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Flnanzttise ln -er Schwebe Der Kampf um -as Rotopfer entbrannt Vrvktinvicknnu onavrsr AorUnor Lcbrtltlaltuno Berlin, 27. Fcbr. Die Entwicklung. die die innerpolitische Lage im Lause dcö heutigen Tages geuvmiucn hat, hat die G c - sahr einer Regierungskrise in ganz bedrohliche Nähe gerückt. Cs ist nämlich nicht einmal gelungen, im Reichskabinctt ein Einverneh» men über die Stcuerplüne Dr. Moldenhauers zu erreiche«. Hatte man bisher angenommen, bah wenigstens in der Regie rung eine gewiste Klarheit über die einzuschiagenden Wege be- ständen, so erweist sich das jetzt als ein Irrtum. Dieser Irr tum ist vor allem daraus zucückzusühren, daß cs der sozial demokratischen Fraktion gelungen ist. ihre Mit glieder im Reichskabinctt aus die bekannten sozial demokratischen Forderungen vollkommen sestzulegen. Als in der heutigen Nachuntlagssitzung des.Kabinetts der Kinanz- mintster Dr. Moldenhaucr seine Vorschläge entwickelt hatte und die übrigen kabinettsmitglieder um ihre Stellungnahme baten, setzte bereits der Widerstand der Sozialdemokraten ein. Ter Arbeitsminister Wissell lehnte besonders die Bor schläge Dr. Moldenhaners hinsichtlich der Arbeitsloscn- vcrsichernng ab und versteifte sich vor allem darauf, daß die Sozialdemokratie ohne eine Erhöhung der direkten Steuern für die anderen Pläne nicht zu haben sei. Wissen schlug abermals das sogenannte Notopfer vor, ein Vorschlag, der non den volkspartetlichen Ministern als untragbar abgclehnt wurde. Damit stand das Kabinett vor der Tatsache, daß eine einheitliche Auffassung über die Steuer- plane innerhalb der Reichörcgierung nicht zu schassen ist. Um diesen Zustand, der die Regierungskrise bedeuten muß, nicht andauern zu lassen, wurden sowohl von seiten der Zentrums minister als auch von demokratischer Seite Vermittlungs- Vorschläge gemacht, denen aber kein Erfolg beschickten war. Der vom Zentrum ausgehende Bermtttlungsvorschlag brachte eine gewisse sensationelle Ueberraschung, indem er zeigte, daß sich das Zentrum den sozialdemokrati schen Anschauungen weitgehend genähert habe. Damit erfahren die Gerüchte, die willen wollen, daß Zentrum und Sozialdemokratie sich bereits jetzt dahin ge einigt hätten, bei einem Nnöeinandersallen der gegen wärtige» Koalition eine Art Weimarer Koalition erstehen z» lasten, so etwas wie eine Bestätigung. Nach dem Zentrumsvorschlag soll unter der Bezeichnung „Notopser" eine einmalige Abgabe von allen Be amten und Fcstbesoldetcn — als Fcstbcsoldete sollen Personen betrachtet werden, die sich in einem langfristigen Ver tragsverhältnis befinden — die ein Jahreseinkommen von über 8000 Mark haben, erhoben werden. Diese Formulie rung wurde von den vvlksparteilichcn Ministern energisch z u r ü ck g c w i c s c n. Nun wurde ein demokratischer Vorschlag gemacht dahingehend, daß eine allgemeine, jedoch befristete Erhöhung der Einkommen- und Vermögcnstcuer vor- nenonimen werden soll, und zwar in einer Höhe, baß min destens 10 0 Millionen Mark an Auskommen zu erzielen sind. Ter demokratische Vorschlag sah eine gleich zeitige Bindung dahingehend vor. daß im nächsten Etatjahre, also im Jahre l981, die Erträge aus Einkommen- und Ver- mttgenstcuer um 180 Millionen gesenkt werden sollen. Dieser Vorschlag fand aber wiederum keine An- nähme. Man war sich innerhalb des Kabinetts darüber