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Nummer 109 — 25. Jahrgang Smal wöch. Bezugspreis für Mai 8.— Mk. einschl, vestellqeld. Anzeigenpreise: Die l^sp. Pelitzeile SSL. Steilenpesuche 80 L. Die Petitreklamezeile. 8S Milli« meier breit, 1 Ut. Osfertengebiihren für Selbstabholer 20 bet Uebersenbung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Eiruel-Nr. 1Ü Sonnlaas-Nr 15 L. Geschäft!. Teilt I. Htllebrand in Dresden. SiicklMe Mittwoch, 19. Mai 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung o. Schadenersatz Für unüeutl. u. d. Fern« ruf übermitt Anzeigen übernehmen wir keine Ver. antwortung. Unverlangt etngesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werü nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—8 Uhr nachmittags. Hauptschrisüett.: Dr. Joseph Albert. Dresden riqai'i'Slltttili» Kvkl v resäen Veste (ZusIitStea dlieclrlgsteUreis« «i«ua und Itrrtag- v<rioi»a. »««ch»a,e,ni «m»v- Dr«sd«^t. I, v-il-rtlras,« 17. K««rw 11012. P«IN»»<NoM» Dresde» I47S7 7>»>N»„lo: <1 ttetstckir. Tresde«. Für christliche Politik und Kultur Kedoktt»» der Dresden.Miltadt 1. Ä«N»Mchen 4t»Ik»tr««»ns Poüerllrane 17 i?»r>mn 207U nnd .1012. Osteuropäischer Tummelplatz Im Osten und Südosten, vom Baltischen bis zum Mittelländischen Meere hin, tritt eine Beweglichkeit in den Vordergrund, die in erster Linie auf eine politische Nervosität aller dortigen Staaten hinweist. Es ist an der Zeit, die Politik dieser Länder einmal näher zu be leuchten, um die ganze hochgradige politische Tätigkeit der einzelnen besser zu verstehen. Die baltischen Randstaaten zunächst (Lett land, Estland und Livland) haben sich ebenso wie Litauen und F i n n l a n d mit M o s k a u in Verhand lungen eingelassen Diese Verhandlungen haben zwar zunächst eine Unterbrechung erfahren, aber das ist nicht darauf zuriickzuführen, daß die fünf Staaten die Anbah nung eines guten Verhältnisses zu Rußland ablehnten, sondern vielmehr darauf, daß sie es für besser halten, wenn bei diesen Verhandlungen alle fünf Staaten mög lichst gleichzeitig, vielleicht sogar gemeinsam, auftreten. Um mit Moskau zu einer Art baltischen Garantiepakt — manche haben es schon ein bal tisches Locarno genannt — zu kommen. Die In teressen der einzelnen Staaten sind in diesem Punkte fast gleich, wenn auch Litauen einen mehr russenfreund lichen Anstrich wahrt, während in Finnland das absolut nicht der Fall ist. Im Mittelpunkt dieser ganzen russischen Westpoli- rik steht Polen und Rumänien und deren gegen seitiges Bündnis. Von diesem Brennpunkt hält sich die baltische Nordgruppe mit bewußter Deutlichkeit fern. Im polnisch-französischen Bündnis hat Polen einen mehr moralischen als wirklichen Rückhalt. Denn seit Locarno kann Frankreich für Polen nicht mehr als große Rückendeckung in Frage kommen. Polen weiß das sehr genau und es hatte sich seit langem eine beklemmende Atmosphäre breit gemacht, die auch hauptsächlich in den leisten revolutionären Ereignissen fühlbar wurde. Die größte Unzufriedenheit der Polen ist entstanden aus der Erfolglosigkeit der Außenpolitik, deren Kurs bald nach Paris, bald nach London zeigt, je nach dem irgendwelche Gefühlsmomente Frankreichs oder ,eaie Gelderwägungen das englische Weltkapital in den Vordergrund rückten. Im Inneren Polens zeitigte diese gedrückte Stimmung den Ruf nach dem sogenannten „starke» Mann". Dieser Mann ist für weiteste Kreise, wie aus den Ereignissen der letzten Tage deutlich her- oorgeht, der Marschall Pilsudski. Nkit der Tschechoslowakei hat Polen eine Art 'Freundschaftsvertrag eingegangen. Ob dieser Vertrag irgendwelche Aktionsfähigkeiten gegen Deutschland auf- weisen könnte, mag dahingestellt bleiben, weil das „Na- rionalitätengefühl" der