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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.08.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180801011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918080101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918080101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-08
- Tag 1918-08-01
-
Monat
1918-08
-
Jahr
1918
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Morgen-Ausgabe Bezugspreis: L M »lerielsahrll» M. SM: f«r Abholer monatlich M. 1.7S: b,rch nniar« «nlwtirtlaen Filialen in« Hau« gebracht monatlich M. LL viartal- ILHrltch M. 6.S»: durch dl, Post innerhalb Deutschland« Delamt-Autaab« Al. SLä, vlerlelsährlich M. 8.75: M»ra«,.A»«,aba M. IXb Abeub^lu«^». M. 0M, Sonn,a,«-An«,ad. M VM ^aatlich <a,«,chli.bi:» P°!ib«ft.lls«dadr^ Sauptschriftleiter: Dr. Erich Everkh, Leipzig. hmrdels-FeUung Amtsblatt des Rates und des poliretanrte» der Stadt Leipzig 112. Jahrgang ÄNIOlaOItLkOlS* V' Dr^eeipzig ». Umgeb. »«, «insp,^ *»1«la,n ». B«d»rd«n im amtl. Teil dl, Xol°n,l,«ll, 80 Vs^ an«» » Vf.: bl«in« Anz,lg«n bl« Kolontlz.il« z» ps^ „«war« SS PK D,lch«ft««iu««g,n mU Plahoorlchrlsirn lm Pr,ts« «rhdht. d«N«,«n: »«samianfla,« M. 7.— da« T-us.nd -u«lch>. P,ll,,d«hr. . , «»«b«»»«» 10 Pf. — Sonn, und A.ltla,« ld PI. S««f»r«-.L,Icht«b Ar.,«S«. t««IU und >«»!,«. —Poftsch.ckbont» 7A» SchrifN,»,,, an» S,sch»fl«fi,ll,: Zohaanilgaff« Ar. 8. Verlag: Dr. Reinhold L Co., Leipzig. Nr. 387 Donnerstag, den 1. August 1V18 Der Kaiser an sein Volk An das deutsche Volk nvtd. Berti«, 31. JE. Mer Jahre schweren Kampfe« sind dahmgegange«, ewig denk- würdiger Talen voll. Für olle Zeiten ist ein Beispiel gegeben, wa« ein Volk vermag, do« für die gerechteste Sache, für die Behauptung seine« Dasein«, im Felde steht. Dankbar die göttliche Hand verehrend, die gnädig über Deutschland waltete, dürfen wir stolz bekennen, dah wir nicht unwert der gewaltigen Aufgabe erfunden wur^n, vor die uns die Bor- sehaug gestellt hat. Wenn unserem Volke in seinem Kampfe Führer, zmn höchsten Vollbringen befähigt, gegcben waren, so Hal e« täglich in Treue bewährl, dah es verdiente, solche Führer zu haben. Wie hätte di« Wehrmacht drauhen ihre gewaltigen Taten verrichten können, wenn nicht daheim die gesamte Arbeit auf da« Höchstmaß persönlicher Leistung eingestellt worden wäre? Dank gebührt allen, die unter schwierigsten Verhältnissen an den Aufgaben mitwirkten, die dem Staat und der Ge meind« gestellt sind, insbesondere unserer treuen »nermüdlichen Beamten schaft, Dank dem Landmann wie dem Städler, Dank auch den Frauen, auf denen so viel in dieser KriegSzeit lastet. Da« fünfte KriegSjahr, da« heute heraussteigt, wird dem deutschen Volk« auch weitere Entbehrungen und Prüfungen nicht ersparen. Aber wa« auch kommen mag, wir wissen, dah da« Härtest« hinter un« liegt. Wq« im Osten durch unsere Waffen erreicht und durch Friedensschlüsse gesichert ist, wa« im Westen sich vollendet, da« gibt uns die feste Gewiß- helt, dah Deutschland aus diesem Völkersturm, der so manchen mächtigen Stamm zu Boden warf, stark und kraftvoll hervorgehen wird. An diesem Tag« der Erinnerung gedenken wir alle mit Schmerz der schweren Opfer, die dem Vaterland gebracht werden muhten. Tiefe Lücken sind in unsere Familien gerissen. Do« Leid diese« furchtbaren Krieg:« hat kein deutsche« Haus verschont. Die al« Knaben