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23. Mai L8S« Rr U8 Deutsche AllWtiue Zeitung Wahrheit und Recht, Freiheit und Tesch I» Preis für das Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzelne Nummer S Ngr. Zu beziehen durch alle -Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). JnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile S Ngr. Freitag Leipzig. Di. Zeitung «rscheiut Mit Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittag» 4 Uhr au»- gegebrn. Deutschka«-. Preuße«, ^Berlin, 2t. Mai. Lord Palmerston sagte in der Sitzung des Unterhauses vom 19. Mai, daß England den Besitzstand Oesterreichs in Italien nicht garantirt habe. Wir haben hier also eine officielle Bestätigung Dessen, was wir über den betreffenden Punkt mitge- «heilt haben. Indem aber Hord Palmerston, sowie auch im Oberhause Lord Clarendon, dies namentlich auch mit Bezug auf den Vertrag vom 15. April sagte, so gab er, wenn auch indirekt, zugleich zu, daß zum Vertrage vom 15. April ein Separatartikel bestehe. Denn wie hätte es anders, dem Wortlaut des Vertrags vom 15. April gegenüber, dieser besonder» Ver sicherung noch bedurft? Man hätte ja nur einfach auf diesen Wortlaut zu verweisen brauchen, um zu zeigen, daß eine Garantieübernahme für die österreichischen Besitzungen von Seiten Englands nicht vorhanden sei. Man gab also, wie gesagt, indirekt zu, daß ein Separatartikel zum Vertrage vom 15. April bestehe, und der Kern der abgegebenen Erklärung liegt darum zuvörderst darin, daß der fragliche, wenn auch äußerlich gar nicht erwähnte Separatartikel sich eben nicht auf jene Garantie beziehe. Wir haben also in he» betreffenden Erklärungen der englischen Minister auch eine Bestätigung Dessen, was wir in unserm Schreiben vom 19. Mai über das Vorhandensein eines Separatartikels zum Vertrage vom 15. April gesagt chahen. Was die Richtung dieses Separatartikels betrifft, so glauben wir dieselbe in dem erwähnten Schreiben im Allgemeinen ebenfalls bereits angedeu- 4et zu haben. Es leuchtet ein, daß die Constatirung alles Dessen zur Klärung «der noch vielfach vom diplomatischen Dunkel umhüllten Situation von hohem Interesse sein muß. — Am ersten Pfingsttag« passirte hier eine wahrhaft «inzige Geschichte, die schon die ganze vorige Woche die Runde durch hie Stadt gewacht hat, von der wir aber wegen der Leute, die sie angeht, fürs erste noch keinen Gebrauch machen wollten. Jetzt aber, da die Lokalpresse sich Her Sache bereits bemächtigt hat, liegt natürlich keine Rücksicht mehr vor. Also zur Sache, Am ersten Pfingsttage Nachmittags saßen auf der Ha- senhaide vor dem Halleschen Thor eine Menge Handwerker mit ihren Frauen und Kindern in einem Bierlocal zusammen. Sie sind guter Dinge und «vollen eben den Feiertag genießen. Plötzlich tritt der Prediger K., Vor- Hand eines hiesigen ultraorthydoxen Instituts, des JünglingsvereinS näm lich, mit seinen ^Jüngern" und sonstigen Eleven in das Local und stimmt mit seiner Begleitung ein geistliches Lied an. Die Anwesenden wer den hierüber unwillig, einmal weil man sie in ihrer harmlosen Sonntags» sreude so jönderbar stört, und sodann auch deshalb, daß ein gottesdienst liches Lied in einem Bierlocal gesungen werden soll. Sie können sich zu- letzt nicht mehr halten und ihre Gegenpartei weit übertönend stimmen sie unisono ein hier sehr verbreitetes Volkslied an. Der Prediger K., sei- nerfeits nun wieder hierüber empört, bricht hierauf in eine furchtbare Strafpredigt los. Wenn man sich die Situation vergegenwärtigt, so kann man sich die Art der Kapuzinade leicht denken. „Sind