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Nummer E — 2«. Jahrgang Erscheint »mal wöchentlich «lt den llluslrlerten «kratltöetlagen .Di« Welt' und .Für unsere kleinen Leut«', sowie den Lut- bcilagen .Unterhaltung und Wissen', »Kirche und Welt', »Di« Welt der Frau', »ilerztlicher Ratgeder', »Literarische Beilage", .Filmrundschau'. Monalllchcc Bezugspreis 8.- Ml, elnschl. Bestellgeld. Einzelnummer 1t» »s. Sonnlagnmnmer!SU s. Hanplschrisileiter! D». tS. DeSezhk, Dresden. Donuersrag» i. September 1927 «nzel-enpretsei Die Igespaltene Petitzeile SO Familie,,- anzelgen m,d Stellengesuche St» ^. Die Petltrellamezelle. «li Milli,neter breit. 1 Osfsrtengeblihr jit» bet Ueber- feiiduiig durch die Post außerdem Portozuschlag. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung w Anzeigen.Auflrögen „.Leistung » Schadenersatz. Eeschöftlicher Teil: Urtur Lenz, Dresden. Geschäftsstelle, Druck ».Verlag, Germania, A.»G. für Verlag und Druckerei. Filiale Dresden, DreSden-A. l. Poliersiraße17. Fcrnn>f2l0l2. Postscheckkonto Dresden 2703. Bankkonto: Stadtbank Dre-den Nr. SI7IS Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzeituua DreSden-SIltstadt 1. Polieistraße 17. Fernruf M7ll und Sioir. Seplemberstimmung Sonnige, farbenfrohe Heiterkeit bei Tage. Nebel, Nässe und Kühle bei Nacht! Das ist die kontrapunktische Mi ik des Septembermondes. Tin tragisches Widerspiel zwi'chen Hoffen und Bangen. Ein Vorkampf zwischen der lebenspendenden und der lebenraubenden Jahreszeit. Es ist, als wäre das auch Symbol für die deutsche Außenpolitik. Septemberstimmuilg auf der ganzen Linie. Der Glaube an den Sieg der Verständigung lebt nach, ja beherrscht unsere Tagesarbeit, unser Sehnen und Wollen. Aber Nacht für Nacht sinkt kühler dichter Ne bel über unsere Lande nieder. Hoffnungen fallen wie die Blätter im Herbst. Das Bild von dex segenspendenden Erde wird immer matter. Der Gedanke an die tote Ein- Ter 1. Tepremver war einst der Vorabend des Ge denkens von Sedan. Heute ist sein Memento ein ungleich traurigeres. Der 1. Septbr. ist seit 1924 der Tag, an dem die Daumenschraube des Dawesplanes, jeweils ein kräftiges Stück angezogen wird. Wenn an diesem Tage nicht durch das ganze deutsche Volk ein lauter Aufschrei geht, so nur deshalb, weil mir im letzten Jahrzehnt noch schwärzere Tage gesehen haben; denen gegenüber mußte die kaufmännisch-geschäftliche Isolierung des Reparations- problemes als eine wesentliche Erleichterung erscheinen. Der 1. September 1927 aber erinnert uns daran, daß die wesentliche Erleichterung, die uns der Dawesplan brachte, der vierjährige teilweise Zahlungsaufschub — mit dem schmückenden Fremdwort „Moratorium" genannt — mit Riesenschritten ihrem Ende zugeht. Wir treteil mit diesem Monat in das letzte Jahr dieses Moratoriums ein. Ab 1. September 1928 wird Deutschland jährlich 2,5 Milli arden Mark auf Konto „Reparationeil" aufzubringen haben. Bis dahin sind es „nur" 1750 Millionen. Bei der Neberspannung im Reichs- und Staatshaushalt bei der Lage unserer Wirtschaft und bei Beurteilung der Höhe der Staatsbeamtengehälter tauchen hier schwere Pro bleme für den kommenden Reichsfinanzminister auf, den die Neichstagswahlen von 1928 auf den Schild erheben werden. Wie Sachverständige und Wissenschaftler ganz richtig und vorsichtig voraussagten, steht es durchaus nicht