in junger Begeisterung die ersten Truppen hinausziehen sahen, stehen heute neben deu Vätern und Brüdern selbst al« Kämpfer in der Front. Heilig« PfÜcht gebietet, alle« zu tun, dah diese« kostbare Blut nicht unnütz flieht. Richt« ist von uns verabsäumt worden, um den Frieden in die zerstörte Welt zurück-usühren. Noch aber findet im feindlichen Lager die Stimme der Menschlichkeit kein Gehör.' So oft wir Worte d« Versöhnlichkeit sprachen, schlug uns Hohn und Hah entgegen. Roch wolle» die Feind« de» Friede« sicht. Ohne Scham besudeln sie mit immer neuen Der- leumduugen den reinen deutschen Raiqen. Immer wieder verkünden ihre Wortführer, dah Deutschland vernichtet werden soll. Darum heiht es, weiter Kämpfen und wirken, bi« die Feinde bereit sind unser Leben«- recht anzuerkcnnen, wie wir e« gegen siegreich verfochten und erstritten haben. Im Felde, den 31. Juli 1918. ihren udermächligen Ansturm Gott mit un«! gez. Wilhelm I. k. All dir deutsche Heer M die deutsche Marine Vier Jahre ernster Kriegszeit liegen hinter euch. Liner Welt von Feinden hat das deutsche Volk mit seinen treuen Verbündeten siegreich widerstanden, durchdrungen von seiner gerechten Sache, gestützt auf sein scharfe« Schwert und im Vertrauen auf Gotte« gnädige Hilfe! Euer stürmischer Angriffsgeist trug im ersten Jahre den Krieg in Feindesland und ha» die Heimat vor den Schrecken nnd Verwüstungen de« Kriege« bewahrt. Im zwe cn und dritten Kricgsjahre habi ihr durch ver nichtende Schläge die Kraft de« Feindes im Osten gebrochen. Während besten boten eure Kameraden im Westen gewaltiger Uedermacht tapfer und siegreich die Stirn. Als Frucht dieser Siege brachte un« das viert« Kriegsjahr im Osten den Frieden. Im Westen wurde der Feind von der Wucht eures Angriffs empfindlich getroffen. Die gewonnenen Feld schlachten der letzten Monate zählen zu den höchsten Ruhmestaten deutscher Geschichte. Ihr steht mitten im schwersten Kampf. Verzweifelte Kraftanstrengung de« Feinde« wird wie bisher an eurer Tapferkeit zu nichte, de« bin ich sicher und mit mir das ganze Vaterland. Uns schrecken nicht amerikanische Heere, nicht zahlenmähige liebermacht. ES ist der Geist, der die Entscheidung dringt. Das lehrt die preuhische und deutsche Geschichte, das lehrt der bisherige Verlauf de« Feldzuges. In treuer Kameradschaft mit meinem Heere steht meine Marine in unerschütterlichem Siegeswillen im Kampfe mit dem vielfach überlegenen Gegner. Den vereinten Anstrengungen der größten Seemächte der Welt zum Trotze sühren meine Unterseeboote zäh und des Ersolqes gewih den Angriff gegen die dem Feinde über die See zuströmende Kampf- und Lebenskraft. Stet« zum Schlagen bereit, babnen in unermüdlicher Arbeit die Hochseekräfte den Unterseebooten den Weg in« offene Meer und sichern ihnen im Verein mit den Verteidigern der Küste die Quellen ihrer Kraft. Fern von der Heimat hält die kleine heldenmütige Schar unserer Schutztruppe erdrückender Uebermacht tapfer stand. In Ehrfurcht ge denken wir aller derer, die ihr Leben für da« Vaterland hingegeben haben. Durchdrungen von der Sorge für die Brüder im Felde, stellt die Bevölkerung daheim ihre ganz« Kraft tu entsagungsvoller Hingabe in den Dienst unserer großen Sache. Wir müssen uud wir werden weiter Kämpfen, di« dels Vernichlungswille da» Feinde« gebrochen ist. Wir werden dafür jede« Opfer drftwe« und jede Krnftanstrengung vollfShren. In