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72. Jahrgang. ^282 Sonntag» 17. Juni 1828 Gegründet 18SK D»a»««>schNftr »«»richte» »re«»e» Fernsprecher-Sammelnummer: 2V 241 Rur sür Rachtgesprrche: 20 011 vom >6. bt« »o.Juni 1VL8 bet tLgltch «wetmaltger Zustellung srei Hau» I.7Ü Mark. <)"gUUS-WLl1Ul)r Postbe»ug«pretb sür Monat Juni S.eo Marl ohne Bost,ustelluna«gebühr. Niuzelnummer 1» Pfennig. «uheryalb Lregde«» r« Pfennig. Die Nnzeigen werden nach Goldmarl berechnet: die einspaltige so mm breite Zelle d» Big., siir auswärts so Psg. gamilienan,eigen und Stellengesuche ohne Rabatt /lllALlgLIl'^ottzlsL. iS Psg., ausierhaib LS Psg., die »0 mm breite Rcklamezeile L00 Big., außerhalb LL0 Psg. Ossertengebühr »0 Psg. Auswärtige Austräge gegen Vorausbezahlung. Schrislleltung und Hauptgeschäsisstelle: «arienstraße SS/42 Druck und Beklag von riepsch ch Reicharbt in Dresden Postscheck-Konto lass Dresden Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe <,Dresdner Nachr.'i zulässig. — Uuvcrlangte Schriststücke werden nicht ausbewahrt. Müller-Franken formuliert sein Programm Auch Gegensätze in den sachlichen Fragen. Das Preuben-Problem zunächst ausgeschattet. iDrahtmeldung unserer Berliner Schristlettung.i Berlin, 16. Juni. Hente vormittag «m 11 Uhr hat im Reichstag eine Besprechung des Abg. Müller- Franke« mit den Vertreter» der für eine Grobe Koalition in Betracht kommenden Parteien begonnen. Die Frage der Negiernngsveränderung in Preußen wurde völlig aus geschaltet und nur das Programm von Müller-Franken ent wickelt. das er als Reichskanzler vertreten will. Er gab den Vertretern der Parteien einen Ueberblick über die Wirt schaftspolitik. die die Sozialdemokratie führen will. Hierbei ergaben sich, wie man hört, bereits gewisse Widerstünde von seiten der bürgerlichen Parteien, über die man sedoch hinwcgzukommen hofft. Sodann drehte sich die Besprechung auch um kulturpolitische nnd sozial politische Fragen, neben denen von der Volkspartei auch gewisse Reichswehrsragen aufgeworfen worden sind. In diese« Fragen ist es in der Volkspartci besonders der Abg. Brüninghans. der sich stark dafür einseßt, dab die Sozialdemokratie, nachdem sie anf den Staatssekretür- postc« heim Reichswehrministerium zwar verzichtet hat, nun nicht et«« anf Umwege« versuche, ihre berüchtigten „Ent- politisierungstendenzcn" bei der Reichswehr dnrchzudrücken. Sehr fraglich wird ferner sein, ob für die DVP. die Wünsche -er Soziai-emokralen annehmbar sind. So die bedingungslose Ratifizierung des Washingtoner Abkommens über den Achtstundentag; eine Vereinheitlichung des Arbeitsrcchts mit starker Tendenz nach den sozialistischen Prinzipien hin: Zusammenlegung der Angestelltenversicherung, der Invalidenversiche rung und der Knappschaftskassen; in der Steuerpolitik eine erhebliche Verschärfung der Bcrmögenszuwachsstcuer, eine Erhöhung der Grenze des steuerfreien Einkommens nnd ein Pensionskürzungsgescst. Dazu kommen die Schwierigkeiten in der Reichswchrfrage. — An den Verhandlungen waren nicht nur die Fraktionssührer, sondern auch die Sachreferenten der Fraktionen für Sozialpolitik. Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und andere Fragen beteiligt. Vertreten waren die Sozialdemokratie dag Zentrum, die Dentsche Volkspartei, die Demokraten und die Bayrische Volkspartci. Den Fraktionsvertretern wurden die von der Wirtschaftspartei schriftlich überreichten Forderungen vorgelegt. Sie behandeln in der Hauptsache Milderung der Wohnungszwangswirtschaft nnd Differenzie rung der ArbcitSzcitvorschristen zwischen Industrie, Hand werk und Kleingewerbe. Was diePreutzenfrage angeht, so scheint man einen gewissen Ausweg setzt