fest, daß das Sicherheitsventil, das der Dawesplan in sein gerissenes System eingebaut hat, schon in abseh barer Zeit seinen gellenden Pfiff ertönen lassen und Euro- va erneut zur Reparationsdebatte rufen wird. Das schwierigste Problem für das Ausland ist be kanntlich die Frage der Uebertragbarkeit (das Transfer) der deutschen Goldmillioneil in die fremde Währung, ohne dieser oder der fremden Wirtschaft mehr zu schaden als zu nützen. Bisher aber ist dieser Transfer fast reibungs los vor sich gegangen. Das Konto des Reparationsagen ten bei der deutschen Goldnotenbank, also der Reichs- bonk, wies Ende Juli 1927 nur erst 170 Millionen nicht übertragener Werte auf. Erst bei Aufläufen dieser Sum men bis auf 5 Milliarden Mark soll an eine Herabsetzung der Jahresleistungen gedacht werden. Auch der Laie sieht, daß der Weg bis dahin noch sehr weit sein kann. Aller dings mar der Zustand bisher der, daß man auf der einen Seite Milliarden aus der deutschen Wirtschaft herauszog, die auf dem Anleiheweg wieder zu uns hereinkamen. Alan wird jedenfalls sehr aufmerksam beobachten müssen, wie sich die erhebliche Steigerung der deutschen Leistungen in den nächsten beiden Jahren auf das Transfer-Problem auswirken wird. Heute liegen die Dinge so — und das ist einer der Wetterstürze des September —, daß die Schwierigkeiten der Aufbringung der Riesensummen zu nächst im Inland schwere Sorgen heraufzubeschwören scheinen, ehe noch das Ausland von den Nächstliegenden Wirkungen der erhöhten deutschen Leistungen in feiner Wirtschaft und Währung fühlbar getroffen wird. » Am 17. September 1928 war das berühmte Früh stück in Thoiry. Locarno und die Aufnahme Deutsch lands in den Völkerbund schienen ihre ersten Früchte zu tragen. Die Völker-Verständigung in Europa schien einen großen Schritt ihrem Ziele näher gerückt zu sein. Der Enthusiasmus für Stresemann und Briand schoß ganz wesentlich über das Ziel. Heute nach einem Jahre der Enttäuschung und Ernüchterung ist man glücklich in Pa ris bereit, die Besatzungstruppen am Rhein auf 60 000 Mann zu „vermindern". Der deutschen Auffassung, daß der Pakt von Locarno ein weiteres Verbleiben fremder Die heutige Nummer enthält die Beilage „Unterhal- lunaundWilien". Die Ankunft -er Delegierten in Genf — Chile führt den Vorfitz auf -er Ratstagung Beginn -er Vollsitzung am Montag Genf, 30. August. Di« bevorstehend« Tagung des Völkerbundsrates, die der Sitzung der Vollversammlung des Völkerbundes voran« geht, wird am Donnerstag vormittag zunächst mit einer geheimen und sodann anschließend mit einer öffentlichen Sitzung des Rates eröffnet werden. Die Delegationen der Ratstagung treffen teils am Mittwoch abend, teils am Donnerstag früh ein. Reichsaußenminister Dr. Stresemann und Staatssekretär von Schubert werden mit ihren Damen sowie mit dem Ministerialdirektor Dr. Cauß am Mittwoch um 3 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Baseler Schnellzug iu Eens eintressen. Der Völkerbundsreferent des Auswärtigen Amtes, von Bülow, ist bereits heute in Eens eingetrofsen. Chamberlain und Vriand werden am Donnerstag früh in Eens erwartet. Mit dem gleichen Zuge trifft auch Vandcrvelde ein, Polen wird im Vülkerbundsrat diesmal durch den ständigen Vertreter Sokal vertreten sein, da der polnische Außenminister Zaleski infolge seines Gesundheitszustandes erst in der