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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120110017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912011001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912011001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-10
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Monat
1912-01
-
Jahr
1912
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Bezuft-PrkiS lür L«ipti- und Vorort« Lurch unser» Tröge, und Spediteur« «mal tä-ltch 'n» vau» -«bracht SV PI. monotl., LTV Bit. oi«rt«liodrl. Sri unleru Ftlialru u. An« nahmesreven ad-^dolt: IS Ps. monatU, LL Mt. otrrtrllahrl. Durch »i« Post: innerhalb Drullchland» und der d«utsch«n liolonien viertel >ahri. lt.tiu Rt., monatl. ILv MI. au,ichl. Pondeftevaeld. Fetner in Bel-len, Dänemark. »<n Danauftaaten, Italien, Lu-emdurn, Stiederlande, Itor- weaen, Oesterreich - Un-arn, Slusiland, Schweden, Elvweij u. Spanien. 2n allen iä>l>-«n Eluaten nur direkt durch di« G«lchätz»neU« br» Blatt«» «rtzaUltch. Da» Leipziger la-edlatt «rlchetnt Lmat ligiich. Sann- u. Aeierla-» nur morgen». Lbonnrment.-Lnnahm«: 2ahaun>»-«l>« 8, d«> unieren Tragern. Frliatrn, Spediteure» nnd vnnahmeiiellen, sowie Ponamtern und Briefträgern. Et»»»lv«rkaus»pr«t» 10 Pf. MorAen-Ausgabe. Mp)igcr TagMM «el..r»,ch,suM Vandelszeltung. rel..AnW.s>«M Ämtsbkatt des Rates und -es Rokizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis fii« Inserate au» Leipzig und Umgebung di« lspaltig« Petitzeil« S Pf., bi« Sieklum«. »eil« I Mk. von au»wän» L) Ps.. '-ieklomen Ull Mk. Inserat« von Behörden im amt lichen Teil di« Petttreilr 50 Pt k«schäst»anz«tgen mit Plas,v»rjchrifirn im Preis« erhöht Rabatt nach Taris. Beilagegedilbr Gesamt auslag« ä Mk. p Tausend erkl. Postgebühr. Teildetlag« höher. Fektrrteilt« Äustraae können nt^t zurück- aezogen werden Für da» Erscheinen an be-immten Lagen und Plagen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme Iohannisgasse 8. b«i sämtlichen Filialen u. allen Ännoncen- Elpeditionen de» In« und Aurlandes. Druck nn» Verla- »o» Fischer L Kurste» Inhaber: Paul tkürjten. Redaktion und iSeichaltsstellr: Iokannrigasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Sc«,trage L. b (Telephon 1621t. m. l6 KUttmoch. üen 10. üsnusr 1912. !O6. ZaLiryrmg. 32 Leiten Unsere gestrige Abendausgabe umsaht 8 Seiten, die vorliegende Morgennnmmer 24 Setten, zusammen Oss Wichtigste. * Dem Sächsischen Landtag ist der Linanzierungsplan für die Inter- nationale Ausstellung für Buchge werbe und Graphik in Leipzig 1914 zu gegangen. * Im Leipziger B ö r s e n g e b ä n d e wurden gestern die neuen S i tz u n g s r ä u m e in Ge- gemvart des Staatsminisievs Vitzthumv. Eck- städt und zahlreicher anderer Ehrengäste ein- geweiht. (S. bes. Art.) ' Der französische Minister des Aeuheren, de Seines, ha: seine Demission eingereicht. (Siehe Letzte Dep.) * Die Verhandlungen zwischen den chinesi schen Revolutionären und den Kaiser lichen tönnen als abgebrochen' betrachtet werden. (S. bei. Art.) * Ueber eine neue Kartoffel krank st eit machte Pros. Rouvier aufsehenerregende Mitteilungen. (S. K. u. W.) * In New Aork kamen bei einem Brande sieben Menschen um. (S. Tagcschr.) Dorum getrsmpit mirü. Die Parteien kämpfen bei den Reichstags wahlen für ihre Programme. Das ist klar. Die Parteien wollen Deutschland nach ihren Idealen gestalien, und diese Ideale sind niedergelegt eben in den Programmen. Aber die Niederschrift hält nicht immer gleichen Schritt mit dem Leben. Die Programme der deutschen Parteien sehen Anfang 1012 nicht viel anders als Anfang 1907 aus — nur der Fortschritt