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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.06.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120604013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912060401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912060401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-06
- Tag 1912-06-04
-
Monat
1912-06
-
Jahr
1912
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Dezvfls'Prri» Ar S«t»,«g »» et«e»er« d«ch «M» r^la«, «2 S»«»tt«n, r,«l »d»lich t» »«,, ««brächt X VI. m—atl, >.m Mt. »terlellSbrl. ve« »»I«r» KUtal«, » L». »«hmeftelle» ada«d«tt 7» Vt- »»»«tU. lldMk. otertelgU»«. »m» X« GsUr Deailchland» »»» b« b«tt1ch«n K»l«n>«n ot«rt«lläbrl. ».« »k^ «sE. I.M Ml. aus^lhl. Postdeftellaeld A«r»«r in velate«, Danemarl, de» Donaustaat«», Italien, ^urembura. Rtedeetande, Skor» wegen, OeNerrelch» Ungarn. Rutzlanv. Schweden und Schweiz In allen übrigen Staaten nur otrekt dnrch dir Telchast»» stell, de» Matte» «rdiltlich. D« Letp,tg«r TageblaN «rlchetnt r«at büglich. Sonn« a. Aeiertag» nui «argen». «do,n»ment».«nnatzm,. I«ha»»>»,»st« 8. bat »n>,r„ Trägern. KUtalen. SpedUenren nnb «nnadmeftelle», lewi« PaUimtern nn» vrteftrüger» «»»»abreir,»»«»,«», » «. Morgen-Ausgabe. t"8Sr lNacht-uIchln») Lel.-Anschl.^ 11893 lLLVSch Handelszeitung. l allgemein» Deutsche Lredit» Bankkonto: < De»t"»e"Bd^F1l/-le Le«v,lg 1 D«».»Na8« Srinnn. Stelnweg L «Ms- Ämtsvlatt des Rates und des Notizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. «ML" Lnzeiqeu-PreiS M, Int««»« »»» U« w «ia nnv U m geb nn, »t, llpalttga Setitretl, B Df, i^e Reklame« »eil» l ML »an aa»wä,r,M Ps, Reklamen 1^0 ML Inserat« oan BehSrden t» amt lichen T«tl dt, Detitjetl» SO Ps. tbelchafteanretgen mti Plagoorschriften im Pretl, «idobl. Rabatt nach Tarts. Detlagegeblldr Sefamr- anslaqe L Mk. ». Tausend rill. Boftgedildr. Teilbetlage döker. sffestertetlt» «luttrSa» können »ich« »orück- gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen and Plätze» wird kein» Earantl» iibenromme» iln»«tg«n. Lnnabm«: Saba»n>««»ss» », del sämtlichen glltalen a. allen Annoncen» lkroeditionen de. In» and Lualonde». Dreck an» Verla, ,»» Ms»« ck Rtzrst»^ Indader: Peel Rllrste» RedaMo, end «eich»!,»stell«! Iodannteaall» ll vanpr»Filiale Dr»»d«»r Seeitraxe 1. t lTelevde» Nr. 280. VIenstsg, »en 4. Zuni ISIS. 106. ZklhlMNg. 26 Seiten UM" Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 1V Seite«, die vorliegende Morgennuwmer 18 Seiten, zusammen vss Diltltlgste. * Im Beisein des .Herzogs Johann Al brecht zu Mecklen bürg ist crm Montag in Hamburg die dortige Kolonialausstel lung eröffnet worden. (S. Letzte Depeschen S. .8.) * Der englische Kriegsminister Haldane ist am Montag in London wieder eingetroffen. * Die Opposition hat die ungarischen Regierungsvorschläge zur Wahl- und Wehrreform abgelehut. (S. Ausl. S. 3.) * In Dan Migue! (Mexiko) ist der deutsche Hugo Beel ermordet worden. (S. ?lusl. S. 3.) * Theateranzrige» stehe Seite 12. Vvn üer britischen Reichsjilltte. Bon Arnold N. Rennebarth-London. Die britische Reichsflotte ist — oder soll eS werden, denn vorläufig ist sie es, wie manches andere in den Rüstungen, nur auf dem Papier — die Flotte oder der Teil der britischen Kriegs marine, der, auf Kosten der großen selbständigen Kolonien erbaut, im Frieden unter ihrer Kon trolle und Verwaltung steht und in ihren Ge wässern stationiert ist, im Kriege aber zusam mengezogen und unter den Befehl und zur Ver fügung der britischen Admiralität steht, oder besser gesagt, zur