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und Waldenburger Anzeiger —— Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. — Der Abonnementspreis beträqt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tag- nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. , Annahme von Inseraten für dw nächst scheinende Nummer bis Mittags 12 uyr des vorhergehenden Tages. Dienstag, den 31. Mai 1881 123 schluß veranlagten Bauten rc. betrifft, so wird das Reich die Hälfte derselben bis zum Maximal betrage von 40 Millionen Mark übernehmen. Die Modalitäten der Ausführung bleiben indeß Ham burgs eigenem Ermessen überlasten. Außerdem fällt Hamburg der Gesammtertrag des Nachsteuer zu. der Nation geschehen. Was Frankreich will, ist Das, was auch die Republikaner wollen — die Ordnung, den Frieden in der Freiheit und in dem Fortschritt, um die Entwickelung des französischen Geistes zu sichern." (Enthusiastischer Beifall unter Hochs auf Gambetta, auf die Republik, auf Frankreich, auf die Armee.) In der Rede, welche Gambetta am 28. d. abends auf dem Banket hielt, protestiere derselbe zunächst gegen die Versuche, welche man macht, um zwischen ihm und dem Präsidenten Grevy einen Antagonismus herzustellen. Gambetta hob rühmend die trefflichen persönlichen Eigenschaften des Präsidenten hervor. Hierauf zu der Revisionsfrage der Verfassung übergehend, äußerte er, daß die Verfassung allerdings nicht als abgeschlossen gelten könne, sondern einer Umgestaltung bedürfe. Hierzu aber wäre der geeignete Zeitpunkt noch nicht gekom men, zur Zeit würde man bei einem solchen Ver suche leicht in die Lage kommen, die Republik zu gefährden. Der französische Senat wählt am 30. d. die Com mission für die Prüfung des Listenscrutiniums. Im Hinblick auf die neuerdings vom Senat in dieser Frage eingenommene Haltung wird das Re sultat dieser Commissionswahl hochwichtig sein. Die Gambettisten beginnen Vermittelungen zu fürchten. Der tunesische Feldzug darf als beendet angesehen werden. Die Krumirs sind bis zum Ende unsichtbar geblieben; die Krumirs und die anderen feindlichen Stämme haben sich zerstreut und verzichten auf den Kampf. Gambetta hat am 29. d. Cahors wieder ver lassen. "Waldenburg, 30. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Beim Reichskanzler hat am Sonnabend ein Diner stattgefunden, zu welchem sämmtliche Mini ster mit ihren Gemahlinnen Einladungen erhalten hatten. Auch der Kaiser nahm an dem Diner Theil. Die wirthschaftliche Vereinigung der Schutz zöllner, welche im Reichstage die Mehrheit bilden, beschloß den Antrag Sachsens: Erhöhung des Zolls für unbedruckte Zeuge und Wollwaaren, an zunehmen. (Behufs Beseitigung des Nothstandes in Glauchau-Meerane.) Ebenso wurde die Erhöhung des Zolls auf Mehl mit 3 Mark bewilligt. Nach der amtlichen Feststellung erhielt bei der Reichstagswahl in Kassel der Reichstagscandidat Schläger 4044, Liebermann 3098 und Malsburg 2451 Stimmen. Es findet somit eine engere Wahl zwischen Schläger und Liebermann statt. Oesterreich. Der Handelsvertrag mit Deutschland wurde am 29. d. vom volkswirthschaftlichen Ausschuß des Abgeordnetenhauses unverändert genehmigt. Frankreich. Gambetta hat in Cahors gesprochen. Bei der Einweihung des Denkmals für die im Jahre 1870 gefallenen Mobilen des Departements Lot sagte er: Man müsse vor allen Dingen die im Un glück und bei einer Niederlage Gefallenen