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Freitag den 14. August 1914 abends Nr. 187 8N. Jahrgang AlNtöblüÜ für die Königliche Amtshauptmannschaft, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtseittgem „Illustrierten Unterhaltungsblatt" und täglicher Unterhaltungsbeilage. Mr die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne. — Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde. WHeritz-Mmlg TUsBlU Nil AUW flr WMWOe, WiMrg u. 1l. — Die -Welheritz Zeitung" Erscheint täglich mit Aus nahme der Sonn- und Feiertage und wird am Spätnachmittag ausge- geben. Preis vierteljähr- lich 1 M. 50 Pf-, zwei- monatlich 1 Mark, ein- monatlich 50 Pf. Ein- zelne Nummern 10 Pf. Alle Postanstalten,Post boten, sowie unsere Aus- träger nehmen Bestel lungen an. Inserate werden mit 15 Pf., solche aus unserer Amtshauptmannschaft mit 12 Pf. die Spaltzeile oder deren Naum bersch- net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 85 bez. 30 Pf. — Tabellarische undkomplizierteJnserate mit entsprechendem Auf schlag.— Eingesandt, 1m redaktionellen Teile, die Spaltenzeile 30 Pf. Aufruf. Das Vaterland braucht die Kräfte seiner alten gedienten Unteroffiziere, UNI die junge in das Heer eintretende Mannschaft im Waffenhandwerk anvzubilden und zu erziehen. Es ergeht deshalb an alle gedienten ehemaligen Unteroffiziere, die zur Aus bildung der Mannschaften mitzuwirken bereit sind, dieser Aufruf, sich bei den Ersatz, truppenteilen zur Einstellung zu melden, um ihr Teil zur Verteidigung des Vaterlandes beizutragen. Dresden, am 12. August 1914. Nr. 22 Nachr.-St. Der Kommandierende General. Beschluß. Das Verfahren, betreffend die Zwangsversteigerung des im Grundbuche für Rein hardtsgrimma Blatt 99 auf den Namen des Mühlenbesitzers und Bauunternehmers Josef Franz Paul Schmolke in Dresden eingetragenen Grundstücks wird einstweilen eingestellt, da der betreibende Gläubiger die einstweilige Einstellung bewilligt hat. Der auf den 18 August 1914 anberaumte Termin fällt weg. Dippoldiswalde, am 13. August 1914. 2a 14/14. b4r. 4. Königliches Amtsgericht. Drucksachen für Gemeindebehörden fertigt Buckdruckerei Carl Jehne Dn stolzes England, schäme dich! Als während der Chinaexpedllion im Jahre 1900 das vereinigte Heer der Europäer von schier zchnsacher Ueber- macht plötzlich sich angegrisfen sah und die vordersten Kolonnen in Unordnung zurückwichen, da gab der britische Feldherr Lord Seymur schleunigst den Befehl: Oermans to tke front — „Die Deutschen vor! ' Und wie haben unsere wackeren blauen Jungen den Befehl ausgeführt, diese schon durch so viele harte Strapazen arg mit genommenen Leute! „Hunger und Durst im Leibe, kein Schlaf in den letzten Togen und Nächten — und dennoch: Kein Halten gab's . . . wir mutzten rufen: Ruhig Blut, nicht zu hitzig, Kerls . . ." so erzählt der jetzige Konter admiral z. D Schlieper. Drauf ging es auf den Feind! Es gab für die Deutschen kein Hindernis. Und der arg- listische Feind zerstob vor deutschem Sturmangriff. Oermans to tke krönt — die Deutschen ins Vorder- tresfcn! Wieder hat ein Brite so ins Land gerufen, doch es ist kein Bittruf, sondern eine Herausforderung, von einem treulosen Volke gesprochen, das eben noch Frieden heuchelte, aber selbstverständlich mit von der Partei sein möchte, wenn es das Fell des deutschen Löwen zu ver- teilen gilt Die deutsche Flotte soll vertilgt werden vom Erdboden, unsere Kolonien in John Bulls weiten Taschen verschwinden. Deutscher Handel und Industrie in der Welt nur noch gestattet sein, soweit England es genehmigt. Das sind der Briten letzte Ziele. Du stolzes England, das du freiwillig den Schützern der serbischen Meuchelmörder dich zugestellt hast, schäme dich! Schäme dich, du germanische Macht, die du mit Slawen und Romanen dich zusammenschließt, um den ger manischen Bruder zu fällen! Ei der Tausend! Auf welchen Erfolg der Brite schon Hinschauen kann. Er hat unsere kleine Musterkolonie Togo angegrisfen und die Stadt Lome eingenommen. Weg genommen kann man nämlich nicht einmal sagen, da der Gouverneur mit den paar Polizisten und wehrhaften Deutschen die Stadt nicht verteidigen konnte, sondern im Innern der Kolonie weilte. Selbstverständlich wird die Entscheidung über Behauptung oder Verlust Togos ganz anderswo fallen als in der kleinen wehrlosen Kolonie, deren musterhafte Ordnung das Halten irgend welcher größeren Schutztruppe bisher erübrigte. Aber ein Helden- stücklein