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HL5. Mittwoch, den 25. Oktober. 1871. Frankenberger Uachrichtsblatt und Bezirksanzeiger. Amtsblatt des König!. Gerichtsamtes und des Stadtrathes zu Frankenberg. Erscheint wöchentlich drei Mal- Vierteljährlich 10 Ngr. — Zn beziehen durch alle Buchhandlungen und Post-Expeditionen. Nnegschronik non 1870. 84. October. Schlett stad t capitulirt, wodurch wieder 2500 Ge fangene und 120 Geschütze in die Hände der Deutschen »allen. — Marschall Bazaine fängt an durch seinen Ad jutanten mit dem Generalfeldmarschall Prinzen Friedrich Karl über die Bedingungen der Uebergabe von Metz zu unterhandeln. — Der sächsische StaatSminister v. Friesen und die hessischen Minister v. Dalwigk nnd Hofmann be- geben sich wie vorher schon bairische, würtembergische und badische Minister nach Versailles zu den Berathungen über die deutsche Verfassung. — Vorpostengesecht des 2. Batail- lons des 8. sächsischen Infanterieregiments Nr. 107 zwi schen Nogent und Neuilly sur Marne. 85. Oktober. Fortsetzung der Metzer LapitulationS-Unterhandlungen durch den General Changarnier im Hauptquartiere des Prinzen zu Corny und durch den Vicecommandanten von Metz General v. Humbert auf Schloß FreScaty vor Metz mit dem Generalstabschef de» Prinzen General v. Stichle. O e l t i i ch e S. Frankenberg, 84 Veckr. üimr 8 Tage, als am I. Novbr., wird der Einzug der schon auf dem Rückmärsche auS Frankreich befindlichen früheren Garnison von Chemnitz, deS 7. Infanterieregiments Nr. 106, stallfinden. Urber das Einrücken der übrigen Theile der 24. Division in ihre alten Standquartiere berichtet das „Dr. I ", daß dasselbe folgendermaßen er folgt: Am 3V. resp. 31. Octbr. 2 Batterien Artillerie in Freiberg; 2. Novbr. 3 Bataillone vom >07. Regiment und 2. Reiterregiment in Leipzig; 3. Novbr. 2. Reiterregiment in Grimma, resp. Lausigk, 3. Bataillon vom 107. Regiment in Wutzen, 3 Bataillone vom Schützenrcgiment Nr. IW in Dresden; 4. Novbr. I. und 3. Bataillon vom 104. Regiment in Zwickau, 2. Bataillon desselben Regiments in Plauen und 2 weitere Batterien in Freiberg; 5. Novbr. 3 Bataillon vom 104. Regiment in Schneeberg; vom 30. Octbr. bis 4. Novbr. die MunitionS- und Proviantcolonnen in Dresden. Frankenberg, 24. Octbr. Nach einer Be kanntmachung deS kaiserlichen OberpoftdirectorS zu Leipzig wird im benachbarten Niederwiesa nächsten I. Novbr. eine Pofterpedi tion er- öffnet, deren Bestellkreis die Ortschaften Brauns dorf, Euba und Oberwiesa umfaßt. ES wirb damit ein längst gefühltes bringendes Bedürfniß der zahlreichen Industriellen diese» Bezirks be- friedigt. Frankenberg, 24. Octbr. In frischer Er- innerung ist noch die hochwogende Bewegung in den verflossenen Sommermonaten, in denen zur Förderung der socialvemokratischen Ideen und Bestrebungen Volksversammlungen über Volksversammlungen mit dem bekannten lang» athmigen Redeschwall und Redefluß auch bei unS abgehalten wurden, deren einige sich beson ders mit den Zuständen der hiesigen Cigarren- fabrikationSbranche beschäftigten und den durch diese ihr Brod findenden Personen die Augen .