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Wochenblatt für 1880 Nr. 50 Dienstag, den 20. Jnli Erscheint wöchentlich 2 Mal iTünstag und Freitag) Abonnementsprei» bierteljihrlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Instratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 llhr. Srsche'at wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark Ein« einzelne Nummer kostet 10 Pf. Inseratenannabme Montags «. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. für die Königl. Amtshauptmannschaft zu Meißen^ da^Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Jahrgang. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Tagesgeschichte. !. Diese Kundgebung wird endlich den Zweifeln über die der Kurie zu Preußen ein Ende machen. Freilich fehlt es errn ^onn Sozialistisches. In Betreff des früheren Redacteurs der uu- krdrückten sozialdemokratischen „Berliner Freien Presse", Leopold Schapira, verkündet ein durch Aushang an Gerichtsstelle publizirte Verfügung der dritten Strafkammer des königl. Landgerichts Berlin I.: »Die von dem Sattler Ignatz Auer am 22. Juni 1878 für den Re- dactcur Leopold Schapira in 4 Obligationen der deutschen Reichs-An leihe bestellte Caution von 3000 Mark ist der Staatskasse verfallen, va der Angeklagte sich der Untersuchung in einer gegen ihn anhängigen Anllagesache nnd dem Antritt der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe durch die Flucht entzogen hat." Aus welchen Fonds mögen wohl die verlorenen Tausende entnommen worden sein? In Frankreich ist das Nationalfest am Mittwoch ruhig verlaufen, ^anz Puris, mit Ausnahme der königstrcuen Viertel, war beflaggt. Am 13. wurde das Fest mit Kanonensalven und Fackelzügen eingeleitet. Vachmittags fand militärisches Diner und Empfang beim Kriegs- mimster statt, Abends großer Zapfenstreich und das den 1500 Ver- lletern französischer Gemeinden gegebene Fest des Pariser Stadtraths, bei welchem Victor Hugo die Festrede hielt. Am Mittwoch war großes Galadiner beim Präsidenten Grevy. Gegen Mittag strömte d>e Volksmenge nach dem Rennplätze von Longchamps, woselbst der Präsident die neuen Fahnen an die Regimenter vertheilte, nachdem er zuvor eine Ansprache gehalten hatte. Die Polizei hatte den Befehl, °en Straßenverkehr in Ordnung zu halten, sonst aber Alles gewähren iu lassen. Ein Theil der Truppen erhielt nach der Parade Urlaub ms 11 Uhr, ein anderer Theil wurde in die Kaserne gesteckt und er hell zur Feier des Tages . . . scharfe Patronen, die indes"'» glück- "cherweise keine Verwendung fanden. Abends war Paris in groß- dUiger und umfassender Weise illuminirt. Die Comniunards haben bvn der beabsichtigten großen Demonstration abgesehen. Der wichtigste ^ud glanzvollste Theil des Nationalfestes war die Vertheilung der uuhnen an die Armee auf der Ebene von Longchamps. Um 12'/, M kommt Präsident Grevy angesahren, die Kanonen donnern vom Mont Valerien, die Trommeln wirbeln, die Musik spielt die Mar- Maise. Er nimmt den Thronsessel auf der Tribüne ein, ihm zur Rechten Leon Say, Präsident des Senats, zur Linken Gambetta, 27 Generäle bilden um sie einen Halbkreis und Grevy hält vor der Ver keilung der neuen Fahnen folgende Ansprache: . 2sfic>ere, Untcrosficiere und Soldaten, die Ihr bei diesem feierlichen Anlasse die Umnöfische Armee repräsendirt! Die Negierung der Republik ist glücklich, sich im Wgesichte dieser wahrhaft nationalen Armee zu befinden, welche Frankreich auS dem f'Mn Theile seiner selbst gebildet hat, indem es ihr seine ganze Jugend, das will Men, was eS an Theuerstem, an Großherzigstem, an Tapferstem besitzt, hingab, sie ^art mit seinem Geiste und seinen Gesinnungen durchdrang, ihr seine Seele ein- »auch», um von ihr Söhne zurückzuerhalten, welche, in der strengen Schule der mi- Marjfchkn Disciplin erzogen, in das bürgerliche Leben Achtung vor