in der Richtung zu fuchen, dab in reußen die volksparteiliche Fraktion an die arteiendcrWeimarerKoalitionherantretcn und Verhandlungen mit ihnen über ihre Beteiligung an der Regierung einleiten soll. Die prenbische Frage wird also zunächst einmal bei den Verhandlungen zur Regierungs bildung etwas in den Hintergrund treten. Dab noch kein allzu großer Anlatz. die Dinge jetzt zu versichtlicher zu betrachten, vorliegt, ergibt sich heute wieder aus dem Bericht des „Vorwärts" zur Lage. Er stellt mit Betonung fest, daß die Sozialdemokratie an ihrer Aus» fassnng fcsthalte. wonach das Reich und die Parteien des Reichstages sich in die inneren Angelegenheiten Preußens nicht cinznmischcn hätten. Er erklärt dann noch, daß der Genosse Müller die heutige Verhandlung deshalb anbcraumt habe, da er den größten Wert daraus lege, die Verhand lungen nicht völlig versumpfen z« lassen und sie trotz der Schwierigkeiten, die ans dem preußischen Problem entstanden sind, weiter zu treiben. Ob die neue Art der BerhanblnngStechnik besonders fruchtbringend ist, scheint fraglich, da offenbar alle Parteien wenig bet der Sache sind, zumal sie nicht wissen, ob die von ihnen gewünschte Regierung überhaupt zustande kommen kann. Auch der sozialdemokratische Antrag zur Ab schaffung der Todesstrafe und die wirtschaftlichen Forderungen der S. P. D. sind sehr wenig geeignet, die Resonanz und die Möglichkeit einer Großen Koalition zu fördern. Braun warlel ab. Berlin, 16. Juni. In maßgebenden Kreisen der preußischen Regierung weist man darauf hin, daß die Volkspartei keinen Grund zu Zweifeln an der Erklärung des Ministerpräsidenten Braun habe, daß auch für Preußen die Große Koalition als die jetzt gegebene Regierungssorm zu betrachten sei. Ueber das sachliche Programm ließ sich eine Einigung leicht herbei- führcn, da die Volkspartci ja schon einmal das Ncgierungs- programm Brauns mitgcmacht habe. — Zunächst muß abgc- wartet werden, welchen Vorsitzenden sich die Landtagsfraktion der D. B. wählen wird. Es wird erwartet, daß dann Be sprechungen zwischen Zentrum und D. V. über kulturelle Fragen stattsindcn werden und daß im übrigen die inter fraktionellen Besprechungen in den ersten Tagen des Juli be ginnen. Der Ausdruck „zu gegebener Zeit" solle für die Er weiterung der preußischen Negicrungsbasis den Frühhcrbst bedeuten. Das Eis bei Spitzbergen bnchk auf. Große Gesahr siir Nobile. Oslo. 16. Juni. Wie aus Kingsbay gemeldet wird, bricht das Eis im Nordosten Spitzbergens anf. Nobiles letzter Funkspruch erklärt, daß er und seine Be gleiter fürchten müßten, durch das Aufgehen des Eises voll kommen vom Lande abgeschnitten zu werden. Seine Gruppe werbe durch den Sturm immer weiter nach Osten getrieben. Oslo, 16. Juni. Der Arktis-Forscher Gunnar Jsachsen äußerte sich in einem Interview über die gegenwärtige Lage -er „Jtalia"-Mannschaft folgendermaßen: Die Gruppe, die sich unterwegs nach dem Lande befindet, ist in einer besseren Lage, denn die Hilfsexpeditionen können sie erreichen. Die Gruppe Nobile befindet sich auf Packeis, das gerade nach südwestlicher Richtung treibt. Die dritte Gruppe landete wahrscheinlich so weit im Osten, baß sie durch das schwimmende EiS in südlicher Richtung zum offenem Meere getrieben wird. Die Kälte ist augenblicklich nicht störend, denn die Temperatur beträgt nur ein Grad unter Null während der Nacht. Rom. 16. Juni. Die „Citta di Milano" meldet, daß die „Hobby " und die „ Braganza ", die gemeinschaftlich mit Nordvstwind, der die Eisschollen ein wenig auseinander treibt, dahinsahren, sich in der Nähe vom Nordkap befinden. Die norwegischen Flngzengc versuchten von der Hobby aus einen Flug, wurden aber durch