ehren, die ohne Hoffnung ihr Blut dahin gegeben hätten. Man müsse diesen Denkstein aber auch zu einem Beispiel werden lassen für künftige Generationen, aber „beruhigen Sie sich, nicht ein Beispiel, noch eine Lehre in der Angriffs-, Abenteuer- oder Er oberungspolitik. Nein! Nein! Wenn dieses Denk mal mit unwiderstehlicher Gewalt etwas sagen will, so sagt es, daß diese Todten fielen, weil die Nation in unheilvoller Stunde sich voll und ganz in die Hände eines einzigen Mannes gab." (Lebhafter Beifall.) Alles erhält seinen Lohn in der Gesell schaft und in der Geschichte. Wir haben heute zwei Bürgschaften dafür, daß der Degen Frankreichs in der Hand eines Abenteurers nicht werden kann zu einem Werkzeug der Unterdrückung nach Innen, noch auch zu einem Werkzeug eines illegitimen An griffs nach Außen. Die erste Bürgschaft ist der obligatorische Militärdienst; die zweite ist, daß in Frankreich künftig Nichts, was Frieden oder Krieg betrifft, beschlossen werden kann außer durch den Willen des Volkes (Beifall). Seien Sie überzeugt, daß, wenn die Armee die erste Sorge Frankreichs ist, dies nur der Fall ist, weil die Armee Frankreich selbst ist in seiner Jugend und in seiner Zukunft. Frankreich ist aber entschlossen, seine Würde in Frieden zu behaupten; denn der Friede ist es, den es bedarf. Glauben Sie Denen nicht, welche sagen werden, daß eine große, für die Ehre leidenschaftlich eingenommene Armee eine Gefahr für den Frieden sei Lange und dauerhafte Friedenszeilen beruhen auf der Macht der nationalen Organisation. Seien Sie darum dieses Friedens gewiß, welche Gerüchte man auch Ihnen zu Ohren bringen mag. Weil Sie die Herren sind, kann nichts ohne den Willen "Waldenburg, 30. Mai 1881. Zum Hamburger Zollanschluß- Zu gleicher Zeit, wo die Fortschrittler am Mitt woch im Reichstage ihre größten Triumphe zu er^ zielen hofften, indem sie sich Eingriffe " die Rechte des Bundesralhes gestatteten und damit nur das noch nie dagewesene Schauspiel herbeiführten, daß der Bundesratb in seiner Gesammtheit den Reichstagssaal verließ, wurde in einer geheimen Sitzung des Ham burger Senats mit acht gegen zwei Stimmen der Präliminarvertrag wegen des Zollanschlusses ange nommen, worauf das Actenstück auch in Berlin von Reichs wegen unterzeichnet wurde. Am Freitag wurden nun auch in der Sitzung der Bürgerschaft in Hamburg vom Hamburger Senate Mittheilungen über die Zollanschluß-Angelegenheit gemacht. Aus denselben ist hervorzuheben, daß ein für die Zwecke des Großhandels und der Exportindustrie bestimmter Freihafenbezirk Hamburg dauernd ver bleibt, und daß dieser Freihafenbezirk unter den Schutz des Art. 34 der Reichsverfassung gestellt wird. Der Freihasenbezirk umfaßt die Norderelbe bei Hamburg, den Hafen, die Kaianlagen, einen von Himburg noch näher zu bestimmenden Theil 7" ,chen den Kaianlagen und dem vom Binnen hafen nach dem Oberhafen sich erstreckenden Fleeth- zug belegenen Straßen und Häusercomplexe, sowie der der Stadt gegenüber belegemn Elbinseln. Inner halb dieses lediglich von außen zollamtlich zu be wachenden Bezirks ist die Bewegung der Schiffe und Waaren von jeder Zollconlrole befreit und unum schränkte Anlegung von industriellen Großbetrieben gestattet. Auch den im künftigen Zollgebiete be legenen Exportindustrien sind die für den Fortbe trieb erforderlichen Erleichterungen in Aussicht ge stellt. Namentlich soll den