hat sich ein neues Einheits programm gegeben — und doch ist die Ziel strebigkeit und die Parteigruppierung wie um gewandelt. Die Parteiarbeit und der Parteikampf ist zum großen Teil rückwärts gewandt. Tas Wahlproblem ist ein geschichtliches. Ohne die Ereignisse der Jahre 1909—1911, namentlich die Ablehnung der Erbschaftssteuer und das Scheitern der preußischen Wahlreform, ist der Wahltamps nicht zu verstehen. Die Dinge liegen nicht ganz so einsach wie bei einer Nelchstaas- auflösung wegen Verweigerung einer Wehr- oder Kolonialsorderung. Dort folgt Schlag auf Schlag; die Bahn ist vorgezeichnet und eng; für oder wider die Regierungsforderung geht der Kamps. Heute ist das Feld weiter; es mischen sich in die Hauptfragestellung auch andere; immerhin ist es dein links vom Zentrum seinen politischen Plaß einnehmenden Lolksteil gelungen, zur be herrschenden Frage zu machen: für oder wi der die rechtsstehenden Parteien. Was nicht aus den Programmen zu ersehen ist, lehrt der Kampf der Konservativen und Nationalliberalen. Daß die einst Nahestehenden, die Waffengefährten des Bis- marckschen Kartells und die Verbündeten der Wahl von 1907, sich feindlich gegenübertreten, kennzeichnet den ganzen Wahlkamps. Für Zoll schutz, kaiserliche Rechte und gegen staatsgefähr dend« Sozialdemokratie wollen die Konservativen kämpfen. Diese Losung wird von der national liberalen Partei verworfen; sie sieht Zollschutz und kaiserliche Rechte nicht gefährdet, und den erfolgreichen Kamps gegen die Sozialdemo kratie glaubt sie gerade durch die Konservativen erschwert. Sie fordert Abkehr von der konfessio nellen Zentrumspartei und Gleichberechtigung des Bürgertums auf allen Gebieten. Das Objekt des Kampfes ist seit der Ab lehnung der Erbschaftssteuer ständig gewach sen. Schon im Reichstag hatte Herr v. Heyde- brand gesagt, daß es den- Konservativen nicht nur uni die Ablehnung der Erbschaftssteuer zu tun sei, sondern daß man einem aus dem gleichen Wahlrecht hervorgegangenen Parlament nicht die Verfügung über das Vermögen übertragen wolle. Auf denr damaligen konservativen Parteitage in Berlin herrschte ebenfalls die Meinung, daß der Kampf um weit wichtigere Dinge gehe als um die Erbschaftssteuer. Die Nationalliberalen haben genau das gleiche empfunden und emp finden es auch heute. Der Kampfpreis erscheint ihnen viel wichtiger und umfassender als der Zollschutz, als die Sicherung von Heer und flotte, für die sie früher begeistert gestritten staben und denen auch jetzt ihr Herz gehört. ES geht „aufs Ganze". Was aber ist das „Ganze", das alles in sich schließt und zugleich noch einen höheren Zauber übt, als jene Einzel heiten? Es ist am letzten Ende die Macht. Um nichts anderes wird am 12. Januar 1912 von Memel bis Konstanz, von Oppeln bis Aachen gerungen. Die Parteiunrcrfchiede bestanden auch vorher und jede Partei haue deu Willen, sich dnrchzusetzen; es ist das Werk der geschichtlichen Ereignisse der letzten Jahre, daß man allein in diesem Ringen den gewaltigsten Zweck sieht, für den alle Kräfte eingesetzt werden. Ter Kampf geht um die Macht, dieses eigenartige Ding, das das Umfassendste und Leerste, das Geistvollste und das Geistloseste, das Lebendige und das Tote sein kann. Nach geheimnisvollen kristallinischen Gesetzen scheint das deutsche Volk in zwei große Machtzentren geschieden zu sein. Der Ruf nach „P o li t i s i e r u n g" der Gesell schaft, der von Leipzig aus in die Lande getragen ist, hat eine kaum erwartete Erfüllung gesunden. Wir glauben, den gegenwärtigen politischen Zustand des deutschen Volles objektiv geschildert zu haben. Aber die Gegenwart ist nicht alles. Wahrscheinlich