Volltext Seite (XML)
22. August L8S7 Nr. 195 Dciltschc MW«M Zcituilg «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Preis für das Vierteljahr 1'/> Thlk.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Znserttonsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Sonnabend. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des SoUntaaS täglich Nachmit tags für den folgenden Tag. Der neue Verfassungsentwurf für das Herzogthum Holstein. — Leipzig, 21. Aug. Mit gespannter Aufmerksamkeit sicht man überall in Deutschland den Verhandlungen der am 15. Aug. eröffneten hol steinischen Ständeversammlung entgegen. An diese Verhandlungen knü pfen sich die letzten Hoffnungen eines gütlichen Austrags der nur zu ge rechten Beschwerden, welche Holstein gegen Dänemark wegen Beeinträchti- gung verbriefter Gerechtsame und Nichterfüllung feierlich gegebener Ver sprechungen erhoben hat; cs knüpfen sich daran — für den Fall einer Ver eitelung jener Hoffnungen — die bestimmten Erwartungen aller deutschen Patrioten auf ein dann nicht länger zauderndes thatkräftigcs Einschreiten des Deutschen Bundes zu Gunsten jenes schwer gekränkten Bruderlandcs. Von den Absichten, mit denen die dänische Regierung in diese entschei denden Verhandlungen mit den holsteinischen Ständen eintritt, gibt die viel besprochene Note .des dänischen Cabinets an die beiden deutschen Großmächte (vom 24. Juni) zwar nicht ganz offene, aber doch auch nicht wol miszu- verstehende Kunde. Scheinbar ist darin den Ständen die Berührung von Verhältnissen freigegeben, die man bisher, wie noch die ncuerlichst im Druck erschienenen „Verhandlungen der schlcswigschen Ständeversammlung" (Wei mar, Böhlau) S. 183 bezeugen, der Besprechung der Sonderlaudtage der Herzogthümrr gänzlich entzog. In diesem Zugeständniß — vorausgesetzt, daß dasselbe beim vorkommcnden praktischen Fall nicht wieder zurückgenom men -oder illusorisch gemacht wird — dürfte wol ein Einfluß der diploma- tischen Anwendung der deutschen Großmächte und die Scheu vor einer Verhandlung der Sache am deutschen Bundestage zu erkennen sein. Aber freilich wird dieses Zugeständniß (welches zunächst doch blos formeller Na tur ist)' sogleich wieder abgeschwächt und in seinen praktischen Wirkungen so gut wie vernichtet durch den in jener Note beigefügten Zusatz: „die Re- giemng nehme an, daß die Stände in ihren Berathungen ihre Befugnisse nicht überschreiten und insbesondere keinerlei Vorschlag machen werden, der den Charakter eines Eingriffs in die Competcnz der Vertretung der Ge- sammtmonarchie oder eines andern Lanvestheils trüge", und daß „nur unter dieser Bedingung, die ganz unerläßlich sei, wenn man vermeiden wolle, den inner» Frieden der Monarchie zu stören, man keine Schwierigkeiten dagegen erheben werde, daß die Stände ihre Ansichten und Wünsche in Betreff der Beziehungen Holsteins zur Gesammtmonarchie darlegen." Durch diese Erklärung ist, wie man sieht, nicht nur jedem Antrag auf eine veränderte Feststellung der durch die Gesammtverfassung geschaffenen Grenzen zwischen gemeinsamen und Sonderangelcgenhciten im voraus jeder praktische Erfolg abgeschnitten, also gerade Dasjenige grundsätzlich verneint, worauf die Ver mittelung der deutschen Großmächte abziclte, und was, nach deren ausge- spröchener Absicht, der Hauptzweck einer Verständigung zwischen der däni schen Regierung und den Ständen der Herzogthümer sein sollte; sondern die ausgesprochene Bedingung einer strengen Unantastbarkeit der Competcnz der Gcsammtvertretung gibt auch der