einig, daß man heute doch nicht weiter kommen würde, und vertagte sich aus morgen nachmittag. Am Frettag- nach mittag soll dann die Kabtnettsberatnng wettergeflihrt werden. Im Grunde ist ja freilich dadurch, baß sich das Kabinett nicht aus einer einheitlichen und gemeinsamen Linie zusammen- sinden konnte, die Regierungskrise schon zum AnSbruch gekommen. Lar-ieu in Schwierigkeiten vradtdorlolr» nosoro» kaeloor Lorrosponüonlao Paris, 27. Febr. Tarbteu hat heute den ganzen Tag über mit einer großen Anzahl von Parlamentariern unter handelt. aber irgendein Ergebnis liegt noch nicht vor. Nach einem Besuch bei Doume raue kurz nach 13 Uhr erklärte Tardteu aus Befragen, daß er seine Besprechungen fortsetzen und erst morgen nachmittag um 3 Uhr wieder Dou- mergue über deren Ergebnis unterrichten werde. Die Stel- lung der Parteien hat sich bisher nicht geändert, vielmehr haben auch die der radikal-sozialistischen Partei angehörenden Senatoren heute abend eine Erklärung abgegeben, baß sie den gestern gefaßten Beschluß der rablkal-soz'alistlschen Fraktion, ein Kabinett Tardteu nicht zu unter stützen. sich zu eigen machen. Tardteu erklärte spät abends Vertretern der Prelle, sein Kabinett werde bestimmt am Sonntag gebildet sei« und Man hat es aber vermieden, irgendwelche Konsequenzen aus den Ergebnissen der bisherigen Kabinettsberatungcn zu ziehen, weil man immer noch der Hoffnung ist, daß eS doch gelingen werde, die bestehenden Schwierigkeiten auf die eine öder andere Weise zu beseitigen, eine Hoffnung, die sich an gesichts der völligen Ratlosigkeit in den an der Regierung beteiligten Kreisen sehr leicht als trügerisch er weisen kann. Es kommt sowohl der Negierung als auch den Parteien zunächst darauf an, Zeit zu gewinnen. Darüber, ob der Zeitgewinn noch von irgendeinem Nutzen sein kann macht man sich, im Augenblick wenigstens, keine großen Kopfschmerzen. Die Lage hat sich nun dahin zugespttzt, daß im wesentlichen alles von der Entscheidung des Zentrums abhängt. Am Freitag sollen in den Noungausschüssen bekanntlich die Abstimmungen stattsinden. Beharrt nun bas Zentrum aus seinem bisher eingenommenen Standpunkt, daß vor der Erledigung der Bvnnggesetze zunächst die Ftnanzfragen geregelt werben müssen, so kann man leicht sich einer völlig aussichtslosen Situation gegenübersehen. Das Zentrum hielt heute eine mehrstündige Fraktions sitzung über diese Frage ab, die aber noch zu keinen Entschei dungen führte. Am Frettagvormittag wird zunächst der Fraklionsvorstand des Zentrums weiter beraten, und dann soll die FrakttonSsitzung nochmals zusammentreten. Da die Abstimmungen in den Noungausschüssen schon um 11 Uhr vormittags beginnen sollen, werben sich die Zen trumsinstanzen mit ihrer Entscheidung beeilen müssen, wenn man nicht doch noch in letzter Minute cs vorziehcn sollte, die Abstimmungen in den Ausschüssen hinauszuzügern. Das für den Bestand der Regierung wichtige Problem ist nun das, ob bas Zentrum sich bereit findet, die Nounggesctze vor den finanziellen Fragen zur Erledigung zu bringen. Läßt es sich erreichen, daß zunächst die Haager Abmachungen unter Dach und Fach gebracht werden, und man dann an die Regelung der Etatsragcn geht, so wird eine Lage geschaffen, die vor allem für die Sozialdemokrate überaus günstig ist. Die Sozialdemokratie sieht sich dann imstande, zunächst ein mal den von ihr gulgehcißencn