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Nr. 31. l Freitag, den 7 Februar 1908. , 70. Jahrg. «edaktiou-schlu» r » Uhr Mitt«--, »prechstunbe der -tedulttsur ü—S Uhr ««chxtttO,-. Zuschriften in redakltoreven Vngel,gen heilen find nicht an den Mdatreur p.rsdvlich, sondern autschUeßttch an d»e Redakuov -u adresfiereu. jlneßt — Profestor Schnitzer-München lehnte den Wider rus seiner Zkritik der Enzyklika ab, Pfarrer Würzberger lmlerivarf sich. — Eine Konferenz der Mächte in Konstantinopel liegen der Reform in Mazedonien bezeichnete den Vor- st'iuq der Pforte als unannehmbar. - - Der Gouverneur von Mekineö bedrohte die unter Abdul Asis dienenden Einwohner bei Nichtrückkehr mit Plünderung. — In der Skuptschina in Belgrad sprach der Jung- rudilale Stojanowitsch gegen die Einstellung einer Apa- uuge für den Kronprinzen. — Bei den Baldwin-Lokomotivwerken in Philadel phia sind 10 000 Arbeiter entlassen worden. — Die vom Schneesturm auf dem Marsch nach Fort Hassa hingerafften Fremden legi onäre, z. T. Deutsche, zahlen 34. - Die unter Generaldirektor Ballin in London ab- pehaltenen Konferenzen der transatlantischen Dampfer linien führen wahrscheinlich zu freundschaftlicher Eini gung. Los der -aha sozialer Fortschritte. Achtzehn Jahre sind verflossen, seit Kaiser Wilhelm in seinen Februarerlassen gesetzliche Bestimmungen in Aussicht stellte hinsichtlich der Formen, in denen die Ver handlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern so wie den Regierungsorganen zur Wahrung der Arbeiter interessen vor sich gehen sollten. Jetzt erst ist dies kaiserliche Versprechen zur Tat ge worden, denn dem Bundesrat liegt nunmehr ein Gesetz entwurf über die Errichtung von Arbeitskammern zur Be schlußfassung vor. Es haben somit doch alle die mahnenden Interpel lationen im Reichstag, wie in den Landtagen der Bundes staaten, ihre Wirkung geübt und die Zusage des Grafen von Posadowsky vor einem Jahre im Reichstage, hat sich für diese Session erfüllt, wenn auch in bedeutend anderer Gestalt, als er es vorhatte. Bemerkenswert ist, daß das neue soziale Institut nicht Arbeiter-Kammer, sondern Arbeits-Kammer, heißt. Hierdurch ist deutlich ausgedrückt, daß hier keine einseitige Arbeiterpolitik getrieben werden soll, sondern daß die bei derseitigen Interessen gleichmäßig vertreten werden sollen in allen in Betracht kommenden sozialen und wirtschaft lichen Fragen des betr. Gewerbes, welche zu Differenzen führen können. Nicht allein, daß die Formulierung dieser kaiser lichen Zusage so lange auf sich hat warten lasten, ist ein Beweis der damit gestellten schwierigen Aufgabe. Auch die Interpellanten im Reichstag und in den Landtagen wußten ein ausgearbeitetes Projekt nicht vorzulegen, eben so wie die Gesellschaft für soziale Reform trotz jahrelanger Behandlung dieser Frage zu einer befriedigenden Lösung nur sehr allmählich gelangte. Auch Graf Posadowsky hat im vorigen Jahre sich die Lösung noch in Verbindung mit den Gewcrbegerichten gedacht. Die Ausgestaltung hat so mit selbst in dieser kurzen Zeit noch eine grundlegende Wandlung erfahren, da man aus sehr triftigen und kaum abzuweisenden Gründen von diesem Gedanken Abstand nehmen zu müssen glaubte. In der Tat haben ja die jetzigen Gewcrbegerichte bereits eine Eigenschaft, in der sie sich mit den Arbeits kammern begegnen, das ist ihr paritätischer Charakter, in dem sie die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeit gebern gleichmäßig wahrzunehmen haben. Aus diesem Grunde lag es zunächst nahe, in erster Linie an diese be stehende Einrichtung anzuknüpfen. Die gewichtigen Be denken aber, der Grundsatz der Trennung zwischen Recht sprechung und Verwaltung, um die Unparteilichkeit der ersteren zu gewährleisten, mußte auch hier in Betracht ge zogen werden. Als verschärfend trat die Erwägung hinzu, daß der Arbeitskammer auch die Abgabe von Gutachten über das gegenseitige Verhältnis zwischen Arbeiter und Arbeitgeber obliegen würde. Schon hieraus ist ersichtlich, zu welchen Verwicklungen eine solche