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Ottendorfer Zeitung. Die „(Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich z Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Noritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bi, vormittag io Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck unö Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 69. Freitag-, den 10. Juni 1904. 3. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Gttendorf-Dkrilla, 9. Juni 1904. — Am gestrigen Mittwoch unternahm der hiesige Landwirtschastlrche Verein per Geschirr eine Partie nach den Zuchtstationen Görzig und Zabeltitz dcS Kammerherrn von Fröda. Die Rückfahrt erfolgte über Großenhain- Kalkreuth, wo das Königliche Remontedepot besichtigt wurde. In der zehnten Abendstunde kehrten die Partieteilnehmer in bester Stimmung wieder zurück. — Da der Standesbeamte Herr Leonhard auf ca. 14 Tage verreist, erledigt sämmtlicke Standesamts-Angelegenheiten der Stellvertreter Herr Gemeindevorstand M. Kühn, Groß-Okrilla. Das Friedensrichteramt bleibt bis zum 22 Juni geschloffen. — Schießprämie. Der unter dem Protektorat des Kaisers stehende Verband deutscher Brieftaubenliebhabervereine Hal für das Abschießen und Fangen von Wanderfalken, Hühnerhabichten und Sperberweibchen für das laufende Jahr eine Prämie von 3000 Mark ausgesetzt, welche durch das preußische Kriegs ministerium um 500 Mark erhöht worden ist, so daß eine Gesamtprämie von 3500 Mark verteilt werden kann. Dieser Betrag gelangt Anfang Dezember zur Verteilung, und zwar 2900 Mark nach dem Verhältnis der ein gelieferten Fänge, während die weiteren 600 Mk. als Sonderprämien an die höchstbeteiligten Schützen verteilt werden. Für jedes Paar Wanderfalkenfänge wird eine Zusatzpräwie von 1 Mark bezahlt. Zur Erhebung eines An spruches an diese Prämien muffen die „beiden Fänge", nicht der ganze Raubvogel, bis spätestens Ende November d. I. dem Verbands-^ geschäftSführer W. Dördelmann zu Hannover- Linden franko eingesandt werden. Die Läufe sind bis kurz über dem ersten Gelenk ab zuschneiden, sodaß ein kleiner Federkranz stehen bleibt und vor der Absendung (in Brief oder als Muster ohne Wert) sind die Fänge gut zu dörren. Im vorigen Jahre wurden für 3436 Paar eingegangene prämiierungsfähige Fänge 80 Pfg. Prämie für das Paar, für Wanderfalkenfänge 1,80 Mk. bezahlt. Den Schützen, die 25 und mehr Paar Fänge ein lieferten, wurde außerdem eine Sonderprämie von mindestens 15 Mark bewilligt, die sich je nach der Zahl der Fänge bis auf 50 Mark steigerte. — Nachsendung der Postsachen zur Reise zeit. AuS Anlaß der beginnenden Reisezeit läßt die Kaiserliche Ober-Postdirektion hierdurch die Wichtigsten Bestimmungen mitteilen, die zur Vermeidung von Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung von Postsachen zu beachten sind. Für die Ausfertigung der Nachsendungs anträge werden von den Postanstalten un entgeltlich Formulare verabfolgt, deren Be nutzung dringend empfohlen wird. Die Post sendungen, deren Nachsendung gewünscht wird, sind nach den einzelnen Arten (Briese, Post karten, Drucksachen, Warenproben, Geschäfts papiere, Postanweisungen, Wertsendungen. Pakete, Nachnahmesendungen, Telegramme) an zugeben. Wenn die Nachsendung aller Gattungen von Postsachen gewünscht wird, genügt die Angabe „Postsendungen und Telegramme". Die Adresse, unter der die Sendungen bei der alten Postanstalt eingehen, sowie der neue Be stimmungsort und, wenn in diesem keine Post anstalt ist, auch die Bestellpostanstalt sind im Nachsendungsantrag genau anzugeben. Ist der Neue Bestimmungsort eine größere Stadt oder ein von Sommergästen viel besuchter Oct und eine Wohnung, wie es ja häufig geschieht, vorher gemietet, so ist auch die Angabe