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MOMrAMbla« Nr. 134 — 91. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Freitag, den 10. Juni 1932. Postscheck: Dresden 2640 Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts- gerlchts und des Stadtrats zu Wilsdrufßdes Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Npfg., die 4xefpaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs* Pfennige, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Dor« geschriebeneErscheinungs- e--L. tage und ^latzvorfchristen wrrden nach MSglichkei« FSkUspreche»: Amt WilsdkUff Nk. 6 berüchsichUvI. Anzeigkn. annahmebisnorm.lvUhr. Für die Richti«deil der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder NabananipruL erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. boten "d» Postbestellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend höherer Wewatt, — 1 : Krieg oder ionhiger B-- «teosjtörungen besteht kein Amprucv auf Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. PWMMkde d» MWnenimuisterr Hm v. Gayl vor dem Aerchsrat. Der neue Reichsinnenminister Freiherr von Gayl hielt vor dem Reichsrat eine programmatische Rede. Er führte u. a. aus: Sie alle meine Herren wissen, daß mich nicht Ehrgeiz und Machthunger zur Übernahme dieses Postens getrieben haben, sondern einzig und allein das Gefühl der Pflicht, in dieser Notzeit dem Ruse des allver- ehrten Herrn Reichspräsidenten zu folgen. Ich war um so überraschter von diesem Rus, als ich seit genau einem Jahre nicht mehr die Ehre und die Freude gehabt hatte, den Herrn Reichspräsidenten zu sehen und zu sprechen. Es ist mir eine besondere Ehre und Freude, der Minister zu sein, dem die Pflege der Beziehungen zu den deutschen Ländern vornehmlich obliegt. Die stärksten Kräfte unseres Volkes wurzeln in dem Heimatboden und der Liebe zur angestammten Heimat. Die Eigenart der deutschen Stämme ist etwas Heiliges, was des Verständnisses und liebevoller Pflege bedarf, und der kulturelle Hochstand unseres Volkes verdankt nicht der Be- fruchtung von einer Zentrale, sondern der Mannigfaltig keit des Lebens in den einzelnen deutschen Ländern sein Dasein. Wir werden daher die Eigenart des Eigenlebens der deutsche». Länder selbstverständlich nicht antasteu. Für Preußen erwarten wir besonders das rasche Zustandekommen einer verfassungsmäßigen ^Regierung, von der wir hoffen, daß sie in den großen Fragen der Ration mit der Neichsregierung übereinstlmmen und in lebendiger Fühlung mit uns arbeiten wird. , , gabc'd^ dieser Überzeugung heraus werde ich tue Aus- Rcichsrcform anfassen. Es ist noch nicht die Zeit gegeben, auf diesem Gebiet eine Stellungnahme der Neichsregierung aus zusprechen. So dringend diese Reform auch ist und so sehr sie zusammenhängt mit den notwendigen Maßregeln zur Vereinfachung und Verbilligung der öffentlichen Verwal tung, so liegen heute dringendere Aufgaben vor, deren Lösung die Stunde gebieterisch fordert. Das bedeutet kein Aufschieben auf die lange Bank. Das gleiche gilt von der Verfassungsreform. Die Weimarer Verfassung, die Grundlage unseres öffentlichen Lebens, deren Hüter ich als Reichs innenminister pflichtgemäß bin, ist seit ihrem Bestehen vielfach durch die Gesetzgebung durchlöchert und nach un- bestrittener Ansicht weitester Kreise aller politischen Rich tungen reformbedürftig. Verfassungen sind nicht starre Idole, sondern lebendige Wesen und der Entwicklung unterworfen. Wir werden auch an diese Aufgabe mit Ernst und Eifer Herangehen. Zweierlei aber muß ich in diesem Zusammenhang besonders betonen: Das