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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für im Stadtmth zu WalScubarg Herrn Kaufmann Rob. HSitig, Mandelqasse; in Rochsburg bei Herrn Suchhatter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietz«; in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr« Kaufmann Max Liebezeit; in Penig bei Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn» und Festtagen. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. L5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgass« 255. und Waldenburger Anzeiger Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein Callnberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standescnntsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenharn, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kausungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 22. Freitag, den 28. Januar 1887. Witterungsaussichten für den 28. Januar: Windrichtung um West. Vorwiegend heiteres und trockenes Wetter mit wenig veränderter Temperatur. Bekanntmachung. Nächsten Sonnabend, den 29. Januar 1887, werden wegen Reinigung der Expeditionslocalitäten bei dem unterzeichneten Stadtrathe nur dringliche , Sachen expedirt. > Waldenburg, am 27. Januar 1887. Der Stadtrat h. Kretzschmar, B. "Waldenburg, 27. Januar 1887. ! Solcher Kriegslärm, wie in den letzten acht Tagen, ! und besonders zu Anfang dieser Woche, ist lange nicht dagewesen. Die französischen und deutschen Börsen : verloren all' und jede Ruhe, und ein immenses Fal- ! len aller Staatspapiere griff um sich; in Paris war ' es schon so bunt, daß nicht viel mehr gefehlt hätte, ! und die Geldkaffen wären in Sicherheit gebracht. Fast ebenfalls den Kopf total verloren hatte die französische j Deputirtenkammer. Es war em Treiben, daß der l Ministerpräsident den Abgeordneten wiederholt zurufen mußte: „Seieu Sie doch nicht wie die Kinder!" Die Ursache all' dieses Trubels war die aus London ge kommene Sensationsnachricht, Deutschland habe in Paris eine Anfrage wegen den französischen Truppen- ; bewegungen an der deutschen Grenze erhoben, eme ! Art von halbem Ultimatum gestellt. Die „Nord- : deutsche Allgemeine Zeitung" erklärt diese Mitteilung ; für unwahr. Damit ist dem tollen Treiben der Bo- ; den entzogen, und die Kriegsgerüchte werden hoffentlich ebenso plötzlich wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. Es ist dies iin Interesse von Handel und Wan del auch dringend nöthig. Steht der Krieg wirklich unmittelbar vor der Thür? Vergegenwärtigen wir uns die wahre Sachlage. Fürst ' Bismarck sprach es im Reichstag als seine Ansicht und Ueberzeugung aus: „Sobald die Franzosen Aussicht haben, uns zu schlagen, werden sie uns angreifen!" Diese Aussicht hat Frankreich im Augenblick aber keines falls; der ganze Boulanger'sche Gesetzentwurf, welcher die wirksame Armeeorganisation begrünoen soll, steht noch auf dem Papier und harrt erst seiner Annahme durch die Kammern, Frankreich hat kaum angefangen, seine Armee mit Repetirgewehren zu bewaffnen, wäh rend sie bei uns fast durchgeführt ist. Wenn Frank reich in den nächsten Jahren uns militärisch über flügelt, dann, ja dann mag es planmäßig einen Krieg beginnen. Der Krieg kann auch jetzt plötzlich Herein brechen, man muß mit allen Möglichkeiten rechnen, aber dazu gehörte schon eine innere Revolution in Paris, und die hat in den Jahren seit 1871 schon mehr als einmal gedroht. Die republikanischen Staatsmänner in Paris wissen ganz genau: ein unglücklicher Krieg stürzt die Republik ohne Gnade und Erbarmen, und cs kann ihnen selbst darüber an Kopf und Kragen gehen. Deshalb werden sie nach Möglichkeit zu ver hindern suchen, daß eine Katastrophe und ein Krieg hereinbricht, bevor der letztere Aussicht bietet. Dann allerdings gestaltet sich die Sache anders. Von dem Bau von hölzernen Baracken an der deut schen Grenze ist sehr viel Aufhebens gemacht, jedenfalls mehr, als sie verdienen. Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Baracken, falls sie wirklich großen Militärmassen Aufnahme bieten sollten, die jeden Augenblick bereit stehen, über die Grenze zu dringen, Deutschland Anlaß zum diplomatischem Vor gehen in Paris geben würden. Die deutsche Militär verwaltung hält sehr scharfe Wacht und läßt sich von Frankreich kein X für ein U machen. Riskirt Frank reich aber wirklich die Postirung von einer viertel oder halben Million an der Grenze, dann kann es von deutscher Seite nur eine Antwort geben: Zum Minde sten Mobilisirung der Reichsarmee. Wir wollen den Frieden von ganzem Herzen; aber in dem Augenblick, wo Frankreich auf dem Punkte steht, einen Bortheil über uns zu erringen, wird das Friedensgefühl hinter der Nothwendigkeit, unsere Interessen zu wahren, zurück treten. Unsere Siege wurden zum größten Theil durch die Schnelligkeit unserer Bewegungen heroorgerufen, und darin werden wir uns nicht so leicht überholen lassen. Wir haben vorstehend die Sachlage geschildert, wie sie wirklich ist. Wäre die Situation an der Grenze wirklich so schlimm, wie behauptet worden, die Mobil machungsordre für das 15. Armeecorps wäre längst heraus. Wir wollen und müssen sta.k und wehrhaft sein, weil unser Nachbar im Westen ein sehr unsiche rer Kantonist ist, und in Paris Dinge passiren kön nen, die aller menschlichen Vorau sicht spotten. Aber daß solche Dinge schon passirt sind, daß sich die Lage ernster gestaltet hat, als sie in den letzten Monaten überhaupt war, daß nun in so und so viel Tagen blank gezogen werden muß, davon ist keine Rede. Noch warten wir auf das, was kommen soll. Wir rüsten, weil Frankreich rüstet; beide Staaten vermehren ihre Streitkräfte und tragen allen modernen Erfindungen Rechnung. Das Alles ist doch kein directer Kriegs grund. Ein solcher erfolgt erst bei unmittelbarer Be drohung der Grenze, und die liegt zur Stunde noch nicht vor, wie aus der Haltung der Reichsregierung am besten ersichtlich ist. PsLMsHe NmwsH-u» Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm erledigte am Mittwoch Vormit tag Regierungsangelegenheiten, nahm Vorträge ent gegen und arbeitete mit dem Geh. Rath von Wil- mowki. Nachmittags unternahm der Kaiser ei..e Spa zierfahrt. Der Kronprinz empfing Mittwoch Mittag den Reichskanzler Fürsten Bismarck. Nachmi.tags fand ein Diner zu Ehren des japanischen Prinzen Komatju statt. Fürst Alexander Battenberg ist Mittwoch Mit tag Z/«1 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Courierzug von Mailand in Genua angekommen. Prinz Albrecht von Preußen hat als Herrenmeister des Johanniter-Ordens den Feldmarschall Grafen Moltke zum Ehren-Commendator ernannt. Die Ausfuhr von Pferden aus dem deutschen Reiche ist durch kaiserliche Verordnung bis auf Wei teres verboten. Wahrscheinlich wird das Verbot aber auf die französische Grenze beschränkt. Die Ver ordnung lautet: „Wir Wilpelm, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König von Preußen rc. verordnen im Namen des Reiches nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes was folgt: ß 1. Die Ausfuhr von Pferden ist über sämmtliche Grenzen gegen das Ausland