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Dresdner Journal : 23.09.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188209235
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820923
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820923
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-09
- Tag 1882-09-23
-
Monat
1882-09
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 23.09.1882
- Autor
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Sonnabend, den -3 September. SV 222 1882. Xdonoowent»pr«l»r 1» ,« ck«ut»ed«» L»icv»: ^Ntlrliellr.... 18 ^MeUeb: 4 «w Lt. Lir^to« Hiuowvrll: 10 Lt L»—rd»Id lies ävotickea L»ick«» tritt?o»t- ur><1 8towpt-I,i»,ct»I»8 kinra. Iu8«e»tenpe«tve: kür 6«n L»uw einer ^e,p»iteneo ketitrsile SO Ls. Vater „Livjss»»o6t" Nie 2«il« SO kk. Loi 1'»i»«Uvll- und 2i8ora«t»tr SO H DresdnerImmal. laseralennnnnlime »u«Hr>rt»: l.«tp,Ir: n. Lran<i«tetter, vorllwi«ioo!tr ä«, I)re«iner ^ournnl»; L»wdurx I«rll»-Vi»a «»»«! Ur»«I»a Nr»»Ilevrt ». Il : //aa«r»iÄei»> <0 vt-A/rr, LorUll-Vion »»mdor^. kr»Ik - I-sjpit^ rr»n>rkur1 ». ». Hüocdoa: K»«e,' LorUa: /»raillienttaat, Lromon: ^>c/i1ott«, Lriil»»: /> ütanArn's Lurea« ^'abat/v/ kr»nllkurt ». N : L ^arArr'oe^o UuckbLnäluo^; Sdrlit»: A/Ätee/ U»nvov«r: v. SclnEier, korli L«rU» rr»a>lturt ». H.- Stiillssort l Daube <2 <7o., »owdnr^: ^4ti. L'trraer Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Lrsvkeiven r 1^Iici> mit Xuenadme äer Sonn- un6 keiertsAS ^t»sn6» kür 6«n kolxenüen 1'«^. Ilvrausxvkerr Lüviel. Lrpeüition 6s» vre,6oer ^ourv»I», Orosüon, Lviv^orotr»«»« Ho. SO Abonnements - Hinkadung. Auf da- mit dem 1. October beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „DresdnerJour nal»" werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen siir DreSde» bei der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), fiir »s»irt- bei den betreffenden Postanstalten. A»kA»dig»«ge« aller Art finden im „Dresd ner Journal" eine sehr geeignete Verbreitung, und werden die Gebühre» im Ankündigungs theile mit 20 Pf. für die kleingespaltene Zeile oder deren Raum berechnet; für Ankündigungen unter „Eingesandtes" sind die Gebühren auf 50 Pf. für die Zeile festgestellt. In DreSde» - Neustadt können Bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalien handlung des Herrn Adolf Brauer (Haupt straße 2), sowie bei Herrn Kaufmann Arthur Reimann (Albertplatz gegenüber dem Albert theater), woselbst auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden und ebenso, wie bei dem Bahnhofsbuchhändler Herrn Weigandt (Böhm. Bahnhof), einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. Wir ersuchen um rechtzeitige Er neuerung des Abonnements, da wir sonst die Lieferung vollständiger Exemplare ohne Mehr kosten für die geehrten Abonnenten nicht garan- tiren können. Königs. Erpe-ition des Dresdner Journals (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) Amtlicher Lheil. Dresden, 19. September. Se. Majestät der König haben dem Pfarier eurer. Or. plül^Wilhelm Heinrich Müller in Oelzfchau da« Ritterkreuz I. Classe vom Albrechttorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 20. September. Se. Königliche Majestät haben dem früheren Feldwebel, jetzigen GenchtSwacht- meister Friedrich Wilhelm Petzoldt in Treuen da« all gemeine Ehrenzeichen zu verleihen Allergnädigst geruht. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Innsbruck, Donnerstag, 21. September, AbevdS. (Corr.