wird niemals wieder die Gruppierung so sein wie am 12. Januar. Die Sozialdemokratie wird schon selbst dafür sorgen, daß diese Gefahr wieder in den Mittel punkt tritt. Es gehört entweder eine strafbare Leichtfertigkeit oder ein überragender Optimis mus dazu, um zu glauben, daß das deutsche Bürgertum sich dauernd innerem Hader hingebcn könne. Ohne Optimismus kein Kampf und kein Sieg! Aber der Parteigeist droht zu über- w uchern! Viele sind schon in Parteilcidenschaft und Parteiblindheit befangen. Erst kommt bei ihnen die Partei und dann nach langer, langer Zeit das Vaterland. Oder das Vaterländische soll ganz „von selber" kommen. Da müssen Leute erstehn, die nach dem Bismarckschen Spruche handeln: „Man muß das Vater land stärken gegen die Partei." Für den 12. Januar aber ergibt sich die Folgerung: in der Partei und im schärfsten Wahlkampf nur für das Vaterland! Vie Mittelmeerpslitik im Jahre 1911. Von Dr. Kurt Weigelt. Wenn in die,cm Jahre entgegen oem bisher stets oe- folgten Brauche die Hälfte unserer Schulschiffe nicht ins Mittelmeer gesandt werden wird, sondern nach Kamerun, so ergibt sich daraus, für wie verdächtig der allgemeinen Kriegspest unsere Marineverwaltung die sonnigen Gestade ansieht, nicht allein die der Syrien, sondern offenbar das ganze Mittelmeerbecken von Gibraltar bis nach Syrien. Und sie hat damit recht. Das Jahr 1911 hat mit Umwälzungen so aussichrsvoll angefangen, hat soviel neue Verwicklungsmöglichteiten auftauchen lassen, daß auch für die nächste Zeit verhängnisvolle Folgen und Reaktionen erwartet werden können. 1911 scheint den geschichtlichen Anfang einer neuen Episode Mittelmeer, und Orientpolitik zu be deuten, wie es den vorläufigen Abschluß der Ver wicklungen um Marokko im westlichen Teile gebracht hat. Ohne Pause setzt nach Beendigung des politischen Konzerts im Westen, das zuletzt nur noch durch zwei Solostimmen in Baßbegleitung Zahn Bulls geführt worden war, die geräuschvollere Kapelle im Osten ein. Wir stehen jetzt abseits von diesem Trubel, auch im Westen ist unsere Stimme verklungen. Die Ereignisse des letzten Jahres in Marokko brauchen nicht erst wiederholt zu werden, sie sind hoffentlich für alle Zeiten Len Deutsck-en ins Gedächtnis gegraben. Ihr Resultat bedeutet für Frankreich Lle Abrundung seiner Mittelmeermacht, eine Vorherrschaft im west lichen Becken, wobei für England zufolge des Ver trages von 1904 und der dazu gehörigen Geheim abkommen und dem Abkommen zwischen Frankreich und Spanien die Sicherheit seiner Etappenlini« Gibraltar-Malta infolge des Befestigungsverbotes der dem Gibraltarfelsen gegenüberliegenden Teile des afrikanischen Festlandes erhöht worden ist. Die gewaltige Ueberlegenheit der englischen Position an dieser westlichen Mittelmeerpforte, die jedem unter ihr Durchfahrenden in atembeklemmender Weise vor Augen geführt wird, ist durch die jetzige Gestaltung der Dinge noch verstärkt worden. Gleich zeitig haben die Engländer in der rigorosesten Manier Deutschland aus der Nähe dieser Pforten des Herkules verbannt und anderseits durch die Besetzung von Solum einen neuen Stükvunkt sich geschaffen, dem sie im weiteren Verlauf der Tripoliskampagne vielleicht noch die Sudabai werden folgen lasten. Trotz des großen Gebietszuwachses für Frankreich ist es daher der «Wischen Politik gelungen, das Gleich gewicht im Mittelmeer zwischen den beiden Welt mächten wieder auszubalancieren. Ueber die Aus gestaltung des spanischen Besitzes auf afrikanischer Seite, über die noch verhandelt wird, läßt sich noch nichts Abschließende» sagen, für die Ecsamtlage spielen die kleinen spanischen Kolonien in Marokko