sondergleichen bleibt der britische Heereszug gegen Togo doch, der Ueberfall einer völlig wehrlosen kleinen Siedelung, noch ehe das erste Britenschiff an der deutschen Küste erschien! Wie anders die Unseren! Die Deutschen vor die Front! ertönte der Trutzruf, und schon erschien als Ant- wort ein kecker Hilsskreuzer unserer Flotte vor der Themse mündung und streute dort Minen aus. Jawohl, der frühere Bäderdampfer Königin Luise wurde bei diesem tollkühnen Unternehmen, wie gar nicht anders zu erwarten war, überrascht und in den Grund gebohrt, aber der britische Kreuzer Amphion erbrachte schleunigst den Tat beweis, wie gefährlich deutsche Streuminen sind, und flog in die Luft! Für einen Bäderdampfer ein Schnellkreuzer der britischen Marine, und dazu die Themsemündung ver seucht, zwar nicht mit Cholerabazillen, wohl aber mit See- Minen. Ehre und Ruhm dir, kleines Schifslein, und deiner nur zum Teil geretteten Besatzung, datz du an Englands Küste die Parole gelten ließest: Die Deutschen vor die Front! Ruhmreich reihte die Königin Luise noch im Sinken der Augsburg vor Libau und dem deutschen Mittel- meergeschwader, das die Hafenbauten von Algier bom bardierte, sich an. Und noch eins! Was war die Königin Luise, dieser Bäderdampfer, gegen die Hilfskreuzer, die die Hamburg- Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd der deutschen Kriegsflotte zur Verfügung stellen, gegen diese schnellsten Dampfer der Welt? Die Zeit wird kommen, wo genau mit derselben Verwegenheit sie zur Hetzjagd auf jene zahllosen Proviantschicke sich ausmachen werden, von deren unge störter Zufuhr das Britenvolk, das seine Landwirtschaft verkümmern ließ, unbedingt abhängig erscheint. Dann stolzes England — sorge dich! Das Fiasko des Panstadismus. Der Gedanke des Panslavismus, den der russische Journalist Katkow zuerst auf russischem Boden säte, trug seine ersten reichen Früchte bei Alexander dem Drillen. Er wurde durch diese Ideen schließlich völlig umgewandelt. Er kam durch sie in seinen letzten Regierungsjahren zu emer rücksichtslosen Willkür gegen alle Fremdvölker im russischen Reich und zrk den Träumen von einer russischen Weltherrschaft. Als Jgnaliew Minister des Innern wurde, das „Väterchen der Lüge", wie sein Spitzname im eigenen Lande lautete, sollte die Idee des Panslavismus zur Waffe gegen den Nihilismus werden. Man glaubte, durch den großen Schwung einer panslavistischen Begeiste rung über die große Unzufriedenheit im Lande hinweg zukommen. Vor allem waren es die Grotzfürsten, die sich dem Panslavismus mit allem Eiser Hingaben. War es doch auch so viel billiger und bequemer, den Mißständen im Innern durch panslavistische Phrasen abhelfen zu wollen als durch die Uebernahme konstitutioneller und sozialer Verpflichtungen seitens der oberen Gesellschaft- schichten. Der panslavistischen Idee hat Rußland so viel vertraut, daß es selbst den gelegenlichen Bund mit der Revolution in ihrem Interesse nicht scheute. Das deutsche Element, daß der russischen Negierung in den Ostseeprooinzen viel fach im Wege ist, suchte sie dadurch zu schwächen, daß sie Unzufriedenheit des russischen Pöbels gegen den be güterten deutschen Mittelstand sich mehr oder weniger ungeniert austoben ließ. Sie hat die gutsituierten Deut schen in den baltischen Landen gegen die Revolution nicht nur nicht genügend geschützt, sondern stellenweise sogar diese Revolution b°günstigt Waren die Deutschen beseitigt, dann hoffte man die erregten Massen mit deren Besitz entschädigen und mit der panslavistischen Begeiste rung über alles weitere Ungemach hinwcgtrösten zu können. Eine Zeltlang war dann die ruhhchk Politik nach Osten abgelenkt. Seit aber dort die Japaner den schweren Riegel Vorschüben, gewann der Panslawismus von neuem an Bedeutung. Da hatte man ihn wieder nötig, um ein Ideal zu haben, das über die Niederlagen in der Man dschurei hinwegtröslen könnte und die immer gefährlicher werdende Revolution durch andere Interessen abschwächen sollte. Das letztere Ziel ist ohne Zweifel nicht erreicht. Man ist zwar äußerlich der Revolution Herr geworden, man hat ihre Häupter zu Hunderten gehängt oder verschickt. Man hat durch die fürchterlichsten Gewaltmatzregeln bei nahe jede freiere politische Bewegung unterbunden. Wenn man aber gehosft hat, durch die Auspflanzung des pan slavistischen Ideals nun auch innerlich das russische Volk umzustimmen, so hat man sich darin gründlich getäuscht. Die Masse des russischen