der Autorität, das Pflichtgefühl, den Geist der Hingebung mitbringen, mit jenem Schmuck der Ehre und des Patriotismus und mit jenen männlichen Tugenden des Wafsenhandwerkes, welch, so geeignet sind, Männer und Bürger zu machen. (Langandaucrnver Beifall.) , un das Land keine Anstrengung gescheut hat, um seine Armee wieder zu heben, w hat es die Armee an nichts fehlen lassen, um diese Anstrengungen des Landes A uiMrstützen, und durch Hingabe an die Arbeit, durch Studium, durch den Unter- .M, durch die Disciplin ist sie für Frankreich eine Bürgschaft der ihm gc- -Uhrrnden Achtung und des Friedens geworden, welchen es bewahren will. M beglückwünsche Sie dazu und danke Ihnen dafür. (Beifall und Bravorufe.) ^ies si„» die Gefühle, mit welchen die Regierung der Republik Ihnen diese Fahnen uukrgibt. (Beifall und Bravorufe.) Empfangen Sie dieselben als ein Unterpfand Üesen Simpathie für die Armee, empfangen Sie sie als Zeugen Ihrer Tapser- .dr Ihrer Pflichttreue, Ihrer Ergebenheit für Frankreich, welches Ihnen mit diesen "len Abzeichen die Vertheidigung seiner Ehre, seines Territoriums, seiner Gesetze «nvertraut." (Andauernde Hurrahs. „Es lebe die Republik! Es lebe die Armee! lebe Grevy!") Die Commandeure bildeten nun ein Spalier und hierauf zogen vie Obersten und Fahnenträger von 436 Regimentern aller Waffen« Lattungen an Grevy vorüber und senkten die Fahnen. Grevy machte Berlin, 16. Juli. Wenn man gewissen Stimmen Glauben schenken darf, so bereitete der Vatikan seine Antwort auf das preußische Kirchengesetz vor; noch vor Ende des Monats wird in Rom eine neue Encyclica erwartet, die bestimmt ist, der Erklärung des Kardinals Nina Folge zu geben: der Papst werde genöthigt sein, in Betreff des Verhältnisses zur preußischen Regierung den Katholiken seine Auffassung des Ausganges der Unterhandlung mit Preußen-Deutschland bekannt iu geben. O ' " ' ' Stellung dcr <,- „ „ , .... Mn jetzt nicht an Zeichen, aus denen man schließen kann, wie die Dinge stehen: Die „Germania" verkündigt heute mit kaum verhaltenem Jubel, daß der preußische Unterhändler mit Kardinal Jacobini, Geh. Rath Hübler, nach Beendigung seines Urlaubes in seine bisherige Stellung im Cultusministerium nicht wieder eintreten werde. Man lagt, daß derselbe mit einer Professur an der Berliner Universität be- traut werden würde, während bald nach dem Amtsantritte des He d. Puttkamer verlautete, Herr Hübler würde eine Professur in V übernehmen. Die „Germania" scheint nicht abgeneigt, aus diesem "Rücktritte" zu entnehmen, daß die Rolle des Herrn Hübler ausgespielt m und das Organ des Ultramontanismus ist weit entfernt, darüber i» trauern. stets eine kurze Verbeugung, Leon Say nickte allen freundlich zu, Gambetta hob mit Lebhaftigkeit seinen Hut zum Gruße. Die drei Präsidenten standen während des Vorbeimarsches. Als dieser zu Ende war, ritten olle Generale mit dem Kriegsminister Farre an der Spitze im Trabe vor die Präsidenten-Tribüne und grüßten durch Abnehmen des Hutes. Der Kriegsminister steigt ab und spricht, den Hut in der Hand, mit den Präsidenten. Dann grüßen alle Generale noch einmal und reiten ab. Der Enthusiasmus war groß. Gambetta hat sich zum Nationalfest eine besondere Freude ge macht, er hatte seinen Vater und seine Mutter aus der Provinz konimen lassen und zeigte ihnen Paris und sagte: Seht, das ist mein Fest! — Der Papa schwitzte in Wonne und Schweiß, die Mama aber zupfte ihn heimlich am Acrmel und sagte: Nimm eine Frau! — Da warf sich Gambetta in die Brust und antwortete: Meine Braut ist die Republik! Dos französische Nationalfest ist nach den bis jetzt vorliegenden Berichten auch in der Provinz unter der allgemeinsten und freudigsten Bctheiligung des Volkes begangeu worden; nirgends haben Aus schreitungen stattgefunden. Dafür beginnen aber amnestirte Com- munards schon jetzt wieder das