-Bur.) In Niederdorf find 30 Häuser »ingestürzt und viele gefährdet. Da» Thal ist »eit und breit furchtbar verheert. In Bruneck hat sich die Situation wenig geändert. Mellberg ist bedroht, aber noch zu retten. Niederdorf ist zum Dritttheile zerstört; e» herrscht dort große Noth, und ist Hilfe dahin abgrgangen. (Bgl. die Rubrik „Vermischte»".) Triest, Donnerstag, 21. September, AbendS. (Tel. d. Presse.) Oberdank machte einen Selbst mordversuch; seither wird er überwackt. Die Mutter und der Stiefvater desselben wurden von ihm gebeten, ihn zu besuchen. Sir schickten einen Onkel inS Gefävguiß, dem Oberdaak sagte, er wisse, daß er sterben müsse, und habe nicht ander» handeln können. Die Polizei von Lenrdig unter stützt dir östrrrrichische und nimmt Haussuchungen und Verhaftungen in Venedig, Udine und den Grenzorten vor. Ihre Erhebungen constatirteu, daß etwa 20 Jünglinge auS Triest, meist Deser teure und ehemalige Einjährig - Freiwillige, in Udine sich zusammevgrfundrn hatten, um die Kaiser tage in Triest durch den verruchten Anschlag zu störeu. Oberdank wurde durch da» Loo» zur AuS- führung der That bestimmt; der Mitschuldige Obrrdank'S ist angeblich auf einer Fischerbarke nach Chioggia entkommen. Auf Anordnung der königl. Präfectur wurde in Venedig bei dem Advocaten Giuseppe Fabri» BafiliSco, einem gebürtigen Jstriaver, aber italie nischen Staatsbürger, genaue HauS- und Leide»- durchsuchung vorgenommeu. Diese Maßregel hängt mit den Triester Ereignissen zusammen. Wie da» „Giornale di Udine" meldet, haben die italienischen Behörden in Buttrio, Station der Strecke Cor- mon»-Udine, Verhaftungru vorgenommen, die gleich falls mit der Affairr von Nonchi zusammenhängen. Mo»kau, Donnerstag,21. September, Abend». (W. T. B.) Der Truppenrevue, welche heute Vor mittag 11 Uhr begann, wohnten auch die Kaiserin uud sämmtliche hier anwesende Mitglieder de» Kaiserhause» bei. Der Kaiser war zu Pferde, neben ihm ritt der Fürst von Montenegro. Zn der Ausstellung verweilte der Kaiser, der Alle» eingehend in Augenschein nahm, bi» Abend» 6 Uhr. Die Ordnung auf den Straßen, welche der Kaiser passirte, wurde durch aus dem Volke ge bildete Genossenschaften aufrechterhaltrn, Polizei- beamte waren nur in sehr geringer Anzahl ober fast gar nicht in den Straßen zu sehen. Alexandrien, Freitag, 22. September. (Tel. d. Dre-dn. Journ.) Alle in Ramleh internirten aufständischen Offiziere, welche den Rang eine» Obersten nicht bekleiden, wurden frrigelassen. Die übrigen, mehr als 50 Offiziere, wurden gestern Abend unter EScorte nach Alexandrien gebracht. Die nach Damiette bestimmte Truppenabthei- lung ist heute über Tautah dorthin adgegangev. Die Schifftabtheiluvg de» Admiral» Dowell besteht au» 1 Corvette und 2 Kanonenbooten. Man erwartet keinen Widerstand. Port-Said, Donnerstag, 21. September, Abend-. jW. T. B.) Die Garnison von Da miette bat, als der Befehl Dakub Pascha» an dir Soldaten, die Waffen niederzulegrn und sich in ihre Heimath zu begeben, in Damiette ringe- troffen war, diesem Befehle Folge geleistet. Ab dallah Pascha und Abulata haben sich mit einer schwachen EScorte von MustaphafiuS von Da miette entfernt und die Richtung nach Kairo rin- geschlagen. Dresden, 22. September. Der Telegraph meldet au« St. Petersburg, daß der Senator Manassein, welcher augenblicklich da selbst weilt, die Revision der russischen Ostsee provinzen nicht fortsetzen wird. Die Einstellung dieser Untersuchung erscheint um so wünschenSwerther, da die