Verfügung deS jeweiligen Kabi netts in London, zur Durchführung der briti schen Politik. So lautet das Programm. Die Durchfüh rung bietet sehr große Schwierigkeiten. Die britische Admiralität würde es bei weitem vor- ziel-en, einfach Geldbeiträge von den Kolonien zu empfangen: die Kolonien würden, wenn sie im gleichen Verhältnis wie das Mutterland bei steuerten, — etwa 1 Pfd. (20 Mark) auf den Kopf der Bevölkerung — rund 13 Millionen Pfund Sterling (260 Mill. Mark) leisten, wofür die britische Admiralität — und die britischen Werf ten — gerade jetzt recht gute Verwendung fänden. Die Kolonien wollten und »vollen davon nichts wissen. Sotveit sie sich überb uipt für ihre See verteidigung interessieren, bestellen sie daraus, eigene Flotten zu bauen. Strategisch ist diese Gründung vvn eigenen, kleinen Flotten durchaus ungesund. Aber die Kolonien sind eigenwillig, ehrgeizig, von dem Gefühl ihrer eigenen Macht und Kraft durchdrungen, zudem, trotz allem Lon doner Imperialismus, immer noch etwas miß trauisch, daß die Londoner Kabinette — seien sie nun liberal oder konservativ — immer noch geneigt sind, vitale koloniale Interessen zu opfern, sei es aus höherer Notwendigkeit, sei es aus Verständnislosigkeit. Die Diskussion über die Frage ist wieder in Fluß gekommen durch die letzte Rede Herrn Churchills, des Ersten Lords der Admiralität, zu deutsch deS Staatssekretärs für die Marine. Er führte aus, daß die Konzentrierung der englischen Flotte in den Heimatgewässern, die der vergangenen Dekade das Signum aufdrücken, die Beweglichkeit" derselben erheblich eingeschränkt, jr> zerstört hätte. England könne nicht mehr ohne Sorge, was in den Heimatgewässern ge schehen mag, große Teile seiner Flotte in die fernen Meere senden. Das Gros müsse jetzt, und auch in Zukunft, in den Heimatgcwässern konzentriert bleiben. Aber die nächste Dekade müsse eine „Arbeitsteilung" zwischen dem Mut terlande und den Kolonien bringen — das Mut terland würde die Verteidigung an der bedroh testen Stelle übernelnnen — das heißt in Europa — die Kolonien dagegen müßten das übrige Imperium beschützen und patrouillieren. Strategisch ist, wie gesagt, der Gedanke un gesund. Ein Beispiel mag das erhärten. Vom 18. Jahrhundert, als gleichzeitig mit dem Verlust der amerikanischen Kolonien infolge der ameri kanischen Unabhängigkeitserklärung der Grund zu dem neuen Imperium mit der Eroberung Kanadas gelegt wurde, sagt ein großer englischer Geschichtsschreiber: „Kanada nmrde auf den Schlachtfeldern Deutschlands — besonders Schle siens — erobert." Das heißt: Frankreich wurde in seinen Kriegen in Deutschland so erschöpft, daß England ihm Kanada abnehmcn konnte. Augenblicklich liegt die Sache so, daß Austra lien eine Flotte baut und um 1923 fertig haben wird, die ein paar japanische Linienschiffe in ein paar Minuten in Grund und Boden schießen können. Neuseeland hat eine „Dreadnought" ge schenkt, die aber wohl vorläufig in England bleiben wird. Südafrika hat sich ernsthaft mit der Frage überhaupt noch nicht beschäftigt. In Kanada hat die konservative Regierung das Pro jekt der liberalen Regierung — das allerdings recht mangelhaft war und aus ein paar kleinen Kreuzern bestand — -ul »cts gelegt: kanadische Mirister werden in Kürze nach London kommen, um mit englischen Ministern und der englischen Admiralität zu beraten, was am besten zu tun sei. Eins ist von vornherein ausgeschlossen: Eine finanzielle Beihilfe zur Verfügung der englischen Admiralität wird Kanada nie leisten. Es soll an dieser Stelle nicht Weiber einge