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Riesaer K Tageblatt Freitag, 14. September 18S4, Abend» 47. Jahr,. DaS Riesaer Tageblatt »rschriat jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bet Abholung in den Expedition« in Riesa und Gtnhla, dm UnsgntzißMlM, sowie am Schalter du lasiert. Pojlanstalten 1 Mart 25 Ps., durch die Träger frei in» HauS I Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei in» Hau» 1 Mark SS Pf. Luzeigeu-Nmuch», Pg die N«m« de» Ausgabetage» bis Bormittag 9 Uhr ohne Bewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastanienstraste VS. — Für die Redaktion verantwortllch: Her«. Schmidt t» Nies«. und Anzeiger Wetlitt M Ltzelsn). Telegramm-Adressi MM I* » 4 Femsprechstrll, .La,.blatt', R s. AH, Rr. stv der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StadirathS zü Riesa Freiwillige Versteigerung. Erbtheilungshalber sollen Dienstag, den 25. September 1894, Vormittags 11 Uhr, im Märzdorf'schen Gasthofe zu Ganzig die zum Nachlasse der Gutsbesitzerin Amalie Augaste verw. Heinze geb. Werner in Ganzig gehörigen Grundstücke, als: daS Füufviertelhufengut Nr. 58 deS Brand-Cataster s, Fol. 54 des Grund- und Hypothekenbuchs, No. 14, 6, 10, 111, 120, 131, 133, 135, 137, 139, 146 des Flur buchs für Ganzig, 2311. 1,7 Ar.----41 Acker 177 s^R. umfassend, mit 969,76 Steuerein heiten belegt, ortsgerichtlich auf 62472 M. 85 Pfg. geschätzt, sammt Inventar und Vo:rächen, S. das Drittelhufengut No. 47^. des Brand-Catasters, Fol. 44 des Grund- und Hypothekenbuchs, No. 1, 114, 121 des Flurbuchs für Ganzig, 6H. 66,5 Ar —12 Acker 13 sü R. umfassend, mit 277,70 Steuereinheiten belegt, ortsgenchtlich auf 19870 M. geschätzt, sammt Borräthen ohne Inventar, und zwar im Einzelnen, event. auch zusammen durch das unterzeichnete Königliche Amtsgericht meistbietend versteigert werden. Erstehungslustige werden ersucht, sich zum Termine an Ort und Stelle einzufinden. Die Bersteigerungsbedingungen sind aus den an der hiesigen Gerichtstafel und im März- dörfischen Gasthofe zu Ganzig aushängcnden Anschlägen ersichtlich. Oschatz, am 23. August 1894. Das Königliche Amtsgericht. Lehmann. Tapcsgeschichte. Wie wir bereits kurz gemeldet, haben jetzt auch die .„Hamb. Nachr." zu der Rede des Kaisers in Königsberg einen Leitartikel gebracht, der ohne Zweifel aus Varzin stammt und der es wer'h ist, noch reproduzirt zu werden. Das Hamburger Blatt schreibt: ..„Ein Jeder sucht aus dem man- nigfaltigen Stoff, den die Rede gewährt, zu entnehmen, was ihm uno seiner Partei paßt. Zu diesem Behufe wird die nach ihrem logischen Zusammenhänge wohl erwogene Rede des Monarchen in verschiedene Theile zerpflückt, wo dann ein jeder Theil, aus dem Zusammenhang gerissen, geeignet ist, verschiedenartigen Auffassungen eine Unterlage zu gewäh ren. Wir glauben, daß die Rede nur als Ganzes ins Auge gefaßt werden kann, und danach allein bilden wir uns unser Unheil. Der Kaiser hat den ostpreußischcn Edelleuten und Agrariern ferne Unzufriedenheit mit der Form, in der sie ihre Opposition gegen die Handelsverträge betrieben haben, nochmals zum Ausdruck gebracht, dann aber zu erkennen gc- geben, daß er diese Phase des MeinungSkampfcs, wie sie in der That mit Annahme des russischen und des rumänischen Handelsvertrages ihren Abschluß gefunden hat, als der Ver- gangenheit angehörig ansehe. Er