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HchönbuMr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. «nd Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich 1 Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 25. Mai 11S. 1881. "Waldenburg, 24. Mai 1881. Schutz der heimischen Industrie. Wie wir bereits gestern mittheilten, hat Sachsen beim Bundesrath nunmehr zu Gunsten der Glau- chau-Meeraner Webwaaren-Jndustrie den Antrag eingebracht, wonach unbedruckte Tuch- und Zeug- waaren im Gewichle von mehr als 200 Gramm pro Quadratmeter Gewebefläche 135 Mk. pro 100 Kilogramm, im Gewichte von 200 Gramm oder weniger pro Quadratmeter Gewebefläche 220 Mk. pro 100 Kilogramm zahlen sollen. Die Webwaaren-Jndustrie, welche nicht blos die Städte Glauchau und Meerane und ihre unmittel bare Umgebung umfaßt, sondern auch über Zwickau hinaus bis in das Vogtland und über Hohenstein- Ernstthal bis nach Chemnitz reicht und das ganze Ge biet der ganz und halbwollenen Damenkleiderstoffe umfaßt, fabricirte bereits im Jahre 1863 auf un gefähr 230 mechanischen und mehr als 30,000 Handwebstühlen nahe an 2 Millionen Stück Waaren im ungefähren Werthe von 77'/r Millionen Mark und beschäftigte zu jener Zeit bei flottem Geschäftsgang 50- bis 60,000 Personen. In den letzten Jahren ist diese früher so blühende Industrie in Noth und Bedrängniß geralhen; die Ursachen, welche diese traurigen Verhältnisse ge schaffen, sind freilich theilweise solche, gegen welche der Industrie Schutz überhaupt nicht gewährt wer den kann, wie namentlich die Ungunst und der häufige Wechsel der Moden, theilweise aber liegen die Ursachen in der übermächtigten Concurrenz des Auslandes und namentlich Frankreichs in der Damen- kleiderstoff-Branche. Die englische Concurrenz, die früher so bedeutend war, hat zwar seit ungefähr fünf Jahren fast ganz aufgehört, aber die französische macht seitdem in steigendem Maße die deutsche Ausfuhr in diesen Waaren gänzlich unmöglich und überschwemmt außerdem den deutschen Markt mit ihren reinwollenen Beiges, mit Unis nach Art der Gera-Greizer und Phantasiestoffen. Frankreich hat natürliche Vortheile in dieser Fabrikation, größere Beweglichkeit und Nähe des Garneinkaufs, locale Concentration, aller für die Fabrikation nothwendiger Gewerbebranchen und der für den Ankauf des Noh- Materials dienenden Handelsplätze. Diese übermächtige Concurrenz hat zu einer außer ordentlichen Herabminderung der Waarenpreise und in deren Gefolge zu einer Verringerung der Arbeits löhne geführt, so daß unsere Weberbevölkerung in höchste Noth gerathen ist, selbst wo sie Beschäftigung hatte. Selbst die Fabrikanten unter sich machten einander theilweise eine ganz verwerfliche Concurrenz und wurde in dieser Beziehung der Commission ein Beispiel vorgeführt, wo ein Fabrikant den Meter Stoff um 2 Pfennige billiger verkaufen konnte, als ein anderer und dabei noch einen höheren Gewinn machte als dieser. Das Geheimniß bestand darin, daß der billigere Fabrikant den Arbeitslohn noch mehr herabsetzte, als den Waarenpreis, nämlich von 11 auf 9 Mk. pro Stück. Die Ueberschwemmung des deutschen Marktes durch französische Waaren ist zweifellos durch den deutschen Zolltarif begünstigt worden, da von be druckten, wollenen und halbwollenen Tuch- und Zeugwaaren pro 100 Kilogramm durchgehends 135 Mk. Zoll erhoben wurden, gleichviel ob es leichte Gewebe