gangen werden auf die strategischen und auch technischen Schwierigkeiten, die sehr groß sind. Es sollen nur noch einige der politischen Schwierigkeiten kurz gestreift werden. Die Flotte, die Seerüstungen sind doch nur Mittel zum Zweck — Schutz der nationalen Interessen und Durchführung der nationalen Politik. Die Kolonien verlangen nicht nur, daß sie in diese nationale Politik — die natürlich in London gemacht wird — eingeweiht werden — das ist bereits auf der letzten Rcick^skonferenz geschehen, auf der der Staatssekretär des Auswärtigen, Sir Edward Grey, den kolonialen Premiers einen Vortrag über Englands auswärtige Lage hielt — sondern sie verlangen auch, daß sie bei wich tigen Entschlüssen befragt werden, einen Ein fluß auf die auswärtige Politik deS Reiches gewinnen. Das kann müßigend auf die englische auswärtige Politik wirken, aber auch lähmend: die Kolonien haben naturgemäß ihre eigenen Probleme und weniger Interesse an Fragen der europäischen Politik, die dem Mutterland vital scheinen, z. B. die Marokko frage, Fragen des nahen Ostens usw. Umgekehrt haben die Kolonien ein vitales Interesse an Fragen, die dem Mutterlande fern liegen, deren Aufrollung der großen englisct)en Politik höchst imbequem und inopportun ist, z. B. die gelbe Einwanderung, die Frage des englisch-französi schen Kondominiums in den Neuen Hebriden, Fragen der Handelspolitik, z. B. das Verhältnis von Kanada zu den Vereinigten Staaten u. a. m. Die hiesigen Imperialisten suchen über diese Schwierigkeit, welcher Politik die „Reichsflotte" dienen soll, dadurch Hinwegzukommen, daß sie dieselben entweder ignorieren oder den Kolo nien suggerieren, daß die Gegner gewisser Phasen der englischen Europapolitik auch unbedingt Geg ner der Kolonien sind. Dank einer glänzenden Preßorganisation ist das bisher gut gelungen. Aber es wird nicht immer gelingen, oder das Mutterland wird sich eben bequemen müssen, seine Politik den Interessen der Kolonien mehr anzu passen. So kann die Gründung kolonialer Flotten, also von Instrumenten des Krieges, sehr tvohl dahin führen, daß die englisch Politik, um nicht mit den Kolonien in Konflikt zu kommen, zu Kompromissen und friedlichen Arrangements ge neigter wird. Die LsnütagswMen im Serzogtum Goths. Man schreibt uns: Heute finden im Herzogtum Gotha die Wahl- münnerwahlen statt, sie über die künftige Zusammen setzung des Landtages entscheiden. Sie dürsten das Litd des Lanoesparlamentes wesentlich verschieben. Denn infolge der tiefgehenden Erbitterung, die von den heißen Reichstagewat,lkäinpsen im Januar noch in den beiden bürgerlichen Lagern zurückgeblieben ist, sind die V e r st ü n d i g u n g s oe rs u ch e zwischen den Liberalen einerseits uns den rechtsstehenden Gruppen anderseits über etwaige gemeinsame Land- tagslanöioaturen gescheitert, und in verschie denen Wahlkreisen, die nur durch einmütiges Zu sammengehen aller bürgerlichen Elemente gegen die role Internationale zu halten sein würden, bekämpfen sich zur Freude der Genossen die bürgerlichen Par teien in altgewohnter Heftigkeit. Die Ursache des bedauerlichen Gegensatzes im bürgerlichen Lager bildet mangelnde Nach giebigkeit auf beiden Seiten. Bei den gemeinsamen Verhandlungen zwischen den beiden liberalen Parteien und dem von den Deutfchsozialen und Christlichjozialen unterstützten „Bund der Land- wirte" forderte der letztere das bürgerliche Mandat des 18. Wahlkreises, das in liberalen Händen ruht«, für sich, weil dieser Wahlkreis vorzugsweise länsliche Wählerschaft besitze. Da die Natronalliberalen mit den