diesem Geist sind Heer und Heimat unzertrennlich verknüpft. Ihr ein mütige« Zusammenstehen und ihr unbeugsamer Wille wird de« Sieg in dem Kampf für Dciüschlands Recht und Denkschland« Freiheit bringen. Das walte Gott! gez. Wilhelm I. K. Abendbericht B « r11,, S1. Z»N, »b««di. «Amtlich.» An der Kampffront herrschte tagsüber Ruhe. Kt Berlin, 31. Juli. (Drahtberichl.) In den letzten Tagen find wiederholt fünf- und sechsmalige starke Angriffe de« Feinde« gescheitert. Am 30. Juli griff der Gegner wiederum beiderseits Fdre-en-Tar- denoi« la dichten Wellen an und richtete auch an der südöflllch an stehenden Front bi« zum Meunitrewald nach starker Artillerie vorbereitung wlebecholte starke Teilangrifte gegen die deuftche Front. Hier waren es französisch« und oflamcrikanische Verbände, die bi« zu IS Melle» tief liefen. Unter schwersten Verlusten wurden pe ab- gewiesen. Ht»ter dem zurückflutenben Gegner nachstohend, setzt« sich unser« Infanteri« zeitweise im Borgelände vor den bisherigen Stellungen fest. Am Ostrande de« Meuuidrewalde« brachen ebenfalls sechsmal feind lich« Angriffe zusammen. Hier schlug unser zusammen gefaßt« Artillerie- «ch Maschinengewehrfeuer verheerend in die stürmenden Feinde uud dezimferte eine Angriffswelle nach der andern. Die erfolgreiche Ab wehr de« gestrigen feindlichen Angriffe« aus der Front westlich Ftre- eu-Tardeaoi« und östlich de« Meouidrewalde« erhöhte auf« neue die vom Fetade vergeblich g«brachte» Blotopfer, die in dem so oft wiederholten Asfdm» gau, außerordentlich schwer wäre». Haag, 31. Jul«. (Eig. Drahtderichk.) Au« London wird ge meldet: Reuter« Korrespondent beim amerikanischen Heere berichtet von gestern: Auf der amerikanischen Front würde am Dienstag heftig «rd andauernd gekämpft, ohne daß große Fortschritte erzielt worden stnd. Der Feind hat hartnäckigen Wtdrrstand geleistet und ver hinderte die Vornahme weiterer amerikanischer Operationen durch ein unaufhörliche« Maschinengewehrfeuer. Ein« deuftche Gardediviflon hat neoerdtngt einen Angriff auf Sergy unternommen, da« sic tag« zuvor vtermal besetzt, aber schließlich wieder verloren hatte. Nach einer Wtederbesetzung de« Orte« auf einige Stunden zwang da« amerikanische Seschützfeuer den Feind, da« Dorf schließlich wieder zu räumen. Nach Sine« Handgemenge, da« die Eroberung de« Dorfe« Nourcy ver- anlahke, ««lang es den Amerikanern, di« Verteidiger von Geringe« in d« Flanke anzugretfen Sie unternahmen einen Angriff auf Geringe«, das «ästig vertetdlgk und von Maschrn^.igcwehrposten aus beiden Seiten geschützt wurde. Zu de« russisch-finnischen Friedensverhandlungen D B«rli», 31. Juli. (Drahtbericht unserer Berliner Schriftleitung.) Mit dem Leiter der russischen Abordnung, die, wt« wir mitkellten, in Berlin etngetroffen ist, um hier die russisch- finntschen FrtedenSverhandlungen zu führen, hat ein NAtarbetter de« .Berl. Lok.-Anz.' eine Unterredung gehabt. Führer dieser Abordnung ist bekanntlich der Gesandte der Rätr-Republik in Stockholm, Worowskr. Er erklärt« etwa folgende«: .Selbstverständ- sich haben wir den Auftrag, mit den Finnländern zu einem Einver nehmen M gelangen, aber ebenso selbstverständlich wollen wir dieses Siwrrnehmen nicht erkaufen. Wir werden bei den Verhandlungen nicht vergessen, daß wir ein größere« Land sind und Finnland doch nur ein kleine« Land Ist. E« kann sich bei dcr Behandlung d?r Fragen die un« »ach