Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981008027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100802
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-08
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-AuSgabr erscheint «in '/,? Uhr. di« Abend-Auögabe Wochratag» um 5 Uhr. He-aciion und Expedition: Johannr-gasse 8. Di» Expedition ist Wochentag» ununterbroch«» geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Filialen: ktt« klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universität-straffe 3 (Paulinuar), Laut» Lösche, Katharinenftr. I«, Part, und KüniL-platz 7. VezugSPreiS K» dt» -imptexpeditton oder den im Stadt bezirk vnd -en Vororte» errichtet« Ao«- aabestrllrn abgeholt: vierteljährlich ^4.50, »ei zweimaliger täglicher Zustellnag in« Hans V^O. Durch dl» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^t 8.— Dincte tägliche Kreuzdandsrndung tu« «»«land: monatlich 7.50. Abend-Ausgabe. MpMcr TilgMlck Anzeiger. Äittlsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadl Leipzig. AnzeigeN'PreiS die 6 gespaltene Petitzeil« LV Pfg. Reclamrn unter dem Rrdactiontstrich (4 a«- spalten) SO/L, vor den Aamiliennachrichtea <6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer and Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbeförderunx SV.—, mit Posibefördernng 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgr n-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig, 512. Sonnabend den 8. October 1898. S2. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. October. Wenn eS, so meint der „Schwab. Merk", mit den einander widersprechenden Nachrichten über den vom Kaiser an gekündigten AcfetzeSentwnrf zum Schutze der Arbeitswilligen noch eine Weile so weiter geht, dann wird schließlich Niemand mehr glauben wollen, daß es überhaupt zu einem solchen gesetzgeberischen Vorgehen kommen werde. Wir tbeilen diese Befürchtung. Vor einem Monat hat der Kaiser gesagt, daß der Gesetzesentwurf, den er im Auge hatte, der Vollendung nahe sei. Jetzt soll man nach Mittheilungen, die sich als „zuverlässig" einführen, noch nicht einmal schlüssig darüber sein, auf welchem Boden, ob auf dem der Gewerbeordnung oder auf dem deS allgemeinen Strafrechts, die Action vor genommen werden soll; ja eS wird versichert» man babe darüber noch gar nicht in Verhandlungen eintreten können, weil die Antworten auf die bekannte Posadowsky'sche Rundfrage an die Bundesregierungen noch nicht sänimtlich eingegangen seien. Wenn es mit diesem letzteren Um stande, was wir nicht bezweifeln wollen, seine Richtigkeit hat, so liegt darin doch keineswegs ein Hinderniß für das Reichs amt deS Innern, den fraglichen Gesetzesentwurf auszuarbeiten; denn darüber ist dasselbe längst nicht mehr im Zweifel, daß die Mehrheit der Bundesregierungen daS Bedürsniß einer Vervollständigung der Repressivgesetzgebung gegen den StreikterrorismuS anerkennt. Man sollte meinen, die bis jetzt vorliegenden Antworten hätten dem Reichsaint des Innern genügen können, einstweilen an die Arbeit zu geben. Wollte dasselbe etwa warten, bis auch Neuß ä. L. seine Ansicht kundgegeben hätte, so könnte die ganze Sache leicht aü calölläL8 8raecL8 verschoben werden. Da die Posa dowsky'sche Rundfrage im December v. I. ergangen ist, so würde jedenfalls keine Unhöflichkeit darin liegen, wenn auf Diejenigen, die heute — 10 Monate später — mit ihrer Antwort noch irn Rückstände sind, weiter keine Rücksicht ge nommen würde. Ohnehin kommt ja jede Bundesregierung in den Berathungen des BundesratheS noch früh genug zur Geltendmachung ihrer