Fortschrittlern aus die liberale Kandidatur in dem von den Bündlcrn beanspruchten tivahlkreise nickt verzichten wollten, die Agrarier aber mir aller Entschiedenheit an ihrem Verlangen festhiclten, so endigren die Komproinißvcrhandlungen mit einer tiefgehenden Verstimmung auf beiden Seiten, die möglicherweise den Ausfall der Wahlen recht un^ günstig beeinflussen wird. Die Sozialdemokraten haben jedenfalls mir allem Hochdruck gearlreitet, ihren gegeirwärrigen Besitzstand von sieben Mandaten bei der nächsten Wahl zu vergrößern, und hierfür sind ihr« Aussichten in den Wahlkreisen, wo sich die Lcoe^ ralen und die Bündler mit großer Erbitterung be fehden, günstig. Auch der Wahlkreis des christlich sozialen Kommerzienrates Erübel, der als der Führer der rechtsstehenden Elemente gilt, ist neuerdings durch den Wettbewerb der Genossen ernstlich gefähr det, weil die Zahl der Parteigänger der Sozialdemo kratie in diesem Wahlkreise durch die Errichtung eines Kaliwerkes bedeutend gewachsen ist. In der Stadr Gotha kandidieren die bisherigen liberalen Llbgeord- netcn wieder, mit Ausnahme des Iustizrates Dr. Bretzfeld, an dessen Stelle der durch die Haltung der Bünoler für den 18. Wahlkreis aussichtslos gewor dene bisherige liberale Inhäber dieses Mandates, Geh. Regierüngsrat Dietzsch, getreten ist. Milche Anwendung üer Zumnchslteuer. Die Reichswertzuwachssteuer sollte eine Besteuerung des ohne Zutun des Eigentümers entstanoenen Zuwachses bilden, damit wenigstens ein Teil der der Allaemeinheit zu dankenden Wertsteige rung wieder der Allgenreinheit zuflösse. Nachdem nun mehr die ersten Veranlagungen stattgefunden haben, treten natürlich gelegentlich bei Erfassung des Wert zuwachses Schwierigkeiten zutage. Der Verband zum Schuhe des deutschen Grundbesitzes und Rcalkreoits, der unter seinem neuen Direktor Prof, van der Borght eine außerordentlich große Rührigkeit zeigt, geht etwaigen Mißgriffen bei der Steuerveranlagung auzmerksam nach. Der letzten Nummer der dem sog. „Noten Tag" (Berlin 8Ve, Zimmerstraßc) beigefüg- len „Mitteilungen" des Dedbandes entnehmen nur folgendes Beispiel: Herr T. hatte im Jahre 1909 «in unbebautes Grundstück für Len Preis von 16 000 gekauft. Etwa 1800 wuroen angezahlt. Die Auflassung sollte erst nach der Bebauung des Grundstückes erfolgen, ebenso die Restzahlung. Das Grundstück wurde bebaut, die Kosten des Baues aus einer Hypothek von 10 000 Mark bestritten. Diese Summe wurde vollständig verausgabt. Insgesamt hat Herr T. also 56 000 für das Grundstück mit Haus bezahlt. Bei der Weiterveräußerung erhielt er 67 000 so daß ein Gewinn von 11000 hätte entstehen können. Bei dieser Weiterveräußerung wurde er aber zu einer Zuwachssteuer von über 15000 veranlagt! Bet der Feststellung des Erwevbspreises legte das Zu- wachssteueramt den notariellen Kaufvertrag über das Grundstück ohne Haus zugrunde. Die Verände rung des steuerpflichtigen Gegenstandes zwischen dem notariellen Dertragsschlutz und dem dinglichen Heber- gang (Auflassung) wurde überhaupt nicht beachtet. Der gesamte Hausbau stellt sich nach dieser Auflas sung'als „ohne Zutun des Eigentümers entstandener Zuwachs" dar. Bei Berücksichtigung der Bau kosten wä^e «ine Steuer von noch nicht 1100 statt 15 000 -ü zu entrichten. Selbstverständlich hat Herr X. die notwendige Klage erhoben, nachdem sein Einspruch zurückgewiesen worden ist. Königin Wilhelmine in psris. (Von unserem Pariser Mitarbeiter.) Paris, 2. Juni. Königin Wilhelmine und Prinzregent Heinrich sind die Gäste der Republik. Die besondere Zuvor kommenheit, mit