für den Export arbeiten den Sprit- und Hefenfabriken der Fortbetrieb zu nächst auf 12 Jahre noch erfolgtem Abschluß er möglicht werden. Der zweite gleich wichtige Punkt betrifft die Hand habung der Zollverwaltung. Dieselbe wird mit dem Eintritt des Zollanschlusses, welcher auf einen Zeitpunkt nach dem 1. Oclober 1888 festgestellt worden ist, auf Hamburg übergehen, mithin unter der ober» Leitung des Senats ausschließlich durch hamburgische Behörden und Beamte geführt werden. Die Zollstelle an der Elbgrenze bei Hamburg tritt unter hamburgische, diejenige an der Elbgrenze bei Kuxhafen unter preußische Zollverwaltung. Eine vertragsmäßige Zusicherung der Benutzung von Zollflagge und Leuchte für die von und nach Ham burg fahrenden Seeschiffe ist bei der für den Bun- desrath ausschließlich in Anspruch genommenen Competenz zur Regelung derartiger Fragen nicht ertheilt, jedoch unter gleichzeitiger Bezugnahme auf die Thatsache, daß die Frage durch Bundesrathsbe- schluß, und zwar ganz im Sinne der hamburgischen Wünsche bereits geregelt sei. In Bezug auf die Revision und Abänderung der Zollregulative und der Vorschriften für Zollabfertigung sind nicht nur weitgehende allgemeine Zusicherungen gemacht, sondern die Vertreter des Reichskanzlers haben hinsichtlich der für Hamburg wichtigsten, von den hamburgischen Commiffaren im Einzelnen bezeichneten Punkte noch besonders erklärt, daß die Neichsregierung gegen die als erforderlich bezeichne ten Erleichterungen und Ausnahmen prinzipielle Bedenken nicht zu erheben habe und daß der Reichskanzler im Allgemeinen keinen Anstand nehmen werde, die Berücksichtigung derselben beim Bundes- rathe zu befürworten. Was endlich die Kosten der durch den Zollan England. In Mitchelstown (Irland) fand gelegentlich dreier, mit Hilfe von 250 Polizisten und einer Dragoner- abtheilung vorgenommener Exmissionen ein ernster Zusammenstoß zwischen der Bevölkerung und der Truppenmacht, sowie der Polizei statt. Die Volks menge wuchs bis auf 12,000 Personen, welche die Polizei mit Steinwürfen angriffen. Es wurden mehrere verwundet. Die Polizei und die Kavalerie trieben die Menge durch wiederholte Angriffe zurück. Das Gesetz gegen die Zusammenrottungen wurde zwei Mal verlesen. Von weiteren Exmissionen wurde abgesehen. Italien. Depretis hat dem König von Italien am 28. d. die Ernennungsdecrete für die Minister un terbreitet und haben dieselben am 29. d. den Eid geleistet. Das neue Cabinet ist nunmehr wie folgt zusammengesetzt: Depretis Präsidium und Inneres, Mancini Auswärtiges, Zanardelli Justiz, Magliani Finanzen, Baccarini Arbeiten, Baccelli Unterricht, Berti Ackerbau, Ferrero Krieg, Acton Marine. Die Deputirtenkammer ist auf kommenden Donnerstag einberufen worden. Rußland. Aus Petersburg wird geschrieben, daß den Vor ständen der Semstwos der Stadt- und Dorfgemein den, sogar den Adelsmarschällen, nihilistische Proklamationen per Post zugesendet werden. Die letzten Zusendungen enthalten die Antwort des Nihilistencongresses an den Czar auf das Mani fest und ein satirisches Gedicht: „An das träge Rußland". Viele Kaufleute des Auslandes entäußern sich des Portefeuilles an russischen Wechseln, da sie infolge der Judencrawalle zahlreiche Insolvenzen mit Recht befürchten. Gegen Kaufleute, welche mit Süd rußland in Geschäftsbeziehungen stehen, sind in den letzten Tagen zahlreiche Wechsel protestirt worden.