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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110811010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911081101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911081101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-11
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Bezua-.PreiS vI«n«l)Sdrl. B«t ,»I«r» FUt«l«« >. >»« nehmrstrll«» obakbolt" Ni PI. »«»all., r^r Mr. »terttli-hrl. »ick »»« P.«r <mi«r-alb r«»»schlanv, ,»» tz«r d««ttch«» Kolon,«» vi«tt«ljäh,l. r.« Mt., »«üttl. IWINk. »»»jchl P»kd«st«llg«ld grr»«r in Brlstr», «.an«mart, d«» D»»»»Daar««, Iioli«n, Lurembnra. Nt«d«rland». X«« r^«scn, L^«N«netch-U»-arn Xobland. schweb«». Schwei»» Sonn»». In allen udkigen Staaten n»t direkt d»rch dt« L»!chittt»!t«ll« de» Blaue» erhältlich. la» Leipziger Tageblatt «rlchettit 2»al täglich. Sonn« «. Feiertag» nur morgen». Ldonnementr-Annatzm« I.H»»»I»-»lI« S. dei unieren Trägern, Filialen. Spedli«»r«n ,»o L»aah»«il,ll«n. lost« Pokämreu» rr»d Bttesträgern. -r,..^,cht. Handelszeitung. j Ämtskkatt des Males ««S des Nokizeiamtes der Dtadt Leipzig. Lnzei^en «Preis kLr Inserat« au» L«ip»ta und Umg,b»n, di« llpaltig« P»ttt»«il« L Ps^di« ««Name, »«tle l Ml.' »>»» «»wärt» » Pf, X«klam,n u» «7. Inserat« »on Behärd«» im amt. '.ich«» T«ll di, P»ttt,«tt« Sll «I. »<schSst,an,eigen mit vladoorlchrrsten ». in d«: Abendau»gab« im Prell« «rhoht Rabatt nach Tarik, «eilagegebtihr Sesamt« anslag« S Ml. p Tansend «rN. Poftgebähr. Leilb«llag« höher. F«üetteilt« Lusträae l»»»r» nicht »urück- a«»o,,u werd«» Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« tLaranti« übernommen. ?ln,eige». Ännobme: I.ha»»i»«ag« tz. dei lamilichen Filialen u. allen Annonren. ülpediiionen de» In- und Luilande». Lrnä „d Peel«, »»» Fisch«« ch Ktzetze« Inhaber: Paul Nllrft«». Nidakti»» und ttz«sch<ift»st«ll«: 2»hannl»gass« 8. -a>wt - Filiale Lre.dr»: beestras« < l (Telephon «621t. Nr. 22 l. /reitsg, ürn ll. llugull lSll. los. Ishrgsng. Die vorliegende Au?gabe nmfastt 16 Leiten. Dss Wichtigste. * In London droht infolge der Streik bewegung eine Hungersnot auszubrechen. iS. des. Art.) * Die »Weserzeitung" will die Persönlichkeit des angeblichen BremerSpions festgestellt haben. (S. des. Art.) * 2n Mombach sind fünf Waggonhallen mit 15 fertigen l> - Zugwagen niedergebrannt. <2. Tageschr.) * Die Suche nach den Leichen der bei der Explosion auf dem „Gu tenbe rg" inRotterdam Getöteten wird fortgesetzt. (S. des. Art.) * Der Chauffeur des Prinzen Heinrich be findet sich auf dem Wege der Besserung. (S. des. Art.) * Aus Hamburg werden zwei Cholerafälle gemeldet. (S. Tgschr.) * Der Ballon „Magdeburg" ist bei Langen weddingen aus einer Höhe von 700 Metern abgestürzt. Ein Passagier erlitt innere Ver letzungen. (S. bes. Art.) Greritrr Lritmns Keichsllotte. Die Arbeiten der britischen Reichskonferenz haben sich in einer kaum zu überbietenden Stille, fern von dem Tageslärm der Krönung, der Berfassungskrisis und der marokkanischen Wirren abgespielt. Erst auf dem Umwege über Kanada erhält man die ersten tatsächlichen Nachrichten über ihre Ergebnisse. Der Premier minister Sir Wilfried Lauricr ist heimgekehrt und veröffentlicht an der Schwelle eines vor aussichtlich sehr ernsten Wahlkampfes ein Ab kommen über die Organisation der Dominion- flotten, welches der Herbsttagung des kanadi schen Parlaments zur gesetzlichen Genehmigung unterbreitet werden soll. Das Abkommen um fasst neben dem Mutterlande und der amerikani schen Selbstverwaltungskolonie Australien und Neuseeland. In Ariedenszeiten sollen die Kolonialflotten der alleinigen Kontrolle der Dominialregierun- gen