Anschauung. Trotz der Bestimmtheit, mit der die obenerwähnte Mitlheilung auftritt, darf mau also annehmen, daß sie den Thatsachen nickt entspricht. WaS die Frage anlangt, ob man den Zweck durch eine Aenderung der Gewerbeordnung oder durch eine solche des Strafgesetzbuches zu erreichen suchen solle, so ist daS eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Daß, wie von einer Seite behauptet wird, der Weg einer Novelle zum Strafgesetzbuch gewählt werde, weil man auch den Schein einer ÄuSnahmegesetzgebung vermeiden wolle, dürste zu be zweifeln sein. Allerdings hat es der Socialdemokratie stets be- liebt, den tz 153 der Gewerbeordnung (die vielerwähnte Strafbestimmung gegen den Mißbrauch deS CoalitionsrechtS) mit dem Schlagwort „Ausnahmegesetz" zu brandmarken. Aber meint man, daß sie ihn ander- tituliren würde, wenn er, statt in der Gewerbeordnung, im allgemeinen Straf gesetzbuch stände? Was der Socialvemokratie an dem tz 153 nicht gefällt, ist, daß er sich speciell und allein gegeu den Mißbrauch deS CoalitionsrechtS richtet. Diese Specialisirung aber würde man, wenn man sicher sein wollte, die Mißstände, auf die man es abgesehen hat, wirklich zu treffen, doch auch im Strafgesetzbuch beibehalten müssen. Aber selbst wenn man sie durch eine verschwommene allgemeine Fassung ersetzen wollte, dem Vorwurf, daß man die Unter drückung der Arbeiterklasse bezwecke, würde man von Seiten derSocialdemokratie doch nicht entgehen, wohl aber könnte durck eine unbestimmte und dehnbare Gestaltung der Vorschriften die Annabme der Vorlage im Reichstag nur noch erschwert werden. Den Boden des tz 153 der Gewerbeordnung blos aus Sckeu vor den focialdemokratischen Vorwürfen wegen Ausnahmegesetzgebung zu verlassen, würde also gar keinen Zweck haben. Im Gegentheil, neue, nach den auf dem Gebiete des Streikunwesens gemachten Erfahrungen sormnlirte Paragraphen deS Strafgesetzbuchs würden weit eher dem Verdacht eines einseitigen Vorgehens gegen die Arbeiter unterliegen, als eine Vervollständigung des tz 153 der Gewerbe ordnung, der sich ja ebensosehr gegen den Mißbrauck deS CoalitionsrechtS durch die Arbeitgeber wie durch die Arbeiter richtet. Ob sich indeß für die Bevorzugung des allgemeinen Strafrechts rein sachliche Gründe von durchschlagendem Gewickt geltend machen lassen, mag dahingestellt bleiben. Die Hauptsache ist, daß dem unzweifelhaft vorhandenen Brdürfniß Rechnung getragen wird. Man stellt dies Be- dürfniß in Abrede mit dem Hinweis auf die zahlreichen Ver- urtheilungen wegen Streikvergeben, die schon jetzt erfolgen. Der „Vorwärts" veröffentlicht soeben seine monatliche Märtyrerliste. Danach haben wegen solcher Vergehen im September mindestens 35 Verurtheilungen stattgefunden. Aber gerade diese erhebliche Zahl beweist das Bedürsniß einer vollständigeren Gesetzgebung; denn es ist bekannt, daß ein großer Theil der specisiscken Streikvergehcn weder auf Grund des H 153 der G.-O., noch auf Grund des Straf gesetzbuchs gefaßt werden kann, wenn man nicht etwa zu der Bestimmung vom groben Unfug seine Zuflucht nehmen will. Andererseits ist auch nicht zu verkennen, daß eS Fälle von Streikterrorismus giebt, für deren Gcmeingefährlichkcit die bisherigen allgemeinen Bestimmungen deS Strafgesetzbuchs nicht ausreichen. Dieser Sachlage gegenüber wird alles Ab streiten des Bedürfnisses nutzlos fein. Einen „beispiellose» Gewaltakt", der eine directe Ver höhnung der einfachsten Nechtsbegrisse sei, batte bekanntlich die „Tägl. Rundsch." auf Grund einer Mittbeilung der „Straßb. Post" eine Verfügung des kaiserlichen Amtsgerichts i» Ztratzburg