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Dresdner Journal : 28.10.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189710284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18971028
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18971028
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-10
- Tag 1897-10-28
-
Monat
1897-10
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 28.10.1897
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vezn«»pret«: Für Dresden vierteljährlich: s Mark 50 Pf., bei den Kaiser lich deutschen Postanstalten vierteljährlich 3 Mark; außer halb des Deutschen Reichc- Post- und Sten.pelzuschlaa. Einzelne Nummern: lv Pst Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr Anschluß: Nr. 1285 Dresdner Journal. «nkündignng-gedthre«: Für den Naum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 20 Pst Unter „Eingesandt" die Zeile SV Pf. Bei Tabellen- und Zisfernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber. königliche Expedition de- Dresdner Journals Dresdcn, Zwingers». SO. Fernspr.-Anschluß: Nr. 1285. 251. 18S7 Donnerstag, den 28. Oktober abends. Amtlicher Teil. Dresden, 28. Oktober Ihre Majestät die Königin sind gestern Abend 8 Uhr 41 Min. von Sigmaringen nach Dresden-Strehlen zuiückgekehrt. Erueuuungtn, Versetzungen re. im öffentlichen Dienste. Im Geschäftsbereiche VeS Ministeriums der Finanzen. Bei der Verwaltung der Staatseisenbahnen sind er nannt worden: Schmalfuß, zeither Packer, und Schmutzler, zeither Bahn- und Haltestellenwärter, als Weichenwärter II. Kl. in Niederwiesa und Reichenbach i. B.; Ehrlich, zeither Büter- schniber, und Voigtmann, zeither Hilssweichenwärter, als Weichenwärter II. kl in Dresden-Fr.; Herrfurth, zeither Stationsgehilse, und Hennig, zeither Hilssweichenwärtcr, als Weichenwärter II. kl in Dresden Wettinerstraße; Große, Petzold und Reichenbach, zeither Hilfsweichenwärter, als Weichenwärter II. Kl in Rositz, Falkenstein und Beucha Brandis; Hohlfeldt, zeither Bahnwärter, undMilitäranwärterGunder mann, zeither Guterschreiber, als Packer in DrcSden-A; Kanis und Wagner, zeither Bodenarbeiter, und Schmidt, zeither Wagcnrücker, als Packer in Herlasgrün, Meerane und Niederwiesa; Schaarschmidt und Schulze, zeither Gepäck arbeiter, als Packer in Dresden-Fr.; die nachgenannten ver pflichteten Arbeiter als Bahnwärter: Baumann und Samm ler für Posten Leipzig-Hof öS*II und 52a * II, Eckert für Posten Nossen-Moldau 18, Fischer für Posten Zwönitz- Chemnitz ll. Opitz für Posten Mügeln-Geising 2, Psaff und Windisch für Posten Chemnitz-Adorf 42 und 62, Rößler und Uhlig für Posten DreSden-Werdau 69 und 3a I Im Geschäftsbereiche des Ministeriums 0eS Kultus und -sfentlichen Unterrichts. Zu besetzen: die 2. ständige Lehrerstelle in Dorfchemnitz Kollator: da- König!. Mini sterium des Kultus und öffentlichen Unierrichts. Einlommcn: 1000 M. Gehalt, 72 M für diN Fortbildungsschul- und 36 M. für den Turnunterricht sowie srcie Wohnung Gesuche sind bis zum 15 November bei dem König!. BezirkSschulinspektor Schul rat vr Winkler in Freiberg (Sa.) einzuieichen; — die 6. ständige Lehrerstclle in Weinböhla. Kollator: das König!. Ministerium des Kultus und öffentlichen UnürrichtS. Gehalt: 1100 M. Jahresgehalt und 16o M. Wohnungsentschädigung. Meldungen sind mit