letztere keinen andern Erfolg haben kann, aiS die Ausbreitung der revolutionären Bewegung über die einzigen, davon bisher noch unberührt gebliebenen Theile de« Zarenreiches. Den nächsten Anlaß zu dieser Maßregel dürften die Aufklärungen geboten hoben, welche der livländische Civilgouverneur, Baron Uextüll, ein sonst sehr gefügiger Herr, per sönlich in St. Petersburg über das die einhei mischen Autoritäten geradezu diScrrditirende Verfahren Manassein'» gegeben hat. In Nr. 211 brachten wir an dieser Stelle eine Mittheilung der .Köln. Ztg", wonach zwei der dem Senator Manassein beigeqebenen Beamten esthnischen Ursprung- neuerdings verdächtiger Beziehungen zum Treiben der Nihilisten angeschuldigt worden sind. In Bestätigung dieser Nachricht gehen dem „Hamburgischen Correspondenten" auS Riga die nachstehenden ausführlicheren Mittheilungen zu: „Wer Gelegenheit gehabt hat, daS Treiben der St. Petersburger Beamten zu beobachten, welche unsere Landesbehörden revidiren sollen, könnte leicht glauben, er habe Commissare eines revolutionären Convents und nicht Vertreter einer monarchischen Regierung vor sich. Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie die Revision eines der KirchspielSgerichtc de« Rigaischen Kreises vorgenommen worden ist. Die Herren Beamten fuhren weder bei der Behörde, noch bei dem örtlichen Gutsbesitzer oder Pastor vor, sondern hielten vor einem der großen Krüge de« Kirchspiels, in welchem sie von einer Anzahl Bauern mit Geschrei empfangen wurden. In der großen KrugSstube wurde ein m»t der officiellen rothen Decke bedeckter Tisch ausgeschlagen, an welchem die Beamten sich niedersetzten, um mit sichtlichem Be hagen die mündlichen und schriftlichen Beschwerden der Bauern und Bauernknechte über den KirchspielSrichter auf- und anzunehmen und gleichzeitig Denunciatwnen ihr Ohr zu leihen, die mit dem KirchspielSgerichte und dessen Thätigkeit nicht da» Geringste zu thun hatten, sondern gegen gesetzlich bestehende LandeSkinrichtungen gerichtet waren. Den Abend verbrachten die Vertreter der russischen Regierung im Kreise von Leuten, dir als Aufwiegler, Winkelscribenten u. s. w. bekannt sind, um andern Tag« ihr löbliche« Geschäft fortzusetzen. Erst nachdem dasselbe beendigt war, begaben sich die Beamten in da« zu revidirende Gericht, wo sie sich indessen kaum 2 Stunden lang aufhielten, den Kirch spielSrichter mit geflissentlich zur Schau getragener Feindseligkeit behandelten und dann mit ihrem Denun- ciaiionSmaterial zu ihrem Ches zurückkehrten, um An träge darauf zu stellen, daß der KirchspielSrichter wegen der großen Zahl außergerichtlich gegen ihn erhobenen Beschwerden von seinem Amte vorläufig suspendirt werde. Ueber die Wirkungen dieses Verfahren- sind verschiedene Meinungen so wenig möglich, daß Hr. Manassein selbst einem unserer Ritterschaft-Vertreter neulich einräumen mußte, daß sein Erscheinen zu einer Bewegung Veranlassung gegeben habe, welche leicht zu einem revolutionären Ausbruche führen könne. Wie nahe wir einer solchen bereits sind, ergiebt sich auS der nachstehenden verbürgten Thatfache. Unter dem Titel: „Der baltische Föderalist" erschien vor einiger Zeit zu Genf die erste Nummer einer von „E. Barck" au« Livland herauSgegebenen revolutio nären Wochenschrift, welche die Lw-, Esth- und Kur länder aufforderte, sich der russischen Revolutionspartei anzuschließen, um mit vereinten Kräften aus den Sturz deS absolutistischen System- hinzuarbeiten. Dieses Machwerk