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Wemmer Anzeiger Erschein! Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Abonnementspreis einschließlich der illustrirten V Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 1b Pf. Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie 74l11l1111l^ j 111t II l1l11^1^11ll ^1 l11l ll 1^11111^1 Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. des illustr. Witzblattes „Seifenblasen" 1,b0 Ml. ^1^1111111^ >11H ^^1^ 11H11111 Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleiuölsa, Oberuauttvorf, Hainsberg, Somsdorf, Cotzmarmsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 53. Sonnabend, den 5. Mai lWO. 13. Jahrgang. Ans Nah und Ferm — Der Kilcku ck, wohl der letzte der gefiederten Frühlingsboten, ist nun auch, etwas später wie die Nachtigall, hier eingetroffen. — Gestürzt, ohne weiteren Schaden zn nehmen, ist am Donnerstag Mittag auf der Bismarckstraße das Pferd des Herrn Angust W ü n s ch m ann hie r. Vorübergehende Passanten halfen dem Pferde wieder ans die Beine. — Der heutigen Nr. liegt der Sommer-Fahrplan bei. — Am Sonntag Abend in der 9. Stunde ertönte in Possendorf plötzlich Feueralarm. Die dortige frei willige Feuerwehr rückte aus, doch kam die Spritze nicht in Thütigkeit, da sich der Brandheerd nur als Feimenbrand guf Klebaer Flur herausstellte. — Wegen Verdachts, die am Sonntag Abend abge brannte 400 Ctr. Stroh enthaltende Feime des Gutsbesitzers Bier in Kleba in Brand gesteckt zn haben, wurde ein früherer Knecht des Herrn Bier, Namens Grahl aus Nöthnitz, in Haft genommen. Die Feime war nicht versichert. — Der Procnrist Herr Hermann Roßberg in Döhlen beging am U Mai sein 40jühriges Dienstjubiläum in der Sächsischen Gußstahlfabrik. Durch Se. Maj. König Albert wurde er mit dem Albrechtskreuz ausgezeichnet- — Fortmitden Hutnadeln! Eine Kaufmanns- srau in Meisen wollte dieser Tage von ihrem kleinen drei jährigem Knaben, ehe sie ausging, Abschied nehmen und beugte sich deshalb zu dem auf einem kleinen Stuhle sitzen den Sprößling herab, um ihn zu küssen. Der Kleine fuhr aber Plötzlich in die Höhe und riß sich hierbei an der ziem lich Weit hervorstehcnden Hutnadel eine vom rechten Auge bis an die Oberlippe gehende tiefe Fleischwunde. Glücklicher weise war das Ange nicht mit betroffen worden. — In Oberröppisch bei Weimar wurde, wie mitgc- theilt, achtmal hintereinander ein Herr Neumerkel zum Bürgermeister gewählt, jedesmal aber versagte die Negierung von Neuß j. L. die Bestätigung der Wahl. Nachdem Herr Neumerkel nun auf die Candidatur verzichtete, wählte man den Nachtwächter zum Bürgermeister, und die Regierung mag sich nnn zn dieser Wahl äußern. — D r e i A r b e i t e r v e r b r a n n t. Durch brennen de Schlacken, die aus einem cxplodirendeu Hochofen der Fabrik von Metz u. Cie in Esch (Lothringen) herauSstürzlen, sind drei Arbeiter gräßlich verbrannt. Alle drei sind ihren schweren Verletzungen erlegen. — In Lüdershagen bei Güstrow wüthete eine große Feuersbrunst. Drei Knechte sind schwer verbrannt, so daß sie in das Güstrower Krankenhaus überführt werden mußten. Eine Menge Vieh hat den Tod in den Flammen gefunden. — Die Bewohner des Hamburger Vororts Hammer brook wurden in große Aufregung versetzt durch einen Kindes- ! raub am helllichten Tage: der vierjährige Knabe Otto Sommer ! wurde durch eine voiüberziehende Zigeunerbande entführt. — In Bremerhaven wurde eiu Malermeister auf der Straße von zwei Seeleuten erstochen. Ein Thäter wurde verhaftet. — Mutter und Ki n d. . Freiherr Max v. Putt- kamcr, Rittergutsbesitzer in Zarrenthin bei Köpitz (Pommern), wurde von seiner Frau, einer geborenen v. Enkevort ge schieden. Nach einem Gerichtsurtheil muß das Kind Maxa dein Vater herausgegeben werden; allein Frau v. Puttkamer flüchtete mit dem Kind nach der Schweiz. Die deutsche Gesandtschaft in Bern ersuchte den Bundesrath um Er mittelung ihres Aufenthaltsortes. Sie hielt sich im CaMon Ad-Gallen auf. Das