Gerede von einer geplanten Änderung der Ver fassung in der Richtung der Wiederaufrichtung der Monarchie ist ein törichtes und darum schädliches Geschwätz. Ich würde mir erbärmlich vorkommen, wenn ich auf dem Ministersessel versuchen würde, meine persönliche Über zeugung zu verleugnen, daß ich die Monarchie für die an gemessenste Staatsform für ein Volk, inmitten des Herzens von Europa, halte.. Ich bin aber der Über zeugung, daß in diesen Zeiten des Kampfes um Sein oder Nichtsein die Frage der Staatsform, Republik oder Monarchie, keine Frage ist, die unsere Zeit, geschweige denn die gegenwärtige Reichsregierung zu lösen habem Wir sind mit dem ganzen Volk heute so mit Lasten und Nöten schwerster Art beladen, daß wir erst versuchen müssen, dieser Bürden ledig zu werden, ehe wir überhaupt die Möglichkeit haben, uns mit der Staatsform zu befassen. Höher als die Form steht der Staat der Deutschen, den zu retten unsere einzige Pflicht ist. Ich denke als Verfassungsmmister nicht daran, unser Volk durch Aufrollung der Frage der Staatsform in neue Verwirrung zu bringen und ich verbitte mir deutlich jeden Zweifel an meiner in die Hand des Herr Reichspräsi denten gelobten Verfassungstreue. Sowie ich denken der Herr Reichskanzler und die übrigen Mitglieder des Kabinetts unter bewußter und pflichtgemäßer Hintansetzung aller persönlichen Anschau ungen und Gefühle. Zum zweiten ein Wort über die angebliche reaktionäre Einstellung des Kabinetts und meiner Person. Wir müssen die nun einmal in der Öffentlichkeit erfolgte Abstempelung als Reaktionäre mit Würde und einem gewissen Humor tragen, bis das deutsche Volk einmal erkennt, wie falsch diese Kennzeichnung gewesen ist. Wir wissen, daß man Vergangenes nicht wieder Herstellen kann, wie man Ruine» nach alten Plänen und Bildern wieder aukbaut Wir wollen einen organischen Fortschritt und keinen Rückschritt. Wir sind keine Vertreter einseitiger Standes- oder Berufsinteressen, sondern Reichsminister, deren Sorge und Liebe jedem einzelnen Volksgenossen gehört. Wir wissen, daß wir unser Volk nur erhalten können, wenn wir in warmer Liebe uns einsetzen für das richtig verstandene Wohl der breiten, arbeitnehmenden Massen. Wir müssen dabei in den Kauf nehmen, daß manche Maß nahme zunächst wenig volkstümlich sein und mißverstan den werden wird. Das kann uns nicht hindern, unsere Pflicht zu tun. Gleichmäßige Gerechtigkeit gegenüber allen politischen Strömungen, die sich bei ihrer Betätigung im Rahmen der Verfassung und der Gesetze halten, ist unsere vornehme Aufgabe. In diesem Sinne wird eine Neuordnung der Vorschriften über die Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit in den nächsten Tagen erfolgen, welche die Bestimmungen über Versammlungen und Aufzüge, die Presse und die mili tärähnlichen Organisationen unter Milderung des be stehenden Zustandes regelt. Das Kabinett geht dabei von der Absicht aus, den Wahlvorbereitungen der politischen Gruppen Freiheit zu lassen, damit in der auf den 31. Juli festgesetzten Wahl der Wille unseres Volkes unzweideutig zum Ausdruck kommen kann. Ich gebe dabei der bestimm ten Hoffnung Ausdruck, daß alle Kreise unseres Volkes sich der staatsbürgerlichen Pflicht bewußt sein werden, ihr Tun im Rahmen der Gesetze zu halten und Gewalttätigkeiten und Verunglimpfungen ihrer andersdenkenden Mitbürger zu unterlassen. Ich will aber als Innenminister keinen Zweifel darüber lassen, daß ich, wenn diese Erwartung sich nicht erfüllen sollte, die öffentliche Ruhe und Ordnung mit allen Macht mitteln des Staates zu schützen den