genannt, infolge deren ein protestantisches Kind deutscher Reichsangebörigkeit, das der von seiner Fran geschiedene Vater in Deutschland znr Erziehung nntcrgebracht hatte, ohne Vorwissen deS VaterS zunächst in ein katholisches Kloster verschickt und dann nach Frankreich ausgeliefert worden war. Wir batten zu diesem harten Urthcil über das Ver fahren des Straßburger Gerichtes bemerkt, es sei zwar be greiflich, daß der Vorgang in Straßburg peinliches Aufsehen errege, aber von einem „beispiellosen Gewaltacte" w. werde man nicht eher reden dürfen, bevor nicht feststehe, daß bei der Scheidung das Kind dem Vater zugesprochen worden war. Tie „Tägl. Rundsch." druckt heute diese unsere Be merkung ab und fügt hinzu: „Wir werden durch diese Bemerkung darauf aufmerksam, daß bei der Wiedergabe der Erzählung des Straßburger Blattes, die wir möglichst kürzen und zusammendrängen mußten, rin wichtiger Umstand bei uns nicht erwähnt worden ist. Die Scheidung der Ehe erfolgte, weil die Ehefrau ihren Mann böswillig verlassen und sich einem liederlichen Lebenswandel ergeben hatte. Aus der unmittelbar aus den Acten geschöpften Darstellung der „Straßb. Post" geht auch sonst hervor, daß die Verfügung über das Kind dem Vater zugesprochen war. Wenn darin irgend etwas zweifelhaft war und das Pariser Gericht nachträglich zu einer andern Ansicht kam, so war es um so nothwendigrr für das Straßburger Gericht, die Angelegenheit erst sorgfältig zu prüfen, nicht aber unmittelbar nachdem der Vater einen Antrag beim Gericht ein gereicht hatte, das Kind eiligst, ohne die Prüfung und Ent scheidung dieses ordnungsmäßig ringegangenen Antrags abzuwarten, auszuliefern, wobei noch ausdrücklich der Gerichtsvollzieher von der Wahrung der Sonntagsruhe entbunden wurde, damit nur ja dem Vater jede Möglichkeit benommen werde, vor Eintritt der vollendeten Thatsache Recht zu suchen." Es läge nahe, ein Wort darüber zu sagen, daß die „Tägl. Rundsch." bei ihrer Darstellung, an deren Schluffe sie zu einem so schroffen Urtheil gelangte, einen wichtigen, ja den wichtigsten Umstand nicht erwähnt hat. Wir verzichten aber darauf und begnügen uns mit der Bemerkung, daß wir auch aus der unverkürzten Darstellung der „Straßb. Post" die Gewißheit über das Recht des VaterS, das Kind der Mutter vorzuenthalten, nicht schöpfen und also vorläufig noch nicht einmal eine Voreiligkeit deS Straßburger Gerichtes für erwiesen halten können. Sehr befremdlich ist aber, daß von berufener Seite in Straßburg noch nicht der geringste Versuch gemacht worden ist, den Sachverhalt klar zu stellen. Sollte man auch dort der Ansicht sein, eine „öffentliche Meinung" gebe eS nicht und man habe daher auch keine Ursache, um ihre angebliche Stimme sich zu kümmern? Der amerikanische Botschafter in Berlin, Herr White, hat bekanntlich wiederholt behauptet, deutschfeindliche Ausfälle fänden sich nur in untergeordneten amerikanischen Blättern, und daran die Mahnung geknüpft, die deutsche Presse möge, was in diesen Blättern veröffentlicht werde, nicht als Ausdruck der öffentlichen Meinung in den Vereinigten Staaten ausfasien. Angesehene Zeitungen der Union machten die Hetze nickt mit. Gegen diese Behauptung spricht eine ganze Reihe von Bei spielen, aus denen hervorgebt, daß auch „angesehene" nord amerikanische Blätter fortgesetzt in Deutschfeiudlichkeit macken. Wir greifen eines heraus. Die „New Jork Times", gewiß ein angesehenes und in den Augen der Amerikaner auch als anständig geltendes Blatt, bringen aus dem im Staate Washington am Puget Sound gelegenen parisischen Hafen Tacoma einen Bericht über neuerliche