unterstellt sein. Doch ist die Ausarbeitung gemeinsamer Dienstvorschriften, Reglements usw. zur Sicherung einer gleichmäsiigenAusbildung und zur Gewährleistung ihrer Durchführung ein gegen seitiger Offizieraustausch vorgesehen. Die wich tigste Bestimmung aber ist, dass über die Verwen dung der kanadischen und australischen Flotte ausserhalb des eigenen Küstenschutzes ausschließlich die gesetzgebenden Körperschaften Kanadas und Australiens entscheiden sollen. Während der Dauer eines etwaigen Krieges bleiben sie dann allerdings der Kommandogewalt des Reiches untergeben. Alle Erfolge Englands jüngster Zeit haben ihre beiden grundverschiedenen Seiten. Mögen sie sich der endlich willigen Einordnung der Trans- oaalier in das bundesstaatliche Gefüge des britischen Südafrika erfreuen: Die Besorgnis vor dem fetzt legitimierten Einflüsse der Botha- Partei -4uf die Kapländer läßt sie der Common wealth-Verfassung doch nicht ganz froh werden. Das kanadisch - amerikanische Zollabkommen er scheint ja insofern erfreulich, als es die gegen wärtigen Gefahren des Zollkriegszustandes am 49. Breitengrade, also eine verzweifelte poli tische Kapitulation der Kanadier vor der wirt schaftlichen Ueberlegenheit ihrer Nachbarn, aus schaltet; allein man wird das andere Bedenken nicht los, daß der Sonnenschein des Zoll friedens den Selbständigkeitsmantel ab schmeicheln möge, der dem Sturme der Kampf zeit getrotzt hatte. Die leichte Einwilligung Japans in die Abänderung des August-Ver trages von 1905 macht die Hände frei für eine Friedens, und Freundschafts-Politik gegenüber den Vereinigten Staaten und sichert dabei aufs neue die Bundeshilfe gegen russische Wortbrüche. Aber der Gedanke ist nicht abzuweisen, daß die gelben Verbündeten, denen nunmehr kalifornische und mexikanische Siedlungs-Aussichten noch schroffer versperrt werden dürften als bisher, um so ungestümer an die Tore Britisch-Tolum- bias und Australiens pochen und das Mutter land aufs neue vor die schwere Wahl zwischen den Blutsgenoffen und den Waffenbrüdern stellen werden. Zn ähnlicher Weise mag der Engländer Europas den Flotten-Vertrag mit den Lands leuten am St. Lorenz und an der Botany-Bai mit einem heiteren und mit einem nassen Auge ansehen. Der unmittelbare Machtzuwachs ist ja sehr erfreulich. Sollten selbst die Kanadier, die Australier sich auf die Verteidigung der eigenen Küsten und Gewässer beschränken wollen, so wäre eben das Mutterland von dieser Bürde seiner Unterstützungs - Pflichten für die Engländer da draußen ent lastet und könnte seine Zweimächte - Rech nung auf Europas entscheidenden Kriegsschau plätzen voll aufgehen lassen. Kommt aber schließlich, wenn Not an den Mann herantritt, noch die eine oder die andere kanadische oder australische Dreadnought den um die Meeres herrschaft Streitenden zu Hilfe: um so wahr scheinlicher bleibt Britannias Uebergewicht er halten. Auf alle Fälle darf der Schatzkanzler, er müsse denn zum Dreimächte-Standard über gehen wollen, ein paar Neubauten von seinem Budget absetzen und damit seinen besonderen radikalen Freunden eine Extrafrcude bereiten. Aber wenn nun im Hintergründe der kolo nialen Flottenbauten die unbewußte oder auch bewußte Absicht lauerte, einer vollen politischen Selbständigkeit vorzuarbeiten? Wenn Herr Laurier, dem der angelsächsische Bestandteil seiner engeren Mitbürger noch minder tränt als die Imperialisten des Königreiches, über haupt nicht daran dächte, kanadische Schiffe zu irgend einer Zeit für englische Interessen zu gebrauchen, sondern allein für da;, was er als kanadische Interessen ansieht — laute nun sein Wahlspruch altmonrovistisch: Amerika für die Amerikaner, also auch