den dichten Nebel zur Rückkehr ge zwungen. In Kingsbay herrscht sehr schönes Wetter. — Das italienische, von Major Maddalcna gesteuerte Flugzeug startete um Mitternacht in Badsö zum Fluge nach Spitzbergen, wo es die Suche nach Nobile ansnchmcn wird. Neue Expedition Amundsens. Mit einem französischen Flugzeug. Oslo, 16. Juni. Wie hier bekannt wird, ist das Angebot LeS französischen MatineministeriumS. Roald Amundsen ein großes Flugzeug für die Hilfeleistung für Nobile zur Verfügung zu stellen, auf die Bitte einflußreicher Norweger zurückzuführen. Das Flugzeug, bas einen Aktionsradius von 4000 bis 6000 Kilometer hat, wirb bereits am Sonnabend in Bergen etntrefsen und nach Aufnahme von Brennstoff zur Hilsscxpedition starten. Die Leitung der Expedition über nimmt Amundsen persönlich, während die Führung des Flug zeuges in der Hand des französischen Fliegerkapitäns Gil- baud liegen wird. Als zweiter Führer dürfte seiner Kennt nis der Polarvcrhältnisse halber Leutnant Dietrich sen mitgenommen werden. Amnndscn, der bereits alle nötigen Vorbereitungen getroffen hat, begibt sich am Sonnabend nach Bergen, um dort an Bord des Flugzeuges zu gehen. Amsterdam, 16. Juni. Das zweite italienische Hilfsflug zeug für die „Jtalia", ein Dornier-Wal unter Führung des Majors Penjo, ist nach einer Zwischenlandung am Sonn abend 8,15 Nhr zum Weiterflug nach Stockholm gestartet. Die Iunkersmaschirieil im Flug nach Kabul Berlin, 16. Juni. Der deutsche Geschwaderflug nach Afghanistan, der seit längerer Zeit vorbereitet wurde, hat heute in Berlin seinen Anfang genommen. Es handelt sich bekanntlich um die Uebcrführung der von der Ncichsregierung dem König Aman Nllah geschenkte dreimotortge Junkers- Maschine. sowie zwei von dem Afghanen angekauste ein motorige Jnnkcrsverkehrsmaschtnen nach Kabul. Alle drei Flugzeuge tragen keine Zulassungsnummer oder sonstige Erkennungszeichen, sondern nnr das weiße afghanische Staatswappen ans schwarzem Grunde, das Großflugzeug außerdem noch das weiße Königswappen auf rotem Grunde. Die Maschinen starteten heute früh um ^4 Uhr im Flughafen Tempelhoscr Feld zum Fluge Moskau — Baku — Tehe ran—Kabul. An Bord befinden sich der Leiter der Flug- stellc Berlin, des Observatoriums Lindenberg Dr. Löwe, und seine Gattin, ferner Graf Schaumburg, sowie drei Monteure mit ihren Frauen und eine deutsche Journalistin. Außerdem führen die Flngzengc zahlreiche Ersatzteile mit sich, damit in Kabul eine regelrechte Basis für Junkers-Maschinen errichtet werden kann. Ob K ö n i g A m a n U l l a h an Bord der ihm gehörenden drcimotorigcn Maschine von Teheran nach Kabul mitsliegen wird, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall hatte Aman Nllah in der letzte» Zeit in Telegrammen dringend um die Entsendung der Expedition gebeten. Linksregierung «n» Außenpolitik. Noch nie hat sich das uns feindlich gesinnte Ausland so sehr für die innerdeutschen Verhältnisse interessiert, noch nie hat es sich so Unverschämt daretngcmischt wie jetzt, während der Tage, La in Berlin eine neue, nach links gerichtete Negierung im Entstehen ist. Und seit Jahren jedenfalls hat man es nicht gewagt, an eine kommende Regierung von vorn herein so beschämende außenpolitische Zumutungen zu richten wie an diese, die von dem Manne geführt werden soll, dessen Namen für Deutschland unter dem Schmachsriedcn von Ver sailles steht. Es ist nicht immer angenehm, mit seinen Vor aussagen recht zu behalten. Aber schneller, als wir be fürchtet haben, ist das Wirklichkeit geworden, wovor wir in der Wahlzeit immer wieder gewarnt haben. Die Kabinette in Paris und Warschau als die erbittertsten Gegner des deutschen Wiederaufstieges haben