Bersin geführt haben und uns nun mit den Fi Inländern zu sammenbringen sollen, nur um ein än ui äc, Kanzeln D': F^nin '»i-r haben gewiß Ansprüche, denen mir unse.v Ansoiüri: rätc-gen'»« w«den, nämt'ch: wir am Finnlänlischen Meerbusen und d'» FinnidiOer i hekmmtVch an der «ola-Halbtnsek und an der Muri",-,»ast? Zrn'c.l H «wwmchtlt so« bl« Konferenz 'n -c > brr preußische Minister d«S Innern zur Verfügung gestalt hat.' — Im Laufe de« Gespräche« kam Herr Worowski sodann auf die allge meine Lage tn Rußland zu sprechen. Er meinte: .Leicht ist unsere Lage nicht, die Schwierigkeiten sind offenbar bedeutend, aber auf jeden Fall werden die Maximalisten an der Macht bleiben, au« dem einfachen Grunde, well e« keine andere Macht gibt. Sie sagen, dah wir mit den drakonischsten Mitteln unsere Herrschaft zu schützen suchen. Wir leugnen e« nicht, daß wir mit aller Schärfe gegen diejenigen vorgehen, die unsere Auf klärungsarbeit zu stören und un« daran zu verhindern suchen, da« russische Volk au« seiner Erstarrung und Knechtschaft zu befreien. So kst es auch richtig, daß wir mit den schärfsten Strafbestimmungen ge- w-tsse!. Bestrebungen entgegengetreken sind.' Zum Schluß kam Herr Worowskt auf da« Vorgehen de« Vtelverbande« zu sprechen. Er erblickt tn dem Erscheinen der Engländer an der Murman- Küste keine besondere Gefahr, und wo« die Japaner an betrifft, so muß man erst abwarten, mit welchen Kräften da« Reich de« Mikado tn Sibirien austreten wird. Die Berluste des Verbandes seit Kriegsbeginn vtd. Berit», 31. Juli. (Drahtbericht.) Bereit« am 2. August 1917 betrüge» die Vertäfle de« Verbände« nach vorsichtiger Schätzung über 18 MMonen Mann. Die blutigen Niederlagen de« inzwischen vergangenen Jahre«, die dem Verband überall neue unerhörte Opfer kosteten, haben dies« Zahl auf 22 MUlloa en erhöht. Hiervon hat Rußland setae Hilfe für U« Machtpläae der Westfiaaten »och einer Aeutzerung de« Petersburger Prefsekonnnissar« Ku« ml, am 2. Juli 1918 mit «X Millionen Toten, 6 Millionen Verwundete» and Krüppeln und 3 Millionen Gefangenen bezahlen müsse». Die Fran zose» und Engländer haben allein 1917 1» Flaudarn« Bl»tsampf wett üb« eine halbe Million Soldaten, und tn de« erste» drei Monaten der deutschen Wrstoffeafive 1918 eine wefter« Million vetssoeen. Rechnet man dl« schwere Einbuße der Franzosen am Lhemtn de« Dame«, die der Engländer bet Eamvral im November 1917 und die jetzigen, alle« bi«her an Verluste« Dagewesene übersteigende i» der Offenflv« Fach« hinzu, so zählt heute Frankreich über s Milllonen, England über 2 800 900 schwarz« und weihe Tot«, Benvmchete und Ge fangene. Richt weiriger schwer hat Italien im vierte» KrAwyahr« gelitten. Hatte e« am 2. Aagast 1917 1 80009V Mau» Verluste, so hat es heut«, nach der 11. a»d dem Zusammenbruche der 12. Isouzo- schtacht 1917, di« allet» Ser «la« halb« Million Mann s«dmr Soldat«, verschlang, in den Kämpfe» an der Gebtrg« und Piavefront 1918 wei ter« 8VV000 Mann geopfert. Am vernichtendsten hat der Krieg di« Volttkraft d«r kleine» Hift«staaten de« Verbände« getroffen. Serbtei» hat f«lne Teil nahme am Kriege mit fast seiner ganzen erwachsene» männlichen Be völkerung bezahlt. Rumänt«» hat die Hälft« sela« Ak««e vev- loren. Rechnet man Belgien, Montenegro »ab Amerika hinzu, so ergibt sich al« Gesamtziffer der Verbaab«v«rk»ste die Eta- «ohnerzahl von Spanien und Portugal zufammuftgerechnet, als» 23 Millionen Menschen. Die Wehrpflicht der AlSuder Kopenhagen, 31. Juli. (Drahtbericht.) Wie .Berlingske Tidende' aus Stockholm meldet, drahtet der finnsichc Korrespondent von .Svenska Daqbladct, daß nack einer Erklärung de« Senator« Tastren General Mannciheim der aländiscken Bevölkerung versprochen habe, daß die ps!