über die angebliche Bedrückung Seiten ihrer Ar- beitSgeber öffnen wollten. In erster Reihe war da bekanntlich Herr „Agitator" Eckstein aus Waldheim, der eS so außerordentlich wohl mit den „Arbeitern" meinte, baß er, wie er sagte, bei keinem Fabrikanten mehr Beschäftigung er hielt. Da theilt nun jetzt ber in Leipzig erschei nende socialbemokratische „Volksstaat" auS Wald heim, dem bisherigen Sitze Eckstein'», ein Schrei ben mit, baS wir im allgemeineren Interesse, besonders aber zu Nutz und Frommen der Ber- ehrer und Verehrerinnen deS Genannten hier wiedergeben: „In Nr. 82 deS „Volksstaat" befindet sich eine Notiz von L. Eckstein aus Waldheim, daß alle Diejenigen, die Cigarren von ihm entnommen, nur Zahlung an ihn zu leisten haben, im entgegengesetzten Falle er dieselbe als ge leistet nicht betrachte. Nun werden die auswärtigen Freunde und Partei genossen nicht wissen, wie die Verhältnisse hier bei uns lie gen und das Vorgehen Eckstein's sich nicht erklären kön nen. Darum hier in aller Kürze eine Aufklärung darüber. Die Parteigenossen werden wissen, daß wir eine Cigar- «n-Productiv-Gniossenschast nach dem Muster der Erim- mitzschaner Tuch- und Webergenossenschast gegründet ha ben, unter der Firma Heinrich Hennig u. Lomp. und daß Eckstein als Prokurist eingesetzt werden sollte. Da jedoch dem Gericht diese Statute» zur Genehmigung Vorlagen und dieselben noch nicht bestätigt waren, erbot sich Eckstein, daß das Geschäft einstweilen auf seinen Na men geführt würde, wohlgemerkt, nicht auf seine, sondern auf Rechnung der Productiv-Genossenschaft, denn es wa ren die Gelder der Productiv-Genossenschaft. Nach sechs- wöchentlichem Arbeiten fanden wir uns veranlaßt, einmal Rechnung von Eckstein zu verlangen, um den Stand des Geschäfts zu übersehen, und hauptsächlich aus dem Grunde, weil Eckstein Niemandem in die Bücher Einsicht nehmen ließ, sondern jedesmal, wenn dies verlangt wurde, es hart näckig verweigerte, überhaupt ganz diktatorisch und will- kührlich verfuhr, was sich natürlich die Betheiligten nicht gefallen lassen konnten, denn es waren die Gelder der Genossenschaft. AuS diesem Grunde wurde von dem Auf- sichtsrath Rechnung verlangt, die Eckstein bis zum 1. Oc- tober ablegen wollte, die aber leider bis heute noch nicht erfolgt ist, trotz aller Aufforderung. Eckstein hat es von einem Tag zum ander» verschoben und dabei ausdrücklich bemerkt, daß er nur sein eigenes Ich im Auge haben müsse. Was der Sache die Krone aussetzt, ist Folgendes: Eckstein meldet am 3. October Abends seinen sofortigen Rücktritt ans der Genossenschaft und erklärt das Geschäft für sein Eigenthum; alle Gelder, Briefe, Korrespondenzen, Bücher und Rechnungen hat er aus dem Geschäft mitge nommen, und ist bis heute noch mit keinem Schritt wie der in dasselbe gekommen (also eine volle Woche), und er klärt alle Anordnungen, die im Geschäft gemacht würden, für ein Eigenthumsvergehen. Hat nun Eckstein die ge fertigten Cigarren auf seine Rechnung verkauft, so ist dies eine Unehrlichkeit von ihm — oder hat er dieselben auf Rechnung der Productiv-Genossenschaft vcrkanst, so ist dies eine Schamlosigkeit, indem er das Geschäft sür sein Ei genthum betrachtet. Wir fragen nun öffentlich: 1) Warum legt Eckstein keine Rechnung ab über den schon längst beendeten Strike der Cigarrcnabeiter. 