Kanada für die kanadi schen Amerikaner, oder heiße er unronsimperia- listisch: Ganz Amerika für die Vereinigten Staaten! — also höchstens gegen England? Wenn der sozialistische Herr Fisher heute bloß noch der Opportunität gehorchend, durchaus nicht dem eigenen Triebe sich mit verdrossenem Stirn runzeln eines Volkstribunen Alt-Englands ver moderte Krönungszeremonien anschaute und dabei im Herzen den stolzen Gedanken einer freien australischen Republik träumte? Alt-England aber hat unter die Sphinx- klausel einer verschleierten Zukunft sein Plazet gesetzt, welche die Friedenskontrolle der Kolo nialflotten und die Bestimmung über ihre Ver wendung der Zentralregierung entzieht und bloß eine Anzeigepflicht zurüäläßt. Es ist viel leicht zweifelhaft, ob selbst ein unionistisches Ministerium größere Zugeständnisse durchgesctzt hätte. Englands Stellung seinen Kolonien gegenüber ist außerordentlich schwach geworden, und die Erinnerungen des Bostoner Teeauf ruhrs wie das Beispiel Spaniens warnen da vor, es mit dem Aufziehen schärferer Saiten zu versuchen. Das Mutterland muß die Entwick lung der Dinge an sich herankommen lassen. Möglich, daß die Erwägung, der aufrecht erhaltenen Verbindung mit dem Mutter lande nur Vorteile für gewisse Möglichkeiten keine irgendwie drückenden Lasten zu verdanken, neue Abfälle doch dauernd verhindert. Ob Kanadas starke Aufwärtsentwicklung nicht zum Teile der Tatsache entspringt, daß die Aus wanderer dort noch ein yankee-freies Amerika ohne Vertrustung vorfinden, will wohl überlegt sein, und im Augenblick erscheint auch dem Denken der Kanadier die Zeit noch ganz und gar nicht erfüllt, da mit den Zollschranken die Grenzpfähle fallen müßten, tlnd Australien wird schwerlich eine Flotte zu bauen in der Lage sein, durch die es die Fünfmillionen kolonie, auf sich selbst gestellt, mit Japans 65-Millionenreiche aufzunehmen vermöchte. Solche Rücksichten werden auch für die bekennt nisfreudigsten Kolonialrepublikaner das Elend, mit einem Mutterlands monarchischer Formen politisch verbunden zu bleiben, noch zu recht hohen Jahren kommen lassen und sie der Nach prüfung zugänglich machen, ob es denn wirklich eine Demütigung, ja auch nur ein Abbruch an freier Bewegung genannt werden darf, wenn denkbar loseste Bande die Bewohner eines Weltreiches Zusammenhalten. Oer neue meüerlsnüiltzeZolltsrilentmucl * England und die Niederlande sind die beiden europäischen Staaten, welche bisher dem Freihandels prinzip treu geblieben sind. Wenn sie auch auf eine Reihe von ausländischen Erzeugnissen Zölle erheben, so geschieht dies doch nur in geringem Maße, und es handelt sich dabei nicht um Schutz- sondern um Finanzzölle. Auch die seit Jahren in Angriff ge nommene Revision des niederländischen Zolltarifs sollte das Prinzip des Freihandels nicht berühren, aber, wie es bei solchen Revisionen in neuerer Zeit immer der Fall war, so weist auch der neueste nieder« ländische Zolltarifentwurf wesentliche Erhöbungen auf, die einen größeren Umfang angenommen haben, als Ursprünge ch beabsichtigt oder doch wenigstens zu gestanden worden war. Bei der Bedeutung unseres Warenaustausches mit den Niederlanden, der einen erheblichen Prozent satz dieses Reiches ausmacht — Deutschland führte aus den Niederlanden (ohne dessen Kolonien) für 258,5 Millionen Mark ein und exportierte dahin für 498,7 Millionen Mart — hat natürlich dieser Zoll- tarifentwurf für uns ein ganz besonderes Interesse. Steinkohlen und Roggen, welche in unserer Ausfuhr nach Holland an erster Stelle stehen, bleiben zollfrei, dagegen sind für Textilwaren erhebliche Zollerhebun gen vorgesehen u. zwar fast durchweg von 3 bzw. 5 Pzt. des