Regierung, beziehentlich ihrem Or gane, dem ständischen Cvmmissar, das leicht verfügbare Mittel an die Hand, jede Verhandlung der Stände, welche sich über die Grenzen zwischen Ge- sammt- und Sondervcrfässung verbreiten will, unter dem Vorwände <»bzu- schneiden, daß dadurch in die Competcnz der Gesammtvertrctung einge- griffew werde. WkNn übrigens darüber, wiefern jener angebliche -Verständigungsver- such Wit dem Ständcn aufrichtig gemeint oder wiefern davon «»«-.Erledi gung-der schwebenden Beschwerden der Herzogthümer zu »erhoffen sei oder nicht, noch irgendein Zweifel obwalten konnte, so muß dieser vollends schwinde»! bei Betrachtung deS den Ständen bei ihrem Zusammentritt vor- gelegte» „Entwurfs eines Versaffungögesetzes für die besonder» Angelegen heiten des HerzogthumS !Holstein". Donn dieser Entwurf enthält, im Ver gleich zu der seit 1854 für Holstein in Kraft bestehenden Verfassung, so wenig eine Abänderung za Gunsten der staatlichen" Selbständigkeit Holsteins oder zur Wahrung seinek Rechte und zur Herstellung eines gerechter» und gleichem Verhältmsses unter den verschiedenen Theilen der Gefammtmonar- chic, daß vielmehr die rinzigs schwache Stützt Iencr"Dckbständigkeit/ welche in den Worten des tz. 1 der Verfassung von 1854 enthalten war: „Unser Hrvzogthum Holstditi bildet einen selbständigen Theil der unserm königlichen Sceptee untergebenen dänischen" Monarchie", in dem «euch Entwurf auch noch in'Wegfall gebracht ist. Eine der wichtigsten Rücksichten, weShälb sowol die'hölstrittischen Stände selbst als auch die deutschen Gdoßinächtc eine Abänderung der den Herzogthümer« gewaltsam äufgedrungcnen Stel lung im Gesammtstaät für durchaus nöthwendig und dringlich erachteten, war bekanntlich die finanzielle, infolge der schon in dieser kurzen Zeil gc- wachten'Erfahrung, daß sowol in Bezug aus die laufenden Beiträge zu den GtsaMmtauSgaben der Monarchie als auch in Bezug auf das in den Domänen beruhende Stammvermögcn der Herzogthümer die schreiendsten Ungerechtigkeiten, Uebcrlastungen und Beraubungen dieser letztem zu Gun sten anderer Theile des Ganzen versucht worden. Die Noten der deutschen Mächte haben diesen Punkt ganz ausdrücklich hervorgchoben. Wenn also über irgendetwas, so mußte der neue Verfassungsentwurf hierüber eine be ruhigende Zusicherung enthalten. Davon aber findet sich in demselben keine Spur. Die Feststellung der Gesammteinnahmc und Ausgabe bleibt nach wie vor der Gesammtvertrctung, d. h. dem Rcichsrath, überlassen, in wel chem die deutschen Mitglieder eine kleine, nothwendig jederzeit unterliegende Minorität bilden; den Einzellandtagen bleibt nur die Aufgabe, die Umle gung der ohne ihr Zuthun dem Lande auferlegtcn Lasten zu bewerkstelligen. WaS der Entwurf an — wirklichen oder scheinbaren — Zugeständnissen rücksichtlich der inner« staatsrechtlichen Verhältnisse des Hevzogthums oder der sogenannten politischen Rechte enthält, kommt, gegenüber jenem Haupt punkt, nicht in Betracht. Wenn auch diese wenigen, anscheinend der Frei heit günstigen Bestimmungen sich nicht, bei näherm Hinblick, theils in sich selbst in Täuschungen auflösten, thcilS als völlig unzureichend, um nicht zu sagen wcrthlos erschienen wegen des Fortbestehens anderer, die, wie z. B. die gänzliche Freigebnng des polizeilichen Ermessens und die den Ge richten entzogene Cognition darüber, jede wahre, gesicherte Freiheit unmög lich machen, so würden doch die Stände Holsteins — wir haben dieses feste Vertrauen zu ihnen — um einiger Erleichterungen in dieser Hinsicht willen nimmermehr