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Uxp«tz u. Redaktion Dre»den-Ne«ftadt v. Meißner «ässe 4. Die Zeitung erscheint Tienstag, Donnerstag und Eonnadend früh. Adonnemeut-- Pret»: Vterteljährl. M. 1§0. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «nstaltcn und durch unsere Boten. Vei freier Lieferung ins HauS erhebt die Post noch eine Ge- dühr von L5 Pfg. achsislhe DarheiluP Ein unterhaltendes Blatt für den Biirger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr«-»» Müller in Dresden. Inserate »erden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielfpaltZeilelSPsg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Jnferatea- Aunahmeftekcn: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidendank, Haastnstein LBogler, Rudolf Moste, E. L. Daube «Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt aM., G. Kohl, Keßelssorf u. f. w. Donnerstag, dm 29. Juni 1893. 55. Jahrgang. Abonnements - Einladung. Auf das mit 1. Juli beginnende dritte Quartal der „Sächsischen Dorfzeitung", „Jünfundfünfzigster Jahrgang«, nehmen alle kaiserlichen Postämter, Postexpeditionen und Landpostboten gegen Vorausbezahlung von 1 Mark 50 Pf. Bestellungen an; auch kann das Blatt, wenn es verlangt wird, den geehrten auswärtigen Abonnenten durch die betreffenden Postanstalten gegen Botenlohn von nur 25 Pf. pro Quartal jeden Dienstag, Donnersiag und Sonn» abend pünktlich in- HauS gesandt werden. Diejenigen Pränumeranten in Dresden und Umgegend, welche ihre Bestellungen direkt bei uns (Neustadt, kl. Meißner. > gasse 4), oder bei den von uns angestellten Boten machen, j erhalten die Zeitung jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend ohne irgend eine Preiserhöhung zugeschickt. Dringend ersuchen wir aber, die Abonnements-Bestel- i lungen gefälligst sofort machen zu wollen, indem wir bei späteren Aufträgen für die Nachlieferungen der bereit- j erschienenen Nummern nicht einstehen können. Inserate finden bei der bedeutenden Auflage der ! „Sächsischen Dorfzeitung" durch dieselbe sowohl in Dresden i und besten Umgegend, als auch im ganzen Lande die aus. gedehnteste Verbreitung. Die Verlags»Expedition. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. D'e Berliner Freisinns blätter suchen sich mit dem für ihre Partei so überaus ungünstigen Ergebniß der Berliner Stichwahlen nach Möglichkeit abzufinden. Einige schweigen verlegen, andere schelten auf die Gegner von recht-, welche diesmal nicht, wie in früheren Fällen, geholfen haben, der bürgerlichen Demokratie ihre vermeintlich ange stammten Berliner Mandate zu erhalten, noch andere stellen Betrachtungen darüber an, wie man einen ehe- maligen Schriftsetzer und jetzigen socialdemokratischen Parteisekretär einem Virchow vorziehen könne, welches Thema dann für Munckel und Baumbach variirt wird, einige endlich sind so kühn, an einer von ihnen em- pfohlenen Reformation der Partei an Haupt und Gliedern ihre Zukunftshoffnungen munter emporrankeu zu lassen. Die ReichShauplstadt scheint überhaupt unter der poli. tischen Herrschaft der Socialdemokratie zu stehen und werden andererseits die „guten" Freunde des deutschen Reiches im In- und Auslande kaum verfeblen, aus diesem Scheine H^nig zu saugen. Emmal weiß Niemand besser als die Führer der Socialdemokratie selbst, ein wie starke- Kontingent Solcher sogar unter den 161,000 Wählern waren, welche am 15. Juni socialdemokratische Stimmzettel abgaben, obwohl sie die eigentlichen Ziele der Socialdemokratie weder ahnen noch billigen. Aber auch abgesehen von diesem Mnstande, die Entscheidung zu Gunsten der Socialdemokratle führten am 15. und am 24. Juni nicht die Wähler herbei, welche für sie stimmten, sondern diejenigen, welche ihre staatSbürger- lichen Rechte so gering achteten, daß sie überhaupt der Wahlurne fern blieben. Von rund 374 000 in Berlin Wahlberechtigten haben im ersten Wahlgange nur 268,000 gestimmt; eS haben also 106,000 gefehlt, während 119,000 gegen die Socialdemokratie stimmten. In keinem der sechs Wahlkreise vermochte am 15. Juni die Socialdemokratie ihre Stimmenzahl auf die Hälfte der Wahlberechtigten zu bringen. Mit ihren 161,000 Stimmen hat aber die Socialdemokratie sicherlich da- Aeußerste erreicht, was sie am 15. Juni «rreichen konnte, ihr hat gewiß kem Mann gefehlt; 213,000 Wähler aber könnten gegen sie auf die Beine gebracht