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Donnerstag. Nr. 344 Leipzig. Dl« Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montag« täglich und wird Nachmittags 4 Uhr auS- gegeben. Preis für das Biertel jahr I/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. DcilW MMcinc Zritug. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetzt» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die trzveiitiou in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Vnfertionsgebühr für de» Naum einer Zeil« 2 Ngr. Die Zollvereinsconferenzen in Berlin. X Berlin, 17. Ang. Bon den zur Zollconferenz gehörigen Bevoll mächtigten sind bis heute noch nicht alle eingetroffen; es fehlen noch die für Kurheffen, Baden, Nassau und Darmstadt, die andern süddeutschen Bevoll mächtigten trafen erst gestern hier ein. Sobald die Fehlenden hier einge troffen, sollen die Conferenzen eröffnet werden. Der diesmalige Aufschub hat keine principielle Bedeutung, sondern entspringt aus den in die Länge gezogenen Besprechungen zu Stuttgart, die man in einem Tage zu erledi gen glaubte. Hier hat man in Berücksichtigung dieses Umstandes die Ver schiebung eintreten lassen. Allgemein herrscht die Meinung, daß nunmehr eine Verständigung erfolgen werde und daß die Conferenzen dann ihren Fortgang nehmen und zu einem praktischen Resultate führen werden. — Der Handelspolitische Verein des Zollverbandes hat ein neues Rund schreiben an seine Mitglieder erlassen, welches diesmal in sprechender Weise dar- thut, wie, nach den eigenen Argumenten des Vereins, es mit der Schntzzöllncrei allmälig auch in Deutschland, und namentlich im Norden, vorbei ist. Der Verein klagt „über die geringe Theilnahme der Industriellen an dem Verein", eine Klage, h-e uns zur sichtlichen Befriedigung gereicht; denn nicht die Theil- nahnlosigkcit der Industriellen ist es, die dem Herein nicht beilrcten, son dern das richtige Erkennen des intelligenter» Theils der Industriellen, daß Schutzzölle, wie sie der Verein in seinem Programm aufstellt und in seinem Organe verthcidigt, nicht der Weg sind, die Industrie zu fördern und den Industriellen Vortheile zu gewähren, sondern daß unsere Industriellen be reits so weit sind, für ihren und Aller Vortheil zugleich einem rationellen Handelssysteme sich anzuschließen und von dort her nicht ihre Interessen gewahrt wissen wollen. Deshalb zählt der Verein gerade hier in Berlin sehr wenig Thcilnehmer, die in gar keinem Verhältniß zur Zahl unserer In dustrie stehen. Ferner beklagt sich der Verein, daß die größern Organe der Presse sich ihm feindselig gcgenübergcstellt hätten oder doch mindestens ihn ignorirten und er nur auf die von ihm begründete Wochenschrift in seiner publicistischen Wirksamkeit angewiesen sei. Nichts natürlicher als dies. Kein größeres Organ in Norddeutschland ist geneigt, das Schutzzollsystem zu ver- theidigen und am wenigsten in einer Weise, wie es der Verein wünscht, der sogar die britischen Kornzölle in seinem Organ vertheidigcn läßt. Die Presse Norddcutschlands huldigt insgesammt der freihändlerischen Richtung mehr oder weniger mit Entschiedenheit und die süddeutschen Organe vertheidigen wieder die österreichische Schutzzöllnerei und mit ihr das österreichisch-mittel europäische Handelsgebiet. Es ist deshalb kein Wunder, daß die seltsamen Tendenzen jenes Vereins, der sich durch seine „politische Oekonomie" oder besser „ökonomische Politik" in einem Wirrwarr von Widersprüchen befindet, überall Gegner finden muß oder mindestens Solche, die keine Notiz von ihm nehmen. Berlin, 16. Aug. Die Preußische Zeitung sagt: Die Mehrzahl der Bevollmächtigten bei der hiesigen Zollconferenz ist bereits wieder hier eingetroffen, und es ist daher der Wiederbeginn'der Verhandlungen in den nächsten Tagen zu erwarten. Stuttgart, 14. Aug. Die Conferenzen der Coalitionsmini- ster sind gestern Nacht zu Ende gegangen, wo das Protokoll unterzeichnet wurde. Heute kehrten die Herren in ihre Heimat zurück. Unter den Mi nistern ist eine vollkommene Einigung zu Stande gekommen, die dahin geht, in der gemeinschaftlichen Antwortsnote an Preußen zwar die Zolleinigung mit Oesterreich nicht weiter zu berühren, dagegen für den Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und Oesterreich gewisse Garantien zu fodern und auch sonst in Betreff der Erneuerung des Zollvereins einige gemeinsame Bedingungen zu stellen, welche sich zum Theil auf den Septenibervertrag beziehen. Zur Einholung der Genehmigung dieser Uebereinkunft württem- bergischerseits soll Staatsrath Frhr. v. Neurath heute selbst nach Baden weiler gereist sein, wo der König sich zum Gebrauche einer Badecur be findet. (Nürnb. C.) — Die Neue Preußische Zeitung schreibt aus Berlin vom 17. Aug.: Die Zolleinigung, versichert man, sei von der Coalilion in Stuttgart vorläufig darangegeben, und es werde dafür nur der Abschluß eines Han delsvertrags zwischen Oesterreich und dem Zollverein gefodert. Diese Fode- rung erscheint schon etwas verdächtig durch den Beisatz, daß der Handels vertrag gleichzeitig mit der zu beschließenden Neconstituirung des Zollver eins unter Aufnahme des Steuervereins ratificirt werden solle. Noch be denklicher wird dieselbe durch die Bedingung einer grundsätzlichen Anerken nung des betreffenden durchaus präjudiciellen Wiener Vertragsentwurfs. Die Coalition legt mit solchem Verlangen in Wirklichkeit nicht eben den festen Entschluß einer aufrichtigen Verständigung an den Tag. Denn ganz abgesehen davon, daß Preußen auf die materielle Basis der neuen Vorschläge nicht eingehen kann, ohne sich selbst namenlosen Schaden zuzufügcn, muß schon in formeller Beziehung die sehr nahe liegende Möglichkeit eines nutz losen Hinschlcppcns oder gar einer absichtlichen Verzögerung der Unterhand lungen ganz entschieden von dem Betreten dieses Weges abmahnen. Wie die Dinge stehen, bleibt die Aufstellung einer kurzen, klaren Alternative das beste Mittel, die vorhandenen Schwierigkeiten zur Lösung zu bringen. Deutschland. Berlin, 17. Aug. Die «Zeit» theilt mit: Am 10. Aug. ging einem bei der Sicherheusabtheilung des königlichen Polizeipräsidiums angestellten Crinünal- polizeilicutenant von glaubhafter Seite die Nachricht zu, daß in der hiesigen Malmene'schen Erzichungs- undBeschästigungsanstalt ein Knabe an eine Kette geschlossen im Keller gefangen gehalten werde. Zur Feststellung des dieser Angabe zu Grunde liegenden Thatbestandes begab sich der Polizci- lieutenant sofort nach der Anstalt. Hier traf man den 15jährigen Knaben (Zögling der Anstalt) in einem Kellergclaß gefangen, und zwar an einer eisernen Kette, die ihm ziemlich fest um den Leib geschlungen und mit einem Schlosse versehen, während das andere Ende der Kette an einem Klotz be festigt war, sodaß, wenn der Knabe sich von der Stelle fortbewegen wollte, er den ziemlich schweren Kloß mitschleppen mußte. Sein Lager bestand aus einem Strohsacke, der an der Erde lag. Atif Befragen erklärte der Vor steher der Anstalt dem recherchirenden Beamten, daß dieser Knabe, welcher sich bereits am 11. Juli d. I. mit einem andern Zöglinge aus der Anstalt heimlich entfernt hatte, jedoch in Luckenwalde ergriffen und in dieselbe zu- rückgcbracht worden war, wiederum