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Wchmtz-Ieitmz Verantwortlicher Redactmr: Psul Ichnk in Dippoldiswalde. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stabträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Dl« „Wel-eritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei« mal:,DienStag, Donners« lag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 28 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Psa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche bei d« bedeutenden Auslage d^ Blattes «in» sehr wirk same Verbreitung finde«, »erden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und compMirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Th eile, di- Spaltenzeil» so Pia- Nr. 26. Sonnabend, den 1. März 1890. 56. Jahrgang. Die Reichstagswahlen. Endlich läßt sich das Ergebniß der Reichstags wahlen vom 20. Februar übersehen und wenngleich die nachfolgenden Ziffern hier und da vielleicht noch Berichtigungen erfahren werden, so können dieselben doch nicht weiter belangreich sein. Es sind gewählt 54 Konservative, 14 Freikonservative, 15 National liberale, 89 Centrumsabgeordnete, 25 Freisinnige, 20 Sozialdemokraten, 14 Polen, 13 Elsässer, 2 süddeutsche Demokraten (Volkspartei), 2 Welfen, 2 Wilde, d. h. Abgeordnete, die zunächst noch keiner bestimmten Partei richtung angehören, und ein Däne. Daneben müssen aber nicht weniger als 150 Stichwahlen vorgenommen werden und da der deutsche Reichstag bekanntlich 397 Abgeordnete zählt, so werden also beinahe derselben erst durch Vie engeren Entscheidungen gewählt werden und dann erst wird das Bild der diesmaligen Par lamentswahlen im Deutschen Reiche ein vollständiges sein. Die engeren Wahlen werden indessen schwerlich an dem Siege der Oppositionsparteien etwas ändern, es könnte dies nur geschehen, wenn die ca. 130 Stich wahlen, bei denen die Konservativen, Freikonservativen und Nationalliberalen, die seitherigen Kartellparteien, mitbetheiligt sind, sammt und sonders zu deren Gunsten ausfielen, ein Fall jedoch, der undenkbar ist, und so werden denn die engeren Wahlen nur dazu dienen, den von den oppositionellen Parteien im ersten Wahlgange errungenen relativen Sieg zu einem definitiven und ziffernmäßigen zu gestalten. Angesichts der noch be vorstehenden zahlreichen Stichwahlen wäre es müßig, schon jetzt Betrachtungen über die etwa möglichen Mehrheitskombinationen im neuen Reichstage anzu stellen, es steht eben nur das Eine fest-, daß derselbe eine oppositionelle Färbung ausmeisen wird, bei welcher namentlich das sozialdemokratische Roth stark hindurch leuchtet. Inwieweit und wie lange die Reichsregierung mit einem Parlamente auskommen wird, in welchem das Centrum, gerade wie in dem 1884 gewähllen Reichstage, mit Hilfe der Freifinnigen, Sozialdemo kraten, Welfen und elsässischen Protestlern jederzeit eine regierungsfeindliche Mehrheit darzustellen vermag, muß zuvörderst noch dahingestellt bleiben. Indessen beweist das Beispiel des vorvorigen Reichstages, daß unter Umständen auch mit einer oppositionell gefärbten Volksvertretung regiert werden kann, freilich „fragt mich nur nicht, wie!" und wie sich damals die Ne gierung erst dann zur Auflösung des Parlaments ent schloß, als ein anderer Ausweg, aus den vorhandenen Schwierigkeiten herauszukommen, gar nicht mehr übrig blieb, so dürste auch diesmal die Regierung sich mit dem neuen Reichstage einzurichten suchen, soweit dies nur irgend möglich ist. Wie man im Uebrigen im Regierungslager die Vernichtung der bisherigen regie rungsfreundlichen Kartellmehrheit ausfaßt und wie man sich zu der zu gewärtigenden neuen oppositionellen Reichstagsmehrheit zu stellen gedenkt, darüber geben die hinsichtlich des Wahlaussalles vorliegenden Aeuße- rungen der offiziösen Presse nur ungenügend Ausschluß. Vermuthlich wird die Regierung erst dann eine be stimmtere Stellung einnehmen, wenn die Stichwahlen vorüber sind und sich nun ein genauer Ueberblick über die Parteigruppirung im neuen Neichsiage ermöglichen läßt. Trotzdem tauchen schon