das Wahlergebnis instinktiv als eine Schwächung der außenpolitischen Stellung Deutsch lands aufgefaßt, und sie beeilen sich, den Wechsel aus neue deutsche Leistungen ohne Gegenwert zu diskontieren, den ihnen das deutsche Volk am 20. Mai ausgestellt hat. Dafür, daß die Masse unserer Wähler nur auf die Nächstliegenden Magenfragen bedacht war, als es die Stimmzettel in bis Urne warf, mit keinem Gedanken aber auf die große Zukunft der Nation, erhalten wir heute bereits die Quittung. Vor den Wahlen freilich las man's anders. Da lockte« die Sirenengesänge aus Paris, und in unserer Linkspresse galt es als ausgemacht, daß nur eine zuverlässige republi kanische Mehrheit im Reichstage erstehen müsse» um all die Widerstände mit einem Schlage hinwegzufegen, die unsere Verständigungspolitik ins Stocken gebracht und u"s um die Früchte von Locarno und Genf betrogen hatten. Waren cs doch nur die bösen Deutschnationalen gewesen, die durch ihre Anwesenheit in der Regierung wie eine Bremse gewirkt und durch ihre ewige Kritik am Stresemannknrs den moralischen Kredit der deutschen Außenpolitik verscherzt hatten! Nun sind die unbequemen Mahner glücklich ausgeschifft. Die er hoffte Wirkung aber ist ausgeblieben. Gewiß, Paris trium phiert. Aber nicht, weil jetzt die Bahn frei ist zur Krönung der Verständigungspolitik, sondern weil man jetzt erst recht mit Berlin Katze und Maus spielen kann. Kein Wort mehr verlautet von Entgegenkommen. Im Gegenteil, von rechts bis links, bis in die Reihen der sozialistischen Blätter hinein, belehrt die französische Presse den präsumtiven deutschen Reichskanzler, daß die Firmenänderung nicht genüge, daß er sich vielmehr erst durch Taten ihres Vertrauens würdig er weisen müsse. Sie kennen ihre roten Genossen in Berlin! Sie wissen noch aus der Kriegszeit her, was man ihnen zu muten kann. Darum kann jetzt die Maske fallen und mit zynischer Offenheit der Preis für das wider Treu und Glauben noch besetzt gehaltene Rheinland genannt werden. Es ist ohne Abstrich derselbe, den ganz Deutsch land, einschließlich der Sozialdemokraten, einschließ lich des Rheinlandes selbst, abgelehnt hat: zusätzliche deutsche „Sicherungen" finanzieller und militärisch-politischer Art. Ohne Abstrich, aber mit einer Zugabe. Denn was man bis her nur in Zeitungserörterungen angedeutet hatte, was aber weder BrianL noch ein anderer Politiker ernsthaft zu fordern gewagt hatte, wird jetzt in wohlberechncter Spekulation auf eine deutsche Linksregierung zum Kaufpreis für die Rhein- landräumung zugeschlagen: das Verlangen nach einem feierlichen Ostlocarno, das Polens Westgrenze für ewige Zeiten sichern soll. Für den Abzug der Truppen aus Koblenz und Trier, aus Mainz und Wiesbaden ein paar Jahre früher, als cs selbst nach dem Versailler Vertrag sein muß — von Locarno gar nicht zu reden —, den endgültigen Verzicht auf die geraubten urdeutschcn Gebiete im Osten von Memel bis Kattowitz. Wenn cs schon Wahnsinn ist, so hat es doch Methodel Wir sind ja von Polen schon allerlei gewöhnt an über heblicher Anmaßung. Was sich aber Herr Zaleski dieser Tage, in Parts und Brüssel an Frechheit gegenüber Deutschland geleistet hat, mutz trotzdem überraschen. Nicht nur. daß er die seit drei Jahren schleppenden Handelsvertragsverhand- An unsere Voftverteyerk ,iIII,!ililllllIliiIiillIIl!ii!Ii!IiIIIIIIIliII!IlIIIWiWI!!i!!Iii!!li!ili!!i!I!I!!II!i!i!l!!IIi!!IiI!i!I!l!!Iii!iil!!!!!i!lilili!i!i!l!!li!>!iiiliIiIiiII!I Noch heute bestellen Sie die „Dresdner Nachrichten" für Monat Zull I8SS bei Zhrem Postamt resp. Briefträger, damit keine Unter brechung in der Zustellung der Zeitung eintritt. 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