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WWtM DtiiWc Suu '! ' ^ä » M April L8« ' l - 5 - I< Zü brzlihen d»»ch alle « / P-ftämftr be* 3»» imd ZMm Hsss-^ Preis für »a« Bierttljatz» l -, jede einzelne NUMVtir L Ngr. «Wahrheit und Nicht, Freiheit »od Gesetz!» Aasertiwsgeßüb» für den Raum einer Zeile »Ngr. Dir Abrechnung. ---Lelptzlg , 12. April. Jeher gute Geschäftsmann macht, wenn er ein Geschäft abgewickeft hat, seine Bilanz oder seinen Rechnungsabschluß, um zu sehen, ob er mit Gewinn oder Verlust operirt hab«. Der jetzt abge- läuftn« Kri« und der Friede, der ihn beschlossen, ist ein solches Geschäft im großen Stil, ein Geschäft, bei welchem der Einsatz nicht bloS Geld, sonder« auch Blut, nicht blos der gestörte Verkehr der Volker, sondern auch daS zerstörte Glück zahlloser Familien war. Die Regierungen wie die Valter halten jetzt Abrechnung — sowol di«, welche am Kriege u«mit- telbar thcilgenommen, als die, welche sich davon mehr oder weniger fern- gehalten, di« Sieger wie di« Besiegten. Wir hahen bereits genug solcher „Rechnungsabschlüsse" und „Nechnungsausweise" zu lesen bekommen, gün stige und ungünstige, aufrichtige, welche ihr Verlustkonto offen zur Schau Men,, und solche, wehhe eS künstlich zu verstecken, suchen und sich, wie man zu sagen pflegt, ,,m die Tasche lügen". Unternehmen wir es den« auch einmal, eine solche Hilanz füv die sammtlichen hei dem eben geschlos senen Kriege näher oder ferner bethkiligten Staaten aufzumachen. Figurirt doch auch unser Vaterland-mit einem nicht ganz unansehnlichen Posten in diese« Generalabrechnung! Beginnen wir mit Rußland ! Eben jetzt ist der vollständig« Text des ,,FriedenSmanif«st<S" «schienen, worin der Zar vor seinen Völkern Rechnung ablegt über die Zweck«, die Thaten, di« Opfer und die Resul tate des jüngsten Kriegs. Ob ganz offen und der Wirklichkeit der That- fachen entsprechend, das wollen wir sogleich sehen. „Der hartnäckig und blutige Kampf", heißt eS im Eingang« deS Manifestes, „welcher Europa fast drei Jahre durchtobt, hat endlich aufgc- hört. Richt Rußland hatte ihn angefangen." Was wir von dieser Ver sicherung zu halten haben, wissin wir. Für die Völker Rußlands mag es eine Beruhigung feen, wenn sie auf die ungeheuer« Opfer blicken, die sie in diesem Krige gebracht, sich zu sagen, und die Regierung mag für noch- wendig halten, ihnen diese Beruhigung zu verschaffen: daß jene Opfer ge- bracht seien um einer gerechten, um einer heiligen Sache will««, sür di« orthodoxe griechische Religion, welche zu schützen das Recht und die Pflicht des „heiligen Rußland" sei. Aber die öffentlich« Meinung Europas ist hinlänglich aufgeklärt über die Veranlassung, und die Veranlasser dieses blu tigen Kampfes, pnk sie wird sich über diesen Punkt ebenso wenig irre machen lassen als über den Grund , weshalb von derselben Seite her, wo mav seinerzeit so trotzig den Krieg provocirt, jetzt mit so überraschender Nachgie bigkeit die Hand zum Frieden geboten worden ist. Zwar sagt das Mani fest: „Es bereitete sich, durch die uuerforschlichen und heilsamen Rachschläge der Vorsehung, eine den Wünschen unsers erlauchten Vaters, den unserigen und denen von ganz Rußland entsprechende Thatsache vor, die den Zweck L«S Kriegs zur Erfüllung brachte. Das künftige Loos und das Recht aller Christen der Levante findet sich fortan gewährleistet, der Sultan erkennt sie feierlich an, und infolge dieser Handlung der Gerechtigkeit tritt das osma nische Reich in den Verband