sämtlichen Zeugnissen bis zum 20 Novem- ber an den Königl. Bezirksjchulinspeltor Schulrat Wangemann in Cölln-Elbe einzureichen. Nichtamtlicher Teil. In Baden haben gesürn Ergänzungswahlen für den Land tag stattgefunden, denen -eine über das badische Land hinausgehende Bedeutung nicht abgesprochen werden kann. Im badischen Landtage haben bisher bekanntlich die Nationalliberalen die Mehrheit besessen; allerdings war diese Mehrheit bei den letzten Erneuer ungswahlen bis auf eine Stimme herabgesunken. Von den 63 Sitzen der Kammer sind diesmal 31 neu zu besetzen. Die größere Zahl davon, näm lich 16, muß der Nationalliberalismus vertheidigen, 12 hatte das Zentrum inne und je einen die Demo kraten, die Sozialdemokraten und Konservativen. Insgesamt hat die Deutsche Volkspartei diesmal vier Kandidaten aufgestellt (Offenburg, Karlsruhe, Mann heim und Turlach Land), die Freisinnige Volkspartei steht fünfmal zur Wahl, die übrigen Gegenkandida turen stellen Zentrum und Sozialdemokratie. In der Kammer bleiben 16 Nationalliberale, 9 Ultramontane, 3 Demokraten, 2 Sozialdemokraten sowie je 1 Konser vativer und 1 Antisemit. Um eine sichere Mehrheit für die Demokratie herzustellen, wäre ein Gewinn von vier Sitzen erforderlich. Daß aus eigener Kraft keine der demokratischen Parteien im stände sein werde, das ersehnte Ziel, die Vernichtung der nationalliberalen Mehrheit, zu er reichen, darüber war mau sich im Lager der Demo kraten einig. Und so reichte man sich denn die Hände zu einem gemeinsamen Bunde. Was heimlicher weise schon oft geschehen ist, das spielte sich jetzt in Baden zum ersten Male in aller Oesfentlich- keit ab: Das bekanntlich monarchisch „bis in die Knochen" gesinnte Zentrum schloß einen Bund mit der revolutionären Sozialdemokratie ab und als dritte Bundesgenossin fügte die demokratische Volkspartci ihre zarte Hand hinzu. „Zwischen Zentrum und Demokratie bestehen Gegensätze, die niemand zu ver hüllen braucht, weil sie den Wählern bekannt genug sind; das Zusammengehen beider Parteien hat nicht den Zweck, diese Gegensätze auszugleichen oder abzu schleifen, sondern den Zweck, den badischen National liberalismus verdientermaßen auf das Haupt zu schlagen und ihn aus seiner herrschenden Stellung hinauszuwerfen." Mit diesen schönen Worten tröstete man sich über das Unangenehme des zärtlichen Ver hältnisses, das man eingegangen war, hinweg. Er freulicherweise haben die Konservativen obwohl sie allen Grund hatten, den Natienalliberal'en nicht allzu hold gesinnt zu sein, ohne Schwanken den Stand punkt eingenommen, den ihnen ihre monarchische Ge sinnung zur Pflicht machte. Sie sind durchweg für die nationalliberalen Kandidaten eingetreten. Über den Ausgang des gestrig n Wahlkampfes liegen noch keine endgiltigen Nachrichten vor. Aber so viel steht doch schon fest, daß in Karlsruhe-Stadt 228 demokratisch- sozialistische und 192 nationalliberale Wahlmänner ge wählt worden sind. Damit haben die Nationalliberalen die drei Mandate, d e sie in der badischen Hauptstadt bisher besaßen, an die Demokratie verloren Wenn die Nationalliberalen daher nicht etwa in anderen Wahlkreisen Eroberungen gemacht haben, — was aber nicht sehr wahrscheinlich ist, — werden sich heute die vereinigten ultramontan-demokratischen Bundesbrüder freuen können, ihr Ziel erreicht