Feindseligkeiten des deutschen Geschwaders. Die Nachricht stammt aus Manila, von wo sie am 30. August in Hongkong eintraf und ihren Weg unter Andern: in die japanischen Blätter fand. Es beißt in dem New Yorker Blatte wörtlich: „Vor weniger als einem Monat erfuhren wir aus Manila, daß ein deutscher Kreuzer Meldungen der Spanier zwischen den Inseln Cebu und Jligan (Visayasinseln zwischen Luzon und Mindanao) befördert hatte, und diese Meldungen hatten, soweit man in Erfahrung bringen konnte, Bezug aus die Bewegungen de? auf diesen Inseln stationirten spanischen Truppen ge habt. Größer noch war die Entrüstung, als die Philippiner erfuhren, das spanische Schiff „Rosario" habe die deutsche Flagge gesührt, während es spanische Truppen vonJligan nach Jlo- Jlo brachte. Ein Theil der Truppen war schon ausgejchifft, als es den Aufständischen gelang, die „Rosario" abzusangen. Man brachte sie nach einem der befestigten Puncte der Aufständischen nnd benach- richtigte den Admiral Dewey davon. Einige Tage später lief der deutsche Handelsdampfer „Clara" ein paar der von den Auf ständischen besetzten Häfen an, um Wasser und Lebensmittel an Bord zu nehmen. Jedesmal wurde ihm das abgeschlagen, und die Aufständischen zeigten sich so feindlich, daß Niemand wagte, ihren Wünschen entgegen zu handeln." Wie so vieles Andere, was amerikanische Blätter von den Philippinen gemeldet haben, trägt auch dieses Telegramm aus Tacoma vom 4. September den Stempel der Erfindung an der Stirn. Ganz vage wird da von einem deutschen Kreuzer gesprochen, während Jeder, der etwas von den deutschen Schiffen zu berichten hat, jetzt, wo überhaupt nur noch drei unserer Kriegsschiffe ,n den philippinischen Gewässern liegen, mit Leichtigkeit den Namen des angeblichen Uebelthäters in Erfahrung bringen kann. Die Behauptung, daß eines unserer Schiffe Adjutantendienste für die Spanier geleistet hätte, steht ebenfalls auf ganz schwachen Füßen, wie der schöne Zusatz erkennen läßt, „soweit man in Erfahrung bringen konnte" (L8 norrrl) as coulcl bs Lsoertuinl-ck). Auf eine Uebertreibung oder Erfindung mehr oder weniger kommt es diesen Nachrichtenfälschern und Hetzern in Manila und Hongkong und den Verbreitern dieser Nachrichten in Amerika gar nicht an. DaS Schlimme dabei ist nur, daß, wie der „Köln. Ztg." aus New Aork geschrieben wird, dortzulande Jeder solchen Meldungen unbedingt Glauben schenkt, wenn sie in einem „angesrhenen" Blatte zu finden sind. Der Fall Sieveking dürfte noch nicht vollständig erledigt sein, da der holländische Pianist sich Vorbehalten hat, gegen das Urtheil des Welser KreiSgerichtS Berufung einzulegen. Sieveking, der Protestant ist, hatte bekanntlich in Ischl mit dem katholischen Geistlichen Peer ein Rencontre auf offener Straße gehabt. Der Cooperator Peer, welcher mit dem Allerheiligsten, begleitet von dem das Glöckchen läutenden Meßner, auf einem sogen. Versehgange begriffen war (Gang zu einem Totkranken), glaubte sich und die durch ihn repräsen- tirte katholische Kirche durch Sieveking provocirt, als dieser vor dem Allerheiligsten nicht nur nicht den Hut abnahm, sondern vor sich bin, oder, wie Sieveking angab, seinem Hunde pfiff. Der Geistliche trat daher auf ihn zu und sagte nach seiner eigenen Behauptung ruhig und höflich, Sieveking möge den Hut abnebmen, wiederholte seine Aufforderung und sagte: „Ich müßte Sie ver klagen, mögen Sie Jude, oder Protestant, ober Atheist oder sonst was sein, ich bitte Sie, sich anständig zu benehmen." Darauf erwiderte Sieveking, wieder nach der Darstellung deS CooperatvrS: „Ick habe mit Ihnen nichts