saubere Handwerk des Hetzens und Aufreizens. Rochefort insbesondere schießt seine giftigen Pfeile anf Gambetta ab, dem er das Streben nach der Diktatur vorwirst und ihn anklagt, er wolle die Wahlen so dirigiren, daß die Kammer sein gefügiges Werkzeug werde. Die herrschende Richtung wird also jetzt heftiger als je von zwei mächtigen extremen Parteien bekämpft, doch hofft mav, daß das besonnene Bürgerthum zu ihr stehen werde. Paris, 15. Juli. Die Session der Kammer und des Senats ist heute geschlossen worden. In der Ansprache, mit welcher die Sitzung des Senats geschlossen wurde, heißt es: „Sie haben gestern mit pa triotischer Bewegung an sich vorübcrzichen sehen die französische Armee, repräsentirt durch alle ihre Führer und durch die Fahnen derer, denen Frankreich die Sorge für seine Ehre nnd für seine Sicher heit anvertraute. Sie können sich jetzt mehr Ivie jemals mit Ruhe den Arbeiten friedlicher Wiedergeburt überlassen, welche der Gegenstand aller Ihrer Gedanken sind und deren Wetterführung der Regierung der Republik am Herzen liegt." Petersburg, 15. Juli. Die russische Regierung verwahrt sich aufs Entschiedenste dagegen, daß dem russischen Botschafter, Fürsten Laban off, in London der „Auftrag geworden fei", dem Lord Gran ville 20,000 Mann Hülfstruppen zu einer Demonstration gegen die Türkei onzubictcn. Dagegen wird in hiesigen maßgebenden Kreisen das Faktum jenes Angebots nicht geleugnet, die Schuld aber auf die etwas sanguinische Art des Botschasters geschoben, der ganz beiläufig als seine eigene Ansicht (?) die Worte habe fallen lassen, „daß Rußland gewiß auch zu einer aktiven Hülse bereit sein und mit circa 20,000 Alaun zu Gunsten der Geschädigten (soll wohl Griechen heißen?) gegen die Türkei eintreten werde. Der mehrfach in der ausländischen Presse hervorgehobene Einfluß der Königin von Griechenland auf die Haltung Rußlands bei der Berliner Cvnferenz wird hier an Ort und Stelle durchaus bestritten. Den König von Griechenland erwartet man iu 14 Tagen hiersclbst. Betreffs der Ansichten über Zwangsmaßregeln gegen die Türkei herrscht hier ein wahres Chaos. Jedoch lausen alle Meinungen auf eine schließliche gemeinsame Flottendemonstration sämmt- licher Congreßstaaten (auch unter aktiver Betheiligung Deutschlands) hinaus, obgleich man sich von vornherein keinen Erfolg von der bloßen Demonstration verspricht. Dagegen scheint in maßgebenden Kreisen Plötzlich die Hoffnung Platz zu greifen (ohne daß man sich näher da rüber ausläßt), daß noch eine „friedliche" Vereinigung OstrumelienS mit Bulgarien möglich sei und sich eine solche in kürzester Zeit voll ziehen würde. Aus England kommt die betrübende Nachricht, daß in der Grube Risca unweit Newport am 14. Jnli eine hestige Explosion in Folge Entzündung schlagender Wetter stattgefundrn hat, wobei 119 Bergleute verunglückten. In New-Uork sind in wenigen Tagen 158 Personen am Son nenstich gestorben. Vaterländisches. Wilsdruff. Letzten Donnerstag verunglückte in Blankenstein beim Guts- und Kalkwcrksbesitzcr Faust der'Fahrknecht dadurch, daß derselbe ohne sein Verschulden von einem mit Heu beladenen Wagen so unglücklich herabstürzte, daß der Tod sehr bald erfolgte. — Die beiden ersten Fe st tage Dresdens sind nach einem Bericht der „Dr. N." glanzvoll verlaufen. Mit großer Anerkennung sprachen die Taufende von Feuerwehrgästen von den zweckmäßigen und freundlichen Einrichtungen bei ihrem Empfange, ihrer Bequartierung und der ihnen zn Ehren veranstalteten Festlichkeiten; den Glanzpunkt bildete der Sonntag Nachmittag stattgesundene Festzug durch die reich geschmückte Stadt nach dem Festplatze. An dem Zuge selbst haben ca. 6000 Mann Feuerwehrleute und 2000 Sänger und Turner theil genommen; der Zug fand auf seinem langen Marsche eine enthusiastische Aufnahme durch das Publikum auf den Straßen und in den Häusern.