zu haben Ob sie ihres Sieges froh werden können, ist freilich eine andere Frage. „Nervöse Politik" ist eines der geläufigsten Schlagworte, mit denen heute die Presse der Demokratie bei ihrer systematischen Verhetzungsarbeit operiert. Während diese Presse kein anderes Ziel kennt, als durch fortwährendes Lärmen und Tadeln, ödes Kritisieren und Besserwissenwollen unser Volk fortgesetzt in einer nervösen Unruhe zu erhalten, entblödet sie sich nicht, zu jammern und zu klagen, daß es die „nervöse Politik" der Rrichsrcgier- ung sei, durch die Unzufriedenheit und Unruhe im Volke genährt werde. An der Spitze dieser demo kratischen Organe steht schon seit langer Zeit die „Vossische Zeitung". Gegen dieses Blatt wendet sich die „Volkswirthschaftliche Correspondenz" in der fol genden zutreffenden Auslassung: Fürst Bismarck hat einmal im Reichstage das .Krebsen mit der Leiche des seligen Lasker" getadelt; dieser angenehmen Beschäftigung nämlich gab sich der Berliner Freisinn in allen seinen Schattierungen hin, als Laeker fern von der Heimat aus einer Reise in den Bereinigten Staaten gestorben war Das .Krebsen" hat der Freisinn seither nicht verlernt. Man .krebst" heutzuiage in seiner Presse nicht allein mit den „Leichen" der eigenen Leute, sondern sogar mit politischen Gegnern, die noch leben und sich hoffentlich noch lange des rosigen Lichtes erfreuen werden Die demokratische Presse hat eS sich neuerdings an gewöhnt, die Popularität des Fürsten Bismarck auszumünzen und ihn für ihre Freiheitsideen als Schwurzeugen aufzurufen. Höchst erbaulich war es jüngst in der „Vossischen Zeitung" zu beobachten, wie das Geschäft solchen „Krebsens" gemacht wird. Fürst Bismarck steht zu hoch, als daß rS ihm und seinem politischen Verdienst nm unser Volk schaden könnte, wenn heute seine „intimsten" politischen Gegner, zu denen ge rade jener Berliner Freisinn von Anfang an gehört hat und heute noch gehört, der in der „Vofsischen Zeitung" seinen Typus findet, sein Lob singen. Aber waren es denn nicht ge rade die „Vossische Zeitung'' 6 tutti guaoti, welche in den Märztagcn von 1890, als Fürst BiSmarck — um mit ihr zu reden — „ein Begräbnis erster Klasse" erlebte, „Uff" jauchzten, „wie von einem Alp befreit"7 Was immer den Freisinnigen Mißbehagen verurfacht, — die „Voss. Ztg." führt eine lange Liste höchst ergötzlicher Einzel- heilen auf — schieben sie einer „nervösen Politik" in die Schuhe, die ihrer Ansicht nach in so krassem Gegensätze zu der Bismarckschen Zeit stehen soll, daß eS ihncn „fast scheinen will, als ob heule das Volk meine, damals habe man sich noch einer beneidenswerten Freiheit im Vergleiche mit den heutigen Zu ständen erfreut " Die „Boss. Ztg." zetert über „nervöse Politik"! Hat sie nicht gerade zu Zeiten des Fürsten Bismarck wer weiß wie ost über nervöse Politik gezeiert? Jedesmal nämlich, wenn ihr etwas gegen den Slrich ging, was doch von der Konfliktszeit an bis zum Jahre 1890 bei jedem Akte der inneren und vielen der auswärtigen Politik des Fürsten der Fall war Und wie war- denn mit der „Vossischen Zeitung" und Genossen, als die „Germania" das hübsche Slichworr ausgab: Es gelingt nichts mehr? Wenn aber die „Vossische Zeitung" durchaus wissen will, die Nervosität in der Politik sei „so groß und verbreitet, daß heule in politischen Kämpfen