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Wöchentlich «scheinen drei Nummern. PrIinumerntionS-Preis 22 j Siibergr. (j Thlr.) vierteliiidriich, 3 Thlr. sü, dnS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung sm Berlin bei Beil u. Comp., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 134. Berlin, Donnerstag den 7. November 1844. Gesellschafts-Inseln. Ein englischer Bericht über die Ereignisse auf Tahiti. Die Ereignisse auf Tahiti, so fern sie uns auch dem Raume nach liegen, haben doch ein näheres Jineresse für uns, als sonst ein Konflikt in der Süd- sce für deutsche Leser wohl haben könnte. Denn abgesehen davon, daß dort Franzosen und Engländer so hart an einander geriethen, daß beinahe in Europa der Gegenstoß davon empfunden worden wäre, sind auch nahe liegende religiöse Interessen, das der protestantischen und das der katholischen Missionen, daselbst in eine Berührung gekommen, die auch uns auf den end lichen Ausgang des Streites begierig macht. Zwar ist einstweilen zwischen Engländern und Franzosen der Tahitische Streit wieder bcigelegt, und der Besuch des Königs Ludwig Philipp in Windsor hat wohl vollends wieder die entente oorümle des Herrn Guizot — wenigstens in den Kabinetten — her- beigcführt, doch auf jener Insel selbst liegen die Franzosen mit den armen Eingebornen, die ihre Selbständigkeit tapfer Vertheidigen, noch immer in einem harten Streit, und cs fragt sich, ob die völlige Wiedereinsetzung der Königin Pomareh in ihre früheren Rechte jemals stattfinden wird. Um unseren Lesern eine gedrängte Ucbcrslcht der ganzen Streitsache und des Standes der Dinge überhaupt zu geben, thcilen wir nachstehenden Auszug aus einer in der koreign ttuarlerlz -Ueviecv enthaltenen Relation mit, die zwar natürlich von britischem Standpunkte aufgefaßt und daher auch sehr parteiisch ist, doch haben wir uns bemüht, unseren Auszug so frei als möglich von den nationalen Antipathieen zu halten, die den englischen Bericht eben so verunzieren, wie die meisten Darstellungen in den französischen Partei-Organen. „Sir Robert Peel", sagt der Reviewer, „hat im britischen Parlament erklärt, eine große Gewaltthat, begleitet von einer großen UnPürdigkeit, sep an einem englischen Konsul begangen worden, und bei der Schließung der Session sagte der Minister, es sep für diese Gewaltthat vollständige Gcnug- thuung gegeben worden. Wir haben die Absicht, diejenigen Ereignisse, welche den Minister bewogen, eine so entschiedene Erklärung abzugebcn, hier zu be leuchten. Die Details der Sache find freilich in den Zeitungen nur zu sehr schon abgehandelt worden, jedoch überall mehr oder weniger entstellt. Die hauptsächliche Thatsache, nämlich die, daß der Konsul Englands in Tahiti ohne Grund eingesperrt worden, und daß er ebenfalls ohne Grund von der Insel Verwiesen wurde, konnte allerdings weder verhehlt noch umschrieben werden. Allgemein ist man indessen der Ansicht, daß für die erste Beleidigung eine Art von Gcnugthuung gegeben worden, während für die zweite keine angeboten oder verlangt wurde. Herr d'Aubigny, der Offizier, welcher die eine Beleidigung ausführte, hat einen Verweis bekommen und ist nach einer anderen Station versetzt oder vielmehr befördert worden, während Herr Bruat, der sich die zweite Beleidigung gestattete, auf seinem Posten geblieben ist. Hiernach zu schließen, sollte man meinen, daß Herr Bruat