Boungplan verabschieden zu helfen, um dann bet den ihr weit unbequemeren Etatsragcn aus der Koalition herauszubrcchcn. Angesichts der doch wohl schon weiter vorgeschrittenen Verständigung zwischen Sozialdemokraten und Zentrum über die Negierung, die dem Kabinett Müller—Curtius— Moldenhaucr—Severing folgen soll, wäre es auch leicht mög lich, anzunchmcn, daß das Zentrum nicht abgeneigt ist, von dem bisher vertretenen Standpunkt abzugehen. Der Aus gang der am Freitag stattfindcnden Verhandlung der Zen- trumsinstanzcn wird nun zu erweisen haben, wohin sich das Zentrum entscheidet. Sehr interessant ist eS übrigens auch» daß sich der demokratische Vorschlag, der heute im Kabi nett gemacht wurde, von der Stellung» di« die demo kratische Presse zu dem Problem der Steuersenkung eingenommen hat, recht erheblich unterscheidet. Man wird sich in den demokratischen Regierunaskreisen doch wohl darüber im klaren sein, daß es angesichts der Belastun gen, die der Uoungetat bringt, überaus schwer halten müßte, im Etatjahre 1N31 nicht nur auf die für 1980 vorgesehenen Einkommen- und Bcrmögensteuercrhöhungen zu verzichten, sondern sie auch noch um wettere 80 Prozent zu senken. Diese Erhöhung der Einkommen- und Vermögensteuer muß — das ist gerade von demokratischer Seite oft genug zum Ausdruck gebracht worden — zu weiteren Verknappungen am deutschen Kapitalmarkt führen. die Zusammensetzung des Kabinetts werde sich von seinem letzten Kabinett durch die Zugehörigkeit von mindestens fünf radikalen Ministern unterscheiden. Gewisse Senatoren der mittleren und linksstehenden Gruppen wünschen eine stabile Regierung, an deren Spitze Briand treten soll, da sie glauben, daß Briand vor allem geeignet sei, ein lebensfähiges Ministerium einer sehr wett- ausgreifenden Konzentration zu bilden. «IMP» Steg »er brtllWm «eqienmg London, 27. Fobr. Der liberale Ergänzungsantrag zur Bcrgbauvorlage ist vom Unterhaus mit 280 gegen 271 Stimme» abgclehnt worden. Die Negierung hat damit feit der parlamentarischen Behandlung der Bergbauvorlage »um zweiten Mal« einen ganz knappen Steg errungen. Bei der Abstimmung im Dezember hat.« die Regierungsmehrheit 8 Stimmen betragen. Dt« Zusammensetzung o»r am Donner», tag abgegebenen Stimme« ist fast di« gleich« w„ t« Dezember. Rolopfer - wofür? Der Neichsfinanzminister hat nun seinen Etat für 1930 in des Wortes wörtlichster Bedeutung slüssig gemacht. So ziemlich alles was trinkbar ist für Menschen und Motore, soll in die Löcher des Haushalts gepumpt werden, um das Gleich gewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen. Trotzdem klafft noch ein großes Loch von 289 Millionen, und immer wieder ist es das Schmerzenskind der Arbeits losenversicherung, über dessen Sanierung keine Eini gung zustande kommt. ISO Millionen will zwar Dr. Molden- Hauer durch Verpfändung der Neichsbahnvorzugsaktien her- zaubcrn. aber wenn auch alle diese Pläne durchgehen, dann wird doch um den respektablen Nest von 100 Millionen der finanzpolitische Endkamps mit um so größerer Schärfe ent brennen. Denn hier spitzen sich die Gegensätze am schroffsten zu. Der Minister will „einsparen". Aber wie? Gegen eine weitere Erhöhung der Beiträge zur Erwcrbslosenversichc- rung wendet sich die Wirtschaft, im Kabinett vertreten durch die Deutsche Volkspartci, gegen einen Abbau der Leistungen protestieren mit noch größerer Entschiedenheit