zu schaffen, Sie Lump", Sieveking dagegen behauptet, der Priester habe direct gesagt: „Sie sind »in unanständiger Mensch, ich lasse Sie einsperren", worauf er entgegnet habe: „Sind Sie ein Pfarrer oder ein Lump?" Das Kreisgerichl hat Sieveking bekanntlich nicht wegen Verhöhnung des Aller heiligsten verurtheilt, weil festgestellt war, daß der protestantische Holländer nicht gewußt batte, um was es sich bei dem Gange des Priesters handelte; die Strafe von drei Tagen einfachen Arrests wurde vielmehr erkannt, weil Sieveking den Ischeler Cooperator in Ausübung seines Dienstes durch den Ausdruck „Lump", auch wenn derselbe in Frageform gefallen ist, beleidigt habe. Man darf dieses Urtheil wenigstens insofern mit einiger Genugthuung begrüßen, als die österreichischen Richter konfessionell nicht befangen und liberaler, d. h. in diesem Falle gerechter gedacht haben, als der katholische Priester und die seine Handlungsweise ver- ! theidigende ultramontane Presse. Allem man kann seine Verwunderung darüber nicht zurückhalten, daß der Gerichtshof als strasmildernden oder strafausschließenden Grund nicht den ' Umstand festgestellt hat, daß der Cooperator Peer es war, Feuilletsn. Die kleine Lulu. 6) Seeroman von Clark Russell. Nachdruck v<rk«t«n. Viertes Capttel. Wir gingen um sieben Glasen (halb acht) zum Frühstück. Diese Mahlzeit bestand aus frischem, am Lande gebackenem Brod (heute nämlich) und Thee, einem sonderbar aussehenden Ge tränk, welches freigebig mit hellgelben Stengeln verdickt war. Einige unter uns, welche Süßigkeiten liebten, strichen Syrup auf ihr Brod, Andere zogen Schweinefett vor, was vielleicht rin ge eigneter Ersatz für Butter ist. Es fiel mir auf, daß sich keiner meiner Maats irgend etwas mitgebracht hatte, ich meine: irgend welche billige Zuthaten zu dem harten Znneback und zähen Salzfleisch, welches fortab unsere tägliche Mahlzeit bilden sollte. Man hätte vermuthen dürfen, daß die Kist« eines Jeden doch wenigstens etwas enthalten würde, was aus dem Laden des Kaufmannes oder Eßwaaren-Händlers entnommen worden war. Davon war aber nichts zu sehen. Es ist sonderbar, aber wahr, der Matrose vergeudet lieber an einem einzigen Abend den Verdienst einer zwölfmonatigen Reise, als daß er sich für eine lange Fahrt auch nur eine einzige kleine Annehmlichkeit verschafft. „Laßt uns heut' Abend glücklich sein, WaS kümmert uns daS Morgen?" Das ist der Wahlspruch dieser leichtlebigen Menschen. Will der freundliche Leser an die Luke treten- und einen Blick zu uns hinunterwerfen? Ich sitze aus einer oberen Pritsche, mit dem Kopf gegen die Decke unserer Behausung stoßend, die Beine herunterbaumelnd, mein Töpfchen Thee auf meiner Matratze, eine Zinnschüssel zwischen den Knieen und mein Einschlagmesser in der Hand. Der Raum ist reich an hervorstechenden Einzelheiten, er ist nichts anderes als eine hölzerne Höhle, welche augenblicklich widrrhallk von den Stimmen ihrer Bewohner und dem lauten Rauschen der am Bug sich brechenden Wogen. Je zwei Lager stätten sind übereinander gebaut; sie reihen sich in doppelter Linie auf jeder Seite des DordrrcastellS. Einig« Leute verzeh ren ihr Frühstück, gleich mir, auf ihren Pritschen sitzend. Andere benutzen die befestigten Kisten al» Tische. Einige, welche schnell gefrühstückt hckbrn, um lange rauchen zu können, blasen dicke Wolken in die Luft, welche, mit dem Dampf des Thees vermischt, bald eine Atmosphäre bilden, ähnlich einem Londoner Nebel. Das ist das erste Bild; es folgt das zweite! Aus Rücksicht für die Ohren des Beschauers gebe ich dasselbe mit Weglassung aller groben