nicht einmal dem Sieger wohl ist in seiner Haut", dann möge sie doch einmal gesälligst im Lager derer um Rickert sich umsehen, dort wird sie erfahren können, wo die Nervosiiät steckt, die ihr so große Schmerzen macht AIS Fürst Bismarck abtrat, und Hr. v. Caprivi erschien, machte sich die bürgerliche Demokratie große Hoffnungen, die sich alle glücklicherweise nicht ersüllt haben. Daß sich jene mit unrealisierbaren Hoffnungen trugen, dafür konnte weder der neue Kurs von 1890, noch der neueste von 1894. Nervös haben aber den Freisinn die in so kurzen Zwischenräumen erlebten Enttäusch ungen gemacht, Enttäuschungen, die in der Überschwenglichkeit der eigenen Hoffnuugssreudigkeit, nicht etwa in Thaten oder Ver heißungen anderer ihre cigentliche Ursache halten. Zu den charakteristischen Kennzeichen hochgradiger Nervosität gehört es, daß man diese Krankheit bei anderen wahrzunehmen glaubt, bei sich selbst aber nicht bemerken will. Genau so geht es mit der politischen Nervosität. Weil die Herren von der „Frei sinnigen Bereinigung" nach so vielen großen Worten keine Er folge auszuweisen haben und ahnen, daß die nächsten Wahlen sie politisch begraben werden, deshalb sind sie nervös, und des halb schellen sie andere wegen nervöser Politik Welch hoch gradige Nervosität gehört schon dazu, wenn die „Voss. Ztg." mit dem Fürsten Bismarck „krebsen" will, während sie als Heil mittel gegen die von ihr beklagte politische Nervosität nurdie ältesten demokratischen Heilmittel zu empfehlen weiß Ihr Erguß fchließt nämlich:„Wo aber ist das Heilmittel? Es kann nur gesucht werden in einem starken Bolkswillen und einer kräftigen freiheit lichen Gesetzgebung Wie ein staikcs freies Volk auch schwere politische Prüfungen überdauert, da- hat man in Eng land, auch in diesem Jahrhundert, gesehen. Und durch die ganze neuere Geschichte des Jnselreiches zieht sich die Lehre, daß die Gesetze herrschen müssen, nicht die Personen. " Nun, die „Vossische Zeitung" hat das Englische stets geliebt, wie mag aber Fürst BiSmarck wohl gelacht haben, wenn ihm diese Engländerei vor Augen gekommen ist, zu der der Lob- yymnuS aus den .Werkmeister am Bau der deutschen Einheit" die Ouvertüre bildete?! „Starker Volkswille" und „krästige freiheitliche Gesetzgebung" im Sinne der „Vossischen Zeitung", das sind gewiß die Heilmittel, welche der Altreichskanzler zur Heilung ter kranken Zeit empfehlen würde! Wenn aber ein anderes Blatt, das noch kühner als t'ie „Voss. Ztg " sein will, meint, zu deren schönem Schlußworte hätte noch hinzugesügt werden können, „daß der erste Lehrsatz der freiheitlichen Gesetzgebung sür die Wohlfahrt von Staat und Volk lautet: Keine Gesetze für Sonderinteressen!" so bietet ja das von der „Voss Ztg" angezogene Musterland England den klassischen Boden einer Gesetzgebung für Sonder interessen. Oder etwa nicht? Nun, daß die englischen Interessenten sich jederzeit aus das Gesetzgebungsgeschäst verstanden haben, würde die „Voss. Ztg." auf Anfrage beim Fürsten Bismarck gewiß bestätigt erhalten Die nordamerikauische Zollpolitik Europa gegenüber nimmt allmählich Formen an, die ein ruhiges Zusehen der europäischen Regierungen immer unverständlicher erscheinen lassen. Die gegen wärtige Sachlage wird einer Beleuchtung in den nachstehenden Bemetkungen der „Kreuzzeitung" unter