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Tonnabend. —i Nr. 282. L December 18S4. Leipzig, Die Zeitung erscheint nut Ausnahme des Montag« täglich und wird RachmMags 4 Uhr auS- gegebrn. V»«i< für da- Viertel« jahr 1'/, THIr.- jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgemeiiie Zeitung. «Wahrheit uab Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all« Postämter des In- und Auslände-, sowie durch di« Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Ansertionsgebülhr für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Der ZnsaHartikel zu dem Aprilvcrtrage. Die officielle Preußische Korrespondenz theilt in Folgendem den Wort laut des jüngst von den Vertretern Preußens und Oesterreichs unterzeich neten ZusatzartikelS zu dem Aprilvcrtrage mit: Die immer bedrohlicher werdende Lage der europäischen Angelegenheiten bat die allerhöchsten Höse so» Berlin und Wien veranlaßt, das Bedürfuiß eines die Bestim mungen des Vertrags vom 20. April d. I. ergänzenden Oinverständnisses in nähere Erwägung zu ziehen, Die allerhöchsten Souveräne sind sich in der ttebcrzcugnng be gegnet, daß cs für die Thcilnehmer des durch den Bundesbeschluü vom 21. Juli er weiterten Bündnisses vor allem darauf ankommt, gemeinschaftlich aus die Annahme einer von ihnen ftir geeignet gehaltene» (Grundlage für die künftigen Friedensverhandlungen hinzuwirke», Die erkennen eine solch« in denjenigen vier Präliminarpunkten, für de ren Annahme Oesterreich und Preußen sich bereits bei dem kaiserlich russische» Hofe verwendet haben, und werden daher angelegentlich bemüht sei», dieser Grundlage Gel- tung zu verschaffen. Wenn sich hieran die Hoffnung auf Anbahnung einer friedlichen Verständigung knüpft, so erheischt doch der Ernst der gesummte» Lage Europas und Las Bedürfnis!, das Ziel des angestrebten Friedens mit Nachdruck zu verfolge», die Bürgschaft eines engverbündeten Auftretens des gejammten Deutschland. Bon diesem Gedanken geleitet und die Gefahren würdigend, die ein Angriff auf die österreichischen Truppen nicht nur bei Betretung des kaiserlichen Gebiets, sonder» auch iu den Do naufürstenthümern für Deutschland hcrbeiführen könnte, wollen Se. Maj. der König von Preußen gegen »llevhöchstihren erhabenen Verbündeten, Se. Maj. den Kaiser von Oesterreich, hierdurch auch für den legten Fall die Verpflichtung zu gemeinsamer Ab wehr übernehmen, und rechnen mit Zuversicht darauf, eine gleiche Bereitwilligkeit auch seitens der übrigen deutschen Verbündeten durch Annahme des gegenwärtigen Zusatz- artikelS bekundet und eintretendenfalls bethätigt zu sehe». Deutschland. Frankfurt a. M., 50. Nov. Die Frankfurter Postzeitung sagt: „Mit schmerzlichem Befremden lasen wir in der Allgemeinen Zeitung, daß Hannover mir Braunschweig, um die Erwerbung des Jahdcbusens und der preußischen Marinestation an der Nordsee zu vereiteln, einen an geblich auf Familienverträge gegründeten Protest eingelegt und zu dessen Verstärkung den Kaiser von Rußland als Agnaten aufgerufen haben. Wir wünsch«» sehnlich, daß ein solches Gerücht in Nichts zerfließe. Das Haus der Welfen, das treueste der Treuen, und fremde Einmischung! Wir be kennen uns vollständig zu der Auffassung in der H llgemeinen Zeitung, wir glauben, daß dem preußischen Unternehmen alle Sympathien der Vaterlands- freunde erworben sein sollten, daß eS an der Zeit wäre, Opfer dafür zu bringen, nicht aber hindernd in den Weg zu treten, und wenn Gründe in der Zahl der Brombeeren vorhanden wären, wie Shakspeare sagt. Und das Haus der Welfen, das sich rein erhalten hatte von jedem Makel, das der Einmischung der Fremden, die seit 1805 die Länder und die Grenzen vertheilt hat, nichts verdank^ immer nur am Recht hielt und an den Dei nen! Wenn es wahr ist, so hat ein schwerer Jrrthum zur bösen Stunde Vir Urheber beschlichen. Sie haben das Juristenrccht dem Hähern Gesetz vot- gezogen, und um eS siegen zu machen die Mittel gewählt in gefährlicher Verblendung. Glücklicherweise sind die Zeiten so beschaffen, daß von dem Schritte nicht- übrigbleiben wird als die Erinnerung und, wir hoffen, die Warnung, ähnlichen Eingebungen zu folgen, wenn sie mich unter dem Na- men des Familirnrechks, der Verträge und Pergamente auftreten. Aber noch einmal- wir glauben nicht daran- es müßte uns denn bewiesen werden, baß Hannover und Braunschweig