Flüche. Allerdings büßt die Zeich nung dadurch ihre wahre Färbung «in, denn Saft und Kraft gehen verloren, wie bei einem Lustspiel des Franzosen, dem man die pikante Würze streicht. Schade drum, doch immerhin, hier ist das Bruchstück einer Unterhaltung, wie sie der Vorderdeck-Matrose führt: „Maat, schaff' mi mal dien rntfamtigen Schrubberbesen ut dat Licht. Wo fall de Minsch woll seihn, ob hei nich Würm in sien Essig hett, wenn Du in de Sünn rümmer trampelst", so schnauzte der mürrische alte Liverpool-Sam, welcher an der Spitze der Steuerbord-Wache stand, einen Mann an, der zu fällig seinen Kopf zu weit in das Tageslicht vorgestreckt hatte, welches durch die Luke schien. „Billy", ruft ein auf einer Eckpritsche liegender Mann, „hest Du seihn, wo dat Blitzmäten gistern abend danzt hett? Da fall mi ein'n noch von Hornpips snaken." „Hest Du Däskopp dat noch ni« seihn? Wat was denn da wider grots dorbi?" entgegnete der Angeredete. „Wat da wider dorbi was? Na, mi dllcht, dat Mäten dreiht' sik jo up sien Teehn, as wullt' sei en Tau ut sien Bein'n dreihn; dat was doch feier srhr schön!" „Mi het dat pläsirliche Lid von dat Kängeruh vel beter fallen", meinte Billy, sein Brod kauend, „un wo de Kierl dorbi rümhoppt«, grad as so'n Diert, dit mit sien Swanz dauht. Dat was wat för mi. D« Buk hett mi orndlich wackelt vör Lachen. En por von dese Kierls künnt' ok würklich gaud naug singen, äwer Werth siind sei deshalb doch nix; sik as Mannslüd tau so'ne Fickfackerien her tau gewen, na, dat künnt mi grad passen. Wat mügen sei blot den ganzen Dag äwer maken? sei warben woll in Bedd liggen." „Jimmy, sei en gauden Kierl un lat mi mal en Tug ut dien Pip dauhn", bittet der kleine Welchy. Und Billy nimmt gefällig seine geschwärzt« Pfeife aus dem Mund, trocknet hübsch anständig die Spitze auf seinem Aermel ab und reicht sie dem Maat. „Jk will dreimal distellirt Warden, wenn ik dacht hadd, dat dese Brigg so'ne Geswindigkeit hett", bemerkte Einer. „Hürt blot, wo sei sümmt." „Billy", ruft wieder der Mann von der Eckpritsch«, „weitst Du, aS ik gistern fach, wo de Diern sik so dreihte as en Küsel, da schot's mi dörch den Kopp, ik künn am En'n dese Fixfaxerren ok, wenn ik blot de richt'grn Schauh dortau hädd, un mi dran versäukte; wat würd ik denn för'n Sack Geld Verde: nen bi dat Thiater!" »Je ja, je ja, Du würd'st en smucken Kierl in so'n Kcmedi- Uptog afgahn, dat würd'st Du", brummt der alte Liverpool- Sam, „un de Llld würd'n woll nich uphören tau appeldiren, wenn Du mit dien Elefantenknaken as 'ne Kreih vor sei rum- hüpptest." Da Liverpool-Sam ein alter Seebär und von der Mann schaft gefürchtet ist, erhält er keine Antwort. „Dat wunnerborst« Danzen, wat ick seihn hew, fach ik von >en jung Kierl, hei näumte stk Alf, an Burd 'ner schottschen Bark", bemerkte jetzt ein Mann mit sandfarbenem Haar, ge nannt Suds, was, wie ich glaube, sein wirklicher Name war. „De jung Alf!" unterbricht hier ein Mann, der bisher nur zugehört hatte, „ja, de kenn ik, en snurrigen lütt Kierl mit en grote Warz up de Näs'. Hei hadd sien lütt Finger verlorn, un wegen dat Brannwiensupen müßt hei Lmmer sien' Schippt Wesseln, un wenn de Burs benebelt was, un nich an Burd sinnen künnt, denn lög hei umher un schrieg und hulte, sien Schipp wier stahlen." „De Mann kannst Du Di insalten, dat is nich mien, mien was nich lütt, äwer ik will mi sülwst dat Genick Lmdrei«, wenn sien Fäutspitzen nich so liecht wirn, dat hei en slapenden Min- schen up de Bost tredden künn, ahn em tau wecken. So was de Mann, up mien Seel', un nau will ik Jug wat von de verteilen. Also, da was't