gewissermaßen in seinem Rtchte gewesen, und dies ist es, was wir hier zuvörderst unter suchen wollen: Die Herrschaft der Franzosen über die GesellschaftS-Znseln ist eine Usur pation, die sich in keiner Weise rechtfertigen läßt; Herr Guizot selbst hat erklärt, daß der Admiral Dupetit-Thouars nicht berechtigt war, die volle Souverainetät Frankreichs in Tahiti zu proklamiren; aber nicht bloß diese, sondern auch das ganze Protektorat ist ein angemaßtes, ungerechtes. Wäre die Oberherrlichkeit Frankreichs von de» Tahitiern wirklich gewünscht worden, so hätten sie selbst dazu mitgewirkt, daß die nöthigen Anordnungen ausgeführt werden. Der Konflikt aber, der unmittelbar darauf erfolgte, beweist, wie gewaltsam das ganze Verfahren der Franzosen war. ES ist behauptet worden, daß die Bevölkerung von Anfang an durch die englischen Misfionaire zu einer Art von Widerstand aufgcmuntert wurde. Wir wollen dies nicht geradezu leugnen -, im Gegentheil, es konnte gar nicht anders seyn. Die Misfionaire waren die Hirten dieser großen Heerde; sie hatten sie bekehrt und unterrichtet, sollten sie sie nun sich entreißen sehen, ohne Miene zu machen, sic sich zu erhalten? Sollten sie, als dieses unschuldige Volk sich bei ihnen Raths erholte, ihm den Mund verschließen? Sollten sie, die mit den Eingebornen vielfach in Blutsverwandtschaft standen, die Insel verlassen, den Staub von ihren Füßen schüttelnd, weil Eindringlinge ge kommen waren, um ihr Werk zu vernichten? Nein, sie waren nur um so mehr verpflichtet, zu bleiben und zu predigen und mit ihren Zöglingen die Gefahr zu theilen. Dies haben sie redlich gethan. Als sic Missionaire wur den, hörten sie darum nicht auf, Engländer zu seyn, sie behielten als solche ihre alten Freiheiten und Rechte, vornehmlich aber das Recht, zu Anderen zu sprechen. Wenn sie daher zu Gunsten der armen Tahitier auftraten, so können wir sie darum nur loben, und thaten sie es auch mit etwas zu viel Heftigkeit für ihr geistliches Gewand, so müssen wir ihnen dieses um ihres Patriotismus halber verzeihen. Ja, obwohl unsere Regierung zu wiederholten Malen sich geweigert hat, die Oberherrlichkeit der Insel Tahiti anzunehmen, so hat sich das englische Volk, dessen Misfionaire die wilden Insulaner zu Christen ge macht, doch immer im Besitze eines gewissen Rechtes über die Angelegenheiten der Eingebornen gehalten. Die Geschichte der Bekehrung dieser Insulaner zum Christenthum bietet eine Reihefolge überaus interessanter Bilder dar. Die GesellschaftS-Inseln, in der Mitte der Südsce gelegen, zählen ungefähr 40,000 Einwohner, Alle, mindestens dem Namen nach, unter der Herrschaft Eines Souverains, dessen Sitz gewöhnlich in Tahiti ist. Es gehören diese Inseln mit zu den schönsten Punkten der Erdoberfläche. Auf einer Grundlage von Korallen ruhend, er heben sie sich in den mannigfaltigsten Formen und find mit Bäumen bedeckt, die sich bis über den Rand des Meeres Hinneigen. Der Himmel ist rein, die Luft aromatisch uud der Boden fruchtbar; nichts scheint dort zu fehlen, um das Leben glücklich zu machen, und doch herrschten hier seit Hunderten von Jahren Kämpfe und Laster aller Art, der Kindcrmord war gewissermaßen ge heiligt, und was zu einem Paradiese bestimmt zu seyn schien, war eine wahre Hölle auf Erden. Den Misfionaire« gelang es, nach Ueberstehung vieler Ge fahren, diesen Zustand der Dinge zu ändern; unter ihren