dieser zur Vermeidung von Verzögerungen in der Zustellung der Postsachen dringend notwendig Aus dem Antrags muß zu ersehen sein, von welchem Tage an die Nachsendung erfolgen und wenn diese aufhören soll. Anträge auf un bestimmte Zeit müssen nach Ablauf von vier Wochen erneuert werden, wenn sie länger in 1raft bleiben sollen. Da in großen Städten mehrere Dienststellen von den Nachsendungs anträgen Kenntnis zu nehmen haben, empfiehlt es sich, die Anträge tunlichst einige Tage vor der Abreise abzugeben. Drucksachen, Geschästs- papiere und Warenproben, die nach Ortstaxe rankiert sind, sind von der Nachsendung für gewöhnlich ausgeschloffen. Sollen solche Sen- tungen nachgesandt werden, so ist dies besonders un Anträge zum Ausdruck zu bringen und wrbei unter anderem darüber Bestimmung zu treffen, in welcher Weise diese Sendungen wa in Abwesenheet des Empfängers bestellt werden sollen. — Bilz, der Besitzer der großen Natur- jeilanstalt in Radebeul, versteht sich nicht nur auf die leiblichen, sondern auch auf die sozialen Gebrechen unserer Zeit. Um letztere zu heilen, mt er ein Buch erscheinen lassen: "Der Zukunfs- 'taat, Staatseinrichtung im Jahre 2000", das er mit dem Motto empfiehlt: „Jedermann wird ein glückliches und sorgenfreies Dasein gesichert." Bilz versichert darin stolz, daß seine Vorschläge den heutigen landläufigen Ansichten ein bis zwei Generationen voraus sind. Das ist jedoch noch zu bescheiden gedacht. Bilz ist seiner Zeit so weit voraus, daß es der Menschheit überhaupt nie gelingen wird, ihn einzuholen. Der erste einer Vorschläge zur Errichtung des Zukunfts- taates geht dahin, daß allen Menschen van der Geburt an vom Staat „^ein ausreichender Sold gezahlt werde." Außerdem will er mit sich reden lassen, ob nicht vielleicht der neue Staat auch jedem einzelnen einmal außer seinem Ge- jalt ein kleines Vermögen, etwa in der Höhe von 1000 Mark, aus den Gesamtmitteln zu teilen könnte. Viele reichen Leute würden, meint er, wahrscheinlich auf dies Geschenk von 1000 Mark verzichten. Herr Bilz sieht eine allgemeine Expropriation vor unter entspechender Entschädigung der bisherigen Besitzer; er ver kennt nicht, daß hierzu Riesensummen nötig sind, die der Staat schwerlich in Gold und Silber zur Verfügung haben werde. Nach Ansicht des Herrn Bilz wird es für den Staat „zweck-- mäßiger sein, die Auszahlung in Papiergeld vorzunehmen". Papiergeld könne man ja in beliebigen Mengen schaffen, und der Staat habe es in seiner Macht, soviel Papiergeld herzu stellen, als er zur Durchführung der Expropriation benötige. „Trotz alledem" meint Herr Bilz, daß der Wert des Geldes bestehen bleibe. Er versichert auch: „Keineswegs brauchen die Waren mehr zu kosten, als gegenwärtig üblich ist-" In geeigneter Weise müsse von der Staatsverwaltung dafür Sorge getragen werden, daß mit den großen Geldsummen, die im Zukunftsstaat manche erhalten würden, nicht in auffällig verschwenderischer Weise umgegangen werden darf. Das würde sich, sagt Herr Bilz von selbst verstehen. — Wie man sieht, löst also die soziale Frage im Handumdrehen, so bald genug Geld da ist — wenn es auch nur Papiergeld ist. Grünberg. Am kommenden Freitag be geht Herr Pfarrer Märker das Fest der sil Kernen Hochzeit. Laus«. Die zum Radeberger Kreiönerband vereinigten Evangelischen Arbeitervereinigungen zu Bühlau-Rochwitz, Lausa, Loschwitz u d Radeberg halten ihr gemeinsames zweites Kreisfest am Sonntag im hiesigen Hennigschen Gasthof ab. Langebrück. Dienslag Abend gegen 8 Uhr brannte das Wohnhaus nebst Scheune und Stall des Wütschaftsbesitzers Titül voll ständig nieder. Von auswärtigen Wehren war zuerst die Grünberger an der Brandstelle eingetroffen. Bärnsdorf. Sonntag Mittag ertran beim Baden im Großteich der 25jährige Schlosser