Vollversammlung des Bundes am 5. September, eintressen wird. China wird durch den Gesandten in Lissabon W a » g, die Tschechoslowakei durch Bcnesch, Holland durch den Außenminister Brook land. Rumänien durch Tistulesku vertreten sein. Den Vor sitz auf der Ratstagung führt diesmal der Vertreter von Chile. Auf der Tagesordnung des Völkerbundes stehen bisher 29 Punkte. Hiervon 8 Danzigcr Frage», ferner die Er nennung eines deutschen Mitgliedes in die Mandatskommission. Der Bericht über die Durch führung der Beschlüsse der Weltrvirtschaftslonscrenz, der von den Delegierten Deutschlands erstattet wird. Ferner wird der Völkerbundsrat, wir üblich, eine Reihe laufender Berichte, insbesondere über die griechische, bulgarische und armenische Flllchtlingsfürsorge entgegen nehmen, ferner den Bericht über die eben abgeschlossene Presse konferenz, einen Bericht über die Internationale Konferenz zur Hilfeleistung bei Naturkatastrophen, wie einen Bericht über die gegenwärtig noch tagende Internationale Transitkonfercnz. Einer der schwierigsten Punkte der Tagesordnung ist der ungarisch-rumänische Streit über di« Ent schädigung der ungarischen Optanten. Die Tagung des Völker- bundsrates, die am Donnerstag beginnt, wird am Sonnabend zu Ende gehen. Am Montag, dem 5. September, findet sodann die Eröffnung der diesjährigen Bundesversammlung des Völker bundes statt. In Völkerbundskreiscn wird gegenwärtig vielfach die Wahl des Präsidenten der bevorstehenden Vollversammlung des Völkerbundes erörtert. Wie verlautet, sind Kandidaten für die Präsidentschaft der japanische Botschafter in Brüssel, sowie der argentinische Gesandte in Paris, Euani, doch wird von an derer Seite neuerdings die Kandidatur des früheren öster reichischen Gesandten Wensdorff in die Diskussion gebracht. Wie verlautet, wird von englischer Seite gegenwärtig die Kandidatur des japanischen Botschafters in Brüssel unterstützt. Eine Ent scheidung hierüber wird voraussichtlich wahrend der Tagung des Völkerbundsrates fallen. - . Vrlan- kommt erst am Montag. Lens, 3«. August. Tie leit heute früh hier umlaufenden Gerüchte, daßBriantz möglicherweise kaum zu Beginn der Ratstagungen in Genf ein» treffen werde, scheinen sich um die Mittagsstunde zu bestätigen, und zwar wird, wie man in Völlerbundskreisen hört, di« vor läufige Abwesenheit Briands mit gesundheitlichen Rücksichten begründet. Briand dürste jedenfalls, wie man einstweilen erfährt, kaum vor Beginn der Völker- bundstagung, also Montag, den 5. September, in Genf eintressen. An seiner Stelle wird Paul-Boncour Frank reich in den ersten Sitzungen des Rates vertreten. London, 30. August. Der britische Außenminister Chamberlain ist zusam men mit den anderen Mitgliedern der britischen Völkerbunds delegation nach Paris und Genf abgereist. Die gestrige SWng des ReichstMnetts Amtlich wird mitgeteilt: Unter Vorfitz des Reichsministers Dr. Keßler fand gestern in der Reichskanzlei eine Sitzung des Reichskabinett» statt, an de, die Rcichsminifter Dr. Curtius, Dr. Koch, Schiele und Dr. Stresemann teilnahmen. während die übrigen Ressorts durch die Staatssekretäre vertreten waren. Das Kabinett nahm Im Anschluß an die ausführliche Kabi- nettocrörterung vom 1V. August die Ausführungen des Reichs- außenministcrs über die bevorstehende Genser Tagung de» Rates und der Vollversammlung des