oder schwere Stoffe waren. Infolge dessen konnte für denselben Zoll ein viel werthvolleres Quantum von leichten Geweben eingeführt werden, als von schwere». Dazu kam noch, daß ein Theil der vom Auslands zu beziehenden Garne seit 1880 höheren Eingangszoll zu tragen hatte. Der Zolltarif soll deshalb dermaßen geändert werden, daß die leichten Gewebe im Gewicht von 200 Gramm und weniger pro Quadratmeter Ge webefläche einen Zollsatz von 220 Mk. pro 100 Kilogramm zu zahlen haben, die über dieses Gewicht schweren Stoffe aber den früheren Zoll behalten. Die französische Concurrenz wird ohne Zweifel durch eine solche Maßregel bedeutend erschwert, die schwer darnieder liegende Industrie von Glauchau- Meerane erhält den ihr nöthigen Schutz und unter demselben wird sie sich nach und nach wieder erholen. Auch durch die baldige Einbeziehung Hamburgs in das deutsche Zollgebiet dürfte die Glauchau-Mee- raner Industrie, die eine nicht unerhebliche Ausfuhr nach den nordischen Ländern unterhält, eine wesent liche Erleichterung ihres Absatzes erfahren; denn gegenwärtig befaßt sich Hamburg mit dem Export französischer, anstatt deutscher Damenkleiderstoffe, nach dem Norden Europas. Ganz im Sinne der von unserem Reichskanzler inaugurirten nationalen Wirthschaflspolitik schließt die Commission ihren Bericht mit dem Satze, „daß eine Industrie durch den Schutz, unter welchem sie auf dem heimischen Markte gedeiht, auch an Export fähigkeit wesentlich gewinnt, und daß daher die Unterstützung des Reichs bei Erhaltung bestehender und Eröffnung neuer Absatzgebiete in hohem Maße erwünscht ist." Unsere Weberbevölkerung aber wird wissen, wem sie die Hilfe zu danken hat, wenn sie wieder bei lohnendem Verdienste arbeiten zu können Gelegenheit findet, den Manchestermännern und den socialde mokratischen Agitatoren, die mit dem Versprechen goldener Berge schnell bei der Hand sind, jeden falls nicht. "Waldenburg, 24. Mai 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Bundesrath verwies bereits den Antrag Sachsens auf Erhöhung des Zolls für unbedruckle Zeug- und Wollenwaaren an die entsprechenden Ausschüsse. Die Pfingstferien des Reichstags werden vom 2. bis 9. Juni währen. Der Meistbegünstigungsvertrag mit Oester reich ist am 23. d. unterzeichnet worden. Der Handelsvertrag mit der Schweiz ist am 22. d. unter Aufrechterhaltung des Veredelungsverkehrs im bisherigen Umfange verlängert worden. Beide Ver träge gelangen noch an den Reichstag. Liberalerseits wird bereits die Frage erörtert, ob nicht bei Berathung des Gesetzes, betreffend die Er höhung des Mehlzolles, ein Antrag auf Beseiti gung der Getreidezölle einzubringen sei. Ueber diesen Gegenstand schreibt die „Norddeutsche": „Wenn diese Sorte von Liberalen ein Herz für vaterlän dische Interessen hätte und wirklich das Brod wohl feiler machen wollte, so sollte sie doch damit an fangen, die drückenden Lasten, welche die inländische Production vertheuern, zu vermindern und dadurch eine Verminderung der Productionskosten für das deutsche Getreide herbeizuführen. Daß diese Liberalen aber nur das ausländische, russische und amerikanische Getreide unter ihren Schutz nehmen, beweist un widerleglich, daß es ihnen nicht um wohlfeiles Brod, sondern um Partei- und Klasseninteressen zu thun ist." Bei den angeblichen Nachtheilen, die der Zoll anschluß für Hamburg bringen soll, wird mit großer Vorliebe