hat darüber Absolution crtheilk mil den Worten: „Als ausgelöscht betrachte ich Alles, was geschah." Zugleich erklärte er den Landwirthen: „Was Sie bedrückt, empfinde auch ich, denn ich bin der größte Srundbesitzer in unserem Staate, und ich weiß sehr wohl, daß wir durch schwere Zeiten gehen. Halten wir still, er tragen wir sie in christlicher Duldung, in fester Entschlossen heit und in der Hoffnung auf bessere Zeiten." In dieser Hoffnung — und darin liegt für uns das Hauptgewicht der kaiserlichen Rede — fühlen wir uns bestärkt, wenn der Monarch an seine ostpreußischcn Unterthanen den Ruf rich tete: „Auf zum Kampfe für Religion, für Sitte und Orb- nung gegen die Parteien des Umsturzes! Lassen Sie uns zusammen in diesen Kampf hineingehen!" Diese Aufforde rung, welche der ganzen Rede ihr eigentliches Gepräge verleiht, hat für uns und, wie wir glauben, für Jeden, der ohne tendenziöse Fraktionsstreberei die Kaiserrede liest, in ihrer Quintessenz die Bedeutung eines Verzichtes auf Fort setzung des Streites über eine Vergangenheit, welche auf lange Jahre hinaus unabänderliche Gegenwart geworden ist. ' In der That, die Handelsverträge sind ein ksit scoompli, an dem auf cin Decennium hinaus nichts mehr zu ändern ist, und die Berücksichtigungen, die außerhalb derselben der Landwirthschaft zugewandt werden können, werden bei dem „größten Grundbesitzer des Staates" ein geneigtes Ohr finden. Verzichten wir auf den Streit über Vergangenes und einstweilen Unabänderliches und wenden wir uns ge meinsam den Aufgaben zu, welche die Gegenwart uns stellt, indem wir vereint in den Kampf für Religion, Sitte und Ordnung gegen die Parteien des Umsturzes hineingchen. Damit glauben wir die Deutung der kaiserlichen Rede, welche durch Herausreißen einzelner Stellen aus dem Zusammen hänge von allen Denjenigen abzuschwächen gesucht wird, denen der Kampf gegen die Parteien des Umsturzes Unbehagen verursacht, richtig gestellt zu haben. Man muß der Rede des Monarchen Gewalt anthun, um zu der Auslegung zu gelangen, welche diejenigen Parteicn ihr geben, die stets von einigen „GewissenSbed-nken" befallen werden, sobald von Umsturz und dessen Bekämpfung gesprochen wird. Der Appell des Kaisers, ihn zu unterstützen in dem Kampfe, in den mit ihm zusammen hineinzugehcn er seine Königs berger Zuhörer aufgefordert hat, wird in den weitesten Kreisen des Landes ohne Rücksicht auf eine Sonderstellung des Adels begeisterten Anklang und bereitwillige Hilfe finden." Am wenigsten wird der Artikel Diejenigen erfreuen, dis in dem Fürsten Bismarck, der bekanntlich ein Freund des russischen Handelsvertrags nicht ist, einen Bundesgenossen bei der fortgesetzten schroffen Opposition gegen die Vertrags politik und deren Vertreter zu finden hofften. Dieser Lwff- nung hat Fürst Bismarck ein Ende gemacht. Ek^tzäth d>n Agrariern zum V-rzicht auf die Fortsetzung des Streites über eine Vergangenheit, die zur unabänderlichen Gegenwart geworden ist, und ermahnt sie, ihre Kampfeslust gemeinsam mit den anderen staatserhaltenden Elementen gegen den ge meinsamen Feind zu richten. Aber auch an die weiter links stehenden Parteicn wendet sich die auf die kaiserlichen Worte sich stützende Mahnung des Fürsten Bismarck. Deutsches Reich. Se. Majestät der Kaiser wird am 22. ds. Mts. in Thorn zu einer Feslungsübung ein- trcsfei. Se. Majestät