der die holländische Herrscherin emp fangen wurde, begründete man mit der Versicherung, daß das galante Frankreich eine gekrönte Frau nicht ganz nach dem steifen Protokoll begrüßen könne, das für Staatsoberhäupter des häßlicheren Geschlechts in Geltung ist — die republikanischen Zeremonienmeister hielten sich genau an das Vor bild des blumenreichen Willkomms, denNapoleon lll. der Königin Viktoria und ihrem Prinzgemahl Albert bereitet hatte. In Wahrheit verfolgt man mit der Galanterie und dem üppigen Roscnflor raffiniert« politische Zwecke. Es ist bekannt, wie eifersüchtig die guten Holländer jeden Schritt ihres geliebten „Wilhelminchcn" ver folgen', sie werden dankbarst den zwar etwas äußer lichen, aber schön inszenierten Enthusiasmus der Pariser quittieren. Eine der Beklemmungen, die jeder französische Diplomat empfindet, wenn die Speisenfolge beim holländisckfen Käse angelanqt ist, soll die mögliche E i n v e r l ei b u n g der Nieder lande in das Deutsche Neich sein. Liest man nicht gar so oft, daß die Deutschen sich in Amsterdam und Rotterdam «ingenistet haben und den Handel an sich zu reißen drohen? Sprach man nicht von einem Privatultimatum Kaiser Wilhelms an Königin Wilhelmine, daß sie Vlissingen zu befestigen habe, um eine englische Truppenlandung zu ver hindern? Ja als die junge Herrscherin sich ihren Gemahl aus Mecklenburg bezog, glaubte man schon das Schicksal der Niederlande besiegelt, und als sich die Befürchtungen nickt erfüllten und Prinzreaent Heinrich seine zumeist nur repräsentative Rolle gewissenhaft durchführte, erwartete man in Paris mit denselben bangen Hoffnungen wie im Haag die Geburt eines Thronerben, damit die sachscn-weimarijchen Erbaussichten zunichte würden. Bei dem Toast im Elysöe sprach Herr Fallstres mit Nachdruck von der „mit Reckt auf ihre Unabhängigkeit so eifersüchtig wachenden holländi« sch en Erde . Die Königin überging diese An- spielung in ihrer Erwiderung, da sie vielleicht der Meinung war. daß niemand diese Unabhängigkeit bedrohe, und daß die politischen Besorgnisse der deutschenseindlichen Republik allein die kleine Ab weichung vom internationalen Takt verursacht haben könne. Die offiziellen Regierungs leute haben mit nicht geringer Neugierde auch die Bekanntschaft des Prinzregenten gemacht, des ersten deutschen Prinzen, der seit bald fünfzig Jahren seinen offiziellen Einzug in Frankreichs Hauptstadt feierte. Es wird erzählt, daß der Prinzregent auch in Paris sein gutmütiges Gebaren nicht aufgegeben habe: nur bei Berührung politischer Fragen soll er sofort die Miene geändert und sich etwas rauh ver schlossen haben. Don der Königin Wilhelmine erwartete man etwas mehr Grazie: sie ist recht korpulent, trägt Toiletten, die auch in Paris als pariserisch gelten können, die sie aber nicht ganz pariserisch zu tragen weiß. Gestern schien sie auch von der Neise so ermüdet, daß Präsident Fallü-res sie bat, die übliche Visite in Elysöe nicht zu machen. Bei dem Diner verlas sie ihre kleine Rede mit Heller Stimme und legte Nach druck auf die Worte, daß sie stolz sei franzö sisches Blut in ihren Adern zu fühlen. Man Hütte gern, wenn die Etikette dies zugelassen hätte, lebhaft applaudiert. Die Königin spielte auf ihre Abkommenschaft von Coligny an. deren sich auch Kaiser Wilhelm gern rühmt. . . * Parade zu Ehren der Königin von Holland. Paris, 3. Juni. Die Königin Wilhelmine von Holland wird heute in Begleitung des Präsi denten Fallt« res und seiner Gemahlin nach Versailles fahren, um einer Parade der französischen Truppen auf dem