wurde sämmtftchen deutschen, lettischen und esthnischen ZeitungSredactionen der drei Ostseeprovinzen zugesendet, von den Deutschen entweder als Ausgeburt eine« hirnverbrannten Narren vernichtet, oder aber den Behörden überliefert. Einige der zur lettisch esthnischen Agitationspartei gehörigen Rädelsführer nahmen die Sache indeß fo ernsthaft und sympathisch auf, daß sie den Verdacht der Behörden erregten uud zu Haus suchungen Veranlassung gaben. Bei mehreren dieser Haussuchungen sind neben Exemplaren der Barck'schen Schrift Briefe zweier Manasse'i'nscher Beamten, der Herren Rose und Weizenberg, gefunden worden, die von politischen Materien handeln und den Adressaten den Rath ertheilen, sich behusS baldmöglichster Be ¬ seitigung der deutschen Herrschaft den fortgeschrittenen Liberalen in Rußland anzuschließen. Diese Vorgänge sind so notorisch, daß sie im ganzen Lande besprochen werden und daß ein Gerücht derselben nach St. Peters burg und von dort in die Spalten der „Kölnischen Zeitung" gelangt ist. Nichts destoweniger sind diese Biedermänner in ihren Stellungen verblieben und fahren fort, namens der russischen Regierung die livländischen Landesbehörden zu revidiren." Eine nicht minder entschiedene Verurtheilung er fährt daS Verhalten deS Senators Manassein in den baltischen Provinzen durch daS hocharistokratische St. Petersburger Journal „ Graihdanin". DerHerauS- geber desselben, Fürst MeschischerSki, schreibt: „In den Ostseeprovinzen steht eS schlimm. Der Aufenthalt de» Revisionssenator« Manassein daselbst hat, wie zu er warten stand, viele schiefe Stellungen geschaffen, viele Mißverständnisse hecvorgerufen und mannichfache Lei denschaften entfacht. Baron Uexküll, der Gouverneur von Livland, ist in St. Petersburg eingetroffen und hat, wie man mir mittheilte, eine gewisse Anzahl von Beweisen dafür mitgebracht, laß der Senator allem Anscheine nach immer mehr und mehr auS der Rolle eines Revidenten herausgekommen ist und die eine» DictatorS, d. h. eines obersten Administrators, Richters und Gesetzgebers zu spielen begonnen hat. Da« war übrigens vorau-zufehen. Senator Manassein. ist ein sehr kluger, aber auch ein sehr schroffer, sehr wenig zu- und umgänglicher Mann. Geradewegs dreinzu fahren, konnte nicht die Aufgabe eines Revision-senatorS in diesem Lande sein, wo so viele Leben-sragen poli tische Leidenschaften wachrufen und wo e» außer dem Gesetze noch eine Menge Jahrhunderte alter Anschau ungen, Lkbensverhältnisse, Sitten und Traditionen giebt, die Kenntlich deS Landes und der Sprache verlangen, großen Tact, daS Verständlich, mit den Leuten fein umzuaehen, Toleianz, feinste Höflichkeit, Unparteilichkeit. Leider war da- Alles beim Senator Manassein nicht in genügendem Maße vorhanden. Er begab sich al« solcher, wie ihn seine dienstliche Car- riere in Rußland ausgebildet hatte, auf die Reise in ein Land, wo er sich plötzlich wie in einem un- b> kannten Walde erblickte, mitten unter Deutschen, mit denen er nicht sympaihisirt, und unter Letten, mit denen er sympathisiren will, die er aber nicht versteht und zwischen den Aeußerungen und Anschauungen einer pfeudoöffentlichen Meinung der liberalen russischen Blätter, denen er nicht ungern Popularität verdanke« würde. Selbstverständlich mußte Senator Manassein unter solchen Verhältnissen bei aller Klugheit und all seinem Eifer und bei allem Wunfche, den er hegte, gewissenhaft und unparteiisch vorzugehen, in der ersten Zeit doch parteiisch