Richter aus Klotzsche. Radeberg. In der hiesigen Knaben schule sind seit etwa 14 Tagen Erkrankungen an Masern, Scharlach und Diphtheritis in solchem Maße aufgetreten, daß seitens der Schulleitung dem Königlichen Bezirksarzte in Dresden Mitteilung davon gemacht werden mußte. Die daraufhin getroffenen Anordnungen verlangen die Ausschließung der schulpflichtigen Wohnungs- und Hausgenoffen von der Schuls bis zur völligen Genesung der Erkrankten, die bei Masern auf vier, bei Scharlach und Diphtherites auf sechs Wochen festgesetzt ist. In 27 Klaffen fehlen gegenwärtig 205 Knaben; besonders zahlreich treten Masern auf. Kötzschenbroda. Der Gemeinderat beschloß, von der Ausschreibung der Gemeinde vorstandswahl abzusehen und die Wahl aus der hiesigen Beamtenschaft erfolgen zu lassen. Radebeul. Am Dienstag morgen kam der in der chemischen Fabrik von Heyden beschäftigte 24 Jahre alte Arbeiter Nitzsche aus Boxdorf auf Bahnhof Radebeul zwischen zwei Loris und wurde so schwer verletzt, daß er bald darauf verstarb. Großenhain. Als am Sonntag ein 'leinraschützer Geschirrführer mit seinem Ge ährt, auf dem sich noch zwei seiner Kinder be- andcn, vor einem Friseurladen auf der Berliner Straße Halt gemacht, um sich in diesem sonn täglich verschönern zu lassen, scheute das Pferd wahrscheinlich vor einem vorüber fahrenden Radfahrer und ging dur h. Es konnte jdo.h in der Nähe der Kirche aufgehalten werden, ohne daß irgendwelcher Schaden entstanden war. Nicht ganz so glücklich lief ein gleiches Vorkommnis am gestrigen Tage zwischen Zschauitz und Lenz ab. Dort scheuten die Pferde eines Niederauer Geschirres infolge eines vorbeirasenden Motor radfahrers und gingen ebenfalls durch. Hier- rei wurde der Wagen des Gefährts durch Ab- wechen der Deichsel beschädigt; die auf dem Wagen befindlichen Personen kamen mit dem Schrecken davon. Großzschachwitz. Erstickt ist hierselbst in vier Monate altes Kind, welches sich bei en Großeltern in Pflege befand. Um das Kind zu beruhigen, gab ihm die Pflegemutter das mit einem Kork versehene Gummihütchen. Bald darauf hörte die Frau das Kind stöhnen, und als sie sofort nachsah, bemerkte sie, daß das Hütchen dem Kinde in die Kehle geraten war. Bei dem Versuche, das Hütchen zu ent fernen, rutschte dieses in die Luftröhre des Kindes, welches dadurch den Erstickungstod fand. Obwohl sofortige Hilfe herbeigeholt wurde, war das kleine Wesen nicht mehr zu retten. Brising bei Bautzen. Eine Neckerei, welche recht traurige Folgen hatte, trug sich hier zu. Beim Gutsbesitzer Pötzschke, war der Knecht Schreiber und der 15jährige Sohn Pötzschkes mit Holzspalten beschäftigt. Beide neckten sich, weil jeder das beste Holz haben wollte. Hierbei hackte der Knecht dem Pötschke mit dem Beil auf die linke Hand, wodurch der Zeigefinger sofort auf dem Hackeklotz lag, während zwei weitere Finger im Krankenhaus zu Bautzen amputiert wurden, sodaß er nur Daumen ^und kleinen Finger an der Hand be hielt. Der Knecht ist verhaftet worden. Roßwein. Rohe Burschen Haden in der Sonntag-Nacht hwr ein Zerstörungswerk be trieben, wie es kaum zu glauben ist. Da sind im Garten gegenüber dem Zentralschulgebäude die Kronen junger Linden umgebrochen, an einem benachbarten Garten fehlen eine Anzahl Staketlatten, eine Haustelegraphenleitung wurde zerstört, dem Tuchfabrikanten F. A. Metzler wurden zwei am Tuchrahmen aufgespannte Stücke durch 70 Schnitte unbrauchbar gemacht und am Goldbornweg sieht man 22 Linden welche umgebrochen, angeschnitten oder au andere Art beschädigt sind. Zur Ermittelung der Täter ist von der Behörde eine Belohnunc von 30 Mk. ausgesetzt worden. Chemnitz. In dem Monticrungssaal der Presto - Farradwerke, Kommandit - Gesellschaft entstand gestern Abend auf bisher noch nicht