auch keine erheblich« Roll«. Die verhängnisvollsten Unruhen brachte aber der Krieg um Tripolis. Unter der Parole ..Das Gleich gewicht im Mittelmeer ist bedroht" brachen im vollen Frieden des eigenen Jubiläumsjahres die Italiener zu einem Beutezuge auf, um auch bei der Austeilung Nordafrikas von der Partie zu sein. Bei dem kurz vorhergegangenen Besuche des türkischen Thron folgers in Rom ward diesem noch der „herzlichste" Empfang und ein — Judaskuß zuteil. Ueber die weittragenden Folgen ihres Unternehmens mögen sich die Herren in Rom wohl nicht ganz im klaren ge wesen sein, denn die ursprünglich von ihnen für die Expedition in Aussicht genommene Jeit wie auch die Mittel sind längst überschritten. Zudem hat es sich ergeben, daß sie den arabischen Gegner bei weitem unterschätzt hatten. Lorbeeren, die sie suchten und die ihrer Armee nach den Tagen von Adua so not laten, haben bisher nur ihre Telegraphen bureaus zu verzeichnen gewußt. Auch die sogenannten Siege der letzten Tage haben bei Lichte besehen immer mit einem Rückzüge in die früheren Stellungen und enormen Verlusten geendet. Hunderttausend Italiener behaupten — immer noch im Bereich der Schifssgeschütze — mit Aufbietung aller Kräfte die durch Bombardement genommenen Küstenstädte gegen ein Häuflein von 5000 Soldaten unL den 10—20 000 Arabern, die hier nicht um der Türken herrschaft willen, sondern ihrer Freiheit wegen fechten. Lin Friedensschluß, der die Küste ganz den verhaßten Italienern ausliefcrn würde, brächte hier Len Widerstand nicht zum Schweigen, höchstens wäre dies Lurch einen Frieden möglich, der die Cyre- naika der freien Herrschaft der Pforte über ließe. Denn in diesem Falle verbliebe die Küste des Mittelmecres, über Las die freien Wüstensöhne in Fcstan, Kufra, Trbesti, Borku und Wadai bisher zu ihrem Jreiheitskampfe die Waffen und Munitionen bezogen haben, wenigstens zu einem Teile vor der Waffenkontrolle der Fremden verschont. Auch hat sich bereits in den letzten Jahren der Verkehr auf den alten Transsaharastraßen in der Weise ver schoben, daß jetzt die Karawanen mehr als früher die Straße über Kufra—Benghasi benutzen. Ein derartiges Abkommen, bei dem Las weniger wert volle Tripolitanien den Italienern unter formeller Oberhoheit der Pforte überlassen würde, hätte also Aussicht auf eine tatsächliche Bceirdigung der Streitigkeiten, die bei einem anders gearteten Ver trage schwer zu erreichen wäre. Einen günstigeren Ausgang aus der Affäre kann zurzeit Italien nicht erhoffen, denn alle Versuche, die Schwierigkeiten auf dem afrikanischen Kriegsschauplätze durch Aktionen an anderen Stellen zu beschleunigen, sind mißlungen. Operationen in der Adria hätten beinahe zu einem Konflikt mit Oesterreich geführt. Der Kall Hötzen- dorffs bedeutet hier ein historisches Datum. Demon strationsgelüste im Aegäischen und Syrischen Meere sind schnell an dem Widerstande der interessierten Mächte, teils auch wegen der Aussichtslosigkeit der Aktionen vergangen. So fehlt heute dem italienischen Unternehmen jede Aussicht auf einen baldigen gün stigen Abschluß. Die Kriegslage der Türkei hat England und Ruß land nicht müßig gelassen. Von dem russischen oder bester gesagt spetziell Tscharykowschen Versuch, di« Dardanellenfrage erneut aufzurollen, ist es aber in letzter Zeit auffallend still geworden. Mit einer Oeffnung der Dardanellen würd« Rußland in die Reihe der Mittelmeermächte einrücken, was besonders für England — trotz aller augenblicklichen Freund schaft — eine Gefahr für die Verbindungslinie Gibraltar—Malta—Port Said, der großen Indien route, bedeuten würde. Der Widerstand der Groß mächte, Englands vor