er erklärte, angesichts des großen Ernstes der politischen Lage zum ersten Male seit 30 Jahren wieder bereit gefunden, an einem Sonntag eine politische Rede zu halten. Der erste Teil seiner Rede waren Vorwürfe, die er an die Regierung richtete, weil sie versäumt habe, groß zügige Maßnahmen zur Hebung der wirtschaftlichen Lage der unteren Bevölkerungsschichten, insbesondere zur Bekämpfung des Wohnungselendes, zu ergreifen. Dann beschäftigte er sich mit der außenpolitischen Lage. Es sei notwendig, die Herrschaft der Gewalt in der ganzen Welt zu beseitigen. Die Gewaltmaßnahmrn hatten binnen einem Jahre zwei Elsaß-Lothringen in Europa geschaffen', Polen durch dir Besetzung Wilna» und Frankreich durch den Einbruch Ins Ruhrgebiet seien bereit gewesen, eine rege nationale Entwicklung und di« Zukunft der Zivili sation um kleiner vorübergehender Vorteile willen zu opfern. Er wisse nicht, wohin die Welt steuere. Die seelische Erhebung de, Kriege» sei geschwunden. Jeder sei ermüdet und verzweifelt. In der Repa rationsfrage liege rin deutsche» Angebot vor, die Angelegenheit einem Schiedsspruch Sachverständiger zu unterwerfen. „Würden Frankreich und Belgien" — so rief Lloyd George aus — „diesen Vorschlag abermal» ablehnrn mit der Begründung, warum sollen wir un« einem Schieds spruch unterwerfen, wenn wir die Macht haben, so würde keine neue Geistesverfassung tn der Welt ihren Einzug halten. Dann -weifest Lloyd George an der Zukunft der Zivilisation." Als Lloyd George die Kirche verließ, hielt er auf der Straße dieselbe Red« auf den Stufen der Kirch«, vor einer vieltausendköpfige« Meng», dir sich inzwischen angefammSt hott».
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