Volltext Seite (XML)
SV. Jahrgang. O 314 Freitag, 7. Juli 1922 «r,dl»ns»rlfl> »«chrlchl«. »«,»«. S»n>Ivr»cher-Samm»Inumm»r SS S.1 «ur «ür «-chlg,Ipra»«! 20011. Bezugs-Gebühr "" Di» I lpallia» 12 nun vr«tl, Heil» M. 7,—, auberhald Sochlen» ».. Fami»««- Kl»,,o!^a»,-eU^aika anz«>»en, ÄNAeigm uni« Sl-Uen- und Wo.-n»nq,marU. I Ixaliig« An- und D«- ^lll^LlZril^ ^öktzlj". KLuI« dl« geil» M. d,—. Dorzugspliid» laui Larii. AurroSriiie AuIIräa» g«g»u Dorausdezadlung. Sinz»In»mm«r M. 2,—, Sinnlagrausgab» M. 2» SchrWiidmo und Naun>»eichSfl»It-N-: M«rir»N»«l>» 3S/4Q. Druck u. Drrlag von 2I»»fch » «»ich»»« ln Tr««»««. Postlch»ck>K»nl, 1VSS Dr«»»«». Nachdruck nur mil d«u»ich«r Qu»U»nanriad» i„Dr»»dn»r 4lachr.-> -uliiistg. - Unverlangl« Schrilislück» w«rd»« nlchl ouldewahrt. Vo-«L /7F.00 SSS.oo Q<«so<s^HL. Lc-»/o-2s/^ü7/s Slurmszenen in -rutschen Volksvertretungen. Sandgemenge im preußischen Landtag. Der Präsident machtlos. Berlin, 6. Juli. Im preußischen Landtage wurden heute die vom Verfassungsausschuß vorberatenen Anträge der Kommunisten» der Unabhängigen und der Koalitions- Parteien für den Schuß der Republik in Verbindung mit der ersten und zweiten Lesung der von dem Ausschuß vorgeschlagenen Gesetzentwürfe wegen Ge währung einer Amnestie und wegen Aenderung des Disztpli- narrechtes für die ntchtrichterlichen Beamten und für die Richter besprochen. Bet den Ausführungen der deutsch nationalen Abgeordneten Weißernel und Dr. Deerburg kam e« wiederholt zustürmischenZurufen aus den Reihen der Linken. Dr. Deerburg wurde schließlich gezwungen, seine Ausführungen zu schließen. Als -er Abg. Her ma ««»Jredersdorf lD.-N.j zn einer persönliche» Bemer kung aus die Rednertribüne zuschreite« wollte, erhob sich ans der linke« Seite des Hauses ein «ngehenrerStnrmderEntriistnng. »ssenbar wegen der in den letzten Tagen erschienenen Zei- dnngöuotiz, wonach der Abg. Hermann Angehörige einer Mördorganisatiou mit Geldmittel« unterstützt haben soll. Unter der Führung des unabhängigen Abgeordneten Meier-Berlin eilten die Abgeordnete» der Linken zur Rednertribüne. Deutschnationale Abgorduete kamen znm Schutze des Redners herbei. Unter unbeschreiblicher Erregung des Hauses und unter lauten Schlußrufen der Linken verlas Abg. Hermann eine Erklärung, die un verständlich blieb, die sich aber anscheinend auf die genannte rieitungsnotiz bezog. Der Tnmmnlt wurde inzwischen immer »rößer. Der Abg. Meier ergriff ei« ans de« Tische des ) Hauses liegendes Aktenstück «nd wars «S dem Redner an de« Kopf. Als sich zwei ««abhän gige Abgeordnete durch die Reihe» der Dentfchnatio« «ale« -um Redner hiudnrchdrängeu wollte«, kam cs zu einem Handgemenge. Einige Momente lang sab man nur einen sich stoßenden und drängeude« Knäuel von Abgeordnete«. Vergebens suchte der Präsident mit deur Glocke Ruhe z« schasse«. Der Abg. Jürgensen lUnabhs wurde mit dentkchnatioualeu Abgeordneten bandgemein, was bei den« bürgerlichen stürmische Psui-Ruse anslöste. Nachdem der Präsident seinen Platz verlaßen hatte, hörten die Haud- greiUichkeiten auf. Nur allmählich glättete» sich die Wogen Präsident Leinert gab darauf bekannt, daß sich der Aeltestenrat mit den Vorgängen beschäftigen werbe. Nach dem der Aeltestenausschuß seine Sitzung beendet hatte, wurde die Plenarsitzung wieder ausgenommen. Präsident Leinert gab eine Erklärung ab, in der es heißt: Der Aeltestenrat ist der Meinung, wenn nicht die Par teien und alle Mitglieder des Hauses dafür sorgen, daß die Autorität des Präsidenten gestärkt