den Kaiser von Rußland- wenn auch nur kn feiner Eigenschaft als StammeSveller, zu gemeinsamem Widerstand auf« gefödert haben. Wir möcht-n gern auch eine gleiche Verneinung einer andern Künd« entgegensetzen, die uns vor mehren Tagen schon zugrkommen ist. Württemberg hat dem kaiserlichen Cabinet von Petersburg in einer Denkschrift eine Apologie oder Rechtfertigung des Verfahren- seiner Regierung gegen ihr« Standesherren unaufgefoverl überreiche« lassen. Hier ist das Verhältniß ein sehr verschiedenes. Hier liegen keine gemeinsamen Interessen in der Mitte, keine Verträge, die verführe« könnten, über Das wegzu- sthnr, was man einer höher« Pflicht schuldet. Es würde, wenn es wahr wäre, dar« die Stellung deutscher Regierungen zu dem russischen Kaiser eiste Bezeichnung fiffdeir, die uns erschreckt. Die Nachricht hat einen Ge« währsmann, d«ssen Zuverlässigkeit nach Stellung und Verhältnissen nicht zu bezweifel« ist. Doch würden wir uns glücklich schätzen, wenn sie mir Grund für falsch erklärt werdet könnte." Preußen. Berlik, 50. Nov. Der König eröffnete heute Vormit tag um 11 Uhr die durch Verordnung vom 14. Nov. zusammenberufencn Lanmurn. in Person im WM« Saale des königlichen Schlosses. (Siehe unsere gestrige telegraphische Depesche.) Mit einem dreimaligen Hoch von der Versammlung, empfangen, verlas der König., nachdem derselbe auf dem Throne Platz genommen, nachfolgende Thronrede: Msine Herre» der Ersten und Zweiten Kammer! Di« h«utig« Eröffnung Ihrer Sitzungt» trifft zusammen mit «inen, frohen Ereigniß in meinem königlichen Hanse. Plein Reffe, der Prinz Friedrich Kari, hat gestern seine Vermählung mit einer Prin zessin aus einem uns alt befrenndeten und nahe verwandten deutschen Fürstenhause ge feiert. Sie werden, meine Herren, mit mir den Wunsch «heilen, daß KotteS Gnade diese» B»»d reichiicb segnen möge. Mit Gcnugthnung sehe ich die neugebiidet« Erste Kammcr heute zum erste» male um meine» Thron versammelt. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß diese neue, unier Anerkennung bestehender Rechte und unter Be rücksichtigung dauernder Verhältnisse gegründete Körperschaft, ini Verein mit der Zwei te» Kammer, mei»cr Regierung in ihre» Bestrebungen für das Wohl des Landes im mer eine kräftige Stütze sein werde. Die Wiedcreinbernsung des Staatsraths habe ich zu dem Zweck angeorduet. nm in geeigneten Fällen auch dadurch eine gründlich« Vorbereitung der Gesetzentwürfe zn befördern. Einige derselben sind bereits vom Staatsrath beratheu worden und werden Ihnen unverzüglich zur Beschlußiiahme vor- gclegt werden. Mehre andere wichtige Gesetzentwürfe, namentlich über die ländliche Gemcindcverfussung und Polizeiverwaltung in den sechs östlichen Provinzen und über die kreis- und provinztalständischen Verfassungen in sämmtlichcn Provinzen der Monar ch!«, liegen dem Staatsrath noch zur Prüfung vor. Nach deren Beendigung werden dieselben H»r weitern Bcrathuug ebenfalls an Sie, meine Herren, gelangen. Aus den auf dcu Staatshaushalt bezüglichen Vorlagen meiner Regierung werde» Sic dic be ruhigende Ueberzcugung gewinnen, daß die Finanzen deS GtaatS sich in einem befrie digenden Zustande befinden. Das strenge Festhalten an de» überlieferten Grundsätzen weiser Sparsamkeit und Ordnung macht eS möglich, die Mittel für viele gesteigerte Ansoderungen des öffentlichen Dienstes bcrcitzustellen und, tu Fällen außergewöhnli che» Bedürfnisses, die Hülfsquelle» des Staatscredits mit günstige»! Erfolge und völ liger Sicherheit für die Erfüllung eingegangener Verpflichtungen in Anspruch zu neh men. Der Verkehr des Landes zeigt tu fast allen Zweigen eine vermehrte Regsamkeit. Dic Einnahmen der Post- und Telcgrupheneinrichtunge» sowie der Staats- und Pri- vateisrnbahneu sind in stetigem Steigen begriffen. Fortdauernd werden große Kapitalien in gewerblichen Unternehmungen angelegt. Der Bergbau erfreut sich eines zunehmen den Aufschwungs. Der Handel befindet sich in einer im Allgemeinen befriedigenden Lage. Solche Erscheinungen — doppelt erfreulich i» einer Zeit, in welcher manche ungünstige Verhältnisse einen hemmende» Einfluß auf de» Verkehr ausübca — gebe» Zeugniß von einem gesnnden wirthschaftliche» Zustande des Landes und lasse» weiteres Fortschreitc» auf der Bah» gedeihlicher Entwickelung mit Sicherheit erwarten. Bei dieser Lage deS Verkehrs und