zogen: Wie erscheint, ist man in Washington entschlossen, über die diplomatischen Proteste der europäischen Regierungen gegen die Zuschlagszölle aus Zucker aus prämienzahlenden Ländern hinwegzugehcn. Nach einer Mitteilung des „Hamb Corresp." ist jetzt von Washington auS eine Antwort ergangen, aber eine sehr sonderbare Antwort, da sie den Gegen stand des Protestes mit Stillschweigen übergeht, dasür aber von der deutschen Regierung die Zurücknahme des deutschen Einsuhrverbotcs sür lebendes Rindvieh verlangt. Eine derartige Ablehnung in Gestalt einer neuen unbegründeten Forderung erscheint geeignet, die handels politischen Gegensätze zwischen den Vereinigten Staaten und Kunst nnd Wissenschaft. Neue Romane. (Fortsetzung.) In der langen Folge der Romane aus der Gegenwart, deren jede Woche einige neue bringt, muß der Gruppe derer, die, ohne tieferes Leben zu erschließen und poetische Wirkung zu hinterlaßen, doch wenigstens mit einiger Welt kenntnis ein gewisses Gleichmaß der Ausführung, einen persönlichen Stil verbinden, aus der Maße herausgehoben werden Zum Teil hebt sie schon der Erfolg heraus. Von „Boris Lensky", Roman in sechs Büchern von Ossip Schubin, liegt uns eine dritte Auflage (Berlin, Verlag von Gebrüder Paetel) vor, die verbürgt, daß der zuerst in der „Deutschen Rundschau" veröffentlichte Roman inzwischen eine weite Verbreitung gewonnen hat und dem Verlangen eines großen Teils des Publikums Genüge leistet Im Grunde ist „Boris LenSky" die Wieder aufnahme und Verstärkung eines Motivs, das die Ver fasserin in ihrem vielgenannten Erstlingswerk „Die Ge schichte eines Genies" behandelt hat. In der gleichen scharf auffassenden, halb energisch halb lässig charakterisieren den Weise wird hier wie dort Glück und Leid einer der scheinbar glänzenden vielbeneideten Künstlereristenzen unserer Tage, ihr geheimster Bruch und ihr unabwendlicher Verfall im Kampf mit dem Leben dargestellt. Bis auf den Coterie- ton, die blasiert geringschätzige Überhebung einer gewißen aristokratischen und halbaristokratischcn Welt gegenüber der Kunst und dem Genie, bis auf den stark manieristischen Wechsel seiner Einzelausführung und kecker Skizzen ist der dreibändige dem einbändigen Roman verwandt. Der ge feierte Geiger Boris LenSky wird in der Tragik seines Leben« dargestellt, seine eigene ungezügelte Natur und innere Haltlosigkeit entfremdet ihm den Sohn und würde ohne die Dazwischenkunft der von LenSky schwer be leidigten Heldin Nita von Sankjewitsch die Tochter ins Verderben stürzen In der Erkenntnis des Sturmes in der Seele und dem Lebensgeschick solcher Charaktere zeigt Ossip Schubin bekanntlich ein scharfes Auge und die Anlage seines mit halb gleißenden, halb düstern Schilderungen durchsetzten Romans schließt die vom romanlesenden Publikum vorzugsweise be gehrte Spannung mit ein Es fehlt nicht an feinen »nd stimmungsvollen Scenen, und doch ist das Ganze auf einen ungesunden Effekt hin gearbeite: Die internationale Gesellschaft der europäischen Hauptstädre mit ihrem Anhang von Halb- und Viertelswelt kann eben auf die Länge den Reichtum der Welt nicht vertreten, und so wird man auch in „Boris Lensky" das Gefühl nicht los, daß es nur eines Schrittes rechts und eines Schrittes links bedürfte, um ein poetisch ergiebigeres Stück Welt aufzuthun