wird und seinen Anord nungen Folge geleistet wird, ist es unmöglich, die parlamen tarische Tätigkeit weiter zu führen. Infolgedessen ist an die Parteien bas Ersuchen gerichtet worden, bei ihren Mit gliedern darauf hinzuwirken, daß geordnete Verhandlungen tm Landtage möglich sind. Der Aeltestenrat schlägt Ihnen vor. sich setzt zu vertagen. Der Bertagungsantrag wurde gegen die Stimmen der drei sozialistischen Parteien ange nommen und die Sitzung geschlossen. lW. T. B.) Tosender L8rm im Reichstag. Die Verteidigung Hiudenburgs durch die Rechtsparteien. lDrahtmeldungunsrerBerltnerSchrtftlettung.» Berlin, 6. Juli. Auf der heutigen Tagesordnung des Reichstages standen zunächst die Interpellationen gegen antirepubltkanische Kundgebungen. Eine Interpellation Frau Agnes sUnabh.) erhebt Einspruch gegenüber dem Fortbestehen von Selbstschutzorganisationen. Sine wettere Interpellation Agnes behauptet, baß Personen, deren Handlungen strafrechtlich durch die Amnestie vom 4. August l92V geschützt sind, zivilrechtlich für Handlungen verantwortlich gemacht werden, die sie zur Abwehr des Kavp-Putsche» begangen haben. Eine Interpellation Erispien sUnabh.) verlangt Aufklärung über die Vorkomm nisse in Ostpreußen anläßlich der Hindenburgretse und eine Interpellation Müller-Franken sSoz.) protestiert gegen die Regimentsfeiern, die sich zu anttrepublikanischen Kundgebun gen auSwüchsen. Abg. Dr. Moses sUnabh.) begründet die unabhängige Interpellation. Als Schuldige an den Attentaten müßten alle die gelten, die leibhaft oder geistig mit den Mördern in Verbindung ständen. Diejenigen, die durch Reben und durch die Presse aufreizten sowie diejenigen, die Mittel zur Ver fügung stellten, müßten mit demselben Matz gemessen wer den wie die Mörder selbst. Gelinge eS nicht, mit dem deutschnationalen Mördcrgestndel l!) fertig zu werden, bann komme es zum offenen Bürgerkrieg. Für kurze Zeit wurde darauf die Aussprache durch die Gesamtabsttmmung über den Gesetzentwurf zur Ausführung de- Artikels 18 der Ncichöverfassung Neubildung von Ländern durch BolkSadftimmnng unterbrochen. Die Vorlage wurde gegen die Stimmen der beide« Rechtsparteien angenommen. Abg. Vogel-Franken lSoz.) begründete dann die mehr- hettSsozialisttsche Interpellation gegen die RegimentSfeiera. Nicht der Gesinnung solle geknebelt werden, sondern den Mörberorganisattonen müsse ein Ende gemacht werden. Der bayrische Innenminister habe angcordnet, daß ihm von allen Maßnahmen auf Grund der Verordnung beS Reichspräsiden ten vor ihrer Ausführung Mitteilung zu mache« sei. DaS könne zur Folge haben, daß die Mörder gewarnt werden. In Bauern sammle sich alles, was aus den Nevanchekrieg hluarbeite. München sei die Stadt der Mörderzentralen. Das Verhalten der Reichswehr bei der Hindenburgseier in Königsberg bedeute eine ganz unerhörte Provokation des Reiches »nd der Reichöregierung. Jnstizmiuistcr Dr. Radbruch beantwortete die Inter pellation betreffend Schadloöhaltnng von Personen, die wegen Handlungen zur Abwehr hochverräterischer Unter- n> hmungen zum Schadenersatz verurteilt sind. Er verlas ein Urteil in einem derartigen Falle, in dem die Schadenersatz- leUtnng abgelchnt wurde. Von einem amtlichen Erlaß des bayrischen Innenministers bezüglich der Informierung bei Maßnahmen auf Grund der neuen Verordnung sei nichts be kannt. Er würde auch tm klare» Gegensatz zur Verfassung stehen. Ein Vertreter des erkrankten NeichswchrministerS führte als Antwort auf die Interpellation u. a. aus: Die