bis auf Weiteres verboten. § 2. Der Reichskanzler ist ermächtigt, Ausnahmen von diesem Verbote zu gestatten und etwa erforderliche Controll maßregeln zu treffen. § 3. Gegenwärtige Verord nung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter schrift und beigedrucktem kaiserlichen Jnsiegel. Gege ben Berlin, den 25. Januar 1887. gez. Wilhelm, ggez. v. Bismarck." Der preußische Minister des Innern hat angeord net, daß die Reichstagsstichwahlen am fünften Tage nach der Ermittelung des Resultates der ersten Wahl und die Nachwahlen spätestens am elften Tage nach dem Termin abgehalten werden, an welchem die Nothwendigkeit der Nachwahl sich ergiebt. Die Münchener „Neuesten Nachrichten" erfahren aus unantastbarer Quelle, der Reichskanzler besitze eine sehr entschiedene Aeußerung des Papstes über die Stel lung des Centrums in den gegenwärtigen Fragen, welche entscheidend für die Stellung der Katholiken in dem Wahlkampf werden müsse, resp. den katholischen Klerus von den Wahlagitationen fernhalten und aus den Reihen der Opposition drängen werde. Das Centrum werde entscheiden müssen, ob es dem Papst oder Windthorst fernerhin folgen wolle. Die päpstliche Kundgebung sei so deutlich, daß Ungehorsam eine directe Unbotmä sigkeit gegen den Papst bedeuten müsse. Bis marck werde die Kundgebung im geeigneten Moment veröffentlichen. Die Kampftage im preußischen Abgeordnetenhause haben für jetzt ihren Abschluß gefunden, aber man braucht keine Jorge zu haben: an neuen Zwis heufällen wird kein Mangel sein. Die scharfe Fede, welche Fürst Bismarck dem Centrumsführer angekündigt, wird von der „N. A. Z." sofort begonnen; sie widmet Herrn Windthorst einen heftigen polemisirenden Artikel, ai dessen Schluß sie fragt: „Wie lange wird dieser Welfe die Geduld des deutschen Volkes noch mißbrauchen?" Darauf kann nur das Waylresultat eine Antwort ge ben. Die kleine Excellenz ist zwar sehr guten Muthes uud meinte behaglich, Fürst Bismarck werde ihn bald genug wieder rufen; ob sich die Prophezeiung so schnell erfüllt, ist aber doch sehr fraglich. Beide Gegner sind diesmal zu heftig aneinander gerathen. In drei Wahlkreisen ist ferner eine Einigung zwi schen Lonservatioen und Nationalliberalen nicht zu Stande gekommen, und zwar in Lippe-Detmold, Mühlhausen, Halle-Herford. In allen drei Kreisen stellen die Nationalliberalen eigene Candidaten auf und zwar in Halle-Herford gegen den Oberpräsidenten a. D. von Kleist-Retzow, in Mühlhausen gegen den Reichs tagspräsidenten von Wedell-Piesdorf. — In Frank furt a. Main hat sich, wie vorauszusehen war, die Stadtverordnetenversammlung damit einverstanden er klärt, daß Oberbürgermeister Miquel ein Reichstags mandat übernimmt und zugleich den Wunsch ausge sprochen, er möge seinen Posten behalten. Es ist schon wiederholt vorgekommen, daß deutsch freisinnige Reichstagsabgeordnele es mit ihrer Ehre und Würde vereinbar gehalten haben, ihre regierungs feindlichen Anschauungen in Wiener Tagesblättern zu veröffentlichen, obschon ihnen nicht unbekannt sein konnte, daß diese Tagesblätter entweder im Solde internationa ler oder französischer, meist deutschfeindlicher Geld männer stehen oder aber sonst für Jeden zu haben sind. Zu diesen Blättern gehört, wie der „Leipziger Zeitung" aus Wien geschrieben wird, u. A. auch das „Wiener Tageblatt", dessen Herausgeber dieser Tage wegen Vergehens gegen das literarische Eigenthum ver- urtheilt wurde. Dasselbe vertritt unter Mitwirkung Clömenceau's französische Interessen, verhüllt nur wenig seine deutschfeindliche Gesinnung, befördert in