Boris Lensky, der selbst ausruft, als ihn der Sohn auf seine Kunst verweist: „Meine Kunst?! glaubst du denn, daß ich nicht weiß, wie es damit beschaffen ist? Eine Kunst, deren höchste Errungenschaft darin besteht, ein paar über spannte Weiber um das miserable Nestchen Anstands- aefühl zu bringen, das sie allenfalls sonst noch gehabt hätten Nein, die Wirkung, die meine Kunst — was davon übrig ist — aus die Menschheit auiübt, die ist nicht danach angethan, mir meinen verlorenen Idealismus wiederzugeben " Solcher Charakter und solche Anschauung sollten poetisch nicht dargestellt werden, ohne daß wir das Gegenbild dazu erhielten; die neuere pessimistisch manieri- stische Kunst spart sich die Mühe und leugnet wohl auch das Bedürfnis Am Erfolg des „Boris Lensky" hat vielleicht die moderne Deutungssucht, die im Bild und Schicksal des russischen Geigers das Porträt und mannig fache Eigenschaften eines herühmten Künstler« wieder er kennen wollte, ihren starken Anteil gehabt Uebrigens braucht eS de« Klatsche« gar nicht, auch ohne seine Unter stützung würde der abwechselungsreiche Roman mit dem Firnis einer höheren und freieren Weltbildung sein Publi ¬ kum gewinnen und noch eine gute Weile erweitern Bis wir so weit sind, dieser Chicbildung ihre anmaßliche Gering schätzung mit Zinsen zurückzugeben, ist eS noch weithin und bis dahin Weltbildern gleich „Boris Lensky" ihre Wirkung und Geltung gesichert Auf der Halbhöhe, die so viele Erzähler erreichen und auf der ihre Kraft ermattet, bewegt sich der Roman „Schlafende Augen" von Hans Frhrn v Sanden (Dresden und Leipzig, Verlag von Karl Reißner 1897). In seiner Anlage und seinem ethischen Gehalt weit über den bloßen Unterhaltungsroman hinausgreisend, aber in Phantasie, poetischer Gegenständlichkeit, lebenswarmer Einzelausführung und Vortragslon keineswegs über ein gewisses Mittelmaß emporragend, ist das Buch eines von den vielen, die man nicht ohne Anteil liest, die aber keinen liefern Eindruck hinterlaßen. Die Erziehungs geschichte des jungen Grafen Ulrich, die verdeutlichen soll, warum aus dem anfänglich etwas wild Aufgeschoßenen doch nach allen Richtungen hin ein so stattlicher, innerlich vornehmer Mensch geworden ist, erscheint uns etwas gar zu breit behandelt Die Berliner Episode mit Elisabeth v. Eberhard, dem Regimentsadjutanten v Raabe und der Heirat Elisabeths mit dem Fürsten Brühl, die Heirat Gras Ulrichs mit dem Kapellmeistertöchterlein Anni Händel und noch mehr die des alten Grasen mit Cäcilie v. Blomm schließen eine ganze Folge von verbrauchten Romanmotiven ein und vollends der Schluß der „Schlafenden Augen", das Verhältnis der Gräfin Cäcilie zu dem früheren Kammerdiener Kruth, die Entdeckung, der Sturz und der Tod des alten Grafen Heinrich Waldhann schlagen zu sehr in den Ton der alltäglichen Spannungsgeschichten hinüber und kontrastieren unerfreu lich mit den besseren Anfängen des Romans Der kleine Roman „Heinz Kirchner" aus den Briefen einer Mutter an ihre Mutter von Adalbert Meinhardt (Berlin, Verlag von Gebrüder Paetel 1897) ist hübsch eingerahmt und zum Teil sehr fein belebt dem Deutschen Reiche noch empfindlich zu verschärfen Wenn e- sich bestätigt, waS bas „Berl Tagebl.' meldet, daß der Präsi dent Mac Kiiley in der Person des Hrn A Kasson von Iowa einen Spezialkommissar mit