Wertes auf 6 bzw. 10 und 12 Prozent. Es werden hierbei hauptsächlich gertoffen Wolltuche, wollene Frauen- und Mädchenkleider, Blusen, Schürzen usw., von denen Deutschland im letzten Jahre insgesamt für ca. 30 Millionen Mark nach den Niederlanden ausführte. Getroffen werden ferner gewisse Eisen waren, für die der Zoll zum Teil von 5 aus 12 Proz. erhöht wird. Ganz erheblich ist die Steigerung für Leder und Lederwaren, die bis jetzt teilweise zollfrei sind, künftig aber bis 11 Gulden pro 100 Kilo bzw bis 12 Prozent des Wertes tragen sollen. Eine Er höhung bis auf das Doppelte des jetzigen Zolles er fährt Glas, ferner Kurz- und Galanteriewaren Musikinstrumente, Uhren, Geschütze, Handwaffen, Lampen, Schirme, Möbel, von welch' letzteren für mehrere Millionen Mark nach Holland versandt wer den. Ganz bedeutende Zollerhöhungen, die aber für uns weniger in Frage kommen, sind für Tabak fabrikate geplant. Von nicht geringem Einflüsse auf die künftigen Zölle wird es auch sein, daß für eine ganze Reihe von Positionen der jetzige Wertzoll in einen Eewichtszoll umgcwandelt werden soll und daß eine weit eingehendere Spezialisierung des Tarifs vorgenommen worden ist. Die niederländische Tarifrevision ist hauptsächlich aus finanziellen Gründen erfolgt, was natürl'ch die Nachteile, welche dem deutschen Exporte aus der Zoll erhöhung entstehen, nicht weniger fühlbar macht. Schon vor zwei Jahrzehnten fanden zwisch-r beiden Ländern Unterhandlungen statt, um an Stelle des veralteten, auf der Meistbegünstigung beruhenden Handelsvertrags von 1851 einen neuen Vertrag ab zuschließen. Aber diese und auch spätere Aussprachen haben zu keinem Ergebnisse geführt. Von nieaer- ländischer Seite wu.de immer darauf hinqewiesen, daß erst ein neuer Zolltarif geschaffen werden solle, bevor wirtschaftsvolitische Verträge mit dem Aus lande zustande kommen könnten. Dieser Zeitpunkt ist gekommen, sobald der vorliegende Tarifentwurf von den gesetzgebenv'n Faktoren genehmigt le:« wird, wobei berücksichtigt werden muß, daß in Holland weite Kreise cm Freihandelsprinzipe sesth.rlt.rn und überhaupt jeder Zollerhöhung widerstreben. Oie Armee der Revsnche. Man kann nicht behaupten, daß die Franzosen Zeit verlieren. Noch schweben die Marokkooerhand tungen: noch hält die überwiegende Mehrzahl der deutschen Presse zähe an dem Glauben fest, cs sei un möglich, daß die Agadiraktion die Einleitung zur Preisgabe Marokkos durch das Deutsche Reich abge geben habe: und schon fängt man in der französischen Presse ganz munter und unbesorgt davon zu reden an, wie man aus den Eingeborenen Marok kos jene Armee schaffen kann, die berufen sein soll, den Nevanchekrieg nach Deutschland hin einzutragen. Die Hoffnungen, die einst die Turkos nicht zu verwirklichen vermochten, deren Erfüllung soll jetzt einer großen Armee aus Senegalesen, Marok kanern, Algeriern. Tunesiern anvertraut werden. Ist erst „der schönste Edelstein in der Krone Frankreichs", Marokko, dem französischen Kolonialreich einoerleibt, dann wird es keine fünf Jahre dauern, bis die Revanchearmce aus Niggern und Kabylen bereit steht, dem Deutschen Reiche bei der ersten passenden Ge legenheit den Todesstoß in die Flanke zu geben. Da hin qehen die Hoffnungen. S>e sind übertrieben. Aber lächeln dürfen wir nicht; denn unsere sämtlichen kompetenten militärischen Beurteiler stimmen darin überein, daß die Schaffung der „schwarzen Armee" die Offensiokraft Frankreichs uns gegenüber gewaltig erhöhen, einen deutschen Krieg gegen Frankreich un endlich schwer gestalten würde. Die Idee einer in Europa (lies: gegen Deutsch land) verwendbaren eingeborenen Armee ist seit langen Jahren in den französischen Kolonialkreisen und in deren Presse erörtert worden. Anfangs war man noch bescheiden. „300 000 muselmännische Krieger in den Reihen der Franzosen werden diese zu Herren der Welt machen." 