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Erscheint wöchentlich zwei Mal und zwar Mittwoch und Sonn abend. — Der Abonnemcntspreis beträgt vierteljährlich 1 Mark prssnumeranäo. AlytiM Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit 10 Pf. berechnet. für Zwönitz und Umgegend. Nedacteur und Verleger: C. Bernhard Ott in Zwönitz. 8. Mittwoch, den 14. Juni 1876. 1. Jahrg. Alle Postanstalten des deutschen Reiches nehmen Bestellungen auf den Anzeiger für Zwönitz und Umgegend an. Bekanntmachung, das diesjährige Impfwesen betr. Im Einverständniß mit Herrn Or. weck. Schubert von bier, als Jmpfarzt, ist für die diesjährigen gesetzlichen Impfungen die Restauration des hiesigen Rathhauses als Jmpflokal und jede Mittwoch, Nachmittag von V»2 Ubr ab, als Jmpfzeit bestimmt worden. Solches wird dem Betheiligten mit dem Bemerken zur Kcnutniß gebracht, daß d-S Impfen Mittwoch, den L4 d. Mts. seinen Anfang nimmt. Zwönitz, am 13. Juni 1876. ' Der Stadtgemeinderat h. Schönherr. Tagesgeschichte. Konstantinopel, 10. Juni. Die Serbische Regierung hebt in ihrer Antwort auf die Anfrage der Pforte, betreffend die in Ser bien vorgenommenen Rüstungen, ihre friedlichen Intentionen hervor und erklärt, daß sie nichts gegen die Integrität des Ottomanischen Reichs unternehmen werde. Die Serbische Negierung wird eine» Specialgesandten hierher senden, um weitere Aufklärungen zur Be festigung des guten Einvernehmens mit der Pforte zu geben. — Neber den Tod des Sultans Abdul Aziz berichtet ein Tele gramm aus Konstantinopel: Abdul Aziz war am Freitag zu Schiffe nach Therragan gebracht worden, angeblich auf eine Bitte, die er brieflich an Murad gerichtet hatte. Ausgestiegen, wollte er am Quai fortgehen, woran ihn die begleitenden Offiziere hinderten. Er zog darauf den Revolver und nun drangen von-allen Seiten Soldaten auf ihn ei», entrissen ihm diese Waffe, den Säbel und sein Messer. Rasereiaufälle wechselten nun mit vollkommenster Stumpfheit; er rief die Soldaten zu den Waffen gegen seine Feinde. Seinem Sohne Jussuf sagte er: „Du bist schon vier Jahre Gardekommandant und ich habe keine» einzigen Treuen!" In der Nacht zum Sonntag schrie er vom Garten und aus dem Fenster fortwährend nach der Marine; von dieser seiner Lieblingsschöpfung hoffte er bis zuletzt Hilfe. Am Sonntag Morgens erstattete der Wachthabende den Rapport an den Kriegsminister. Um 8 Uhr früh soll der Sultan angeblich einge- schlafen sein. Um 10 Uhr soll er von seiner Mutter eine Scheere verlangt haben, um Nägel und Bart zu reinigen; darauf habe er sich eingeschlossen. Die Sultanin Balide sprengte besorgt die Thür, fand aber Abdul Aziz schon sprachlos in den letzten Zügen. Die Weiber hörten das Geschrei, daß der Sultan ermordet sei und schlugen die Fenster und Holzgitter ihrer Gemächer ei», wodurch das Gerücht ent stand, der Sultan sei aus dem Fenster gestürzt worden. SeraSkier Pascha (Hussein Avni?) war schnell hinzugekomme» und ließ gegen 11 Uhr den Hof-Apotheker Delabroussi und zunächst nur levantinische Aerzte holen. Erst um 1 Uhr benachrichtigte er die Gesandtschaften. Der österreichische BotschaftS-Arzt, vr. Sotto, erhielt direkt durch einen Boten vom Palaste aus die Aufforderung zu kommen; er langte nach halb zwei Uhr in Therragan an, wo er nur levantinische Aerzte fand, bis auf den englischen Botschaft«-Arzt Dixon, der geborener Levantiner ist, und den französischen BotschaflS-Arzt Marroin. Dämmt- liche Aerzte verweilten zuerst noch eine Stunde in der Vorhalle, Kaffee trinkend, und wurden dann gegen drei Ubr in die Wachstube geführt. Die Leiche deS Sultans lag hier auf einer Matratze, mit einem weiten Morgenrocke bekleidet. Die Stube war gedrängt voll; außer den neunzehn Aerzten waren noch eine Menge Offiziere und Soldaten da, so daß eine genaue Untersuchung schwer möglich war. Dr. Solls fand am Halse keine SlrangulationSmarke; die Wunden an beiden Armen untersuchte er so genau, daß er von