wir Türken, sind wir Antibaptistrn? treibt man so mit dem Sonntag Spott, qls hätte der allmächtige Gott das Chiragra, könnte nicht dreinschlagen? Jst's jetzt eine Zeit zu Saufgelagen, zu Banketcn und Feiertagen?" rc. Leider waren . aber keine Kroaten da, die gesagt hätten: „Bleib' da, Pfäfflrin, fürcht' dich nit, sag' dein Sprüche! und thcil'S uns mit"; denn die ganze Ver- fammlung kam, als die Predigt losbrach, ins Aeußerste, und das Ende vom ' Liede war, daß der Prediger K. sammt seinen „Jüngern" und seiner son stigen Begleitung unsanft entfernt wurde. Der Inspektor eines hiesigen Missionshauses, der auch dabei war, wurde aus dem Licht, in dem er sonst immer wandelt, plötzlich in die tiefste Finsterniß versetzt, welche merkwürdige Operation dadurch ihre Ausführung erhielt, daß ihm der Hut durch einen gewissen Druck von oben plötzlich bis übers Kinn saß. So ungeheuer ko misch die Geschichte nun aber auch ist und so sehr man hier über dieselbe auch lacht, so übersieht man doch auch ihre ernste Seite nicht, und man hofft, daß die geistliche Behörde es im allgemeinen kirchlichen Interesse fin- den werde, daS Auftreten eines solchen StockfanatiSmuS, in öffentlichen Bierlokalen wenigstens, zu untersagen. — Die Preußische Korrespondenz veröffentlicht das Gesammtergebniß der Volkszählung der preußischen Monarchie. Hiernach stellte die im Dekember 1855 vorgenommene Zählung 16.999,282 Einwohner des Civil- und 211,731 He» Militärständes, also eine Gesamnitbevölkerung von 17,292,913 Men- schen heraus. Bei'der Zählung im December 1852 ergaben sich 16,751,869 Personen vom Civil- und 180,551 vom Militärstande, zusammen 16,935,129 Einwohner. Der Zuwachs in den letzten drei Jahren belief sich mithin auf 266,893 Personen, d. h. auf 1,57 Proc. der VolkSzahl von 1852. Dieser Zrüvach« ist bedeutend geringer als die Vermehrung in der vorangegangenen Periode von 1819—52. Damals betrug derselbe 537,972 Personen, d. h. o.M Ptoc. der Einwohnerzahl von 1849. In den hohrnzollernschen Landen hat sich die Einwohnerzahl seit 1852 von 65,634 auf 63,316, d. h. um 3,35 Proc. vermindert. Am meisten dürften die im deutschen Südwesten schon seit mehren Jahren anhaltenden Theuerungsverhältniffe zu dieser Abnahme beigetragefi haben. Für die Haupt- und Residenzstadt Berlin stellt sich der auffallende Umstand heraus, daß die Civilbevölkerung in den letzten drei Jahren nicht einmal um den Ueberschuß der Geborenen über die Gestorbe nen gewachsen ist. Berlin zählte im December 1852 schon 119,755 Ci- vilbewohner, im December 1855 aber 426,692, d. h. 6874 mehr, während in dieser Zeit 8993 Kinder mehr geboren waren als Menschen starben. — Die Berliner Börsen-Zeitung berichtet aus Berlin vom 21. Mai: „Man erzählt an der Börse von einem Rescript, welches der HandelSmi- nister neuerdings an die bei Geldinstituten und specicll bei den verschiedenen Versicherungsgesellschaften fungirenden Regierungscommissarien erlassen habe, und worin denselben die Anweisung ertheilt wird, streng darüber zu wa chen, daß von diesen Gesellschaften rcsp. Instituten auf keine der neuen Credilbankactien Vorschüsse geleistet oder dieselben irgendwie beliehen werden." — Der Magdeburger Zeitung schreibt man vom Rhein vom 15. Mai: „Die katholischen Kirchenblätter am Rhein frohlocken darüber, daß auf einer der letzten Versammlungen von evangelischen Geistlichen in Gnadau von einem derselben die bei der Reformation erfolgte Abschaffung der heiligen Messe als ein Unheil beklagt und deren Wiedereinführung in den evan gelischen Gottesdienst für ein Bedürfniß erklärt