300 000? Warum nur 300 000? Und bald schon heißt es anders. Mouli6ras: „Welche Macht könnte zwei Millionen nach französischer Art geschulter berberisch-arabisck>er Krieger wider stehen?" Wer nicht klar sah oder nicht klar sehen wollte, mochte sich lange Zeit damit trösten, daß es sich hier um die Wünsche und Hoffnungen einiger Ultras handelte, die praktisch bedeutungslos wären. Der Trost will nicht mehr vorhalten. Zwar hat die von der Regierung zur Prüfung der Frage eingesetzte Kommission bisher noch nicht gesprochen: Zwar stehen der Schaffung der schwarzen Armee die Besorgnisse der algerischen Siedler entgegen. Aber der Gedanke hat in immer wetteren Kreisen Boden gewonnen. Und wann hätten je praktische Bedenken in Frank reich den Ausschlag gegeben, wenn es sich um di« Gloire, um die Revanche handelte? Der „Matin" hat sich das objektive Verdienst er worben uns darüber aufzuklären, wie die offi- ziellen Instanzen Frankreichs über diesen Punkt denken. Der Abgeordnete Mejsimy (zurzeit Frankreichs Kriegsminister) schrieb ihm: ..Nordafrika würde sowohl durch seine eigenen Sol daten wie durch die schwarzen Truppen, die auf seinem Boden Garnison halten würden, ein großes Mannschafts-Reservoir werden, das uns im gegebenen Momente eine mächtige afrikanische Armee zur Ver fügung stellen würde, die wir an unsere bedrohten Grenzen s!) befördern könnten. Und sowohl im Hinblick auf die Zahl als auch auf den moralischen Eindruck, den der Eintritt solcher (lies: so roher) Truppen in den Kampf heroorgerufen würde, brächte die Bildung mehrerer Kabylen-, Araber, und Negerdivisionen unserer Militärorgani sation einen unvergleichlichen Stärkezuwachs." Dem stimmt der General de Lacroix, der einst der Träger einer geheimen Friedensbotschaft des Deut schen Kaisers an das französisck)« Volk war, rückhalt los und ohne Einschränkung bei. Noch wichtiger ist. wie sich der Marineminister Delcasse zu dieser Frage äußert: Delcastö, der die Seele und die trei bende Kraft der gegenwärtigen französischen Re gierung überhaupt und besonders in Marokkodingen ist: „Marokko ist ein Land, dessen Zölle mit einem fast nichts bedeutenden Handel 12 Millionen Ein nahmen geben und in sechs Jahren 250—300 Mil lionen geben werden. Es ist aber vor allen Dingen ein Land, in dem, dank der Pflanzschule an Men schen, die dort vorhanden ist und uns zu Hause fehlt, unsere nationale Armee sich eines Tages vielleicht um drei Armeekorps vergrößern kann." Und schon geht man ungesäumt an die Ausfüh rung. Man „reorganisiert" zunächst die Sultans- armee: d. h. man stellt die Sultanstruppen unter französischen Befehl und drillt sie nach dem französisck>en Reglement. Die in der Schauja schon ausgebildeten sechs Kompanien sollen auf min desten eben so viele Bataillone gebracht werden. Ein zweites Zentrum der Truppenausbildung wird Udjda. Ferner werden Vildungsanstalten in Rabat, Mazaqan, Safi und Mogador errichtet. Als stets mobile Truppen zur Sicherung der rückwärtigen Ver bindung zwischen Fez und Rabat sollen 6000 Mann dienen. Weitere 6000 sollen stets zu Expeditionen zur Verfügung stehen. Di« französischen Instruk toren, die dem Sultan geliehenen französischen Offi ziere, werden abgcrufen und durch dem französischen Kommando direkt unterstehende französische Offiziere und Unteroffiziere ersetzt. Damit ist der Grund stock für die Revanchcarmee gegen Deutschland auch in Marokko gewonnen. Können wir deren Schaffung hindern? Heute noch leicht: sobald wir aus Marokko gingen, nie mehr, es sei denn durch einen Krieg, in dem wir Frankreich unseren Willen aufzwingen. Ist es nun wohl eine weise und weitschau-nde Politik die um augenblicklicher Schwierigkeiten willen nachgibt in der Gewißheit, nach ein paar Jahren mit mathe matische: Notwendigkeit vor viel größeren, ja vor niedcrdrückcnd großen zu stehen? Wenn wir Süd marokko auf irgendeine Weise dem französischen Ein flüsse entziehen und dem unseren offen halten, so haben wir hier den Punkt, von dem ans wir im Falle eines Nevanchekrieges gegen Deutschland Frank reich die Verwendung seiner afrikanischen Armee in Europa bei Gefahr des Verlustes seines gesamten nordasrilanischen Kolonialbesitzes unmöglich machen können. Eine diplomatische Schlappe, die wir jetzt erlitten, würde in einigen Jahren mit dem Blute deutscher Soldaten, und, wenn es schlecht geht, mit dem Wüten barbarischer Horden auf deutschem Boden, mit allen Greueln afrikanischer Kriegsführung in unserem Vaterlande zu bezahlen sein. Und wir wollen, weil England ein Machtwort gesprochen hat, eine solche Schlappe auf uns nehmen? Oer Louümier Rielenltreitr. Die Zahl der Ausständigen in London beziffert sich bereits auf 90 000 und wird, wie wir bereits'meldeten, voraussichtlich noch 100 000 erreichen. In großem Zuge bewegten sich am Mittwoch Tausende der aus stündigen Dockarbciter unter Vorantritt einer Musik kapelle von East-End durch das Hafenviertel, um die noch Arbeitswilligen zur Teilnahme am Streik zu bewegen. Als der Zug an die große Kemüsehalle kam. wurden die Kutscher der hochbeladenen Gemüse wagen vom Bock gezogen; dieWaqen wurden umgestürzt, und als die Polizei einschreiten wollte, wurde auf diese ein Bombardement mit Kohl töpfen und Gemüsekörben eröffnet. Der Wagcnoer kehr ruht fast vollkommen, auch die Arbeiter auf dem Fischmarkt sind unzufrieden und wollen streiken. Die ruhige Haltung, die die Ausständigen noch vor einigen Tagen einnahmen, ist großer Erregung ge wichen, und besonders in den Vororten kommt es stündlich zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Nahrungsmittelhallen und Gemüseläden müssen polizeilich bewacht werden. Biele Fuhrwerksbesitzer weigern sich, ihre Wagen fahren zu lasten, da sie bei Angriffen auf dieselben deren Demolierung be fürchten. Sunyersnot ols Folge ües Streiks — Die britische Hauptstadt kann nur noch wenige Tage den Riesenstreik ertragen, ohne einer Kata. strophe auf dem Nahrungsmittelmarkt entgegenzugehe». London muß in 8—10 Tagen vor der Hungersnot stehen, wenn bis dahin nicht neue Lebensmittel eingeführt werden können. Fleisch muß bereits mit dem dreifachen Preis bezahlt werden als zur normalen Zeit. Gemüse ist nur noch schwer zu erhalten, selbst wennn man die dafür ge forderten hohen Preise zahlen will. Früchte sind schon selten geworden. 70 000 Kisten und Körb« euro- päischen Obstes, 5000 Kisten Früchte aus Kalifornien, 2-1000 aus Australien und 15 000 Körbe mit Süd früchten lagern seit Tagen in den Hafenhallen oder Schiffsräumen und können nicht befördert werden. Größtenteils si^l die Früchte schon in Fäulnis übergegangen, so daß ihre Vernichtung angeordnet werden mußte. Der den Händler» dadurch erwachsene Schaden beläuft sich ass viele Hunderttausend«. Milch und Butter sind SZßerft knapp. Bei der gegenwärtigen Hitze und der in der heißen Jahreszeit an und für sich geringen Milchproduktion langen die aus Holland und Dänemark etngeführten Milch-, Butter- und Käsemengen kaum für den Bedarf. Jetzt muß ein großer Teil von ihnen verderben, weil die Händler ihn nicht in die Hauser der Kunden befördern können.
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