dem Blute des Sultans ganz befleckt wurde und erhielt die Gewißheit, daß diese Wunde» durch eine Scheere veranlaßt worden sind. Das Gesicht der Leiche war wächsern und blutleer der übrige Körper blieb bedeckt und wurde gar nicht untersucht. — Die Aerzte wurden daun aus der Wachstube durch eine auSgebrochene Stelle der Hofmauer in den Hin tern Theil des sehr schmusigen KioSk nach dem obern Stockwerke ge führt, wo ihnen ein großes Zimmer gezeigt wurde, das auf drei Seiten Fenster nach dem Meere hatte und in das nur eine einzige Thür in der vierten Wand des Zimmers führte. Außer dem Sopha in einer Ecke, das mit dem Kopfende nach dem See gerichtet war' sahen sie kein Möbel. Auf dem Sopha war eine große Blutlache, eben so auf dem Parquet, daneben kleinere, rundliche Blutflecke. Alles dies sah sehr unverdächtig aus und Spuren eine« Kampfe« waren nicht zu finden. Or. Sotto erklärt, der Selbstmord sei in Anbetracht der Wuthansällr, welchen der Sultan unterworfen war, immerhin wahrscheinlich. Auf die Frage, ob nicht durch vorherige Chloroformirnng oder durch Behandlung mit einem Opiate Wider standslosigkeit erzielt worden sein könnte, erklärte vr. Sotto die Chlo- roformirung sei nach fünf Stunden nicht mehr zu konstatiren und eine Secirung nach türkischer Sitte unzulässig. Es ist sonach möglich, daß der Sultan einfach im Schlafe festgehalten, wobei man ihm die ToveSwunden beibrachte. Andere Aerzte erklären, »S sei anatomisch unmöglich, daß'Jemand bei einem Selbstmorde mit der Scheere die Kubital-Arterie treffen und dann noch so große Wunden schneiden könne. In Stammbnlz wird erzählt: Ein treuer Diener de« Abdul Aziz, Namens Fahri Bei, sei bei dem Selbstmorde anwesend gewesen, habe ihn hindern wollen und mit dem Sultan gerungen. DaS scheint aber Erfindung zu sein. Gelegentlich der Todtenschau wurde der En-länger Millingen, der Leibarzt der Sultanin-Mutter, zu dieser gerufen und fand sie rasend. DaS Gerücht, daß sie einen Selbst mord verübt habe mit dementirt. Ein angeblicher BergiftungSoer- such Jussuf's soll verhindert worden sein. Der Groß Chacham gab, weil Abdul Aziz wahnsinnig war, trotz des Selbstmordes durch be sonderen Felva die Erlaubuiß zur feierlichen Beisetzung seiner Leiche. Rom, 10. Juni. Correnti wird morgen von Paris hier er wartet. Die von ihm NamenS der Regierung mit dem Hause Roth schild abgeschloffene Convention soll Montag dem Parlamente vorgc- legt werde». Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, wird da« Parlament im September geschlossen werden und würden die Neu wahlen im Oktober stattfinden. Wien, 10. Juni. Die „Politische Correspondenz" meldet in einem authentischen telegraphischen Berichte aus Belgrad vom 16. IM: Die Vertreter sämmtlicher Mächte vereinigten sich in den letzten Tagen, um Milan und seiner Regierung die volle Verantwortlichkeit für dir eventuelle Friedensstörung klar zu machen. Besonders nach drücklich war die Sprache des russischen Vertreter« Karzoff, und es ist nicht zu zweifeln, daß die serbische Antwort auf die gemäßigt ge haltene, am 6. Juni in Belgrad eingetroffene türkische Anfrage wegen der serbischen Rüstungen beruhigend auSfallen werbe. Moskau, 10. Juni. Die Verhandlungen de« ProcesseS gegen Or. StrouSberg und die Angeklagten von der hiesigen Commerzleih bank wurden heule Nachmittag eröffnet. Die Procureurgehülfen ObninSky und Simonoff hielten die Anklage aufrecht. In Folge de« Ausbleiben« mehrerer Zeugen wurde die Sitzung deS Gericht« auf Antrag der Vertheibiger mehrerer Angeklagten vertagt. Washington, l0. Juni. Die Repräsentantenkammer geneh migte ei» Gesetz, betreffend die Ausgabe von Silber im Betrage von 20 Millionen, so wie ein anderes Gesetz, nach welchem eventuell außerdem noch Silber in Höhe von 10 Millionen ausgegeben wer den kann. Southampton, 10. Juni. Der am 8. d. MtS. nach Bra silien abgegangene Hamburger Dampfer „Bahia" ist heute mit ge brochener Welle hier e,'»gelaufen.