Generalvollmacht für den Abschluß von Gegenseitigkeit-certrägen mit anderen Ländern aus Grund von Artikel 3 und 4 des Dingley-TarisS ernannt hat, so dürste unter den obwaltenden Umständen deutscherseits keine Ge neigtheit vorhanden sein, in Verhandlungen mit einer Regierung einzutreten, welche begründete Pro teste sormlo- ablehnt und unbegründete Forderungen nachVerkehrSerleichterungen stellt, während sie felbst weitgehende Berkehrserschwerungen durchgeführt hat. Man wird abwarten können, ob andere europäische Staaten zum Abschluß von Gegenseitigkeit-Verträgen mit der nord amerikanischen Republik geneigt sind. Sollte es, was vorderhand noch sehr zu bezweifeln ist, zu solchen Ver trägen kommen, so würden die Zugeständnisse, die sich die ver tragschließenden Staaten einander einräumen, aus Grund der allgemeinen Meistbegünstigung und insbesondere des deutschen Meistbegünstigmigsvertrages mit den Bereinigten Staaten ohne weiter:- auch dem Deutschen Reiche zu gute kommen, wenn man in Washington nicht an eine neue, noch bedenklichere Verletzung de- Vertrages mit Deutschland denken sollte. Nach einer Meldung der „Mil.-Pol.-Korr." werde die Reichs regierung einen Zollkrieg mit den Vereinigten Staatcn nicht provozieren, sondern sich die erdenklichste Mühe geben, den Zollkrieg nicht nur im Interesse der ZuckerauSfuhr, sondern auch im Interesse der Handel-schiffahrt und Reederei zu umgehen Inwieweit diese Meldung zutrifft, läßt sich zur Zeit nicht scststcllen. Bedenklich erscheint sie schon deshalb, weil sie die maßgebenden Kreise in Washington in ihrer aggressiven Haltung nur noch ermuntern muß. Es ist keineswegs ausgeschlossen, daß man in Washington die Zurücknahme des deutschen Einfuhrverbotes sür lebendes Rind vieh nur gefordert hat, um selbst einen Zollkrieg zu provo zieren, sallS die Reichsregieiung nicht alsbald daraus ringeht Zu einer Aushebung dieses Verbotes liegt deutscherseits aber nicht die geringste Veraniassung vor. Bei der mangelhaften und korrumpierten Verwaltung, wie sie nun einmal in den Bereinigten Staaten besteht, kann man in Washington un möglich den Nachweis erbringen, den Deutschland mit Recht fordert, daß bei der nordamerikanischen Rindviehausfuhr jene gefundheitSpolizcilichen Bedingungen erfüllt werden, wie sie Deutschland bei der Bicheinfuhr nicht nur gegenüber den Ber einigten Staaten verlangt. In der „Freis. Ztg." wird zwar behauptet, daß das deutsche Einsuhrverbot sachlich nicht gerecht fertigt war, aber daraus ist doch schließlich nur zu ersehen, zu welchen Demütigungen und Schädigungen sich Deutsch land verstehen müßte, wollte eS den antiagrarisch- sreihändlerischen Ratschlägen folgen. Angesichts der provokatorischen europaseindlichen Handelspolitik der Bereinigten Staatcn wird eS nachgerade zu einer Notwendigkeit, daß sich die nächstbeteiligten europäischen Festlandkmächte über die Er greifung von Abwehrmaßregeln verständigen. I" diesem Sinne haben sich bereit- einflußreiche Vertreter der österreichischen Industrie ausgesprochen Erst dieser Tage bezeichnete der französische Handel-minister die Besteuerung des Reisegepäck-, wie sie in New d)ork vollzogen wird, als eine barbarische Maß regel Auch Italien würde sich einer gemeinsamen Aktion an- schließen. Unter dem Druck der europaseindlichen Politik der