am 21. Juli d. I. mit einem andern Zöglinge entlaufen sei, auch den Letzter» zur Flucht verführt habe. Derselbe sei in Trebbin angchaltcn und ihm am 30. Juli wieder zugcführt worden. Wegen dieses Entweichens sei gegen diesen Knaben unter Zustimmung des Curatoriums der Anstalt eine Htägige Carcerstrafe, während welcher er nur einen Tag um den andern warmes Essen erhalten sollte, nebst drei Ruthen- streichen festgesetzt worden. Diese Strafe werde jetzt gegen ihn vollstreckt und habe derselbe bereits 10 Tage davon verbüßt. Der Polizeilieutenant ließ den Knaben seiner Fesseln entledigen und vermittelte die Aufnahme des selben im Friedrichs-Waisenhause. Der gefangene Knabe war übrigens wäh rend seiner 10tägkgen Haft nicht ein einziges mal an die freie Luft geführt worden und klagte über Schwindel, als der Beamte mit ihm ins Freie trat. Der amtliche Bericht des recherchirenden Beamten ist der königlichen Staats anwaltschaft zur weitern Verfügung zugegangen. — Wie verlautet, hat der Kaiser von Rußland auf die Auslieferung .der drei in der Festung Weichselmünde noch befindlichen Tscherkessen verzichtet. München, 16. Aug. Ein hiesiges Localblatt, die Neuesten Nachrich ten, schreibt über die dortige Napoleonsfeier: Gestern Vormittags 11 Uhr fand in der St.-Ludwigspfarrkirchc die von der französischen Gesandtschaft aus Veranlassung des am 15. Aug. in Frankreich begangen werdenden National- festes veranstaltete Kirchenfeier, ein durch den dortigen Pfarrer Stumpf ce- lebrirtes Hochamt mit gefolgtem Tcdeum, statt. Kirchlicherseits waren für die zu dieser Feier wol erwarteten Mitglieder der vielen dahier sich befin denden französischen Familien acht besondere Stühle, von diesen sechs mit Tüchern gedeckt, parat gehalten. Die in Baiern (München) wohnenden Franzosen, von der französischen Gesandtschaft von dieser Feier in mehren Blättern in französischer und deutscher Sprache benachrichtigt, waren in die sen für sie bestimmten acht Stühlen, (bis zum „Gloria", wo wir die Kirche verließen) officiell durch sechs Herren (sämmtlich im Civil) und zwei Da men, im Allgemeinen nur durch einige 20 Bonapartisten repräsentirt. Ein altes Sprüchwort sagt: „'s Lieben und 's Beten läßt sich nicht nöthigen." Dies hat sich hierbei thalsächlich bethätigt. Die vorerwähnte, gleichzeitig in deutscher Sprache gefolgte Benachrichtigung war von größerm Erfolge. Die Mehrzahl der sich bei dieser Feier betheiligenden Deutschen aus allen Stän den wähnte hierbei eine besondere Feier, wol auch französische Fahnen mit dem kaiserlichen Adler, dergleichen Uniformen rc. zu sehen, was aber nicht der Fall war. Die Feier beschränkte sich auf eine rein kirchliche ohne alle politische Zuthat. (Nach der Augsburger Abendzeitung waren unter den an wesenden Deutschen etwa 20 Veteranen im Civil, darunter ein Landmann, der die Feldzüge der Kaiscrzeit mitgemacht und sechs Stunden Weges zu rückgelegt hatte, um der Feierlichkeit beiwohnen zu können.) — Die Allgemeine Zeitung schreibt aus Augsburg vom 15. Aug.: Wir waren heute Zeuge eines schönen und seltenen Festes, eines häuslichen Festes, mit dem Hr. v. Maffei sämmtliche Gchülfen seiner Maschincn- werkstätte erfreute, indem er sie, die nun 100 Locomotiven für die Eisen wege geschaffen, hierher zu einem Festessen führte, das er ihnen in dem ganz dafür geeigneten Local des bekannten Gasthofs zur Traube gab. In 15 Eisenbahnwagen fuhren sie, nahezu 600 an der Zahl, gezogen von der von ihnen eben vollendeten und für unsere Augsburg-Ulmer Linie bestimm ten Locomotive Burgau, hierher, von der trefflichen Artilleriemusik begleit/t.