Beteiligung der Reichswehr an der Hindenvnrg-Verehrung in Königsberg war vom Reichswehrministerium genehmigt. Die Reichs wehr habe alle Verabredungen innegehalten. Ein Demon strationszug, der auf die Anmarschstraße der Truppen ge raten war, hat sich aber nicht an die Verabredung gehalten. ES kam z« Zusammenstößen, bei denen die Demoustranten mit Stangen, sowie mit mitgcsührten Werkzeugen nnd mit Steinwürfc« ans die Truppen losgingen. Eine plan mäßige Verteidigung war zunächst nicht möglich. Erft »ach Anwendung der Schußwaffe gelang es, de« Angriff abzu wehren. Bo« unverdächtiger Seite wird behauptet, daß der Uebersall planmiißig vorbereitet war. Die Truppe« habe« nur in der Notwehr gehandelt. lSchr richtigl rechts.) Daß Gedenkfeiern tatsächlich fast durchweg einwandfrei verlaufen sind, bewdtst am besten der Umstand, baß trotz der perhält. Mwäßlg großen Zahl dieser Feiern Zwischenfälle nur in verschwindender Zahl vorgekommen sind. ^ MS «ttr ««verdächtiger Kronzenge dafür kan« der ' - sächsische Innenminister Lipinfki angeführt werde«, -er in einer Landtagssitzung gesagt hat, bis jetzt habe ich von einem provozierenden Verhalte« bei Regi ments-Feier« noch nichts gehört. Jeder hat Las Recht, seine Meinung frei zu äußern. Wenn ich die schwarzweißroteu Fahnen verbiete« soll, so müßte ich auch die rote« Fahnen und de« Sowietster« verbiete«. Im übrigen unterliege die Frage eines völligen Verbotes der Teilnahme der Reichswehr an Negimentsfeiern augen blicklich der Prüfung des Gesamtkabinetts. Innenminister Dr. Köster beantwortete die Inter pellation über die Selbstschntzorganisationen. DaS Bestehen dieser Organisationen war innen- und außen politisch eine ewige Quelle von Zwistigkeiten. Schon vor der letzten Verordnung des Reichspräsidenten mußten ver schiedene Organisationen aufgelöst werden. Die Verord nung deS Reichspräsidenten gab der Regierung neue Mittel in die Hand, um diesen staatsfeindlichen Verbindungen zu leibe zu gehen. Es konnte auch im Rahmen des Rechts bis her nicht' gegen den S t a h l h c l m b u n d vorgegangen werden. Borgcnommene Beschlagnahmungen in Sachsen haben aber jetzt die Möglichkeit gegeben. Ob die neuen Mittel, die der Reichs- und den Landesregierungen an die Hand gegeben sind, ansreichen, um die Seuche der geheime« Vereine erfolgreich zu bekämpfen, wird die Zukunft zeigen. Wenn man von der Reichsregierung verlangt, daß sie um die Existenz dieser Vereinigungen auch in den einzelnen Län dern weiß, wenn man sie anklagt, daß sie nicht richtig vor- gcgangen ist, dann muß man sie auch mit der Macht auS- rüsten, damit sie so eingretfen kann, wie cs erforderlich ist. Es genügt nicht, daß die Regierung die Macht bat. sich an die Länder zu wenden, sondern sie muß in der Lage sein, die Dinge zentral zu leite«. Schon mein Amtsvorgänger Koch hat vor 1)4 Jahren einen Gesetzentwurf ctngebracht zur Errichtung eines neue« Reichskriminalpolizeiamtes. Der Entwurf schont die Pvltzeihoheit der Länder, aber da. wo eS sich um zentrale Interessen des ganzen Reiches handelt, gibt dieses Gesetz dem Reiche die zentrale Hoheit. Ich habe dieses Gesetz jetzt dem Reichsrat zugehen lassen und eS wird jedenfalls auch Ihnen zugehen. Wir sind ent schlossen. gegen die Vereine mit aller Strenge vorzugehen, aber wir wissen auch, baß nicht alle Vereine aus Bosheit ent st anden sind. Es handelt sich um eine wirtschaftliche Frage, wie wir die zahlreiche« wnrzel- lose« Existenzen «nterbringcn sollen. Ich bin in Verbin dung getreten