die Arbeit nehmer durch das Sprachrohr der Gewerkschaften aller Rich tungen. Irgendwie aber muß ein Ausweg aus der Sackgaffe ge sunden werden, und irgendwer muh die Lasten übernehmen: denn darüber besteht Einmütigkeit, daß für die Opfer der Wirtschaftskrise gesorgt werden muß, die zu Millionen arbeiten wollen und nicht können, weil in der eingeschränkten deutschen Wirtschaft kein Arbeitsplatz für sie vorhanden ist. Nun sind die Gewerkschaften auf den Gedanken eines „Not - opfers" verfallen, bas von den F e st b e s o l d e t e n, also von denjenigen, die von der Sorge um ihre Zukunft befreit sind, zugunsten der Arbeitslosen gebracht werden soll. Der Plan geht von Stegerwaid, dem jetzigen Ne chsverkehrs- minister und früheren christlichen Gewerkschaftsführer, aus, besten Voreingenommenheit gegen das Beamtentum bekannt ist, und er ist von der Sozialdemokratie mit solcher Begeiste rung übernommen worden, daß sie entschlossen ist, das Not opfer zum Rang einer Kabinettsfrage zu erheben und ihre Zustimmung zum Finanzprogramm von seiner Einführung abhängig zu machen. Der Finanzmintstcr hat zwar energisch abgelehnt, und in seinem Steuerbukett ist die Notopfer blüte auch nicht enthalten. Aber die Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsflttgel im Zentrum halten nichtsdestoweniger an Ihrer Absicht fest, und selbst wenn im Kabinett und zwischen den Parteien eine Verständigung über die anderen S'euer- arten zustande kommt, dann wird doch der eigentliche Kamps um das Notopfcrprojckt erst im Reichstag entbrennen. Der Gedanke, daß diejenige Volksschicht, welche vor den Nöten der Erwerbslosigkeit gesichert ist, eingrciscn soll, um durch einen lausenden Beitrag etwa in Höhe der Kirchensteuer den Volksgenossen zu helfen, die schutzlos allen Rückschlägen der Wtrtschaftskonjunktur ausgcietzt sind, ist an sich bestechend und vor allem leicht zu popularisieren. Eine Zuschrift aus Kreisen des GewerkschaftSbunbes der Augestellten bringt die Idee mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Wenn die Parole „Volk in Not" innere Berechtigung haben soll, dann muß es schon so bleiben, daß alle Vvlkslcilc bereit sind, Opfer auch für diejenigen zu bringen, die das Aeußcrste dieses Zustan des zu ertragen gezwungen sind. Vor allen Dingen müssen diejenigen sich bemüßigt fühlen, ihre helfende Hand zu bieten, die Einkommen beziehen, die weit über das Existenzmiulmum hinausreichcn, die auf eine sichere Existenz zu blicken ver mögen ober als Beamte und Festbcsoldete unkündbare Stel lungen cinnehmcn." Daran wird ein Appell an die Beamten schaft geknüpft, von sich aus die Hand z» dem angeregten Not opfer zu bieten und sich nicht erst dazu zwingen zu lasse», schon mit Rücksicht auf die Gefühle der Erwerbslosen: „denn", so heißt es, „es wird nicht bestritten werden können, daß eS für viele Hunderttausende eine Quälerei ist. immer im Mittelpunkt von Unterstützungsauseinandcrsetzunge» zu stehen, die ihnen durchaus widerlich sind, weil sie gern an die Arbeitsplätze zurückkehren möchten." Die Abwehr gegen solche Argumente kann natürlich leicht als Berständntslosigkeit für die Erfordernisse der Zeit ober gar als hartherzige Eigensucht und Geldsackpolitik auSgelegt werden. Trotzdem ist es notwendig, nicht nur gefühlsmäßig, sondern sachlich an die Auseinandersetzung Heranzngehen. »- ltrattkalrrer Sette 17 mul lS