worden sein, wenn es richtig angefangen worden wäre. Daß letzteres auck diesmal nicht geschehen ist, daran hat allerdings der Hochmuth derjenigen Partei Schuld, welche am Sonnabend den Anspruch darauf verlor, in Berlin bei Wahlangelegenheiten bestimmend mitzusprechen. Weil weder die Fortschrittspartei, noch ihre Nachfolger, am wenigsten der Richter'jche Freisinn, den übrigen bürgerlichen Elementen — und diese stellten doch selbst am 15. Juni 58,000 Stimmen den 57,000 Richter'scheu trotz einer ziemlich lau bettiebenen Wahlagitation ent gegen — ein Zugeständniß machen wollten, deshalb verlor am Sonnabend derselbe Richter'sche Freisinn seine drei Berliner Mandate. Da- Gesammtergebniß der Hauptwahlen in ganz Elsaß - Lothringen weist, der „Straßburger Post" zu- folge, folgende Ziffern auf: Außer einer gewissen An zahl ungiltiger Stimmen wurden abgegeben 46 011 für Kandidaten der Socialdemokratie, 73,605 für Kandi daten, die vollkommen auf deutschnationalem Boden stehen und endlich fielen 113,521 Stimmen auf klerikal- protestlerische Kandidaten. Im Ganzen sind abgegeben worden 233,137 giltige Stimmen. Nach Lage der Dinge kann zwischen klerikal und protestlerisch ^eine Unterscheidung nicht gemacht werden. Es mag bei dem Einzelnen die Grenze nach der oder jener Seite hin mehr oder weniger verschoben sein; im Allgemeinen decken sich beide Begriffe. „Die klerikal - protestlerische Partei" — schreibt das genannte Straßburger Blatt — „liebt eS, sich als elsaß-lothringische Partei zu bezeich nen, wozu sie nicht berechtigt ist, denn sie vertritt eher , jede- andere Interesse, nur nicht das von Elsaß- Lothringen. Dle oben angeführten Zahlen bekunden übrigen-, daß die Partei ebenso an Anhängern ver liert, wie Nationale und Socialisten zunehmen. ES liegt in den Zahlen auch eine ernste Mahnung, nament lich an die Klerikalen, ihren bisherigen in nationaler Beziehung eingenommenen Standpunkt zu verlassen zu Gunsten de- gemeinsamen Kampfe- gegen die anwach- sende Socialdemokratie, so lange eS noch Zeit ist. Wenn eS einmal zu spät werden wird, werden wir wenigstens wissen, an wem die Schuld gelegen hat. Und was die Leute betrifft, die sich früher Protestler nannten, so wissen wir von den vorigen Wahlen, daß sie uns die Socialdemokraten in's Land haben ziehen helfen." Dem BundeSrathe dürften in allernächster Zeit Mitteilungen über die für den Reichstag bestimmten Arbeiten zugehen. Eine Umarbeitung der Militär vorlage auf der allgemeinen Grundlage, wenn auch nicht in allen Einzelheiten de- bekannten AntrageS Huene, ist bereits vor einiger Zeit erfolgt; der Bunde-, rath würde nun fein Einverständniß hiermit zu erklären haben. Die Herbstmanöver der Marine erregen in den nächstbetherlizten Kreisen ein lebhafte- Interesse. Der Kaiser wird einem Theile der Manöver beiwohnen. Sie sollen früher al- sonst beendet werden und die Ent lassung der Reserven demgemäß auch früher al- sonst erfolgen. Auch bei diefen Uebungen follen, wie bei denen der Landarmee, eine Reihe neuer Einrichtungen in Anwendung kommen, über welche nach dem Ausfall der Berichte endgiltige Entscheidung getroffen werden wird. Wie au- London gemeldet wird, giebt ein großer Theil der englischen Blätter bezüglich de- untergegangenen Panzerschiffes „Viktoria" — vergl. vor. Nr. — dem lebhaften Dank und der Sympatihie für Se. Majestät den Kaiser Wilhelm Ausdruck. Die „Time-" führt au-, daß der Deutsche Kaiser der Erste von Allen war, welcher da- Andenken, der tapferen Todten geehrt habe. Die englische Nation und die Marine wären von Dank barkeit erfüllt gegen den kaiserlichen Seemann, welcher in so mannhaften Worten dem Schmerz über ihren Verlust und der Bewunderung für ihre Kameraden Aus druck verliehen habe. Eine BeilerdSkundgebung auS solchem Munde müßte, sofern überhaupt eine Tröstung möglich sei, der unglücklichen Wlttwe deS Admiral- Tryon zum Tröste gereichen. Der serbische Geschäftsträger in Berlin ist ermäch. tigt worden, ein Protokoll zu vollziehen, in welchem mit Rücksicht auf den am 25. d. M. erfolgenden Ablauf de- bisherigen serbisch-deutschen Handelsvertrages und die noch nicht ermöglichte Ratifikation deS neuen Han. Feuilleton. Durch Liebe erlöst. Original-Novelle von Carl Zastrow. (4. Fortsetzung.) „Ich finde es begreiflich", sagte die älteste der beiden Kämmererstöchter, „ein Mann, der nur