bei der Fürsorge, welche m.ine Regierung der Förde rung desselben, insbesondere der Vermehrung und Verbesserung der Lommuuications- mittel, zuzuweude» sortfährt, wird cs, wie ich zuversichtlich hoffe, auch ferner an Ge legenheit zu lohnender Beschäftigung nicht fehlen. Es gereicht mir dies umsomehr zur Beruhigung, je weniger die Envartuugeu iu Erfüllung gegangen sind, welche»»» dem Einfluß der diesjährigen, im Allgemeinen gesegneten Ernte auf die Preise der ersten Lebensbedürfnisse gehegt wurden. Die anhaltende Lheucrnug derselben, die noch immer schwer empfunden wird, hat mich bestimmt, die zollfreie Einfuhr der nvthwen- digsteu Lebensbedürfnisse förtbestchen zu lasse». Ich hege die zuveafichtliche Erwartung, daß, infolge dieser Maßregel und bei dem Vermeiden einseitiger Eingriffe in vcn freien Verkehr, el» wirklicher Mangel auch im kommenden Jahr« nicht ei'.itreteu wird. Darch verheerende Uebcrschwemmungen sind in diesem Sommer fruchtbare Landstriche schwer betroffen Worten. Mit voller Theiinahme hab« ich mich au Ort.und Stelle von der Größe der ungerichteten Schaden und von dem gottvertrauenden Muthe überzeugt, mit dem die heimgesuchten Einwohner zu deren Beseitigung Hand anlegcn. Meine Regie rung ist bemüht gewesen, die augenblickliche Bevrängniß möglichst schnell zu Mükdern und durch geeignete Veranstaltungen weitem verderblichen Folgen dieser UnglürkSsalle vorzubeugen. Durch einen patriotische!! Beschluß des schlesische» Provinztallandtags sind dic Mittcl zu nachhaltiger Aushülfe für dic verwüsteten Odcrniederuugcu beschafft. Zugleich hat sich in allen Landestbcilen und über die Grenzen der Monarchie hinaus der lebendigste Eiser zu wirksamer Abhülfe des unverschuldeten Elends in erbebender Weise kündgethan. Meine Herren! Zu meinem schmerzlichen Bedauern ist zwischen mächtigen Glie dern der europäischen Staatensaulilie eiu blutiger Kampf entbiauut. Roch ist unser Vatcriand davon nicht berübrt, noch findet bei uns ter Friede eine Stätte. Ich hab« neue Veranlassung zu hoffen, daß vielleicht bald di« Grundlage weitergebender Ver ständigung gewonnen werden wird. Im festen Verein mit Oesterreich und dein übrige» Deutschland werde tch eS, nach wie vor, für meine Aufgabe erachten, dein Frieden: der Anerkennung fremder Selbständigkeit und der Mäßigung das Wort zu reden. Sollte mir im Lause der Ereignisse die Verpflichtung erwachsen, dieser Haltung Preußens einen erhöhten Nachdruck zu gebe», so wird mein getreues Volk d.c damit verbundenen un vermeidlichen Opfer mit bewährter Hingebung zu tragen wissen. Um für solche Fälle gerüstet zu s«in, ist die Kriegsbereitschaft meines Heeres' durch-Verstärkung einzelner Truppentheil« und Vervollständigung des Kriegsmaterials vermehrt vnd die Reatisirung der von den Kammer» in ihrer letzten Sitzungsperiode bewilligten Anleihe angeordnet morde». Preußen ist somit in den Stand gesetzt, jederzeit, wenn die drohende Gestal tung der politischen Verhältnisse es erfo-er» sollte, für die Wahrung feiner Interesft» und seiner europäischen Stellung mit Zuversicht in dic Schranken zu- treten. Ueder die bisjctzt nur zu einem geringe» Theile erfolgte Verwendung der n«uen Anleihe wird Ihnen, umfassende Auskunft crth.eilt werden. Meine Herren! Indem Sie sich zur Bearbeitung der Ihnen obliegenden Aufgaben anschicken, darf tch Ihnen die Versiche rung geben, daß meine Regierung Ihnen dabei in jeder Weise cntgegenkommm wird, rlndersrftit« aber vertrau« ich, so sehr ich Lie Berechtigung verschiedener Ansichten an- erkenn«, daß Sie i» alle» denjenigen Frag«» «ine Stütze meiner Regierung, sein wer den, wo eö sich darum handelt, dein Ausland« gegenüber die volle llebercinstimmung der Regierung und des Landes zur Geltung zu. bringen, und damit i» cchtpreußifchcr Weise zu bewähren, daß wir durch Eintracht stark, und um so stärker sind, je schwerer die Zeit ist. Dazu gebe Gott seinen Segen! Rach Verlesung der Thronrede erklärte der Ministerpräsident die Kam mern für eröffnet und der König verließ, von einem erneuten dreimaligen Hoch der Versammlung begleitet, dm Saal. — Gestern Abend fand auf dem hiesigen königlichen Schlosse di« V«v- mählungSfeier des Prinzen Friedrich Karl von Preuß«« mit der Prin zessin Maria Anna von Anhalt-Dessau statt, welche in dev Mittagsstunde den solennen Einzug in dir Residenz schalten hatte.