jetzt Gerüchte über diesen und jenen Entschluß auf, der regierungsseitig infolge der Reichstagswahlen gefaßt worden sein soll, unter Anderem melden Berliner fortschrittliche Blätter, das Sozialistengesetz würde definitiv fallen gelassen werden und sei überhaupt beabsichtigt, von jeder Ausnahme gesetzgebung gegen die Sozialdemokratie künftig Ab stand zu nehmen. Inwiefern diese Meldung richtig ist, läßt sich natürlich noch nicht kontrolliren, die seitens der Sozialdemokratie bei den Wahlen vielfach be gangenen Ausschreitungen lassen sie indessen nicht als besonders glaubwürdig erscheinen. Das Eine wird man aber allerdings annehmen dürfen, daß die Reichs tagswahlen eine gewisse Frontveränderung in der inneren deutschen Politik zur Folge haben wird; über den Umfang dieser Veränderung und über ihre Zurück wirkung auf die Stellung des Fürsten Bismarck wird wohl schon die nächste Zukunst Aufschluß geben. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Unser rühriger Turnverein, der jetzt gegen 160 Mitglieder zählt, hielt am Donners tag in der „Reichskrone" ein Kränzchen ab, und ent hielt das reichhaltige Programm natürlich auch Turne risches. So wurden von einer Musterriege recht schwierige Uebungen am Barren ganz macker ausge führt, und am Schluffe des Concerts erregte ein Reigen von Bauernburschen mit Kniehosen, Hemdsärmeln und Zipfelmütze wegen seiner derben, urwüchsigen Aus führung große Heiterkeit; es brachte derselbe den Turnern, sowie ihrem Leiter Herrn Lehrer Eidner all gemeine Anerkennung. Schließlich wagten sich die turnerischen Bauerburschen an die anwesenden Stadt mädchen, um sie bis zum Morgengrauen im lustigen Tanze zu schwenken. — Heute Freitag Nachmittag 3 Uhr wurde die hiesige Feuerwehr allarmirt, da die mündliche Nach richt hierher gelangt war, daß in der Nitzsche'schen Pappenfabrik in Obercarsdorf ein Feuer ausgegangen sei; die Landspritze rückte alsbald ab. Zu sehen war vom Kirchthurme aus, des Schneetreibens halber, gar nichts, doch soll das Feuer, anderweiter unverbürgter Nachricht zufolge, bereits Vormittags 11 Uhr uufge- gangen sein. (?) z Glashütte. Bei den seinerzeit hier an der Influenza Erkrankten, besonders bei den Schwer kranken, deren nicht wenige waren, machen sich neuer dings Nachwehen bemerkbar, die in allgem. Schwäche, Schwindelansällen, Rückenschmerzen, Brechreiz und dergleichen bestehen. — Den Bemühungen des Aussichtsrathes und des Direktors an der deutschen Uhrmacherschule ist es noch nicht gelungen, eine geeignete Lehrkraft für den verstorbenen prakt. Lehrer O. Gpllmann zu finden und so ist diese Stelle in den beiden deutschen Fachzeitungen ausgeschrieben worden. Dresden. Die Zweite Kammer erledigte am 26. Februar den Etat der Staatseisenbahnen, Kap. 16 des ordentlichen Staatshaushaltsetats. Nach einer kurzen allgemeinen Debatte, in welcher von mehreren Abgeordneten verschiedene Wünsche bezüglich des Be triebes der Eisenbahnen ausgesprochen wurden (nament lich wurde vom Abg. Schreck das unglaublich lange Halten auf Stationen der schmalspurigen Bahnen, haupt sächlich der Linie Hainsberg - Kipsdorf getadelt), ging man an die Beralhung der Einnahmen, zu welchen die durch den Berichterstatter Kirbach vertretene Minder heit der Finanzdeputation den Antrag gestellt hatte, dieselben mit Rücksicht auf die Erträge der letzten Jahre um 3,085,000 M. höher einzustellen. Für diesen An trag verwendeten sich außer dem Berichterstatter noch die Abgg. Bönisch und Starke, wogegen Vizepräsident Georgi, Abgg. Schickert, Niethammer und Uhlemann (Görlitz) unter Hinweis auf den Nutzen einer vorsich tigen Finanzpolitik und die Möglichkeit eines Verkehrs rückgangs, sowie die Zweckmäßigkeit einer Verwendung etwaiger höherer Ueberschüffe zu Tarifermäßigungen, Verkehrserleichlerungen und zum Ausbau des Eisen bahnnetzes die Einstellung nach der Vorlage befür worteten. Dasselbe geschah seitens des Regierungs kommissars wirkl. Geh. Rath v. Thümmel, welcher unter Anderem mittheilte, daß die Eisenbahnverwal tung einer weiteren Vereinfachung des