sich dazu verstehen, von dm für sic und für Deutsch land so wichtigen Rechten in Betreff einer größern staatlichen Selbständig- kcit Holsteins, der fremden, dänischen Nationalität gegenüber, auch nur das Allergeringste freiwillig aufzugebcn. Deutschla nr. LBom Rhein, 19. Aug. Die preußische Antwort vom 6. Juli auf die dänische Depesche vom 24. Juni Hal jetzt auch den Weg im die Ocffcntlichkcit gefunden. Da dieselbe der Position, welche das preußische Cabin.ct in der Depesche vom 20. Mai einnahm, nichts vergibt, so haben wir nur zu bedauern, daß der Schleier des Geheimnisses nicht früher weg genommenward. Auch der „Entwurf eines Verf^ssuugsgesrtzeS für die bc- sondcrn Angelegenheiten des Herzogthums Holstein" ist seit kurzem bekannt. Nun gilt es, ihm gegenüber den richtigen Standpunkt cinzunehmen und zu behaupten. Ohnehin werden schon, wie z. B. in den Hamburger Nachrich» ten (der betreffende Artikel ist auch in die «Zeit» übcrgcggngm), Stimmen laut, welche von den „Vorzügen" dieses neuen Entwurfs vor dem frühem in „freiheitlicher Richtung" sprechen. Wählt man nämlich zur Beurthei- lung des den holsteinischen Ständen am 15. Aug. vorgclegten Entwurfs nur einen solchen Standpunkt, dann hat man gerade Das, um was cs sich für Deutschland und den Deutschen Bund handelt, aus dem Auge verloren. Wir haben hier nicht darauf das Gewicht zu legen, ob und in wieweit der neue Entwurf in „freiheitlicher Beziehung" diese oder jene Vor züge besitze, sondern lediglich darauf, ob und inwieweit die Vorlage der dänischen Regierung den verbrieften Rechten der Herzogthümer, also jenen Rechten Rechnung trage, kraft welcher die Herzogthümer dem Deettschen Bunde einverlcibt sind. Das historische Slaatsrccht dieser Herzogthümer umfaßt die drei Sätze:- 1) die Herzogthümer sind selbständige- Staaten; 2) diestlbew sind verbundene Staaten; 3) nur dcrMannsstamm erbt darin. Nach den Zusicherungen und Vereinbarungen von 1851 und 1852 darf Dänemark daS Herzogthum Schleswig Nicht in das Königreich incorpori- re« Und überhaupt die Herzogthümer mit den übrigen Landestheilen zu ei nem Gesammtstaate nur unter folgenden wesentlichen Bedingungen verbin- den: 1) die GcsammtstaatSvcrfassung ist nur unter Mitwirkung der Stände der einzelnen Landestheilc zu geben; 2) die Selbständigkeit der Derfassun- gen' dieser LanbeStheile muß im Gesammtstaat erhalten bleiben; 3) eS soll in der GesammtstaatSverfassung gleiche Berechtigung aller LanbeStheile gel ten, also kein Theil dem andern untergeordnet werden. Noch die österrei chischen und preußischen Depeschen vom 20. Mai d. I. haben im Einklang mit den frühem Noten ausdrücklich daräuf beharrt, daß den Standen Ge legenheit gegeben werde, sich über die den Herzogthümern in derGesammt- staatsverfassung zu gebende Stellung äußern zu können. Wir finden nun zuvörderst, daß die dänische Regierungsvorlage obigen Punkten nicht allein Nicht entspricht, sondern bezüglich derselben die erheblichsten Bedenken umso mehr erregt, als sie die Personalunion zwischen Dänemark und den Her- zdgthümern völlig in Frage stellt. Die dänische Regierung mußte, wollte sie Vertrauen zu ihren Absichten erwecken, die GesammtstaatSverfassung selbst (1851 und 1852) den Ständen vorlegen, um in Betreff der ein schlägigen Bestimmungen sich mit „ausgedehnter Freiheit" aussprcchcn zu können. 'Wie cs mit ihren Abfichten stehe, das wird durch die unvollstän dige und mangelhafte Vorlage jetzt offenbar. Wir haben uns in unsern Vermuthungen und Meinungsäußerungen nicht geirrt. Sehr wünschens-