Volkes verhält sich gegen alle Weltherrschaftsträume des Panslavismus absolut gleich gültig. Es ist mit viel dringenderen und näheren Nöten reschästigt, al» daß ihm viel daran liegen könnte, unter wessen Herrschaft andere Slavenstämme gehen oder kommen ollen. Der Panslavismus hat im Gegenteil den wenn mch verhaltenen revolutionären Groll im Volk nur ver mehrt, hat ihm neue Nahrung zugcsührt, indem er die Regierung noch blinder für die sozialen Ausgaben des Staates machte, als je zuvor,' indem er für militärische Zwecke dem Lande so große Opfer auserlegte, daß schließlich gr soziale Resormen aller Art überhaupt kaum etwas ibrlg blieb. Auch die großzügige Agrarreform des Land ¬ wirtschaftsministers wurde schließlich durch die panslavistischen Treibereien der Großfürstenpaitei in die zweite Linie gedrängt. Der Anlauf, den man nahm, war ja freilich nun zunächst vielversprechend. Man stiftele den Balkanbund. Die russische Hand über Bulgarien, Serbien und Monte negro, vielleicht auch noch über Rumänien, die Einklammerung Oesterreichs, die Beherrschung des Mittelmeers, das war das Ziel, das ihr winkte. Und wie nahe schien cs vor den Augen der trunkenen russischen Chauvinisten zu stehen! Mit dem Zerfall Oesterreichs rechnete man wie mit einer Naturnotwendigkeit. Der große russische Magnet sollte der Donaumonarchie alle slavifchen Bestandteile aus dem Leibe reißen. Und damit wäre ja der Sieg des Slaven- tums in Europa schon so gut wie entschieden gewesen. Jetzt hat die Herausforderung, die in dieser Politik gegen ganz Europa, vor allem gegen Deutschland und Oesterreich lag, zu ihrer unausbleiblichen praktischen Kon sequenz geführt. Aber in welcher Verfassung findet sie jene vermeintlichen Stützen des Panslavismus? Bulgarien und Serbien sind tödlich verfeindet. Wohl richten die Serben begeisterte und dringende Bitten an das slaoische Brudervolk. Sie werden aber kein Echo dafür finden. In Rumänien hat Rußland mit allen Mitteln, zuletzt noch mit denen der Heiratspolitik, gelockt Auch diese Lockungen haben nicht verfangen. Der Weg von Rußland nach Serbien ist durch Rumäniens Mißtrauen, durch Bulgariens Haß versperrt. Die Königsmörder in Belgrad müssen die Suppe allein ausessen, die sie sich eingebrockt haben. Der Panslavismus ist für sie ein Schatten, an den sich keiner halten kann. Die Slavenläuder, auf deren Freundschaft untereinander man aufbaucn wollte, brachen bei der ersten ernsthaften Gelegenheit kläglich auseinander. Und die Slaven, auf deren Feindschaft gegen ihr habsburgisches Herrscherhaus man zählte? Mit einer alle Welt überraschenden Einmütigkeit treten sie für das Staatswesen ein, das sie umsängt Mit eü er nicht mehr zu überbietenden Entschiedenheit lehnen sie das russische Knutenregiment ab, nicht nur die Südslaven, sondern auch die Tschechen, die Polen, die Rulhenen. Unter den letzteren war also alle russische Agitation, alle Bestechung, aller Bekehrungseiscr der orthodoxen Kirche umsonst! Was der Idee des Panslavismus vielleicht seinen materi ellen Leib hätte geben können, die Fähigkeit zu moralischen Eroberungen, das fehlt eben dem Zarismus vollständig. So vollständig, daß er nicht einmal der Slaven im eigenen Reich sicher ist! Das unsere Truppen in Polen wie in ein befreundetes Land einrücken können! Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalve. Ganz im Gegensatz zu den kriege- rischen Unruhen und Sorgen, die auf ganz Europa lasten, steht die jetzige herrliche Wetterlage, die mit ihrem Ernte- segen ein hehres Bild des Friedens bietet. Ueberall sind fleißige Hände emsig tätig, die reichen Gaben der Fluren und Felder zu bergen und bald ist auch in unserer Höhenlage die Heuer so außerordentlich reiche Roggenernte beendet. Auch die Halm- und Hackfrüchte stehen so schön, wie seit Jahren nicht. Wenn der Dämon Krieg nicht entfesselt wäre, der Mensch könnte wohl zufrieden sein — ob ers aber wäre, steht auf einem andern Blatte. Leer sind die andere Jahre nm diese Zeit so gern besuch ten Sommerfrischen trotz des herrlichen Welters. Schwer liegt der Druck auf allen Geschäften, die nicht gerade mit des Leibes Nahrung zusammenhängen. Der Umsatz ist auf ein Nichts zusammengesunken, die Industrie muß eine Werkstatt nach der anderen schließen, da die Aufträge zurückgegangcn oder wegen des Krieges sistiert sind. Aber unser deutsches Volk wird diese hoffentlich recht bald zu Ende gehende schwere Zeit überstehen mit vereinten Kräf-