auch die künftige Unmöglichkert des Veredelungsverfahrens betont. Die in Hamburg erscheinende fortschrittliche „Reform" giebt darüber folgende Auskunft: „Die Hamburger Kaufleute bil den eine große Fälscherbande. Sie fälschen Kaffee mittels Färbung. Sie verpanschen den edlen Wein. Sie fabriciren Kunstwein aus Bickbeeren und Sprit. Sie bieten gefärbte Schmiere als Butter. Sie machen Kunstbutter aus Talg. Sie fälschen Alles, was wir genießen: Mehl mit Schwerspaht oder Schlemmkreide, Milch mit Kalbshirn und Soda. Das ist ein schändliches Treiben, und ein wahrer Segen muß es genannt werden, daß der große Reichskanzler hier endlich Einhalt thun will, dadurch, daß er Hamburg in den Zollverein zwingt, denn dann Hörl das ja Alles auf." Aufhören wird das systematische Fälschen der Lebensmittel auch im Zollverein nicht, denn da wird es bekanntlich auch lebhaft betrieben, aber die Hamburger sollten nicht von Veredelung sprechen, wo es sich um Verschlech terung und Fälschung handelt. In Berlin hielt am letzten Mittwoch Abend ein antisemitischer Frauenverein seine erste öffent liche Versammlung ab, zu welcher sich etwa 100 Frauen aller Stände eingefunden hatten. Frau von Diezelski eröffnete die Versammlung und beleuchtete nach einigen einleitenden Worten in längerem, oft von Beifall unterbrochenem Vortrag die Aufgaben, die der junge Verein sich zur Lösung gestellt hat. Der Verein bezweckt die Wieder erweckung des christlich-germanischen Geistes unter den Frauen und die Wahrung deutscher Frauen ehre. Das Symbol des Vereins wird ein schwarzes Kreuz auf weißem Grunde mit der Inschrift: „Für deutsche Frauenehre, Deutscher Frauenverein" sein. Als Mitglieder werden nur ehrenwerthe christliche Frauen und Jungfrauen angenommen. Bei der Aufnahme verpflichtet sich jedes Mit glied, die Zwecke des Vereins nach Kräften för dern zu helfen. Diejenigen Geschäftsinhaber, welche sich bereit erklären, aus ihrer christlichen Religion und deutschen Nationalität kein Hehl zu machen, sollen ein Schild mit dem Symbol des Vereins erhalten, das am Laden befestigt wird. Sämmtliche Mitglieder sind verpflichtet, nach Mög lichkeit nur in diesen Geschäften zu kaufen. Die Geschäftsinhaber haben einen kleinen Beitrag zu zahlen; aus diesen Beiträgen soll dann eine Kaffe gebildet werden, aus welcher die Geschäftsinhaber zinsfrei Darlehen erhalten können. Der Verein wird ferner einen Damen-Bazar errichten, um deutfche Frauenarbeit zur Geltung zu bringen. Fast sämmt liche Anwesenden traten dem Vereine als Mit glieder bei. Oesterreich. Im Abgeordnetenhaus wurde die von der Majori tät des Schulausschusses beantragte Abkürzung der Schulzeit bei namentlicher Abstimmung mit 156 gegen 149 Stimmen angenommen. Der Präsident ließ wegen des wiederholten Applaus der Gallene dieselbe räumen. In Oesterreich wurden im Jahre 1880 103 To desurtheile gefällt — eine wahrhaft erschreckende Zahl, welche dadurch noch an Bedeutung gewinnt, daß die 103 Individuen, über welche die Geschwo renen ihr Verbiet auf das wohlverdiente „Schuldig" abgaben und die demnach nach dem österreichischen Strafgesetze zum Tode durch den Strang verurtheilt werden mußten, nur ein Bruchtheil jener Verbrecher sind, welche sich an dem Leben ihrer Nebenmenschen vergangen haben. Die Zahl der Mörder, welchem man — um einen polizei-technischen Ausdruck zu gebrauchen — noch „auf der Spur ist", erhöht