Beethoven'- Sonaten und Symphonien spielt, kann un möglich Geschmack finden an dem, was ihm hier ge boten wird." Ottilie warf der Sprecherin einen mißtrauischen Seitenblick zu. Rettig begab sich an einen der übrigen Tische, an welchem Doktor Berner mit dem Apothüer und einigen anderen Herren Platz genommen hatte. Er mischte sich in da- Gespräch, um sich zu zerstreuen, aber die innere Unruhe ließ ihn bald wieder aufspringen und nach dem Eingänge deS Garten- eilen, wo er von Neuem den Weg hinunter sah, der sich mit jedem Augenblicke mehr in Dunkelheit hüllte. Den lächelnden Blick de- Einverständnisse-, den der Doktor mit dem Apotheker gleich nach seinem Fortgange wechselte, hatte er nicht bemerkt. Auch im Garten wich die röthliche Dämmerung allmählig dem Schatten deS Abends. Die kleinen seurigen Lampen wurden angezündet und verbreiteten bald einen magischen Lichtglanz nach allen Seilen hin. Da- Koncert nahte sich seinem Ende. Der strahlend erleuchtete Tonrsaal süllte sich nach und nach mit junaen Leuten beiderlei Geschlecht». Die jungen Damen eiuen Einige Wagen rollten heran, denen mehrere reich ge- j schmückte neue Ballgäste entstiegen. Sie gehörten , in die Garderobe-Zimmer, um die hier und dort ein wenig in Verwirrung gerathene Toilette zu ordnen. Worten zuschoß: „Herr — Steinfels — Herr Dokior Berner!" Der Arzt konnte eia leise- Lächeln de- Spotte- nicht unterdrücken. E- lag etwa- Komische- in dieser liche Person einer scharfen Musterung, aber Steinfels befand sich nicht darunter. Kopfschüttelnd, voller Unmuth trat der Rentier in den Saal und wieder begegnete er dem Auge seiner Tochter, da- jetzt gleichfalls den Ausdruck getäuschter Erwartung nicht länger verleugnen konnte. Die Polo naise begann. Die Paare, welche sich mit Schnelligkeit in dem bunten Durcheinander fanden, durchschritten bald in geordneter Reihe, eine lange, schillernde Kette, den farbenreich und mit prächtigen Topfgewächsen dekorirten Saal. Fräulein Rettig saß verstimmt auf dem Platze. Sie hatte die schüchterne Einladung deS blaffen Bürger- meisterfohne-, Kopfweh vorfchützend, abgelehnt. Der Doktor tanzte nicht und von den anderen jungen Herren hatte Niemand gewagt, die Gefeierte aufzufordern, au- Furcht, sich einen Korb zu holen. Schon war die Polonaise in einen Walzer über, gegangen. Sämmtliche Paare schwelgten in der Lust deS Tanze-. Alle- schien in Freude und Wonne auf. gelöst. Vielleicht dachte Niemand mehr an den Fremden. Da entstand eine allgemeine Bewegung sowohl unter den Zuschauern, al» unter den Tanzenden. Manches Paar hielt im lustigen Walzerschritte inne, um die Blicke gleichfalls nach dem Eingänge de» Saale» zu richten, wohin sich bereu» die Augen fast sämmtlicher Anwesenden scheinung nicht» zu liegen, wa» da- von ihm erregte immense Aufsehen gerechtfertigt hätte. Er war in einer obgleich eleganten und sauberen, doch einfachen Toilette erschienen. Der schwarze Frack, die Weste und da» Beinkleid entsprachen der neuesten Mode und saßen wie angegossen. Wäsche und Handschuhe waren von blendender Weiße. Auf der schwarzseidenen Weste glänzte eine fein gearbeitete goldene Uyrkette und die- schien der einzige Schmuck von Werth, welchen er trug. Der ernste, verdrießliche Ausdruck seine» Gesichte-, welchen man ihm al» stereotyp angedichtet hatte, schien vollständig verschwunden. Seine Augen überflogen un befangen, beinahe mit einem heiteren Lächeln die bunte Versammlung. Er schien es in keiner Weise wahr zunehmen, daß er der Gegenstand so vielseitiger Be- obachtung sei. Ruhig trat er auf den Doktor Berner zu, welcher ihm am nächsten stand und schien soeben eine allgemeine, auf die Festlichkeit bezügliche Frage an ihn richten zu wollen, al» plötzlich der Rentier, einem Raubvogel gleich, die Gruppe durchbrechend, welche rhn von feinem Opfer trennte, auf die Beiden mit den gewandt hatten. Steinfels, der lang erwartete Gast war soeben in den Saal getreten. Mancher von den Anwesenden, der ihn vielleicht _ „ . ... gehörten . noch nicht gesehen, fühlte sogleich in dem ganzen Auf- Familien an, welche außerhalb der Stadt wohnten und treten, der sicheren vornehmen Haltung des GasteS nur ihre Theilnahme an dem Balle zugcsagt hatten. ' heraus, daß er eS sei, dem die allgemeine Aufmerksam- Der Rentier unterwarf jede neu herzukommende männ- keit gelte. Außerdem aber schien in seiner äußeren Er-