-chl c-, ih er Di"nflrfsirtft nur auf den Alandsinseln zu genügen broachten. Eastrrn meint, daß die finnische Regierung nun gezwungen ft!, j.'ii Vrrspr^hen zp halten. Dadurch würde auch die Beilegung de« in tcr W:'!rpslich!src>: mil der A'ondbevölkerung erzielt.. Szenenwechsel Aus Wien wird uns geschrieben: Dr. von Seidler ist nun Chef der Kabincttskanzket des Kaisers. Man kann sich vorstellen, welcher Einfluß von dem Träger dieses Amtes ausgeht, und man muh deshalb über daS Glück staunen, das den vor zwei Jahren noch wenig beachteten Sektlonschef im Ackerbauministerium Stufe für Stufe emportrug. Nicht immer entspricht eben der Lohn den Erfolgen. Dr. von Seidler hat als Ministerpräsident in Oesterreich mit Aufgaben gerungen, die weder seiner Begabung noch seinen Kräften entsprachen. Ahnungslos kam er in die Politik. Wohl kielt er einmal eine lange Pro grammrede mit vielen Versprechungen: in Wirklichkeit jedoch gab es für ihn keinen anderen Wunsch und kein anderes Ziel, als den jeweiligen Strömungen bei Ho f e Rechnung zu tragen, ohne durch einen eigenen Willen Anstoh zu erregen, Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten sagte Dr. von Seiöler im vertrauten Kreise, seinProgramm sei Kaiser Karl, und er erklärte später öffentlich, daß er sich ganz als .treuer Die- ner seines Herrn' fühle. Diese Art des unpersönlichen Regierens, des B a s a l l e n t u m s, brachte aber weder der Krone, noch dem Staate irgendeinen Nutzen. Es entstand vielmehr die Ziellosigkeit, das Schwanken, das Hin und Her in der Politik, jener Zick-Zack-Kurs, über den sich Graf Czernin jüngst im Herren hause bitter äußerte. Bon der Amnestie bis zur Verkündung, dah die Deutschen das .Rückgrat' Oesterreichs seien — wie viele verschiedenen Hoffnungen wurden aus diesem verschlungenen Wege geweckt und enttäuscht, wie viele verschiedenen Gruppen an gezogen und abgestohen! Dos Endergebnis war die Unzufrieden heit fast aller und die Vermehrung der Schwierigkeiten. Dr. von Seidler, der sicherlich über gute Eigenschaften verfügt, ist ein aus gesprochener Nichtpolittker. Es wäre deshalb sehr zu wünschen, dah er sich in seinem neuen Amte aller politischen Eingriffe ent halten und darauf beschränken würde, nichts anderes als ein pflichteifriger Kabtnettsdirektor des Kaisers zn sein. Nebenregie rungen kann Oesterreich nicht ertragen. Der Mann, der für die Amnesttepolitik- die Verantwortung trug, bekannte sich in seiner letzten Rede unmittelbar zum «deut schen Kurse'. Nach alledem, was der Weltkrieg offenbar machte, konnte man in der gerechten Anerkennung der Leistungen der Deutschen nichts anderes als einen späten Zoll der Dankbarkeit erkennen. Mar es dem ehemaligen Ministerpräsidenten ernst mit dem, was er erklärte, oder dachte er nur daran, sich einen schönen Abgang zu sichern? Graf Czernin rief ihm zu: .Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube', und man wird zu- geben, dah der ehemalige Minister des Aeußern einen tiefen Ein- blick tn daS Wesen der Menschen und in die Geheimnisse der Politik gewinnen konnte. Es war in der Tat auffällig, daß sich der frühere Regierungschef zum .deutschen Kurse' erst bekannte, als das Schicksal seines Ministeriums bereits besiegelt schien. Es ist tn Oesterreich üblich, bei der Ernennung eines neuen Regierungs chefs auf die Vorschläge deS abkretenden zu achten: Mit dem Erbe SeidlerS wurde aber nun Freiherr von Hussarek betraut, alles eher als ein Mann des ausgesprochen .deutschen Kurses'. Der langjährige UnterrichtSminlster zählte sich immer parteipolitisch zu den Klerikalen, die von der scharfen Betonung deS Nationalismus nichts Gissen wollen. Uebrigens war der gegenwärtige Minister präsident auch ein treuer Mitarbeiter des Grafen Stürgkh, auf den Dr. Kramarsch geraume Zeit einen maßgebenden Einfluß aus übte. Als Dr. von Seidler -en Freiherrn von Hussarek für die Nachfolgerschaft vorschlug, muhte er wissen, dah er einen aber maligen Szenenwechsel begünstigte. Innerhalb einer Woche ändert sich in Oesterreich bisweilen manches. . . Freiherr von Hussarek betonte in seiner programmatischen Rede im Parlamente auch gar nicht mehr den .deutschen Kurs', wie denn die deuftche Note überhaupt nicht erklang. Der Mi- nisterpräsident will bestrebt sein, eine .Atmosphäre des Ver trauens' zu verbreiten und allen mit Gerechtigkeit zu begegnen, .allen DolkSstümmen und sozialen Schichten'. Zunächst denk» er — man beachte die gewundene Sprach« — sich an .jene Grup pen zu wenden, dl« nach ihrer grundsätzlichen Auffassung schon bisher an der Seile deS Staates gestanden sind'; die Negierung werde sich auch ihrerseits .die Pflichten dieses erprobten Verhält nisse- gegenwärtig' halten. Sie beabsichtige jedoch diejenigen, di« jetzt dem Staate gegenüber .eine ablehnende Haltung einnehmen', sieichfallS mit Vertrauen zu erfüllen. Man fleht, es handelt ich wieder einmal um eine neue Weise und um einen neuen Text, Sr wie lange? Das eben ist das Schlimmste in Oesterreich, dah man aus den politischen Ueberraschungen nicht herauSkommt und nie weih, bis wann eine Richtung beibehalten werden wird. Da daS Parlament ein sechsmonatiges Budgetprovisorium bewilligt und die Sommerferten angetreten hat, stehen der neuen Regierung ruhige Wochen bevor. Freiherr von Hussarek kann sich sammeln und seine Vorbereitungen treffen. Im Herbst aber wird er zeigen müllen, wa- er kann. Bi- dahin werden die Deutschen auch wahrgenommen haben, wohin die Fahrt de« Regierungsschifte- geht. Der Ministerpräsident hat ihnen privat einige kleine, Böh- men betreffende Zusagen gemacht — die Sektionierung der Lan- de-verwalküngSkommlssion, die Beschleunigung der Durchführung der zu Pfingsten erlassenen KreiSverordnung, die Errichtung be seit fänfzig Jahren verlangten deutschen Kreisgerichte- in Trau- tenau, einer BeztrkShäuptmannschast in Gruftch usw. — und die Versprechungen müssen elngelvst werden. Ein neuer Mann! Der Verbrauch an leitenden Staats männern ist in Oesterreich nicht gering. Wann aber wird eS ge lingen, der Politik Schwung zu verleihen und großen Zielen nach zustreben? Zwar stnd die Verhältnisse jetzt für kraftvolle politische Unternehmungen, für Umbau- und Aasbauversuche nicht ebc.i günstig, denn eS rächt fich, dah so viele Zeit ungenutzt geblieben ist. Der Dilettanv-mu- hat schweren Schaden gestiftet. Allenfalls wird der RßcktrM b«s vr. von Seidler als «in« Erlelchterung
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