Händen gewann das Leben dort eine völlig neue Gestalt; sie reinigten die Herzen, läuterten die Gedanken und besserten so die Sitten und das ganze Leben des Volkes. Der russische Capitain Kotzebue behauptet zwar, unsere Misfionaire hätten die Sitten und selbst die Schönheit des Volkes beeinträchtigt; doch in England hat Niemand, dem Einficht und Urthcil zusteht, solche Absurditäten geglaubt oder auch nur der Mühe werth gehalten, zu widerlegen. In Frankreich frei lich nahm und nimmt man dergleichen Unwahrheiten begierig auf. Hat cS doch selbst in der Dcputirten-Kammer Männer gegeben, die es nicht unter ihrer Würde hielten, auf der Redncrbühne die Verleumdungen zu wiederholen, welche die Presse gegen Herrn Pritchard und dessen Kollegen vorgebracht! Bevor wir an die Betrachtung der Ereignisse gehen, welche den eigentlichen Gegenstand dieser Auseinandersetzung bilden, wollen wir das Bild zweier Charaktere entwerfen, die völlig entgegengesetzter Art sind, nämlich der Herren Pritchard und Mocrcnhout, des englischen und des französischen Konsuls. Beide haben einen bedeutenden Einfluß aus das Schicksal der GesellschaftS- Jnseln geübt; der Eine in gutem und der Andere in bösem Sinne; der Eine hat alle seine Energie darauf verwandt, zu ordnen und zu reformiren, und der Andere hat sich beständig bestrebt, die Ordnung umzustürzen und die Menschen zu verführen. Herr George Pritchard, als Misfionair im I. 1824 nach Papeiti, der Hauptstadt Tahiti'S und der Gesellschafts-Inseln, gekommen, hat sechzehn Jahre lang diese Gegenden nicht verlassen. In sehr kurzer Zeit hat er es durch seine außerordentlichen Fähigkeiten dahin gebracht, daß er als Chef der Mission angesehen wurde, und sein Einfluß war es größtenthcilS, durch welchen die Königin Pomareh von der Wahrheit des Christenthums über zeugt wurde, so daß sie jene streng sittlichen Grundsätze annahm, nach denen sie in den letzten zehn Jahren regiert hat. Welcher Art auch ihr früheres Leben gewesen seyn mag, so erscheint doch ihr gegenwärtiger strenger Lebens wandel, den sie in der Blüthc der Jugend angenommen, als eine Aussöhnung für Alles, was vorangegangen. Herr Pritchard, mit diesem schönen Resultate noch nicht zufrieden, ließ es in keiner Beziehung an Eifer fehlen, um überall, sowohl bei der Regierung als bei den Einwohnern, Verbesserungen einzu- sühren. Vor sechs Jahren war das Einzige, was noch zu thun übrig blieb, die Sorge dafür, daß das Volk keinen Rückfall bekam; viele strenge und gewissermaßen puritanische Anordnungen wurden demnach getroffen, von denen die wichtigste und nothwendigste die war, alle geistige Getränke von der Insel auszuschließen und sowohl den Verkauf als den Kauf derselben für gesetzwidrig zu erklären. Schon hatte der Branntwein furchtbare Verheerungen auf Tahiti angerichtet: vor 80 Jahren schätzte Capitain Cook die Einwohnerzahl auf Zweimalhunderttausend, was allerdings übertrieben gewesen scy» Mdg, doch hatte er jedenfalls eine dichte Bevölkerung vor sich gesehen; im Jahre I8Z0 gab es dagegen nur noch 7000 Menschen höchstens auf der Insel. Seitdem hat eine allmälige Zunahme stattgefunden, und zwar in Folge der Mäßigkeit, zu der man sich anfangs freiwillig verpflichtete, die aber nachmals zum Landes gesetz erhoben wurde. ES ist dies eine der wohlthätigcn Maßregeln, welche Herr Pritchard und der ehrwürdige Nott veranlaßt haben. Ersterer erlangte