sein und dabei allmählich, ohne eS selbst zu merken, aus der Rolle eine« einfachen Unter- sucherS in die complicirte eines obersten VerwaltunqS- beamten und Richters gerathen und sich von allen Seiten eine Menge parteiischer Anhänger und ebenso parteiischer Feinde schaffen. Ist aber jetzt der richtige Zeitpunkt da, um die Leidenschaften zu erregen im Ostseegebiete, das, wenn eS sich im Laufe von Jahr hunderten von allen übrigen Gebieten deS weiten Rei ches durch seine Institutionen, Sitten und Gewohn heiten unterschieden hat, auch dadurch auSzeichnete, daß e« bisher keinen einzigen Nihilisten und keinen ein zigen Staatsverbrecher geliefert hat? Mich däucht, e» wäre nicht die Zeit hierfür, jetzt dort politische und sociale Fragen aufzuwerfen. Und wenn man zur Be endigung des dort beginnenden, an Irlands Zustände gemahnenden Wirrsals den Senator Manassein abbe- ruien und an feiner Stelle unter Leitung einer festen, gebildeten und unparteiifchen russischen Staatsmannes eine Commission dorthin entsenden wollte zur Unter suchung der Fragen unter Betheiligung von Vertretern aller örtlichen Landesinteressen, so würde man ohne Feuilleton. Redigirt von Otto Banek. Wandlungen. Novelle von F. L. Reimar. (Fortsetzung.) Hermann'« gelassenes Gesicht ließ nicht erkennen, wie viel oder wie wenig er von jenem vorausgesetzten Interesse empfand, jedenfalls befriedigte er den Ober sten durch sein ruhiges Zuhören, al» dieser ihm die fraglichen Enthüllungen über den Ursprung seine» RheumatiSmuS machte, so sehr, daß der alte Herr sich für die mangelnde Theilnahme der übrigen Anwesen den entschädigt fühlte. Endlich war die Geschichte de» Rheumatismus zu ihrem Abschluß gekomnten, Hermann hatte mit einigen Worten sein Gutachten und seinen ärztlichen Rath ab gegeben und erhob sich nun, um damit auch dem Vetter da» Zeichen zu ertheilen, daß e« wohl Zeit zur Be endigung des Besuch» sein dürfte. Sem Blick fiel dabei zufällig durch da« Fenster und ließ ihn bemer ken, daß draußen weiße Flocken niederzuwirbeln be gannen. „Ah, der erste Schnee deS Jahre»I" rief er au». Die Augen der Uebrigen richteten sich bei dem Aus ruf gleichfalls dem Schauspiel zu und Virginie ant- wortete fröhlich: „Der erste Schnee! Wissen Sie, Herrmaun, daß ich dabei noch in jedem Jahre an die Fahrt denken muß, die wir einmal im Ponyschlitten mit einander Machten? Sie war zu prächtig, und ich konnte mir nachher das Paradies nie mehr ohne Schnee und klin gende Schlitten vorstellen! Sie denken doch auch noch an jene Tour?" „Ei wohl!" entgegnete Hermann, „aber meine Er innerungen sind anderer Art! Ich hatte damals die Schmach, umzuwerfen und Sie in den Schnee zu stür zen, obgleich ich noch kaum vorher erklärt hatte, ich wüßte Sie, die Jüngste unter unS allen, fahren, weil Sie bei mir am sichersten aufgehoben seien." „Ach, eS ist wahr, Sie warfen um!" rief Virginie und lachte hell auf, „aber daS wollte ich nicht sagen, daran dachte ich nicht, vielmehr — daS Umwerfen ge hörte ja auch zum Vergnügen, denn wir kamen ohne den geringsten Schaden davoi!" „Ja, ein Vergnügen war mirS auch", rief Oskar gutgelaunt dazwiichen, „wie ich mich jetzt nach langen Jahren noch erinnere! Einmal durfte ich mich doch Hermann, von dem ich so manche Belehrung, so häu figen Tadel für meine Wildheit hatte hinnehmen müssen, überlegen fühlen, denn ich brachte meine kleine Dame sicher an» Ziel, während er mit seinem Ritter dienst FiaSco gemacht hatte!" „Und ein