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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtsLmter u. der StadtrLthe zu Freiberg «. Brand. welche Preußen in den letzten Wochen durchgemacht und die dem Zweifel wieder etwas befestigt. Nach den letzten Nachrichten erfocht es zwei wichtige Siege in der Deputirtenkammer, welche insofern als eine Bürgschaft für weitere Erfolge gelten können, als der eine dieser Siege auf kirchenpolitischem, der andere auf finanziellem Ge biete erfochten wurde. In Frankreich sind am vorigen Sonnabend jedenfalls heftige Scenen in der Nationalversammlung vorgekommen, über welche der Telegraph die Nachricht uns im Augenblicke noch schuldet. Mög lich, daß sie eintrifft, bevor das Blatt die Presse verläßt. Es handelte sich um die Petitionen, welche eine Auflösung der National versammlung verlangen. Diese Gelegenheit wird sich die Linke nicht höchlich verwundern. Den Franzosen scheint es. gar nicht aufzu fallen, daß auch hierbei die Republik in den Geleisen des Kaiser- thums fährt. Unter diesem waren die Gastwirthe der Polizei völlig unterworfen; sie überwachten die politischen Gespräche und als denuncirten auch wohl, um fich nach Oben hin beliebt zu mach«. stitutionen findet, sieht sich Fürst Bismarck vor die Alternative ge stellt, entweder das große Werk seines Lebens langsam zerfallen zu lassen, oder einen anderen Weg zur Erhaltung und Weiterbildung desselben einzuschlaoen. Der Kampf der „zwei Seelen" ist in das Stadium der entschei enden Krisis getreten: Fürst Bismarck wirft die eine Seele — das altconservativ-kirchlich-partikularistische Preußenthum — über Bord, da es sich der Führung Deutschlands unfähig erwiesen, um nunmehr als Reichskanzler mit starker Faust die einzelnen Bestandtheile Deutschlands, Preußen eingeschlossen, zusammenzufassen. So verstehen wir den Entschluß des Fürsten; so können wir ihn nur verstehen. Wenn er mit der Fahne des neuen Deutschlands in der Hand das preußische Lager verläßt, wird es ihm nicht an zahlreichem Gefolge fehlen. Mögen dann die Herrenhäuser in Preußen und in anderen deutschen Ländern sich um alt« Privilegien weiter streiten, die Zeit kann nicht fern sein, wo diese Privilegien in dieselbe Rumpelkammer geworfen werden, welche bereits die Rüstungen und Schwerter der alten Ritter be herbergt. Im neuen Deutschland ist für solchen alten Plunder kein Platz mehr! Die österreichischen Landtage sind nunmehr sämmtlich ge schlossen und haben dem ReichSrathe Platz gemacht, welcher das große Werk der Wahlreform durchführen soll, lieber den In halt der Wahlreform-Vorlage beobachtet man in competenten Kreisen noch strenges Stillschweigen; verschiedene Mittheilungen einzelner Blätter über diesen Gegenstand werden von offtciöser Veite gl- -s- Freiberg, den 16. December 1872. Die schönen Tage in Varzin sind für den deutschen Reichs kanzler nun zu Ende. Vor drittehalb Jahren, als der Schatten der Varziner Buchen gegen die auch in Hinterpommern oft sengen den Sonnenstrahlen dem Fürsten und seinem diplomatischen Stabe eben anfing erquickendes Labsal zu spenden, war es die Kriegsfurie, welche zuerst dieses friedliche Thal in Bewegung brachte. Während Deutschland athemlos und gespannt noch der Dinge harrte, die da kommen sollten, wurde in Varzin schnell zum Aufbruch geblasen, gepackt und geschnürt, um den Kanzler seinem Könige als Rathgeber zuzuführen. Was giebt's heute? Etwa wieder eine Kriegsfurie? O, nein! Und doch sollen es nicht blos die hinterpommerschen Nebel sein, welche von den Ostseegestaden her Varzin unwirthlich machen. Man spricht davon, Fürst Bismarck wolle sein Amt als preußischer Ministerpräsident niederlegen, um fortan sich ausschließlich den Ge schäften als deutscher Reichskanzler zu widmen. So sehr dem über bürdeten Manne eine Geschäftserleichterung zu gönnen ist, so steht dieser Nachricht doch der eigene Ausspruch des Fürsten Bismarck entgegen, daß er sich ein gedeihliches Verhältniß zwischen Preußen und dem Reiche gar nicht anders denken könne, als daß der preußische Ministerpräsident