2) Warum ließ er trotz aller Aufforderung keinen Strike-Kassircr aus dem Komitee ernennen und behielt alle Gelder in seiner Verwahrung? Und 3) warum wurden die Gelder, die bis 14 Tage nach dem Strike noch emgingen, nicht bei Empfang derselben in die Einnahmeliste eingetragen, sondern die Briese nnd Coupons fortwährend verschlossen gehalten? Den Parteigenossen noch zur Nachricht, daß Eckstein au» dem sozialdemokratischen Verein gestrichen ist, was auch die höchste Zeit war, denn wir hatten Veranlassung, ihn auSzustoßen. ES ist nämlich noch zu bemerken, daß »n« von der Partei die in Kaffe befindlichen Steuern zur Deckung des WahlagitationSdeficitS überlassen worden sind, daß diese Summe — 1 Thlr. 20 Ngr. — - — aber dennoch- nicht in die Kasse de» Wahlkomitee'S geflossen, sondern irr Eckstein's Händen geblieben ist. Vorstehendes bitten wir, um der Wahrheit willen, irr die nächste Nummer des „Volksstaat" auszunehmen, unk» fordern alle arbeiterfreundlichen Blätter aus, den Aussatz abzudrucken. Die Parteigenossen Heinrich Hennig. Karl Grunewald." Diese Historie ist die beste Illustration zu dm Eingang» erwähnten volkSbeglückenden und ar» beitersreundlichen Veiheißungen: nach dem Schim pfen über die bedrückenden Fabrikanten bei eig ner Geschäftsführung die eignen Mitarbeiter, für deren Wohl man nur bedacht zu sein vor- giebt, übervortheilen! Tageögeschichte. Frankenberg, 24. Oktober. Der deutsche Reichstag ist erst kn der viertm Sitzung am Mittwoch beschlußfähig geworden. Man schreibt das nicht rechtzeitig« Eintreffen der Mehrzahl der Abgeordneten der Diätenloßg» kcit zu. Leider scheint dieser Uebelstand aber noch nicht gleich verschwinden zu sollen, wie bieg aus einer Erklärung deS ReichSkanzleramtS- Präsidenten Delbrück hervorgetll, welche dieser auf eine Interpellation deS Abg. Schulze-De litzsch abgab, die Auskunft über den im letzten. Reichstage von der Fortschrittspartei erneut rin« gebrachten und von demselben angenommenen: Antrag auf Gewährung von Diäten sür die Abgeordneten verlangte. Delbrück erklärte,, der BunkeSralh gebe dem Anträge seine Zustimmung nicht. Schulze. Delitzsch hat ferner eine Inter pellation eingereicht, um Auskunft zu erhalten über die Resultate ter Bertheilung ber 4 Mil lionen Thaler zur Unterstützung eingezogen ge wesener Offiziere und Maniischasten der Reserve und Landwehr und ob eine weitere Bewilligung, von Unterstützungen auS Reichsmitteln nöthig sei. Der Umstand, daß unter den in Frank reich stehenden Truppentheilen noch viele Reser visten sich befinden, veranlaßte die Fortschritts partei zu einer weiteren Interpellation, dahim gerichtet: „Wie viel Mannschaften der Reserve flehen noch beim deutschen Heer« unter d«e Fahne? Wodurch ist die Zurückhaltung der Re servisten zu einem 4. Dienstjahr bei nicht mo bilen Cavalerieregimentern gerechtfertigt? 3« welchem Umfang wird beabsichtigt, während des Dauer der Occupatio» Reservisten bei der Fahne zu behalten, bezw. die daraus erwachsenden La sten auszugleichen? " Viele der Reservisten find: nun schon weit über Jahr und Tag bei dem Fahnen, die daheim in ihrem FriebenSberufe de« nölhigt sind, von ihren Familien schmerzlich ver mißt werden, während durch die letzte Rekruten- einstellung doch neue Kräfte gewonnen wurden.. (Ein großer Theil von Reservisten deS sächfischm ArmeecorpS ist in den letzten Tagen zurückge» kehrt; durch die jetzt eintreiende Räumung von . weiteren 6 Departement- folgen hoffentlich auG