mit Gewerkschaften und mit dem Rcichsver- baud der dentschen Industrie. Die Gewerkschaften haben sich für Mithilfe bereit erklärt, dasselbe möchte ich auch vom Reichsverband der deutsche« Industrie hoffen. Darauf erfolgt die Besprechung der Interpellation. Abg. Cuno lD. Vp.j: Zu den Vorgängen in Ostpreußen muß ich sagen, baß Feldmarschall Htndenburg den begreiflichen Wunsch batte, in seinem hohen Alter seine Heimat noch ein mal zu besuchen. Außerdem wollte er einem alten Ver sprechen Nachkommen, alle die Städte zu besuchen, deren Ehrenbürger er ist. Die Veranstaltungen waren durch aus unpolitisch. Der Besuch Hiudenburgs war ei« Trinmphzng, wie ihn die dentsche« Lande «och nie gesehen haben. Die beiden ersten Veranstaltungen wurden auch von der Neichsregierung als unpolitisch angesehen. Nur die grobe Huldigung wurde als parteipolitisch bezeichnet und eS erfolgte der bekannte Erlab. Er hat Kopfschütteln und Ent rüstung hervorgerufen, er ist einfach unerhört. Tötet man das bentfche Bolksempslnde«. so hat auch die Republik keine Seele mehr. Unerhört ist die die Hebarbeit der Linkspresse. Das Blnt. das geflossen ist, kommt auf das Sünden konto dieser Verhetzung. lFortsetzung der Reichstagsverhandlungen auf Gelt« S.) Neue KoalilionssLihler. Durch den Mord an Dr. Nathenau hat die Frage der Kvalitonsverbreiternng im Reiche eine erneute aktuelle Bedeutung gewonnen. Bei den bisherigen Erörterungen des Themas stand die Verbreiterung nach rechts ganz im Vordergrund. Den Hauptstein des Anstoßes für ihre Verwirklichung bildete von Anfang an die Abneigung der Mehrheitssozialdemokratie, sich mit den Deutschen Volksparteilern an einen Tisch zu setzen. Die Volks partei stand bei den Sozialdemokraten in starkem „Reaktionsgeruch": namentlich wegen ihrer Stellung zur republikanischen Staatssorm wurde sie scharf beargwöhnt Auf volksparteiltcher Seite war es die Richtung Stresemann. die immer wieder auf die Notwendigkeit einer Einbeziehung der Volkspartei in die Koalition hinwies, falls man dem Gedanken einer deutschen Volksgemeinschaft zum Zwecke der Bildung einer geschlossenen Front in der auswärtigen Politik überhaupt einen Schritt näher kommen wolle. Dabei unterließ aber Dr. Stresemann nie, bei allen derartigen Er örterungen nachdrücklich zu betonen, daß seine Partei sich keinesfalls aufbrängen wolle, daß sie nur komme, wenn sie gerufen werde, und daß sie für ihre Beteiligung an der Re gierung zwei unerläßliche Bedingungen stelle: 1. daS Auf hören der Erfüllungspolitik von dem Augenblicke an, wo sie die Grenze der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des deut schen Volkes überschreitet, und 2. den Verzicht der Sozial demokratie auf jede Vorherrschaft im Kabinett, und ihre Ein ordnung in die Reihe der bürgerlichen Parteien. So gab eS längere Zeit einen Brei von theoretischen Erörterungen, der zu langatmigen Darlegungen der Gründe für und wider ansgcwalzt wurde, ohne daß ein positives Ergebnis heranS- kam. Allmählich schien es aber den maßgebenden Führern der Mehrheitssoztalbemokratie doch geraten, dem Gedanken einer Zusammenarbeit mit der BolkSpartei näher zu trete«, und so kam dann auf dem Görlttzer Parteitage der Beschluß zustande, der die bisherige bedingungslose Verneinung deS Zusammengehens mit der BolkSpartei beseitigte und die Mitwirkung von Sozialdemokraten in einem nach rechts ver breiterten Kabinett gestattete, allerdings nnr unter zwei Be dingungen: einmal sollten die Bolksparteiler, ohne sich grundsätzlich