und der deutsche Reichskanzler ein und dieselbe Person sei. Allein immerhin ist es denklich, daß Fürst Bismarck heute anderen Sinnes ist, und er das Wort Friedrich Wilhelm IV. seiner Verwirklichung entgegenführen will: „Preußen muß in Deutsch land aufgehen". scheidet mit ihm das auswärtige Amt und das Kriegsministerium aus dem preußischen Cabinet, um auf die Reichs regierung übertragen zu werden, so würde dies ein Aufgehen Preußrns in Deutschland bedeuten. Fürst Bismarck zöge aus Preußen aus, um nach Deutschland überzusiedeln. Welche Gründe könnten es wohl sein, die den Reichskanzler zu diesem Entschluß drängten? Wir finden sie unschwer in den Krisen, nicht authentisch bezeichnet. — I« yngaru erregt eine AuSlieferunaS- Affaire unangenehmes Aufsehen. Der bosnische Archimandtit Pe- lagicS, der von den türkischen Behörden verfolgt ward, hatte fich mit einem montenegrinischen Paffe auf ungarische- Gebiet geflüchtet. Der Exminister Graf Lonvay verfügte ohne Wissen de- Minister- des Innern eigenmächtig die Auslieferung PelagicS' an die türkischen- Behörden. Derselbe wurde in Neusatz ergriffen und an die Grenze abgeführt. Inzwischen erfolgte der Sturz Lonyay'S und der neue Ministerpräsident v. Szlgvy verfügte im Einvernehmen mit dem Minister des Innern die sofortige Freilassung des politischen Flücht lings. Glücklicherweise gelang eS noch, PelagicS in der Nähe der Grenze zu erreichen. ' s ? - In der Schweiz ist die Wahl des neuen BundeSratheS mit der gewöhnlichen Ruhe vor sich gegangen. Derselbe besteht au- sieben Mitgliedern. Seine Amtsdauer ist drei Jahre. Der Prä sident und sein Stellvertreter werden jedoch nur auf ein Jahr ernannt. Nach Ablauf desselben können sie im nächsten Jahre . nicht wieder zum gleichen Amt erwählt werden. - Bei solcher Ein richtung geht die Wahl eines Oberhauptes der BollzugSgewalt in der Schweiz stets ganz ruhig ab. Biele im Auslände merken es kaum, daß eine solche Wahl überhaupt stattgefuuden hat. Die Stellung des italienischen Ministeriums hat fich ohne nister der Justiz, Dufaure, soll die Erklärung abgeben, daß die Regierung bei aller Achtung vor dem Petitionslechte, doch dem Gesetze, welches Petitionen an öffentlichen Orten aufzulegen oder dort Unterschriften zu denselben zu sammeln verbietet, Achtung zu verschaffen wissen werde. Die Rechte will, wie laut Telegramm vom 13. d. M. in parlamentarischen Kreisen verlautet, in einer von ihr zu beantragenden Tagesordnung die radikale Linke für die gegenwärtigen Agitationen verantwortlich erklären und constatiren, daß die am 8. Februar 1871 erfolgten Wahlen zur Nationalver sammlung den Abschluß des Friedens mit Deutschland und die Wiederherstellung der Ordnung in Frankreich zum Ziele hatten und daß die Nationalversammlung diese Aufgabe erst vollständig zu lösen hat, vor vollständiger Räumung des zum Theil noch occupirten Landes, daher Nicht auseinandergehen kann. Wie gesagt, weitere Mittheilungen fehlen uns zur Stunde, nur finden wir das Einschreiten des Justizministers gegen die Petitionsbewegung mehr als merkwürdig. ES ist eine sonderbare Republik, in welcher von der Polizeibehörde jede Beschäftigung mit der Politik in Wirthshäusern untersagt wird. Nicht bloS in Amerika und der Schweiz, sondern selbst in den monarchischen Staaten würde man sich über ein so väterliches Polizeiregiment Mstendie Ueberzeugungeingeflößt haben müssen, daß der preußische ^gehen lassen, ohne" mit ihrer Ansicht ganz offen hervorzutreten. Staat durch ferne inneren Verhältnisse unfähig ist, das treibende Dabei dürfte sich zeigen, daß die Versöhnung, auf welche Herr ThierS Elemertt rn Deutschland zu sem. Außer Stande, den Widerstand fortwährend hinarbeitet, mehr Schein als Wahrheit ist. Der Mi- zu brechen, den dre Einigung Deutschlands m den preußischen In- ' - - - -- - - - - - * - - .... H 292. -ttchekn >.-r»tb»rg jed. Wochen«.*». 6U. für den en». Tag. Ins», werden bU V, 11 U- für nlch-e Nr. angen. Dienstag, 17. Dece»ber. »tMeljthrU L0 Rar. Inserat« «p»m die gegi-lw» Zeil» oder deren R-mn mit 1 Ngr. bere»n»t. 1872