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für den Deutschen Buchhandel und fllrb! e mit ihm verwandten Geschäftszweige. HerauSgegeben von den Deputirten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvereins. ^^84. Dienstags, den 22.September 1840. Nachhall der Säcularfeicr der Buchdruckcrkunst in Deutschland. Verhallt ist der Jubel eines Frühlings, der so blüthenreich war, wie seit langer Zeit kein gleicher in Deutschland. Wo sich prangende Festhallen erhoben, zieht jetzt das Geschäfts- leben wieder in seinen alten Gleisen dahin, und die Begeiste rung, in welcher sich alle deutschen Herzen vereinigten, haben bereits die mächtiger auftauchendcn Interessen der Ein zelnen, alte wie neue, haben Hoffnungen auf der einen, Be sorgnisse auf der andern Seite verdrängt. Und so wäre er denn ganz verhallt, jener tausendstimmige Jubel? Die Blü- then jenes Volksfrühlings, sic wären verwelkt, ohne Frucht- keimc zu hinterlasscn? Jene Begeisterung, sic wäre kaum etwas Besseres gewesen als die bunte Seifenblase, die einen Augenblick schillert, um dann zu zerfließen, und wir Alle, die wir jene Begeisterung so warm empfunden, wir wären nur große Kinder gewesen, die sich am harmlosen Spiele erfreut? Ach, wenn dies wirklich so war, dann laßt uns in der Ehronik des Jahres 1840 das Blatt mit Beschämung rasch Umschla gen, auf welchem unter der Rubrik: „Abtragung einer alten Nationalschuld" die Säcularfeicr der Erfindung der Buchdruckcrkunst verzeichnet steht; denn alle Festlichkeiten, welche wir damals begingen, unter scheiden sich dann nur wenig von jenen pflichtschuldigen, wo mit man fürstliche Geburtstage oder Vermählungen celebrirt; dann haben wir, dort wie hier, blos unserer Schau-, Efi- und Tanzlust Genüge geleistet, indem wir Vorgaben, einem Natio- nalinteressc statt einer fürstlichen Person zu huldigen; die ganze Größe schrumpft in Illusion zusammen und der ganze Rest der Erinnerung hat einen bitteren Nachgeschmack. Doch nein! laßt uns gerecht sein gegen uns selbst. Wir Deutsche sind es so selten. Laßt uns unser Bewußtsein fra gen; — wir versäumen das so oft. — „Wäre dann wohl gerade eine solche allgemeine Begeisterung im gan- 7r Jahrgang. zcn Volke überhaupt möglich gewesen ohne eine und dieselbe im geistigen Wesen des Volkes tiefwur- zelndc Ursache, welche sich an den verschiedensten Orten des Vaterlandes in den mannichfachstcn und doch harmonischen Erscheinungen kundgab?" Statt der Antwort auf diese Frage laßt uns lieber eben die letzteren Erscheinungen zusam- mcnfassen, — die geistigen Facto ren daraus entneh men und dann auf die nachhaltende Wirkung der Säcularfeicr in der Gesammtmasse des Volkes einen Schluß ziehen. Entkleidet vom rauschenden und blendenden Pomp des Augenblickes bietet die Säcularseier zuvörderst den erfreulichen Anblick, wie sich auf deutschem Grund und Boden das gei stige und das materielle Moment, eines zur Stütze des andern, und beide gemeinsam zum höheren Erstarken des Volkes, innig verbunden haben; das ist eine That- sache, welche freilich nicht eine plötzliche Wirkung der Feier sein konnte, aber unter der durch diese hcrvocgebrachten Hellen Beleuchtung für jedes gesunde Auge recht an den Tag kam. Wir sahen, wie die Wissenschaft und der Buchhandel so lebendig fördernd ineinander greifen, daß keines von beiden das andere entbehren kann; wir sahen dies Wechselvcrhältniß geweiht durch das Recht, gefestigt durch den Vertrag und un ter der Garantie des Gesetzes unantastbar. Ein Verhältniß, wobei der Gedanke und das Wort aufhören Waare zu sein, und wobei sie sich doch andererseits an dem rascheren Verkehre bctheiligen können, den die Industrie und der Handel unserer Tage überhaupt bedingen und vertausendsältigen. Vergessen wir dabei nicht, daß dies Verhältniß, wenn gleich eine abge machte Thatsache, seine Arme auch in die Zukunft streckt. Der Impuls zur Säcularseier ging nicht „von oben" aus, nicht von jenen kahlen Höhen, die wie der Mytenstcin so oft ihre Hauben anziehen, was dann meistens den Niede rungen einen Sturm bedeutet. Die Anregung zur Säcular- 155