ermittelte Weise Feuer, durch welches fast das ganze Lager fertiger Fahrradtelle vernichtet wurde. Da auch die Maschinen durch Feuer und Wasser Schaden erlitten haben, muß der Betrieb des Werkes, das etwa 100 Räder täglich her stellt, auf voraussichtlich 8—14Tage uhen. Der sehr bedeutende Schaden ist durch Versicherung gedeckt. Leipzig. Auf dem Bahnhofe Gaschwitz wurde gestern der das Rangiergeschäft leitende Stationsassistent Guttheil von einer Rangier« gruppe erfaßt und so unglücklich umgeworfen, daß ihm der linke Fuß überfahren wurde. Crimmitschau. Durch eine Bekannt gabe des Vorsitzenden des hiesigen Gewerk- chaftskartells, des sozialistischen Stadtverordneten köhler, im „Sächsischen Volksblatt" wird unter dam gestrigen Datum der Boykott der Mummertschen Brauerei aufgehoben. In der Bekanntgabe heißt eS: „An die Einwohner und Arbeiterschaft von Crimmitschau und Um gegend". Der seit Mitte März wegen Maß regelung organisierter Arbeiter in der Brauerei A. Mummert zwischen letzterer und der Arbeiterschaft entbrannte Kampf wird hiermit wegen momentan ungünstigen Verhältnissen hier orts auf eine uns günstigere Zeit vertagt. Die derzeitigen Verhältnisse haben uns veran- aßt, der Arbeiterschaft die vorläufige Vertagung zu empfehlen. Wir werden nicht verabsäumen die Arbeiterschaft zu gegebener Zeit wiederum zum Kampfe gegen die obengenannte Brauerei aufzurufen, hoffend, das jetzt nicht Erreichte zu gegebener Zeit zu erkämpfen. Mit der Vertagung t jedoch durchaus nicht ausgedrückt, nunmehr ie Mummertschen Biere anderen vorzuziehen, andern es bleibt jedermann unbenommen, auch n Zukunft seinem Unwillen über Zustände in der Mummertschen Brauerei praktisch Ausdruck zu verleihen. Wir behalten uns vor, die während dieses Kampfes sich in besonders arbeiterfeindlicher Weise betätigten Organe, Wirte, Geschäftsleute usw. einer eingehenden Würdigung und Be trachtung zu unterziehen." Schönheide. In besorgniserregender Weise mehren sich im hiesigen Orte die Brände, )ie zum Teil auf Böswilligkeit zurückzuführen rnd. So wurden am Sonnabend früh Wohn- jaus und Scheune des Wirtschaftsbesitzers Härtel gänzlich eingeäschert, wobei nur ein ge ringer Teil der uicht versicherten Habe gerettet werden konnte. Am Sonntag mittag brannten die Wohnhäuser und Scheunen der Hausbesitzer Keller und Lenk auf dem Baumannsberge völlig nieder. Von vier betroffenen Familien hatte nur eine versichert. Meerane. Die Flucht ergriffen hat seit einigen Tagen ein Garnagent, nachdem er einer größeren Chemnitzer Firma, deren Vertreter er war, Garne im Werte von meheren Tausend Mark unterschlagen hat. Der Flüchtling ist wahrscheinlich nach Amerika ausgewandert, da er kurz vor seinem Verschwinden in Bremen gesehen worden ist. VonderböhmischenGrenze. Die Zahl der Kreuzottern nimmt in allen Gebieten der böhmischen Grenze in erschreckender Weise zu. Sonnige Abhänge sind von ihnen so zahlreich bevölkert, daß das Ueberschreiten ge radezu lebensgefährlich ist. Es wurden bereits mehere Personen von Kreuzottern gebissen. Mühlberg a. d. E. Vom sicheren Tod des Ertrinkens gerettet. Der Zahntechniker Fritsch von hier durchschwamm gestern Nach mittag wiederholt den Elbstrom von einem Ufer zum anderen in der Näh- der kleinen hiesigen Kahnfähre. Da verließen ihn in der Mitte des Stromes plötzlich die Kräfte und nach mehrmaligem lauten Hilferufen versank er in den Fluten. Ein Mitschwimmer, der ihn zu retten versuchte, wäre von ihm beinahe selb - mit in die Tiefe gezogen worden. Der Fähr meister F. Weber bemerkte den Unfall; er fuhr schnell mit seinem Fährkahne dem Verunglückten nach und es gelang ihm auch, ihn wieder ans Land zu befördern. Die sofort vorgenommen n Wiederbelebungsversuche waren glücklicherweise von Erfolg oegleitet.