Paradefeld von Satory, die ihr U Ehren stattfindet, beizuwohnen. Auch mehrere Äeroplane werden bei dieser Parade Ver wendung finden. Präsident Falliöres hat dem Prinzgemahl eine Anzahl wertvoller Jagd- gewrhre zum Geschenk gemacht. Die belgischen Lrmrmermshlen. Der Wahltag am Donnerstag war, wie aus Brüssel gemeldet wird, einer der aufgeregtesten seit Jahrzehnten. Bereits in der Nacht vor der Wahl hatten noch einmal alle Par teien di« größten An strengungen unternommen, ihren Kandidaten durch wirksame Propaganda zum Siege zu verhelfen. Der Wahlkampf selbst war außerordentlich heftig. Wäh rend des ganzen Tages wurden von den Behörden die strengsten Maßnahmen cnflrechterhalten. Der Kriegs minister hatte verfügt, daß Offizieren und Soldaten der Sonntagsurlaub zu verweigern sei: das gesamte Militär wurde in den Kasernen bereit gehalten. In Brüssel selbst wurden alle Militärposten verstärkt und unter Kommando eines Offiziers gestellt. Auch die Palastwache wurde verstärkt und unter Befehl eines Hauptmanns gestellt, während sie sonst dem Kommando eines Leutnants unterstellt ist. Auf allen großen Bahnhöfen standen Spezialzügc bereit, um eventuell die Truppen befördern zu können. Die Stadt Brüste! war in verschiedene Zonen eingekeilt, deren jede ein Regiment Truppen zucrteilt erhielt. Es wurden umfassende Maßnahmen zur Besetzung der Großbanken, der Gasanstalten und Elektrizitäts werke sowie der Eisenbahnlinien getroffen. Das Militär wurde kriegsmäßig ausgerüstet. Außer dem waren zur Verstärkung des Wachtdienstes in der Hauvtstadt 1200 Mann Gendarmerie zu Fuß und zu Pferde herangezogen worden. In der Borinage, wo die Gemüter besonders erregt waren, wurde eine große Trupvenmacht bereit gehalten. Nus den Wahlen selbst sind die Klerikalen als Sieger hervorgegangen. Die genauen Re sultat« werden erst heute abend bekanntgegeben wer den können. Vom Minister des Innern wurde folgende Tabelle über die Wahlergebnisse ausgestellt: Die alte Kammer enthielt 86 Klerikale, 15 Liberale, 31 Sozialisten, 1 demokr. Christlichen. Die neue Kammer enthält 101 Klerikale, 15 Liberale, 38 Sozialisten. 2 demokr. Christliche. Die Zahl der Kammersitze ist, wie wir berichteten, um 20 vermehrt worden. Die Majorität der Klerikalen beträgt somit 16 Stimmen gegenüber 6 Stimmen in der alten Kammer. In Brüste! selbst verliefen die Wahlen im all gemeinen ruhig, abgesehen von einer Demonstration vor dem katholischen Vereinshaus, wo die Feuer wehrleute die Menge durch Wasserstrahlen ausein ander trieb. In der Provinz kam es verschiedentlich zu Demonstrationen und kleineren Zusammenstößen. Die am Sonntag getroffenen Maßnahmen der Be hörden wurden auch für Montag aufrechterhallen. In den Kasernen Brüssels sind 30 000 Mann zu jammengezogen. In den 212 Wahlbureaus der Stadt Brüste! wur den insgesamt abgegeben 35 588 klerikale, 37 875 libe rale und 29 910 sozialistische Stimmen abgegeben, in den 31 Lütticher Bureaus 31721 klerikale, 15 871 liberale und 5113 sozialistische Stimmen, in Gent 19 729 klerikale, 15 871 liberale und 12 812 sozialistisch« Stimmen. Weiter liegt folgendes Telegramm vor: Brüssel. 3. Juni. Die einberufenen Reser- nisten sind bereits vollzählig versanrmett, so daß von Mittag ab dem Kriegsminister etwa 10 000 Mann zur Verfügung stehen, da abend, Un- ruhen befürchtet werden. Der gestern in Huy gewählte Katholik Pitsaert ist heute vormittag, vermutlich infolge der Aufregung, gestorben. MG- Man beachte anch die Inserate in der Aberrd-Auraabe. "W,
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