nordamerikanischen Republik wäre, so sollte man meinen, trotz aller Schwierigkeiten ein Einvernehmen dcr nächstbeteiligten europäischen Festlandsmächle zu stände zu bringen. Tagesgeschichte. TreS-eu, 28. Oktober. Ihre Majestäten der König und die Königin werden voraussichtlich vom 2. November an nnen etwa vierzehntägigen Auf enthalt in Schloß Sibyllenvlt nehmen. i — Se. Königl. Hoheit der Prinz Johann Georg wird Sich mit Sr. Majestät dem Könige nächsten Sonnabend nach Alt« nburg begeben, um der Beisetzung Ihrer Hoheit der Frau Herzogin von Sachsen- Altenburg beizuwohnen. Deutsches Reich. * Berlin. Beide Kaiserliche Majestäten unter nahmen gestern morgen einen gemeinsamen Spazierritt Demnächst nahmen Se. Majestät der Kaiser im Neuen Palais den Vortrag des Chefs des Zivilkabinetts sowie des Staatssekretärs des Reichsmarineamts entgegen — Wie heute verlautet, habe der Zwischenfall Darm stadt-Karlsruhe seine Erledigung gefunden Das Ge fühl der Kränkung, das der Großherzog von Baden durch die kurze telegraphische Form der Ablehnung seines Be suches seitens des Zaren empfunden habe, sei durch eine briefliche Aussprache der Härte entkleidet worden Jede Verstimmung auf beiden Seiten sei gehoben — Diese Die Geschichte eines jungen vorzüglichen Arztes, den die jugendliche Mutter schon in der Wiege für ein künftiges Genie erklärt hat und dessen Entwickelung wir in ihren Briefen bis zum frühen Ende diese« Sohnes begleiten, wird uns mit aller Wärme und einem gewißen Reiz der Einzelheiten nahe gebracht Die Form ist einfach, aber mit großer Gewandtheit gehandhabt, es ist ein individu eller Hauch in diesen Briefen, und wir sehen doch die Menschen, von denen sie sprechen, lebendig vor uns. Mit dem Anspruch auf humoristische Lebensbetrachtung und Darstellung tritt der au« dem Nachlaß veröffentlichte letzte Roman „Schwiegertöchter" von Alexander Baron Roberts (Berlin, F Fontane u. Co 1897) auf Der pensionierte Geheimrat Achilles, der nach dem Tode seiner Gattin mit einer alten Schwester, Tant' Minchen, lebt, hat drei Söhne und das würdige Paar muß im Wechsel von Sorgen und Hoffnungen abwartcn, was für Schwiegertöchter die drei „Jungens" ins Hau« bringen. „Tant' Minchen" möchte freilich am liebsten eingreifen, damit die unvermeidliche Sache nicht gar zu dumm aus falle, erfährt aber, wie alle vorsorglichen Mütter und Tanten, daß dabei nicht viel zu thun ist. Die Schilder ungen der verschiedenen LiebeSwerbungen der drei Söhne, des Angehörigenkreises der drei Töchter, giebt ein bunte« und zum Teil sehr charakteristisches Lebensbild Die interessanteste Figur, die des reich gewordenen Steinsetzer» und Bauspekulantcn Koppenberg und die Protzenwirtschast in deßen Hause, bringen die unentbehrliche Tragik, ohne die es auch in einem humoristischen Roman nicht mehr geht, in die Geschichte Hier ist viel frische, wenn auch keineswegs erfreukiche Wirklichkeitsschilderung, die Kenntnis des Verfasser« von den Lebenskreisen und LebenLgewohn- heiten gewißer Emporkömmlinge scheint ebenso umfaßend, als von denen der Künstler des modernsten Stiles, bei denen „so viele junge neu entdeckte Talente unter dem Hosianna der Clique als Adler in die Glorie aufstrebcn, um als kümmerliche Eintagsfliegen herabzufallen." Tie
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