Willen und die Nerven habe. Von den vielen Aufgaben, die sonst noch meiner harren, werde ich mich mit Unterstützung des ganzen Ka binetts mit besonderer Freude und Liebe der Pflege des Deutschtums innerhalb und außerhalb der Grenzen des Reiches annehmen, soweit die allgemeine Finanzlage mir das km Augenblick gestattet. Auch an die Erhaltung des wirt schaftlichen und kulturellen Lebens unserer schwer getroffe nen Grenzgebiete im Osten, Westen, Norden und Süden werde ich mit Eifer arbeiten, wie ich es bisher für meine engere Heimat getan habe, in dem Bewußtsein, daß die Erhaltung unserer Grenzgebiete eine Lebensnotwendig keit für die Nation ist, die nur erfüllt werden kann, wenn die Sache dieser Gebiete Sache des ganzen deutschen Volkes ist und bleibt. In diesem Zusammenhang ein kurzes Wort über die Sicdlungsfrage. Ich wäre nie in ein Kabinett eingetreten, von dem ich nicht die Überzeugung hätte, daß es sich dieser so wichtigen, nationalen und sozialen Aufgabe nicht mit dem not wendigen Eifer und der Großzügigkeit widmen will, wie das notwendig ist. Ich betone hier, daß eine gesunde, lebensfähige Stellen schaffende Siedlung eines der wich tigsten Glieder der Kette von Maßnahmen ist, die für den deutschen Osten getroffen werden müssen. Auch hier geht das Staatsinteresse allem anderen vor. Ich kann heute aus den Aufgaben meines Ressorts nur wenige Punkte herausgreifen. Eines aber möchte ich hier noch feststellen. Reich, Länder und Gemeinden sind angewiesen auf ein pflichttreues, gut ausgebildetes und in gesicherter Lebensstellung befindliches Berufs beamtentum. Wir setzen dabei voraus, daß das Beamtentum sich der hohen Aufgabe stets bewußt ist, Diener der Allgemeinheit zu sein. Wir sind aber bemüht, allen Beamtengraden und den Behördenangestellten die Lasten der Zeit nach Möglichkeit zu erleichtern, um sie in ihrer dem Allgemein- wohl so notwendigen Arbeitsfreudikeit zu erhalten. Wichtig und notwendig scheint mir aus dem Gebiete des gesamten kulturellen Lebens unseres Volkes, insbesondere auch im Rundfunk- und Lichtspielwesen, die Betonung und Pflege deutschen Gei st es und die Ausmerzu-rg aller undeutschen, fremden Einflüsse, die zeitweilig weite Kreise des deutschen Volkes befremdet haben. Der Wille zu einem eigenen deutschen Leben wachse heute ständig in unserem Volk. Aufgabe der Reichsregie gierung und in ihr des Innenministers ist es, diesem Willen gerecht zu werden und die machtvolle, nationale Bewegung der Gegenwart als eine Staut und Volk er haltende Kraft zu werden und zu benützen. Jede Mit arbeit, insbesondere der deutschen Jugend, ist uns dabei willkommen. Das neue Kabinett steht vor schwersten Aufgaben, die gelöst werden müssen, wenn unser Volt nicht untergehen soll. Wir haben uns in schwerster Stunde bereit erklärt, das Steuer in die Hand zu nehmen und unter Einsatz unserer besten Kraft zu führen. MMde MWex. Von Papens Bemühungen. Die Notwendigkeit, noch vor dem Beginn der großen Tributkonferenz in Lausanne die wichtigsten und drän gendsten Fragen der inneren Politik zu regeln, zwingt die neue Regierung zu einem fast überstürzten Arbeitstempo. Die Bemühungen des Kanzlers, durch seinen Brief an den Präsidenten des Preußischen Landtages auf eine baldige Bildung einer neuen Regierung in Preußen hinzuwirken, scheinen wenig Aussicht aus Erfolg zu haben. Die Nationalsozialisten zeigen bis jetzt geringe Neigung für einen früheren Zusammentritt des Landtages, und auch das Zentrum scheint kein Interesse an einer schnelleren Entwicklung in Preußen zu haben. Offenbar versprechen sich