kommt schon morgens 8 Uhr an und hält sogleich seinen Einzug in die Stadt zur Entgegennahme des Ehrentrunkes vor dem Rathhaus. Dann begiebt er sich nach dem Artillerieschießplatz, wo nach den Schießübungen ein Frühstück eingenommen wird. Hierauf findet eine Parade der drei Artillerieregimenter statt. Um zwei Uhr fährt der Kaiser nach Ostrometzko zur Besichtigung der neuen Eisen bahnbrücke bei Fordon und zum Besuch des Grafen Alvens- leben. Um 11 Uhr Abends wird die Fahrt nach Theerbude angetrcten. Wie man der „Voss. Ztg." aus Mailand meldet, wid mete und übersandte Kaiser Wilhelm der Königin Marghe rita eine von ihm gedichtete und in Töne gesetzte Kantate. Es handelt sich dortigen Blättern zufolge um eine im Stile der Minnesänger gehaltene Verherrlichung der persönlichen und geistigen Tugenden der Königin. Der Handelsminister Freiherr von Berlepsch bereist gegenwärtig die Kreise Glatz, Neurode, Reichenbach und Schweidnitz. Während der auf etwa vier Tage berechneten Reise sollen industrielle Einrichtungen und Handweberdörfer besucht und in Reichenbach mit den Landrälhen der be teiligten Kreise und Vertretern von Handel und Gewerbe Besprechungen abgehalten werden, bei denen auch die Ange legenheit der Errichtung einer Webeschule in Reichenbach erörtert werden dürfte. Ein süddeutsches Blatt brachte jüngst die Meldung, daß die Apotheken und die Steuer- und Zollbehörden beauftragt worden seien, über die Vcrbrauchsmengen von Saccharin und anderen Süßstoffen Erhebungen anzustellen. Hierzu bemerkt die „Schles. Ztg.": „Beim Handelsministerium sowohl wie beim Finanzministerium sind in neuerer Zeit mehrfach Klagen über die fortgesetzte Zunahme der Konkurrenz durch die Sac charin. und Slärkcsyrupfabrikcn seitens unserer Zuckerindustrie erhoben worden. Diese Klagen erscheinen nicht ganz unbe gründet, weil die letztgenannten Fabriken ihre Erzeugnisse ohne alle Steuererlegung Herstellen können und den einer Steuer unterliegenden Rübenzucker-Fabriken und Raffi nerien eine erfolgreiche Konkurrenz bereiten. Da es aber gleichartige Industrien sind, welche wenigstens einander ähn liche Produkte hervorbringen, so dürfte es in der Billigkeit liegen, diese Saccharin- u. s. w. Fabrikate ebenfalls einer Steuer zu unterwerfen. Aus dem Material, welches die genannten beiden Ministerien durch die Organe der Steuer verwaltung sich haben liefern lassen, dürfte zu schließen sein, daß die Frage der Unterwerfung des Trauben-Stärkezuckers unter eine Verbrauchsabgabe der Erörterung und Erwägung unterliegt." Die „Nordd. Allg. Ztg." beginnt ein- Artikelserie: „Das Aktionsprogramm der Regierung und die gegnerische Kritik". Sie hält darin gegenüber den erhobenen Einwänden ihre frühere Ansicht aufrecht, daß ohne eine Läuterung der positiven oder doch immer noch wesentlich positiven Parteien eine wirk- same"Zurückdränzung der Sozialdemokratie nicht möglich sei und weist das Verlangen zurück, daß die Regierung mit einem Aktionsprogramm hervortreten solle. Die Regierung handle besonnen, wenn sie außer ihrer eigenen Kraft auch die Trag weite der Unterstützung prüfe, auf die sie daneben rechnen könne. Die Läuterung der anderen Parteien bilde die un erläßliche Vorbedingung für den Kampf gegen die Sozial demokratie; so lange diese Mahnung nicht befolgt wird, müsse die Regierung sich als ersten Punkt ihres