Doppelaufgabe füh ren müßte, da sich die Kammer durch das abgegebene Gut achten in ihrer Rechtsentscheidung selbst eine Feste! an legen würde. Außerdem sind die den Gewerbegerichten vor liegenden Streitfälle schnellstens zu erledigen und ihre Rechtssprechung, für welche sie geschaffen sind, dürfte durch eine weitere umfangreiche Aufgabe eine viel zu starke Be einträchtigung erfahren haben. In diesem Sinne haben sich denn auch bei der geschehenen Umfrage fast alle Ge werbegerichte ablehnend geäußert. Es konnte sich daher, wie dies in dem Gesetzentwürfe auch geschieht, nur um die Einrichtung von selbständigen Institutionen handeln. Immerhin blieb noch eine besondere Schwierigkeit, welche in der großen Eigenart und Verschiedenheit der einzelnen Gewerbe wurzelt. Es fragte sich nämlich, ob ein solches Institut in örtlichem oder in beruflichem Sinne organisiert werden sollte. Wenn nun auch manche Fra gen sozialer und wirtschaftlicher Natur der Beurteilung der Arbeitskammer unterliegen würden, welche der ganzen Arbeiterschaft gemeinsam sind, so handelte es sich doch größtenteils um Sonderangelegenheiten einzelner Klassen und Gewerbe, da die Arbeitsbedingungen in den verschie denen gewerblichen Berufen eine gleiche Behandlung von vornherein ausschließen. Man kam daher allmählich über haupt davon ab, der Institution einen allgemeinen lokalen Charakter zu geben und entschloß sich, die Organisation der Arbeitskammerri an die bestehenden Berufsgenossenschas- ten anzuschließen. Dieser Gedanke ist entschieden der rich tigste, denn die Arbeitskammer wird erst dann richtig funk tionieren, wenn ihre Mitglieder Sachverständige des Be rufszweiges sind, dem die ihnen vorliegenden Differenzen entstammen. Auf die einzelnen Organisationsfragen kommen wir noch zurück. Die Hauptsache ist, daß der Grundsatz ge wahrt ist, daß ausschließlich die gewerblichen Arbeiter und Arbeitgeber in den Arbeitskammern mitzusprechen haben, während der Vorsitzende weder Arbeitgeber, noch Arbeiter sein soll und von der Aufsichtsbehörde ernannt wird. Be merkenswert ist, daß die Zahl der Mitglieder der Arbeits kammer, welche ebenfalls von der Aufsichtsbehörde be stimmt wird, zur Hälfte aus Arbeitgebern, zur Hälfte aus Arbeitern besteht. Für die Handlungsgehilfen, Betriebs beamte, Werkmeister und Techniker sind eigene Arbeits vertretungen beabsichtigt. — Ein Vorzug des Entwurfs ist entschieden, daß er den Umfang der einzelnen Kammern nicht von vornherein fest legt, sondern es dem Bundesrat überläßt, sie entsprechend den örtlichen Verhältnissen der betr. Gewerbe einzurich ten. Hierbei können dann nötigenfalls verwandte Ge werbe in einer Kammer zusammengefaßt werden oder bei zu umfangreichen Gewerben mehrere Arbeitskammern ein gerichtet werden. Dies ist entschieden bei derartigen Neu einrichtungen, wo Verschiebungen und Verschiedenheiten in den Gewerben so überaus zahlreich sind, der gangbarste und praktischste Weg, während eine Beengung für die ganze Institution verderblich wirken kann. Hoffentlich läßt sich auch der Reichstag von solchen Erwägungen leiten! — Im Uebrigen sind ja die Aussichten für die Annahme im Reichstage um so günstiger, als alle Parteien in dieser Forderung einig sind und als diese Angelegenheit somit keine Belastungsprobe des Blocks darstellt. . Wenn wir, vielleicht auch mit Abänderungen, wo möglich noch in dieser Session, diesen Entwurf zum Gesetz erhoben sehen, sind wir dem Auslande auf sozialem Ge biet um einen bedeutenden Schritt voraus. Was dort ge schaffen ist, in Belgien di- Oonseiis cis l'inä»8tris et än trrrvml (1877), in Frankreich die Conseil« ch, travnil (1S00), in Holland die Karners van Arbeet (1897) Hot sich nicht als besonders wirksam erwiesen. Wenn unser Ent wurf zur Tatsache wird, haben wir nicht nur das Ausland überflügelt, sondern einen weitern Schritt zur sozialen Versöhnung in unserem Vaterlande getan. Dr. B. jiirdti- Dresden, 5. Februar 1808. Die Erste Kammer trat heute vormittag 11 Uhr im Beisein der Staatsminister Dr. v. Rüger und Dr. Beck, sowie mehrerer Regierungskommissare zur 17. öffentlichen Sitzung zusammen, an welcher erstmalig nach der Wieder genesung Se. Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg teilnahm. Zunächst genehmigte die Kammer die vom Staats minister a. D. von Metzsch vorgetragene ständische Schrift auf das Gesetz über die Verbindung auswärtiger Kirchgemeinden und Geistlicher mit der Landeskirche. Bei der Erledigung der Registrande kam ein Schrei ben des Königlichen Gesamtministeriums zur Verlesung, in dem die Berufung des Oberbürgermeisters Dr. Sturm in Chemnitz in die Kammer mitgeteilt wurde. Sodann bewilligte die Kammer einstimmig und ohne Debatte auf Antrag der S. Deputation, für Weiche Ritter gutsbesitzer Dr. von Wächter-Röcknitz und Geh. Finanz rat a. D. Jencke-Dresden berichteten, in Uebereinstim- mung mit der Zweiten Kammer die Kapitel 27 und 28 des ordentlichen und Titel 10 des außerordentlichen Staatshaushaltsetats für 1S08/09 und zwar: 1. 407 854 Mark für auf den Staatskosten ruhende Jahresrenten, 2. 12 000 Mark zur Ablösung der dem Domänenetat nickt angehörigen Lasten, sowie zu Abfindungszahlungen bei Rechtsstreitigkeiten und 3. 2 160 000 Mark als erste Rate von 4 345 000 Mark zum zweigleisigen Ausbau der Strecke Kötzschenbroda, bezw. Naundorf — Elsterwerda einschließ lich der geplanten Beseitigung der Wegeniveauübergänge. Schließlich ließ die Kammer auf Antrag der 4. De- putation(Berichterstatter: Oberbürgermeister Dr. Schmid- Plauen) debattelos und einstimmig die Petition des Ge meinderates zu Niederlößnitz um Beseitigung deS Au^ nahmeschulgeldsatzes für Niederlößnitz an der öffentlichen Höheren Schule in den Lößnitzortschaften auf sich beruhen und erklärte die Gegenpetition der Realschulkmnmtstioi. für die Lößnitz und Genoffen zu dieser Petition hierdurch für erledigt. Nachdem noch eine Petition für unzulästig erklärt worden war, wurde die Sitzung geschloffen. Nächste Sitzung: Freitag, 7. Februar, vormittags 11 Uhr. Tagesordnung: Veräußerung der Hofgärten in Dresden; Petitionen. -kitsch« jltichitiß. lVan unsere« parlameularischei, Korrei-eudeuten.) Berlin, den 5. Februar. Am Mittwoch wurde die allgemeine Erörterung über den Militäretat beendet und das Ministergehalt bewilligt. Abg. Vogt (Wirtsch. Vgg.) verband seine Rede zum Mili täretat mit einem Lob auf unsere Wirtschaftspolitik und ging auf das Kapitel Ernteurlaub ein. Ferner forderte er vermehrte Sonntagsruhe für die Waffengattungen. General von Gebsattel verbreitete sich über den landwirt schaftlichen Winterschulunterricht für bayerische Soldaten. Abg. Müller (freis. Vp.) rügte den Ton der gestrigen Rede des preußischen Militärbevollmächtigten, forderte drin gend eine Reform der Militärjustiz und wies den Bor wurf zurück, als wollten die Freisinnigen in Kronrechte eingreifcn. Wenn das Militärkabinett aber alles besorge, was bleibe dann noch für den Kriegsminister übrig? Er sei dann nur der parlamentarische Prügeljunge. Das Militärkabinett sei Gegner jeder modernen großzügigen Reform auf dem Gebiet des Militärstrafrechts. Der Red ner sprach noch über Kastengeist im Offizierkorps. Gene ral Sixt v. Arnim erwiderte, er sei sich nicht bewußt, einen schroffen Ton angeschlagen zu haben. Nicht das Militär kabinett, sondern die Kommandogewalt des Kaisers habe srsteitiW M OtMMch ----- »«aspr«-«. Amt Druden Nr. 808 »MKhIStt 'iik «sie ffgl. ll»lrd»»pl»a»»rcb«Nt» Vkeräes-Mrtiull u. -llenrlaLt, ckar lsgl. llmrgerlcbl vrercke», Im Le Xgi. Superinlenöenlur vrercken 0, Le sgl. lorrtreiUSmter ürercken, MoMrdiu- «x Hl ttemeiiae», c-lffevilr, vovmr, Meaelp-^irr. doriervlir, und Lorr«vA,a«. WNlläl10llt-0lg-ll Ulu> Lvllll-Allrtlger 1ür vksevitr, torchvilr. kochwilr, Weirs« Hirsch, büklau. öie cSsrnilrgemeinäen. 0rrr<lev.5ttierrn unck NeirgninL. Beilagen: „Illustrierte- UMerha'lrmg-tlutt" * »Ruch steieradcnd- O „Hau-- »ud GMteuwtrifchuft" * „Frrxdeu-lliste-. II Lelegra»» - «Lr,fie: Druck und Verlag:Elbgau-vuchdruckerei und Berlag<anfialtHer»«»u Beyer ^L». Elbgan-refi« vlastnck