worden sei. Sie glauben durch diese Kundgebung eine Annäherung und baldige Rückkehr Gleichge sinnter zum Katholicismus erblicken zu dürfen." *Vom Eichsfelde, 19. Mai. Vorgestern Nachmittag brannten in Dingelstädt 27 Feuerstätten ab; doch sollen die Betroffenen größtentheils versichert sein. DaS Feuer kam in der Scheune eines sehr geachteten, ab wesenden OrtSbürgers, Namens Köhrig, aus. Man vermuthet, daß es angelegt worden ist, und behauptet dem Thäter auf der Spur zu sein. Die geleistete Hülfe aus Nah und Fern war wahrhaft großartig. Baiern. ? Augsburg, 29. Mai. Bor kurzem scheinen hicr jour- nalistisch-diplomatiscke Verhandlungen eigemhümlicher Art statt gefunden zu haben, welchen selbst hochgestellte Staatsmänner, infolge ihrer nunmehrigen religiösen Richtung nicht fremdgeblieben sein dürften. Es mag sich vornehmlich darum gehandelt haben, die Redaction der in Oester reich verbreitetsten süddeutschen Zeitung dahin zu stimmen, den in derselben erscheinenden interessanten Mittheilungen über die beklagenswerthen Ueber- griffe, welchen sich der katholische Klerus seit dem Abschluß des Concordats in dem Kaiserstaat überläßt, und der hierdurch hervorgcrufenen allgemeinen MiSstimmung keine fernere Aufnahme zutheil werden zu lassen. Diefe Be- richte sind der ultramontanen Partei um so lästiger und empfindlicher, als der Inhalt derselben sich stets wahrheitsgetreu auf Thatsachen begründet, und dieses insbesondere in der Hauptstadt viel gelesene Blatt einen un leugbaren und bedeutenden Einfluß auf die Meinung der Mittelklassen übt. Diese Bemühungen scheinen jedoch völlig erfolglos geblieben zu sein, als dieses Journal gerade in den letzten Tagen wieder eine Reihe von ernsten höchst beach- tenswerthen Artikeln und speciell über die von dem Episkopal des Kronlandes Oesterreich erlassene collective Instruction über die Ausschließung protestanti scher Leichen von den katholischen Friedhöfen enthielt. Einen noch maßgebenden-. Beweis über das gänzliche Mislingen dieser mysteriösen Unterhandlungen dürfte aber offenbar die von der ultramontanen Partei in dem nicht amt lichen Theil der officiellen Wiener Zeitung veröffentlichte sogenannte Erklä rung bieten, welche die Bedeutung dieser Mittheilungen entkräften sollte. Alle aus der österreichischen Hauptstadt hierhergelangten Berichte bezeich- nen diesen erneuten Versuch, die öffentliche Meinung abermals irrezulei ten, als einen völlig verunglückten. Man scheint in Wien den Ursprung und geringen Werth dieser sogenannten „Mittheilungen", denen man von einer Seite her so gern eine religiöse Färbung ertheilen möchte, zu genau zu kennen, als daß die öffentliche Meinung denselben auch nur noch die geringste Beachtung ertheilen könnte. Bezüglich der hier anscheinend ge scheiterten geheimnißvollen Unterhandlungen durfte man aber wol füglich ge wärtigen, daß ein so gewichtiges und einflußreiches Journal, daS unter der Abel'schen Verwaltung die ultramontane Partei so konsequent bekämpfe, derselben in einem Nachbarstaate, von welchem aus sie ganz Deutschland mit mittelalterlicher Unduldsamkeit und Verfinsterung bedroht, jedenfalls nicht die Hände reichen werde. Hannover. Der National Zeitung schreibt man aus Hannover vom 19. Mai: „Dem Hrn. v. Münchhausen, Abgeordneten zur ll. Kammer für die Stadt Stade, ist, wie in der ganzen Stadt erzählt wird, der Be such bei Hofe Untersaat worden. Hr. v. Münchhausen, Ministerpräsident de- Ministeriums v. Münchhausen-Lindemann, eine« Ministeriums, welches noch imnierr im Land« in sehr guter Erinnerung steht, eine kräftige, offene