Aktionsprogramms die Aufgabe stellen, mehr Einsicht und bessere Entschlüsse aus den Parteien terauszuarbeiten. In einem zweiten Artikel sagt die „Nordd. Allg. Ztg." zum Schluß: „Wie aber der Kamps zu führen, ist, das haben wir in Be sprechungen über den Berliner Bierboykott und bei anderen Gelegen heiten wiederholt angedeutet. Es handelt sich darum, die jocial-revolu- tionäre Partei auf keinem Punkte unseres öffentlichen Lebens, weder auf politischem, noch auf wirthschastlichem, noch auf gesellschaftlichem Gebiete, Terrain gewinnen und in ein Machtgesühl hineinwachsen zu lassen. Macht die Socialdemokratie Miene, ihren Einfluß auch auf die Komniunalverwaltungen auszudehnen, hier das große Wort an sich zu reißen oder zunächst mit einem oder einigen Vertretern den Fuß in den Bügel zu bekommen, so müssen ihre Kandidaten von den bürgerlichen Parteien in geschloffener Reihe zurückgedrängt werden. Steht bei politischen Wahlen, insbesondere den Wahlen zum Reichs tage, auch ein Socialdemckrat zur Konkurrenz, jo muß sich das Haupt augenmerk daraus richten, seinen Sieg zu vereiteln; denn von keiner Stelle gilt mehr als von dieser, was wir in unserer Nummer vom 7. Juli sagten: daß Macht Macht gebiert, daß jedes neue Mandat der Socialdemokratie an sich und ohne weiteres den Einfluß dieser Partei auf die Masse steigert. Unternimmt es die politische social demokratische Partei, mit Hilfe frivoler Streiks und anderer Mittel des Terrorismus sich als Herrschaftsfaktor in unserem wirthschafllichen Leben auszuthun, so muß der bedrohte, einzeln herausgegrisfene Punkt mit gemeinsamen Mitteln geschützt und gehalten werden. Kein An bohrungsversuch dieser Art darf gelingen. Und wenn Berussgenossen und geschäftliche Kon'urrenten des von der Socialdemokratie Ange griffenen aus seiner Bedrängnis, Vortheil ziehen und die Sache der Socialrevolution direkt oder indirekt unterstützen, so müssen auch sie mit allen Schärfen d r Konsequenz als Gegner behandelt und nach dem von der Socialdemokratie gelieferten Muster an ihrer emfindlich- sten Stelle getroffen werden." Auf eine Verfügung des Reglerungspräsidenten sind die russischen Händler, die den Wochenmarkt in Posen besuchen wollten, nicht zugelassen w.rlen und mußten die Heimreise antreten. Dem „Reichsanzeiger" zufolge beträgt die Einnahme au Wechselstempelsteuer im Deutschen Reiche vom 1. April vis Ende August d. I. 3 397 572 Mark, gegen den gleichen Zeit- raum des Vorjahres Plus 11453 Mark. Frankreich. Die Absichten der Franzosen auf Mada- gaskar lassen sich kurz dahin zusammenfassen, daß gena irue Insel vollständig der Machtsphäre Frankreich» einverleibt werden soll. Der Form nach wird Frankreich die Howas so höflich und verbindlich wie möglich behandeln, in der Sache aber strengstens darauf halten, daß allen seinen Forderungen weitestgehende Erfüllung zu theil werde. Um England kümmert man sich in Paris bei dem ganzen Madagaskar, schein!) ir wenigstens, garnicht. Die ins Auge gefaßte Entsendung be trächtlicher militärischer und maritimer Aktionsmiitel an Or. und Stelle, im Fall die Howaregierung sich widerspenstig de- nehmen sollte, beweist, daß die Franzosen diesmal in Mada gaskar reine Bahn machen wollen. — Der „Boss. Ztg." wird aus Paris vom 13. d. gemeldet: Der KriegSzug nach Mada- gaskar bildet weiter den Gegenstand allgemeiner Antheilnahine.