Völkerbundes und die dabet zu beobachtende Haltung der deutschen Delegation ent gegen und beschäftigte sich sodann mit verschiedenen lauseiÄe« Angelegenheiten. Die deutsche Delegation und Zwar Reichsaugenminister Dr. Stresemann, Staatssekretär Schubert und Ministerial direktor Gauß, hat gestern abend 20.25 Uhr Berlin verlassen Ein Verlust sür den Völkerbund Gens, 30. August. Die heute bekanntgcwordene offizielle Demission Lord Robert Cecilr hat in allen maßgebenden Völkerbundskreisen einen tiefen Eindruck hervorgerufen und wird allgemein als ein schwerer Verlust für den Völkerbund ausgesaßt. Man weist darauf hin, daß Lecil in allen entscheidenden Momenten die reine Völkerbundsdoktrtn mit großer Energie vertreten und sich als ein geschickter und bedeutender Taktiker erwiesn Hab«. Lord Robert Cecil ist bekanntlich gemeinsam mit Wilson und dem italienischen Senator Scialoja, einer der Gründer des Völker bundes und Ausarbeiter des Völkerbundspakt«». Cecil hat di« englische Regierung vielfach im Völkerbundsrat. so bei der bekannten Rakssttznng, in der di« Corfuaffäre zur Debatte stand, vertreten. Armeen auf deutschem Boden in keiner Weise mehr recht fertigt, hält de Ioupenel bei den Verhandlungen der Interparlamentarischen Union in Paris die kühne Auf fassung entgegen: „In den Augen der deutschen Delega tion genügt Locarno, in den Augen Frankreichs genügt Locarno nicht!" Früher hieß es: „Besetzung zur Siche rung Frankreichs". Jetzt heißt es offen und schamlos: „Besetzung bis zur Abringung deutscher Zugeständnisse im Osten". Der status guo Polen gegenüber müsse garan tiert werden. Und wessen Sicherheit kommt nach Polen an die Reihe? Die Sozialdemokratie ist auf das eifrigste bemüht, aus dieser schwierigen außenpolitischen Lage parteipoli tisches Kapital zu schlagen. Natürlich gibt es niemand, der nicht idas französische Vorgehen in der Besatzungsfrage grundsätzlich verurteilte. Die Sozialdemokratie, durch deren Schuld allein die Umstellung der Reichsregierung im Dezember-Januar nötig wurde, führt die außenpoli tischen Mißerfolge auf die Einbeziehung der Deutsch- nationalen in die Regierung zurück, obwohl sie wissen sollte, daß die Opposition Poincare gegen Briand sofort nach Tkoirn einsekte. als an den Eintritt der Deiittckno» tionalen in die Regierung noch nicht zu denken war. Die parteipolitischen Sondertouren werden zweifellos nie da zu beitragen, das außenpolitische Prestige Deutscklan'd-- zu erhöhen. Stresemann geht in diesen Septembertagen abermals zu einer Völkerbundstagung nach Genf. Man ist kleingläubig. Es stünden nur Unwesentlichkeiten zur Debatte. Dann wäre es aber wünschensivert, daß die deutschen Vertreter in Genf Europa und die Welt darauf aufmerksam machten, daß es auch noch einige Wesentlich keiten gibt, Imponderabilien der Weltpolitik, sür die der Völkerbund nicht zu schade sein sollte. Solange es Pro bleme gibt, an die Genf aus ganz bestimmten Gründen ohne ein bestimmtes Gongzeichen und ohne ein sehr hin derliches Zeremoniell sich nicht herangetrauen darf, solan ge fehlt dieser Institution jene Kraft, die den Völkerbund zum Mittelpunkt der europäischen, ja Weltpolitik zu machen fähig wäre. Vielleicht besitzt jemand die Kühn heit und nennt als Menetekel von Gens den Hauptmonat, in dem der Völkerbund sich zu versammeln pflegt, den Sevtember . . !A. v.