zur Monarchie zu bekennen, sich zur Verteidi gung der Republik gegen gewaltsame Angriffe bereit er klären, und zum andern wurde von ihnen die bereitwillige Mitarbeit an der Demokratisierung der Regierung und Ver waltung verlangt. Beide Forderungen konnte die VolkS- partei, nachdem sie sich einmal auf den Boden der Tatsachen gestellt batte, bewilligen, ohne ihre Grundsätze Preiszugeben. Die nächste Folge dieses Görlitzer Beschlusses war, daß in Preußen das rein bürgerliche Kabinett Ttegerwalb von einer Koalitionsregierung, in der sowohl Volkspartet wie Mehr heitssozialisten vertreten waren, abgelöst ivnrde. Im Reiche hing aber nach wie vor die Verbreiterung der Koalition an hundert Ketten. Hier handelte es sich nicht wie in Preußen darum, die Sozialdemokratie erst in die Negie rung hineinzubringen, sondern sic saß schon darin und ver spürte nun wenig Neigung, sich niit der BolkSpartei in die Herrschaft zu teilen. Im Reiche hielt die Sozialdemokratie trotz Görlitz an ihrer Ablehnung eines Zusammenarbeitens mit der Volkspartet fest und dabei fand sie Unterstützung durch das Zentrum, das im Reiche und in Preußen nicht gletchgeartet ist. In Preußen fehlt der starke demokratische westdeutsche Einschlag, so daß dort das Zentrum einen mehr konservativen Anstrich besitzt. Das preußische Zentrum hatte auch getreu seiner Eigenart in bestimmtester Weise jede Hereinnahme der Sozialdemokratie in die Regierung ohne gleichzeitige Teilnahme der Volkspartet zurückgewiesen und dadurch die Verbreiterung der Koalition auch nach rechts hin erzwungen. Da dieser Antrieb zugunsten der BolkSpartei tm Reiche fehlte, so blieb hier alles beim Alten und Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten teilten sich in die Lcitirng der Geschäfte. An diese Verhältnisse mutz man sich erinnern, wenn man die zurzeit bestehenden Aussichten auf Umbildung der Regierung tm Sinne einer nach rechts verbreiterten Koali tion richtig einschätzen will. Die gegenwärtige Retchsregte- rung ist an sich mit den Grundforderungen der Demokratie und des Parlamentarismus nicht vereinbar, da sie nur über 22V Stimmen von den 489 des Reichstages verfügt. Sie ist daher auf eine fortgesetzte Aushilfe von rechts und von links angewiesen und mit allen Mängeln behaftet, die sich aus einer so hochgradigen Unsicherheit der parlamentarischen Lage ergeben. Eine feste, klare, ziclbewnßte Negierungs politik wirb unter derartigen parlamentarischen Lebens- bedingnngcn auf das äußerste erschwert, ja fast unmöglich gemacht, und es ist daher durchaus begreiflich, daß gerade in der jetzigen Krise, in deren Zeichen wir stehen, die Un sicherheit des Negierungsdascins mit erneuter Wucht allen Staatsmännern und Politikern auf die Seele fällt. Es er scheint demnach nicht verwunderlich, sondern ist lediglich ein ganz natürlicher Ausdruck der Gesamtheit aller gegen wärtigen Stimmungsmomente, baß der Gedanke der Koali- tlonsverbreiterung abermals fortgesponnen wird. Diesmal hat sich aber der Vorstoß nicht in erster Linie nach rechts, sondern nach links gerichtet, und zwar sind die Mehrheitssozialisten in einem parteioffizicllcn Schreiben an die Unabhängigen mit der Frage herangctreten, ob sie bereit wären, angesichts der neuen Lage mit die Negierung zu über- nehmen, um eine proletarische Einheitsfront zur Verteidi gung der Republik und der Arbeiter-Interessen zu schaffen. Bisher ist die Verbretterung der Koalition nach links noch niemals über den RaLvee« einer bloße» andeutungsweise«