Tschechoslowakei auf die Prager Stellen außerordentlich besorgniserregend und daher außenpolitisch „beruhigend" einwirkt. Gegen Osten kann dieser Freundschaftsvertrag überhaupt nicht aktiv wer- ven. weil die Tschechoslowakei seit vier Jahren ihren „Rückversicherungsvertrag" mit Rußland besitzt. Außer dem aber steht fest, daß kein einziger Tscheche für Polen gegen Rußland Kämpfen würde. Das Bündnlsdreieck Paris-Warschau-Prag ist daher heute nichts weiter mehr als der Ausdruck einer kleineren oder größeren platonischen Freundschaft. In der Anß"npolitik hat Polen einen schweren Fehler begangen, woy. den schwersten, in den es verfal len konnte. Vom Größenwahn beschlagen, spielte es sich als Großmacht auf, ohne die Voraussetzungen für eine solche Macht auch nur im mindesten zu besitzen. Es pochte auf den ..Sieg" im Weltkrieg, auf den tatsächlichen Erfolg des Weichselwunders (1920) und glaubte, diesen Zustand dadurch verewigen zu können, daß es gegen Ost und West gleich abweisend bliebe. Auch jene Tast versuche. die zu einer polnisch-russischen Annähe rung führen sollten, ändern daran nichts. Ob sich das polnisch-rumänische Bündnis bei irgendeiner ernsten Ge legenheit bewähren wird, ist schlecht zu sagen. Jedenfalls weist die rumänische Geschichte der letzten Jahrzehnte nicht darauf hin, daß Rumänien geneigt wäre, für die „Interessen anderer" den Bestand seines Staates auf das Spiel zu setzen. Was nun Rumänien selbst anlangt, so kreuzen ,ich in Bukarest mehrere außenpolitische Linien. Das rumänisch-polnische Bündnis ist nif französischen Einfluß 1923 zustande gekommen und leine Erneuerung wurde ebenfalls auf Frankreichs Be ireiben bewerkstelligt. Die Kleine Entente hat nur rine bedeutsame Aufgabe: nämlich den gegenseitigen Achutz gegen Ungarn. Sie ist eigentlich nur noch rine Formsache, ohne in größere Wirksamkeit zu treten. Wir brauchen hier nur an die Tastversuche rumänisch- ungarischer Anlehnung zu erinnern, um das klar zu ver stehen. Italien ist hier bereits wirksam, das im ge samten Donaubecken mit dem französischen Einfluß im größten politischen Konkurrenzkampf steht. Italien ließ Ein offenes Zentrum UN- Pulschpläne Im Preußischen Landtag hat gestern die Zen trumsfraktion durch ihren Vorsitzenden, den Vizepräsi denten Dr. Dr. Porsch folgendes aussprechen lassen: Die Zentrumsfraktion des Preußischen Landtages hat zu den die Oeffentlichkeit seit einigen Tagen beschäf tigenden Gerüchten über einen im Entstehen gewesenen Rechtsputsch folgendes zu erklären: Es dürfte kaum möglich sein, sich jetzt bereits ein abschließendes Urteil darüber zu bilden, welche Bedeu tung dem von der Staatsregierung beigebrachten Ma terial über beabsichtigt gewesene Putschunternehmungen im einzelnen beizumessen ist, so daß darüber das End urteil Vorbehalten bleiben muß. Die Zentrumsfraktion gibt auch bei diesem Anlaß mit allem Nachdruck der Mei nung Ausdruck, daß es nicht nur ein selbstverständliches Recht, sondern die absolute Pflicht der Staats regierung ist, mit größter Aufmerksamkeit darüber zu wachen, daß nichts geschieht, was den bestehenden Staat in seinem Bestände irgendwie gefährden könnte, ganz gleichgültig, von welcher Seite Umiturzbowegungen zu erwarten wären. Der neue Staat hat leider keine Ver anlassung, in dieser Hinsicht weniger behutsam zu sein, als es der alte gewesen ist. Es sind seit der Errich tung des demokratischen Staatswesens Dinge genug vor- gekommsn, die allerdings die äußerste Wachsamkeit der Staatsregierung gegen umstürzlerische Bestrebungen zur gebieterischen Notwendigkeit machen. Amtierende Staats männer sind ermordet worden, für andere war die Mordwaffe bestimmt, sogenannte Fememorde, ein be sonders scheußlicher Auswuchs politischer Verhetzung, machten selbst vor dem Leben einfachster Menschen nicht Halt, wiederholt sind Staatsumwälzungen versucht wor den, namhafte Teile der Bevölkerung werden fortgesetzt systematisch in Kampfstellung geaen das bestehende Staatswesen hineingetriebcn, unablässig sind Kräfte am Werk, die es darauf anlegen, eine Atmosphäre haßerfüll ter Abneigung gegen die deutsche Demokratie zu erhal ten und immer wieder neue zu schaffen. Grund genug für die verantwortlichen Träger des demokratischen Staatsgedankens, auf der Hut zu sein und allen Erschei nungen rücksichtslos nachzugehen, die die Annahme nahe- legen, daß sie mit umstürzlerischen Bestrebungen in Ver bindung stehen. Auf eine derartige Sicherstellung seines Daseins hat der alte Staat keinen Augenblick verzichtet. Es wäre lächerlich, vom neuen Staat in dieser Hinsicht weniger Wachsamkeit oder mehr Gutmütigkeit voraus setzen zu wollen, als sie der alte Staat bewiesen hat. Die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes steht zur Demokratie und hat keine Lust, sich die Staatsform, die sie nach dem Kriege geschaffen hat, antasten zu lassen. Zu dieser überwältigenden Mehrheit gehört auch die Deutsche Zentrumspartei. Deshalb erivartet auch die Zentrumsfraktion des Preußischen Landtags von der Staatsregierung, daß diese zur Sicherstellung der Verfassung und damit zur Vertei digung der republikanischen Staatsform unablässig auf dem Posten ist, gestützt letzten Endes auch auf die für die Staatsgewalt unerläßlichen Machtmittel. Unser Volk will keine Erschütterung des Staatsgedankens, sondern eine ruhige Entwicklung seiner innen- und außenpoli tischen Verhältnisse, weil dies die erste Voraussetzung dafür ist. daß unsere wirtschaftliche Lage nach den schweren Erschütterungen, die ihr der verlorene Krieg gebracht hat, wieder in Ordnung kommt. Wir linden zur gegenwärtigen preußischen Staatsregierung das volle Vertrauen, daß sie alles tut, was in ihren Kräften steht, in Budapest und Bukarest mit einer schönen Geste den antislawischen Block erstehen, schloß aber zur sel ben Zeit mit den Südslawen seinen Prohibitivver- trag (Pakt von Nom 1924). Gleichzeitig versucht Ita lien sein Verhältnis zu Moskau zu vervollkommnen, versteht es jedoch, im selben Atemzug auch Rumänien in einer für Italien ungefährlichen Weise zu fangen, ohne in Moskau damit Verstimmung zu erregen. Es verweigerte Rumänien die Ratifizierung des bessarabi- schen Protokolls und gewährte auf der anderen Seite Rumänien Anleihcmöglichkeiten des italienischen Mark tes. Italien kam also Rumänien in seinem immermäh. renden finanziellen Bedürfnis entgegen, mährend Frankreich, das selbst von tausend Finanznöten gequält wurde, keine Anleihemöglichkeiten bieten konnte. Wenn also in Bukarest der Text eines rumänisch französischen Bündnisvertrages „endgültig" festgelegi wurde, und dieser Vertrag zur Unterzeichnung bereit lag. so war der bekannte Telegrammwechsel Tschit« Bekenntnis um frühzeitig alle Gefahren abzubiegen, die dieser ruhi gen Aufwärtsentwicklung unseres Wirtschaftslebens durch unruhige Elemente drohen könnten. In derselben Landtagssitzung nahm auch der Ministerpräsident Braun das Wort zu den Bestrebungen der rechtsradikalen Ver» bände. Unter großer Aufmerksamkeit des Hauses und von verschiedenen lebhaften Zwischenrufen unterbrochen, führte der Ministerpräsident u. a. aus: Ich kann beweisen, daß es sich heute bei den Putsch plänen der Rechtsradikalen, deren Bestrebungen vor einigen Tagen aufgedeckt wurden, um ähnliche Dinge handelt wie 1920 zur Zeit des Kapp-Putsches. Selbst wenn es sich nach der Darstellung der Rechten um das Treiben von Phantasten handelt, so kann von solchen Phantasten doch ein furchtbares