schmähliche»!" gab Hermann bereitwillig zu. „Noch in diesem Augenblick fühle ich etwa» von der Beschämung, die mich damal» niederdrückte und mich den Vorsatz fassen ließ, mich nie wieder zumCa- valier aufzuwerfen." „Nun, da» war ein Vorsatz, den Sie natürlich nicht gehalten haben!" rief der Oberst lachend. „So, w e ihn mir meine erste Demüthigung ein- gab, allerdings nicht", entgegnete Hermann; „wenn ich'» aber recht bedenke: eine Dame habe ich seit der Zeit nie wieder im Schlitten gefahren." „Nun, so möchte ich die Erste sein, die wieder von Ihnen geführt würde!" fiel Virginie lebhaft ein, „nur um Ihnen die Ueberzeugung zu geben, daß mir jener Unfall den Muth nicht geraubt hat!" „Ich danke Ihnen", antwortete Hermann heiter. „Vielleicht darf ich Ihnen noch ein Mal den Beweis liefern, daß ich jetzt allerdings etwas mehr Vertrauen verdiene, al» in dem oft recht dünkelhaften Knaben alter!" Damit war die Unterhaltung beendigt und die beiden jungen Leute empfahlen sich. Draußen gingen die Letzteren eine Weile mit einander hin, ohne zu reden: endlich jedoch brach Oskar, in dessen Zügen eine Art Spannung und vielleicht auch eine gewisse Verstimmung lag, das Schweigen. „Ich erwartete Deine Aeußerungen über Virginie zu hören", sagte er, ohne aber den Freund dabei an zublicken. „Nun, sagte ich Dir nicht gestern schon, daß ich ihre Anmuth empsunden habe, gab ich Dir nicht Recht, daß sie schön sei?" war die Erwiderung. „Ja, aber Dein Urtheil noch der heutigen Be gegnung, dem längern Gespräch!" fuhr Oskar leb hafter fort. „Mein Uriheil? Kann man denn überhaupt einen Menschen gleich bei der ersten Bekanntschaft in dem gamen Gewebe seiner Eigenschaften so erfassen, daß man über ihn urtheilen darf?" Einem Dritten hätte e« vielleicht möglich geschienen, daß die Antwort nur gegeben war, um dem Frager au»zuweichen; O-kar jedoch war offenbar völlig von ihr befriedigt, denn er rief lachend auS: „Ich weiß jetzt schon genug! Unter dem Einfluß der Bezauberung stehst Du nicht: daS verräth Deine Bedächtigkeit! — Aber gieb wenigstens zu, daß Vir ginie liebenswürdig sein kann!" „Nur sein kann?" fragte der junge Arzt zurück; „ist sie e» denn nicht immer?" „Nun, was daS betrifft", entgegnete O»kar, bei dem die gute Stimmung wieder zum Durchbruch ge kommen war, „wer kennt die Frauen und weiß nicht, daß die beständige TageSfrage bei ihnen bleibt: Son nenschein oder Wolken?! ES wäre thöricht, sich da durch irre machen zu lassen, wenn sie unS an dem einen Tage ihre Gunst weniger zeigen, al» an dem andern!" „Wenn man sich einmal sagen kann, daß man sie überhaupt besitzt, gewiß", entgegnete Hermann. „Und daß Virginie ihren Empfindungen, ich meine den echten, denen de» Herzen«, treu ist, möchte ich betheuern — bewies dies ja doch schon die Freundschaft, welche sie mir nach so langen Jahren entgegenbrachte!" „Ja, Du hast Recht!" rief O-kar, in dessen Zügen e« bei Hermann'- Worten hell aufgeleuchtet war, „Virginie gehört nicht zu den Mädchen, die in flatter haftem Sinne bald dem einen, bald dem andern, je nach einem augenblicklichen Eindruck, einen wirklichen Vorzug geben!" Er schien noch mehr sagen zu wollen, aber Her mann selbst schnitt ihm jetzt die Gelegenheit zu weiteren Aeußerungen ab, denn er bemerkte, daß sie am Ein gang de» Nelkengäßchens angelangt waren und daß er hier noch seinem Schützling sehen müsse; so »rennten sich die beiden Verwandten. (Fottietzung so'gt)
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