allem, mußte daher die russischen Pläne, die in jedem Fall« neue Beun ruhigungen geschaffen hätten, vereiteln. Die Pforte ist durch die Verträge nach der herrschenden völker rechtlichen Ansicht nicht allein berechtigt, die Durch fahrt zu gestatten oder die Verträge zu ändern, sondern kann das nur im Zusammenwirken mit Len arideren Vertragsmächten. England, das bei dieser Gelegenheit sich als Erhalter Les Statusquo aufspielen konnte, hat auch sonst in kluger Politik der Welt des Islams sich wieder zu nahen verstanden. Die demonstrativen Ehrungen des zum Empfang König Georgs nach Aegypten gesandten Prinzen Zia Eddin, wie auch des alten Kiamil und des Khedioen sollten zeigen, daß das brave Albion vor läufig nicht daran denke, die Verlegenheit der Türkei zur Annexion Aegyptens zu benutzen. Auch die Solumaffäre ist im wesentlichen ein Liebesdienst für die Türkei. Daß sich England rechtzeitig die großen Kompensationen sichern wird, daran ist nicht zu zweifeln. Der Dreibund hat uns in Mittel meerfragen bisher mehr geschadet als genützt, be sonders aber hat der eigenmächtige Krieg Italiens unser« Politik in ein« überaus schwierige Situation gebracht. Vielleicht bildet das Jahr 1911 auch für die Tripelalliance dem späteren Historiker einmal ein wichtiges Datum. Dshl- unk» psrtejststiltik. Man darf für die Reichstagswahlen am 12. Januar mit rund 14 Millionen Wahlberechtigten rechnen. In 40 Jahren hat sich ihre Zahl beinahe verdoppelt: 1871 zählte man 7.66 Millionen Wahlberechtigte. Ueber sechs Millionen Wahlberech tigte mehr können die Entscheidung, wie der Reichs tag zusammengesetzt sein soll, beeinflussen. Im Januar 1907 waren es 13,35 Millionen Wahlberech tigte, also genau 5.69 Millionen mehr als 1871. Wie hat sich nun dieses Plus an Wahlberech tigten auf die verschiedenen Parteien verteilt? Die Partei, auf die sich im Jahre 1871 die meisten Stim men vereinigten, waren die National libera len, die auf ihre Kandidaten 1,17 Millionen Stim men vereinigten. Bis 1878 standen sie an der Spitze, um dann dem Zentrum zu weichen. Nur 1887 oer- inochten sie nochmals die meisten Stimmen auf sich zu vereinigen. Im Jahre 1907 waren sic längst an dritter Stelle angclangt, obwohl ihre Stimmenzahl bei keiner früheren Wahl je so hoch gewesen war als bei der letzten. Sie vereinigten auf ihre Kandidaten 1,63 Millionen Stimmen oder rund 460 Tausend Stimmen mehr als im Jahre 1871. Doch was ver mochte diese Vermehrung der Stimmenzahl? Die Zahl der Abgeordneten sank in der Penode 1871 bis 1907 von 125 auf 50. An zweiter Stelle stand 1871 nach oer Zahl der abgegebenen Stimmen das Zentrum. Es ver einigte auf seine Kandidaten 724 149 Stimmen. Schon 1874 waren es fast doppelt soviel. Die weitere Entwicklung war ein allmähliches Ansteigen der Stim men, das nur von 1903 auf 1907 erheblich war. Von 1881 ab marschierte das Zentrum der Stimmenzahl nach an der Spitze, bis im Jahre 1890 die aufstrebende Sozialdemokratie alle anderen Parteien immer mehr ins Hintertreffen drängte. Immerhin gewann das Zentrum bei einem Vergleich der Stimmenzahl von 1871 und 1907 nicht weniger als 1,45 Millionen Stimmen, da es 1907 rund 2,18 Millionen Stimmen auf sich vereinigte. Statt 63 Abgeordnete wie im Jahre 1871 zählte cs 104 im Jahre 1907. An dritter Stelle standen 1871 der Stimmenzahl nach die Deutsch-Konservativen, 548877 Stimmen wurden vor 40 Jahren für die Kandidaten dieser Partei abgegeben. Selbst diese Stimmcnzabl ging nach 1874 auf 359 995 zurück. Dann setzte aller dings eine sehr erhebliche Zunahme ein, die damit endete, daß die Partei im Jahre 1907 mehr als eine Million Stimmen, nämlich 1,06 