Unheil angerichtet wer den. Das Gerede von einer Linksdiktatur erfolgt nur zu dem Zweck, um das Streben nach einer Rechtsdiktatur zu verbergen. Ich verweise auf die Tätigkeit Er hard t s, der auf eine Vereinigung aller Ncchtsverbända hinarbeitet. Diese Verbünde sind zum Teil bewaffnet und halten Schießübungen ab. Ihre Pläne sind direkt auf den Umsturz eingestellt. Braun gibt dann Stellen aus einem Ausmarschplan wieder, für „die große Auseinandersetzung mit den No vemberverbrechern von 1918". Im Notfall, so fährt der Ministerpräsident fort, sollte ein Linksausstand provoziert werden, um einen Grund zum Borgehen zu erhalten. Es sollte dann nicht bei der Niederschlagung des Kommunis mus verbleiben, sondern es war die völlige Beseitigung der parlamentarischen Verfassung vorgesehen. Das sind die politischen Bestrebungen der angeblichen Sportver bände. In den Sitzungen des Nation alverbandes der Deutschen Offiziere und bei den Alldeut schen wurde ganz offen darauf hingewiesen, daß eine völkische Diktatur anzustreben sei. Man wollte vorher die Oeffentlichkeit beunruhigen und dann den Reichsprä sidenten veranlassen, auf Grund des Artikels 48 die voll ziehende Gewalt in die Hände der Militärs zu legen. Braun verliest dann weitere Stellen aus einem be schlagnahmten Briefe, in dem es u. a. heißt: „Es muß alles geschehen, um den Reichspräsidenten für die An wendung des Artikels 48 zu gewinnen. Der Reichspräsi dent muß davon unterrichtet werden, daß nur eine brauch bare Diktatur mit charaktervollen Persönlichkeiten mit dem Parlamentarismus Schluß machen kann". Der Mi nisterpräsident fährt dann fort: „Der Reichspräsident hat mir auf meine Anfrage erklärt, es sei aanz selbstver ständlich. daß er all diesen Plänen fern steht". In den weiteren Darlegungen betonte Braun zum Schluß, die Regierung werde alle Macht anmenden, um die hochverräterischen Unternehmungen niederzurinaen. Nach dem Ministerpräsidenten sprach noch der Abg. Heilmann (Soz ). Er führte aus. daß das Vorgehen der Polizei sich als bearündet erwiesen habe. Er verliest einen Brief eines Mitgliedes des Alldeutschen Ver bandes an den Iustizrat Claß. in dem Claß gebeten wird, „Hindenburg schlechterdings nicht zu gebrauchen". Aus den weiteren Ausführungen Heilmanns geht her vor, daß einige Kreise innerhalb des Alldeutschen Ver bandes allerdings der Auffassung seien, daß sie auch den Reichspräsidenten v. Hindenburg noch für ihren Plan zu gewinnen vermöchten, während Herr Claß jedoch meinte, der Fall des Reichspräsidenten v. Kindenburg sei hoffnungssos. Claß könne ihn zur Durchführung der völ kischen Diktatur schlechterdings nicht gebrauchen. Der einzige, der diese völkische Diktatur durchführe» könne, wäre Hugenberg. Er sei der einzige denkende Kopf in der ganzen Fraktion der Deutschnationalen. scherins und Mussolinis einer von den beiden Schachzüllen, um die französisch-rumänischen Pläne iin Keime ersticken zu lassen. Der andere Gegenzug Ita liens war eben die Möglichkeit einer italienischen An- leihe an Rumänien. Einer der größten Tummelplätze italienisch- französischer Rivalität ist also R u m änie n. Man kann es verstehen, wenn das englische Kapital sich ebenso von Bukarest abwendet. wie van Warschau. Ebenso wie Po- en hat es Rumänien versäumt, mit seinen Kriegs- und päteren Feinden — Rußland und Ungarn — zu einem baldigen Ausgleich zu kommen. Das Streben Rumäniens, ich Bessarabien immer mehr zu sichern, ist überholt, da Rußland sich stark genug fühlt, um seinen Forderungen in diesem Punkte zur gegebenen Zeit Nachdruck zu ver leihen. Zwischen Jugoslawien und Italien besteht der oben erwähnte Prohitütivvertrag, wodurch sich beide Per- traaschlickende in der Adria so gegenseitig decken woll-