beide Parteien von einem früheren Zusammentritt des Landtages nicht allzuviel für die Regierungsbildung. Von beiden Seiten liegen zwar keine offenen Absagen vor, aber gerade aus dem Stillschweigen muß man schließen, daß aus dem Wunsche des Kanzlers Wohl nichts wird. Das Zentrum weist darauf hin, daß durch die preußische Notverordnung mit ihren Gehaltskürzungen für die Beamten der Haushalt ausgeglichen sei, und daß da mit eigentlich die augenblickliche wichtigste Aufgabe in Preußen gelöst sei. Mit anderen Worten: jetzt kann man sich schon einige Zeit lassen. Die Auseinandersetzungen zwischen Preußen und dem Reich, der Brief des Reichskanzlers an den Landtags präsidenten und in Verbindung damit die Gerüchte, daß das Reich mit dem Plan umgehe, direkt in Preußen ein zugreifen, hat in den übrigen Ländern, besonders in den süddeutschen Ländern ganz große Aufmerk samkeit erregt. Am nächsten Sonnabendnachmittag wird der neue Reichskanzler die Ministerpräsidenten der Länder bei sich sehen. Bei dieser Gelegenheit wird er mit ihnen besonders über ihre Sorge sprechen, daß die jetzige Regie rung Absichten hege, ihre Macht noch weiter als bisher auf die Länder auszudehnen. Gleichzeitig wird der Kanzler Gelegenheit haben, sich über die Stimmung in den ein zelnen Ländern, besonders in Süddeutschland, zu unter richten. über die großen finanzpolitischen Fragen, die in der nächsten Notverordnung gelöst werden sollen, ist noch keine Entscheidung gefallen. Das Kabinett berät immer noch. Seine Beschlüsse dürften ihm durch die preußische Notverordnung mit der starken Sonderbelastung für die preußischen Staats- und Gemeindebeamten nicht erleichtert worden sein. Man darf wohl annehmen, daß die Reichsregierung das äußerste versuchen wird, um eine neue Belastung zu vermeiden oder wenigstens so niedrig wie möglich zu halten. Um die AußenpoM derRegierung Papen. Sozialdemokraten fordern Einberufung des Auswärtige« Ausschusses. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Reichstags fraktion, Dr. Breitscheid, hat an den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Reichstags, Dr. Frick, ein Schreiben gerichtet, in dem er die Einberufung des Aus schusses fordert, damit die neue Regierung sich eingehender über ihre Außenpolitik äußern könne. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags besteht be kanntlich ebenso wie der Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung auch nach der Auflösung des Reichs tags weiter, bis der neue Reichstag neue Ausschüsse an ihre Stelle gesetzt hat. Die im Schreiben des Abg. Breitschekd ausgestellte Behauptung, die Regierung von Papen verfolge „ganz be stimmte außenpolitische Pläne, die zweifellos von denen der Regierung Brüning abwichen", wird von unterrichte ter Seite als unrichtig bezeichnet. Die Grundhal tung der Außenpolitik des Kabinetts von Papen decke sich zweifellos mit den vom früheren Kabinett Brüning verfolgten p o s i t i v e n Zielen. In parlamentarischen Kreisen bezweifelt man über dies, daß diesem Anträge Breitscheids Folge gegeben wer- den kann, da die Zeit bis zur Abreise der deutschen Ab- ordnung nach Lausanne außerordentlich knapp ist. Die Entscheidung hierüber hat der Vorsitzende des Auswärti gen Ausschusses, der Abgeordnete Frick. Oer Streit um den Kanzlerbrief veigelegt. Reichskanzler von Papen hat dem stellvertretenden Ministerpräsidenten des geschäftsführenden preußischen Kabinetts wegen des Kanzlerschreibens an den Land tagspräsidenten Kerrl in einem Brief erklärt, er foi bereit, d« preußischen Wunsch aemäß zu verfahre».