Millionen, für sich zählen konnte. Das ist gegen 1871 ein Zuwachs von 0,51 Millionen Stimmen. Die Zahl der Abgcord- neten stieg von 50 bis 80 im Jahre 1887, um all mählich bis auf 54 herabzugehen und erst 1907 wieder auf 61 zu steigen. Die verschiedenen links von den National liberalen stehenden freisinnigen Parteien fassen wir in einer Gruppe zusammen, wodurch sie stärker er scheinen als die Konservativen. Die linksstehen - den Liberalen hatten 1871 ein« Stimmenzahl von 642 726. Bis 1907 entwickelte sich die Zahl ihrer Wähler bis auf 1,22 Millionen, so daß sie einen Zu wachs von 0,39 Millionen Stimmen zu verzeichnen hatten. Die Zahl der Abgeordneten sank freilich dabei um 77 auf 49. Ziemlich stabil blieb die Stimmenzahl der Deutschen Rerchspartei, die 1871 mit 346 Tausend Stimmen einsetzte und 1907 mit 472 Tausend endete. Gewiß auch hier ist eine ziemlich merkliche relative Zunahme der Stimmenzahl eingctreten, ab solut fällt sie aber kaum in Betracht. Ebenso ver hält es sich bei den Polen, deren Stimmenzahl von 176 Tausend im Jahre 1871 auf 454 Tausend lm Jahre 1907 wuchs. Die Zahl der Abgeordneten sank bei der Deutschen Reichspartei von 37 auf 25, bei den Polen stieg sie von 13 auf 19. Von den übrigen Parteien brachte es im Jahre 1871 nur noch die S o z i a l d e m o k r a t i e auf mehr als 100 Tausend Stimmen; sie zählte genau 123 975. Bis 1881 war die Vermehrung ihrer Stimmenzahl nicht außergewöhnlich. Erst die achtziger Jahre brachten den Aufschwung, der sie dann 1890 an die Spitze aller Parteien brachte. Von 1890 geht es rn ungewöhnlicher Progression aufwärts, bis im Jahre 1907 die Sozialdemokratie mit 3,26 Millionen Stim men abschlotz. Von 2 Abgeordneten stieg ihre Fraktion auf 81 im Jahre 1903, um 1907 mit 46 zu schließen. Der Stimmenzuwachs gegen 1871 betrügt 3,14 Milli onen. Von den 5,69 Millionen Stimmen, die 1907 mehr abgegeben wurden als 1871, entfallen demnach auf die Sozialdemokratie mehr als die Hälfte, näm lich 3,14 Millionen, auf das Zentrum 1,45 Millionen, auf die Freisinnigen 0,59, auf die Konservativen 0.51 und auf die Nationalliberalen 0,45 Millionen. Das ergibt eine Zunahme von 6.15 Millionen, so daß die übrigen kleineren Parteien im Schlußeffekt 0.16 Millionen Stimmen verloren haben. Oie krsnMWen Lenstswshlen. (Von unserem Pariser Mitarbeiter.) Paris, 8. Januar. Die Senatswahlen sind ohne Zwischenfall verlaufen und haben bestätigt, daß der Raditalismus den Kulminationspunkt seines schier unheimlichen Glücks überschritten hat. Ein leiryter Rückgang in der radikalen Stimmenzahl ist zu verzeichnen, wenn auch die Royalisten und Lonapartisten noch einige von ihren wenigen sitzen verloren haben. Der ge mäßigte, den sozialen Reformen abholde Republi- kanrsmus hat allein von den Veränderun gen profitiert, da die Sozialisten, die trotz des ihnen ungünstigen Wahlsystems einige Plätze im Oberhaus zu erringen hofften, ebenfalls ein Fiasko erlitten. Im allgemeinen ist also die Tendenz für jene, die die Staatsmonopole ausdehnen, di« progressive Einkommensteuer durch führen und die Arbeiterpensionen verketzern wollen, nicht sehr ermutigend. Der französische Senat zählt 300 Mitglieder; von den früheren 75 auf Lebenszeit ernannten find nur noch drei übriggeblieben (BHrenger. Cazot und o« Marcdre). Da alle drei Jahre ein Drittel der Sena toren vor ihrer aus Vertretern der Vrovinzversamm- lungen. Gemeinderäien und andern Körperschaften zusammengesetzten Wählerschaft erncut erscheinen müssen, hatten gestern genau hundert iiBahlen statt. Mtimle Wähler! Nicht wähle« heißt das Uaterland verraten!
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