der europäischen Staqten." Allein die Akten stücke der Wiener Conftrenz — vom Anfang des Jahres 1833 bis zum Frühjahr vorigen Jahre- — sind da,, um zu bezeugen, wie Rußland jenen vorgeblichen „Zweck deS Kriegs", die Sicherung der Rechte der Christen in die Türkei, verstand, welche Rechte eS hauptsächlich aufrechterhalten wollte: Pie Privilegien der griechischen Geistlichkeit, welche zum großen Theil den «othwrndig«», zeitgemäße« Reform«« innerhalb der christlichen Bevölkerung selbst im Weg« standen — und wie. eS dies wollt«, aus Kosten der Sou- veränetät der Pforte und zu Gunsten eine» einseitigen Protektorat« - und EinnnschungSrechtS des Aar. Die Aktenstücke der pariser Conftrenz«« aber werden ihrerseits bezeugen (und die Mittheilungen von dem Verlaufe der» selb««, welch« in die O«ffentlichk«it gedrungen siyd, bezeugen es bereits), ob jener Zweck Rußlands erreicht ward, od«r ob nicht vielmehr gerade der Verzicht Rußlands auf das erstrebte, ja ftlkst auf das schon besessene Pro tektorat über di« Christen in der Türkei eine der wesentlichsten Bedingungen war, welche man dem Petersburger Cabinet aufdrang und welches dieses annahm. , Richt anders ist eS mit de« militärischen Resultaten dieses Kriegs. Nach dem Manifest geht natürlich Rußland auch in militärischer Beziehung mit ungeschmälertem, wenn nicht mit gesteigertem Ruhme aus dem drei- jährigen Kampf« hervor. Niemand wird di« heldenmüthige Tapferkeit und Ausdauer der Vertheidiger von Sewastopol anftchten oder in Abrede stellen wollen, daß Rußland auch diesmal, soweit der Kampf auf seinem Gebiete geführt ward, eine bedeutend« BertheidigungSkraft entfaltet hat. Dagegen aber kann sich auch kein unbefangener Beobachter diese- neuesten Krieges darüber täuschen, daß im Angriff unh in der offen«» Keidschlacht die rus sischen Truppen sich nicht nur den westmächtlichen, sondern selbst den tür kischen nirgends gewachsen gezeigt haben, sogar dann nicht, wenn sie in be deutender numerischer Uebermacht auftraten (denn Ker AuSgang der Meld zöge, in Asien sammt dem Falle von Kar- gereicht, «ft hinlänglich trwi» sm, mehr der türkischen Regierung und theilweift dm Verbündeten zmn Boktvurf al» dm russische« Waffen zum Ruhme); daß da- kolossal« Ruß land den Kampf gegen eine, mühsam auf Hundert« von Melle« von ihren Heimatländern weglranSportirte, die längste Zeit von allen Unbildan be fremden Sandes und KttmaS derimirte, schlecht versorgt« und vftlleftht auch schlechtgeleitet« Armee nur mit dem anstrengendsten, «schSpsendsten Aufge- bot seiner Kräfte zu bestehen vermochte, daß eS, allen Anzeichen nach, wirklich schon „den letzten Mann und den letzt«» Rockel" darangesetzt hatte und beinah« gezwungen war Frieden zu suchen, um sich wieder ««holen zu können; daß von de« Millionen Bewaffneter, mit nxlohen mehr noch die russenfreundlichen Deutschen als die nationalrussischen Organe di« Gegner dr< Aar in Gedanken schon niederfchluge« und zermalmt«», nur mit den größten Anstrengungen kaum 260,000 auf Einen Punkt versammelt und dem Feind «ntgegengeworftn weiden konnten; daß die stolze Armada, an wSkhev der verstorben« Zar während seiner ganze« Regierung gebaut, W zu nicht- tauglich erwie- als zu dem Raubzuge von Sinope gegen einen viel schwä cher« Grgner unk als Material zur Versperrung des Hafen- von Sewastopol. Rein! wen« Rußland aufrichtig sein will, so muß «S bekennen, daß «S militärisch und diplomatisch, auf den Schlachtfeldern lind am grünen Tische Ker Conftrenz«« «ine