enmal, da drapen wi en Wallfisch. Wi un de Walisisch, wi drieben längssid von ennanner, un mi dücht jo woll, dat oll Diert was fest inslapen. Wat dauht mien Alf? Hei nümmt sik en Lien, löpt dormit in dat Takelwark un makt de Lien an de Fock-Raa-Nocke fest. Denn kllmmt hei wedder dal, trödd up de Schanzkleidung un swingt sik räwer up den Puckel von dat Biest. Denn raupt hei den Hochbootsmannsmaat tau, hei füll mit de Digelin upspelen. De Hochbootsmannsmaat deiht dat ja ok un nau güng't los: Alf, mit de Lien in de Hand, dormit hei nich ersupen künn, wenn dat Diert upwaken un fort- maken füllt, hoppt un springt mit Teehn un Hacken up den Fisch rümmer, as up en Danzbodden. De ganze Schippscumpanei, Capt«ihn un Maats un Passagiers, all' seihn tau, un schliddern sik vör Lachen. Da up enmal nümmt so en verdammte Portu- gies', de tau de Mannschaft hürte, en Schauerstein, un smit dvr- mit nah den Wallfisch. Nanu hädd Ji äwer wat seihn künn: de ganze See umher was nix as Schum, so slllg dat Diert mit sien Swanz, Maats, ik segg Jug, «n Swanz, so lang as uns' ganz Vorderdeck. Un de Alf, wat meint Ji, dat bei ded? De nahm ganz gemüdlich dat Seil twischen sien Bein', treckte sik voran rup bet tau de Raa, kümmt denn runner, un makt de Schippers un de Passagiers en nützlich Cumpelment. Wat!? So wat hett doch noch teins von Jug seihn?" Ein schallendes Gelächter beantwortet« die Frage des Er zählers und Billy schrie: „Du olles Lägenmul, unncrsteihst Di, uns so'n Garn uptau- binnen?" „So wahr, as ik lew', nie het's en wahrer Garn gewen", betheuerte Suds, und schwor einen Eid nach dem anderen für die Wahrheit seiner Geschichte. „Na, da möt de Kierl woll en Vedder von de wunnerlich ollen Veilgen west sien, de drei Däg in de Buk von en Wallfisch fett hett", sagte der kleine Welchy. „Wer was dat?" fragte Suds eifrig, um die Wahrheit seiner Geschichte durch eine ähnliche bestätigen zu hören. „Moses was't nich — äwer «n anner Jud was't — dat is ganz seker", antwortete der Welchy. „Jung Alf äwer was kein Jud'", schrie Suds, „hei was ut Limerick!" „Ji Schaapsköpp!" ruft La ärgerlich einer der Maaten, welcher zwar selbst nicht genug Gelehrsamkeit besitzt, um den Beiden auf die Spur helfen zu können, aber von einer Ahnung beschlichen ist, daß sie Unsinn schwatzen. „Hürt up, mit Jug verflüchtigen Dummheiten oder ik smit Jug von de Pritsch runner." „Dat probbir mal, Du Grotmul", schrie Suds, „Hal Di dor tau äwer irst all Mann tausamen." „Wat seggst Du?" brüllt der Andere, „ik will Di wiesen, wat ik datau Annere brul", — springt auf und packt Suds bei den Füßen. Nun folgt ein Kampf; der alte Sam geht fluchens aus dem Wege. Nach wenigen Minuten fliegt Suds sammt seiner Matratze, Theetopf und Tabakpfeife auf den Boden.. Schnell springt er auf, haut zu, der Andere auch; sie packen sich, ringen und werfen sich das Bettzeug zum Gaudium der Anderen an die Köpfe, welche, ungestört auf ihren Pritschen liegend, dem Schauspiel zusehen und unter brüllendem Gelächter die Kämpfenden ermuntern. Jetzt schlug's acht Glasen, da nahm der Lärm ein Eno«; es war Zeit zur Ablösung der Wache, wir mußten nun auf Deck. Solche Auftritte sind häufig, aber selten ernst gemeint; sie sind so schnell vergessen, wie sie kamen. — Als wir auf Deck kamen, sahen wir die englische Küste wie einen blaßblauen Nebel am Horizont liegen. Die Brigg lies bei der steifen Brise mit vollen Seg«ln und steuerte nach SUdwest. Ich war an der Reihe für vas Ruder und ging nach hinten, um den dort seit sech» Uhr befindlichen Mann ab-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite