Volltext Seite (XML)
und Anzeiger. ^ 60. Donnerstag den I. März. 1855. Bekanntmachung. Da die Ausfertigung und Legalisation der von Auswandernden nachzusuchenden Entlassungsurkunden wegen der zuvor nöthigen, ges tzlich vorgeschriebenen Erörterungen je nach den vorliegenden Verhältnissen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, demungeachtet aber zeither dergleichen Gesuche erst kurz vor der beabsichtigten Abreise angebracht zu werden pflegten, so sehen wir uns zur Vermeidung der hierdurch entstandenen Unzuträglichkeiten veranlaßt, darauf aufmerksam zu machen, daß die Gesuche um Entlassung auS dem Königlich Sächsischen Unterthanenverbande von den Auswanderungs lustigen in Zeiten und mindestens sechs Wochen vor der angesetzten Abreise bei uns (Expedition Nr. U.) anzubringen sind, indem außerdem die Betheiligten alle durch zu spätes Anbringen ihrer Gesuche entstehenden Nachtheile lediglich sich selbst zuzuschreiben haben werden. Leipzig, den 22. Februar 1855. Der Rath der Stadt Leipzig. Koch. Cerutti. B ek ann tm achung. Zum Behuf der gegen da- Ende jede- akademischen Halbjahres zu haltenden Revision der Universitäts-Bibliothek werden unter Hinweisung auf die tztz. LS und 26 der Bibliothek-Ordnung alle Diejenigen, welche Bücher zur Zeit entliehen haben, hierdurch aus- gefordert- diese, «wtz zw« die Herten Skndirmden vom L. bis L. März, alle übrigen Herren Entleiher aber vom 5. bis 7. März * Leipzig, am 26. Februar 1855. Die Derwaltwwg der VniverfitätS - Bibliothek. Mittheiiungen über Äassx und die Moldau*). Da ich, durch eine Bojarenfamilie kurz vor der russischen Pfaudnahme nach der Moldau gerufen, einige Zeit in Jassy gelebt habe, benutzte ich diese günstige Gelegenheit, um die Topographie von Jassy und der Moldau überhaupt so gut als möglich kennen zu lernen. Da nun dieselbe noch sehr wenig bekannt ist, hoffe ich, daß meine Darstellung der Eigenthümlichkeiten dieses Lande-, die unter dem frischen Eindrücke derselben geschrieben ist, einige- Interesse erwecken werde. Denn die im Lande Eingebornen und die seit längerer Zelt daselbst Wohnenden sind an da- Leben in der Moldau so gewöhnt, oder gegen die meisten Eigenthümlichkeiten desselben so abgestumpft, daß sie dieselben sehr schwer richtig wieder zu geben vermögen ; blo- Durchreisende aber haben zu wenig Ge legenheit, ln da- eigentliche Leben einzudringen. Jassy, die Hauptstadt de- unter türkischer Oberherrschaft »de» Fürftenthum- Moldau, liegt unter 47,20° Breite und ^ Lange, auf dem linken Ufer eine- kleinen schlammigen Kluffes, de- Bachlut, und auf einer länglichen Hügelkette, die an zwei Seiten von höheren Bergen »«»geben ist. Die Zahl der Ein wohner ist ungefähr 70,MV und bestoht tkeil- au- eigentlichen Moldauern unlxWalachen, zusammen Dako-Romanen genannt**), theits aus Rordslaven (wozu folgende Nationalitäten gehören: Polen, vorzüglich -alizische Juden, Russen, Rußniaken oder Nuthenen und Böhmen), und Südslaven (Servier, Bulgaren, Ersatz»), choils au- Deutsch«, Magyaren, Griechen, Armeniern, *) Eingesendet vom Medi-inalralhe vr. E. Schmalz, Gehör- und Spracharzte in Dresden. Di» Sprache derselben ist eine Tochter der lateinischen und Schwester der italienischen und französischen Sprache, daher wohlklingend und »u« Gesänge geeignet. Doch wird dieselbe, seit der Einführung des Ehrißenchums tm achten Jahrhundert, mit cyrillischen Buchstaben, die den russischen sehr ähnlich sind, geschrieben. Franzosen, Italienern und andern Nationen, theilS aus Zigeunern, welche Leibeigene der Bojaren sind. Man darf jedoch kaum den zehnten Theil der Bewohner zu den bessern Classen rechnen, indem eine sehr große Anzahl von Dienstboten aller Art und gegen 30,000 meist sehr arme Juden die Hauptbevölkerung ausmachen. Diese letzteren, meist au- Galizien, sprechen alle deutsch, die ungebildeten jedoch nur einen völlig unverständlichen Jargon. Nur die Bojaren wohnen in meist ansehnlichen, oft verschwenderisch eingerichteten Häusern, welche fast immer von großen Höfen umgeben sind, in denen sich meist eine kleine Landwirthschaft, besonder- eine Anzahl von Ochsen und Büffel nebst guten Büffel-Kühen befindet, welche wegen der vortrefflichen, äußerst fetten Milch gehalten werden. Die meisten Häuser der Kaufleute und Nichtbojaren sind schlecht eingerichtet. Noch mehr ist die- aber der Fall bei den Wohnungen der ärmeren Juden und in den Vorstädten. Hier bestehen die Häuser nur in den erbärmlichsten, meist halb verfallenen Baracken, so wie man sie in Deutschland und anderen eivilisirten Ländern nirgend-, selbst nicht in dem schlechtesten Dorfe, zu sehen Gelegen heit hat. Dle Stadt, welche im Verhältniß zu ihrer Bevölkerung eine sehr große Ausdehnung hat, macht daher im Ganzen einen jämmerlichen Eindruck, und man kann kaum glauben, daß man sich in einer so luxuriösen Hauptstadt befindet. Unter diesen ärm lichen Häusern findet man die Paläste der Bojaren zerstreut. Selbst an den meisten derselben findet man aber einzelne Theile in schlechtem Zustande, oft völlig zerfallen, besonder- diejenigen, wohin da- Auge de- Herrn nicht reicht*). Die Straßen der Stadt sind bei schlechtem Wetter und im Frühjahr unglaublich schmuzig, so wie e- mir noch nirgends vor- gek-mmen ist, ungeachtet ich ganz Europa durchreist und viele sehr *) Durch diese- Verfallenlaffen selbst schöner Gebäude, Gärten, Mauern, Zimmer u. dergl. nähern sich die Moldauer schon sehr den Türken und den Bewohner« de- Orient- im Allgemeinen. In Rußland habe ich die- nirgend- wahrgenommen.