Niederlage erlitten und, wie selbst sei« war mer Freund und L»bred«er, der „Rundschauer" der R«u«n Preußischen Zeitung", offen bekennt, „eine Sectio« erhalten hat, die eS nicht sobald ver gessen wird". Und wenn Rußland dies nicht eingestehen will, wen« eS sich oder Europa über die wahre Sage der Dinge zu täuschen sucht, so soll we nigstens Europa, vornehmlich aber Deutschland, sich die Thatsache wohl in- Gedächwiß prägen und nicht wieder daraus verwischt« lassen: daß Rußland, daS für unüberwindlich gehalten«, das wegen seiner Meisterschaft in der Diplomatie und wogen seiner kolossalen Kriegsmacht van den Emen gefürchtete, von den Andern bewunderte, auf beiden Gebieten unterlegen hat, unterlegen nicht gegen eine „Coalition von ganz Europa", der «S gleichwol, wenn eS fern müßte, trotzen zu wollen erklärt hatte, simdern geg«n das bloße Bündniß zweier; allerdings an Mitteln der Kriegführung besonders reichen, aber durch weite Entfernungen von ihm getrennten und dadurch an jedem unmittelbaren Angriff verhinderten Staaten unterlegen, trotz Ler Neutralität Mitteleuropas, welche ihm seine ganze weite Land grenze deckt«. „Dit Zugeständnisse", fährt das Manifest fort, „sind ohne Bedeutung, wenn man sie abwägt gegen die Lasten eines verlängerten Krieges und ge gen die Vortheile, die uns die Ruhe des Reichs verspricht." DaS Mani fest hätte auch hinzusetzen können: wenn man sie abwägt gegen die Vor theile, welche unsere Gegner über uns theils schon errungen hatten, theils in nächster Zeit zu erringen ziemlich sicher sein konnten. Ja, man hatRuß- .land leichten Kaufs entkommen lassen, und wir wollen wünschen, daß nicht Europa dies noch büßen müsse! Es ist wahr, Rußland hat zwar große Zugeständnisse gemacht, wenn man Das, worauf cs in diesem Friedens- schluffe verzichtet, mit den Ansprüchen vergleicht, die es nicht nur beim Anfang« deS Kriegs, sondern selbst noch mitten im Lauft desselben, bei den vorjährigen Conferenzen, erhob und festhielt. Aber alle die gemachten Zu- geständnisse berühren den eigentlichen Nerv seiner Macht nicht, vermindern nicht sein Uebergewicht, welches nach wie vor Europa bedroht, sondern ver legen höchstens dessen Schwerpunkt anderswohin. Kein Stück Land — den kleinen, kaum beachtenSwerthen Streifen an der Donau ausgenommen — wird ihm genommen; was es seinen Nachbarländern durch mehr als hun dert Jahre bald mit Gewalt, bald mit List abgerissen, dies Alles bleibt ihm ««beschnitten und unbestritten — die Krim, Bessarabien, Transkauka sien, Polen, Finnland — ja eS bleibt ihm sogar, wa« die europäische Di plomatie in einem ihrer unseligsten Momente ihm selbst zugeworfen, die Erbschaft Dänemarks, die eS zum Herrn der Geschicke Skandinaviens und Deutschlands macht. Es hat keinen Thaler zu den enormen Kriegskosten seiner Gegner, nicht einmal des von ihm zuerst angegriffenen „kranken Mannes" zu bezahlen. Faßt man dies ins Auge, so begreift man wohl, wie Rußland sich damit trösten kann, daß „seine Zugeständnisse nur unbedeutende" seien, und man kann sich denken, daß es, indem eS die Bilanz dieses Krieges zieht, im Geheimen zu sich selbst sagt: das unternommene Geschäft ist zwar nicht nach Wunsch gegangen, weil wir falsch speculirt hatten und dir Chancen sich anders erwiesen als wir gedacht; aber, da es einmal so war, können wir doch sehr froh sein, mit so geringem Verlust zu liqüidiren, Und — die nächste Spekulation, an die wir alsbald gehen wolle», wird jenen Verlust dopp^^^er decken!