Tarifs für den Personenverkehr näher getreten sei, woraus sich ein Einnahmeausfall von jährlich 2—3 Millionen ergeben werde. Die Kammer genehmigte hierauf, dem An träge der Deputationsmehrheit entsprechend, gegen 16 Stimmen die Einstellung der Einnahmen nach der Vor lage. Ebenso wurden ohne erhebliche Debatte die Aus gaben nach der Regierungsvorlage bewilligt. Mehrere Petitionen von Beamtenklaffen um Gehaltsaufbesserung wurden der Staatsregierung zur Kenntnißnahme über wiesen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung, allge meine Vorberathung des königlichen Dekrets, mehrere Eisenbahnangelegenheiten betreffend, wurde der vor gerückten Zeit halber in einer zweiten Sitzung be handelt, die Abends 6 Uhr ihren Anfang nahm. Eine erhebliche Debatte verursachte nur die Linie Bernstadt- Herrnhut, bei welcher die Abgg. Matthes, Strauch und Hähnel für den Anschluß in Löbau sich erklärten, wogegen Präsident vr. Haberkorn, die Dringlichkeit der Eisenbahnverbindung betonend, erklärte, wenn er nicht das Beste bekomme, das Gute nehmen zu wollen, und Abg. Preibisch den Anschluß in Herrnhut für das zweckmäßigste erachtete, weil dadurch Bernstadt be quemen Anschluß sowohl nach Löbau als nach Zittau erhalten. Im Uebrigen sprachen zur Linie Waldheim- Rochlitz die Abg. Seydel und Knechtel der Regierung ihren Dank aus, zur Linie SauperSdorf-WilzschhauS that Sekretär Speck und Vizepräsident Georgi dasselbe, woraus Abg. Niethammer die baldige Wetterführung nach Carlsseld befürwortete. Die Linie Echönberg- Hirschberg wurde durch den Abg. Zeidler, die Linie Zwickau-Crossen-Mosel durch den Vizepräsidenten Streit, die Erweiterung der Station Erlau durch den Abg. Seydel befürwortet. — Landstallmeister Graf zu Münster, welcher auf einer Dienstreise in Perleberg vor einigen Tagen durch das Scheuwerden der Wagenpferde verunglückte und nach Moritzburg zurückgebracht werden mußte, ist an den erhaltenen Verletzungen (Gehirnerschütterung) am 26. Februar Nachmittags gestorben. — Für die Ergreifung des berüchtigten Hoch staplers, Sawin, russischen Lieutenants a. D., war seinerzeit eine bedeutende Belohnung ausgesetzt wor den. In diesen Tagen »st ein Theil dieser Belohnung nach Dresden zur Vertheilung gekommen. Außer einigen Polizeibeamten sind auch der Oberkellner und ein Zimmermädchen eines Neustädter Hotels bedacht worden. Das Mädchen erhielt 100 Mark. — Der diesmalige Dresdner Sämrreimarkt, welcher in unmittelbarer Nähe der Frauenkirche ab gehalten worden ist, war vom Anfang bis zum Schluß recht zahlreich besucht, und es sind auf demselben bei guter Nachfrage recht belangreiche Umsätze erzielt wor den. Zunächst haben die Spreewälder Produzenten, welche ansehnliche Mengen von Meerrettigstangen und sogenannten Meerrettigsamenkeimen zugesührt hatten, ziemlich flott verkauft, doch mußten hierin wesentlich niedrigere Preise bewilligt werden, als auf den meisten gleichen Märkten der Vorjahre. Starke Stangen, z. B., welche auf dem vorjährigen Markte mit 8 M. und auf dem 1888er Markte sogar mit 9—12 Mk. pro Schock verkauft worden waren, galten diesmal nur 5—6 Mk., und in demselben Verhältniß wichen die Preise für mittelstarke und schwache Waare, da mittle Qualität nur 3 bis 3 M. 50 Pf. und gerin gere gar nur 1 M. 20 bis 1 M. 50 Pf. das Schock kostete. Um so theuerer dagegen stellten sich Steck zwiebeln und der Zwiebelsamen, wie solche aus den Niederungen an der Rüder und schwarzen Elster, so wie aus der Elbebene bei Uebigau und Pieschen rc. angeliesert waren. Die vorige Sommerwitterung mit der Trockenheit und Hitze des Mai und Juni und der anhaltend niedrigen Temperatur des August und Sep tember war nämlich der Entwickelung der bezeichneten Frucht sehr wenig günstig. In Folge der schwachen Erträgnisse ist der Preis des Zwiebelsamens auf nicht weniger als 15 Mark für vas Fünsliter gestiegen (1888 nur 7 Mark 50 Pf. bis 9 Mark) und Steck zwiebeln galten diesmal in gröberer Frucht 1 Mark 20 P., in mittlerer 2 Mark und in kleinerer sogar 2 M. 50 Pf. bis 3 M. für das Fünfliter. Die Ge-