Bezirksamt St. Gallen ordnete die ! Herausgabe des Kindes an den Vertreter des Freiherrn v. Puttkamer, Rechtsanwalt Gelpke in Luzern, an. Allein es gelang Frau v. Puttkamer, sich mit dem Kind zu flüchten. Sie soll gegenwärtig mit ihm in Holland sein. — Nachklänge zum P i l l e u p r o z e ß. Aus Elberfeld schreibt man: Bekanntlich war der als Zeuge im Pilleuprozeß fungirende Rentner Korbach wegen dringenden Verdachtes, einen Meineid geleistet und dem verstorbenen Strucksberg Helferdienste geleistet zu haben,verhaftet worden. Die Haftentlassung gegen Gestellung einer Kaution von 200000 Mark lehnte die Strafkammer ab. Am Montag Morgen wurde Rentner Korbach auf Anordnung des Ober landesgerichts in Köln ohne Kaution aus der Haft entlassen. — Der Passauer Arzt vr. Zehnder, der sich seit 7. April in der Heilanstalt Neufriedenheim befunden hat und dessen Entlassung vom Bezirksamte Kitzingen telegraphisch angeordnet wurde, hat Mittwoch die Anstalt verlassen und begiebt sich wieder nach Passau zurück. — Der Buchhandlungsgehilfe Max Lohner aus T Hun welcher auf einer Redoute den Artisten Straubel aus Eifersucht erschoß, wurde vom Schwurgericht in München zu 3 Jahren Gefängnis) verurtheilt. — Am Ende seiner Mittel. In Kallstadt in der Pfalz hat sich der achtzigjährige Tagner Bechtloff e r s ch vsse n. Der Alte, ein fleißiger Mann, hatte vor mehreren Jahren, als seine Arbeitskraft nachließ, sein Feld Veräußert und von dein Erlös bis in die letzten Tage ge zehrt. Da es mit deni Gelde zur Neige ging äußerte er zu Bekannten, daß er lieber in den Tod gehen als der Armenpflege zur Last fallen werde. Er vergnügte sich Morgens noch in mehreren Wirihschaften, dann that er den letzten Schritt. — Das Germanische Museum aufder K i r m e s. Ueber ein höchst ergötzliches Mißverständniß wird der „F. Z." geschrieben: In einem kleinen Nest der Pfalz war ein historischer Fnnd gemacht worden. Der Director des Germanischen Museums in Nürnberg liest davon mit großem Interesse in der Zeitung und da ihm dies eine gute Requisition für das Museum zu sein scheint, so setzt er sich kurz entschlossen auf die Bahn und fährt hin. Dort angekommen, geht er stracks zum Bürgermeister und beginnt sein Anliegen, indem er sich zunächst vorstellt: „Mein Name ist N. N., Director vom Germanischen Museum in Nürnberg — —" „Ja, liewer Mann," unterbricht ihn da aber die Ortsobrigkeit, „ja deß thut mer sehr leid, mer hawwe awwer schont e Karussell, e Schießbud, e Riese dame un e Affe- und Hundetheater un jetzt komme Sie zwaa Tag vor der Kerb mit Jhrm Germanische Museum!" — Eine gefährliche Automobil-Bergfahrt. Aus Wien wird berichtet: Bei der Nesseldorfer Fabrik stürzte bei der Bergfahrt ein Automobil um. Der Partie führer Kucharz wurde getödtet, der Lenker und zwei Personen verletzt. — Der Sammelmappe eines Lehrers ent stammt folgender origineller Entschuldigungsbrief: „Herrn Lehrer Maier! Pauline felt bis zum 15. nächsten Monats. Meine älteste Henriette ist bei ihrer Tante gereist die sterben möchte und dabei nicht allein fol fein in Mittweide. Und da muß Pauline unsere Wirttschaft füren weil ich meine Stehlung nicht aufgeben kann. Aber ich verspreche sie das ich in die Zeit wen ich Abend nach Haust komme in lehsen schreibben und deitsch unterrichten werde damit sie nich alles vergießt. Ganz ergebenst Emma L . . ." — Tiefsinnig. Man bespricht in der Kneipe das plötzliche Ableben eines Arztes. — „Na, ja," bemerkt ein Nörgler, „wie können da die Patienten Vertrauen zu einem Doktor haben, der selber stirbt." Kirchennachrichten von Rabenau, " Sonntag, den 6. Mai. Dom. Jubilate. Vorm, halb 9 Uhr Gottesdienst. Predigttext: 2. Cor. 4, 7—11. Nachmittags 1 Uhr Kindergottesdienst. Geboren: Ain 23. April dem Stuhlbaner Paul Richard Grahl hier eine Tochter. — Am 26. April dem Holzdrechsler Oskar Herm. Grumbt hier ein Sohn. — Am 27. April dem ansässigen Drechsler meister Moritz Heinrich Uhlig hier ein Sohn. — Am 30. April dem Stnhlbaner Ernst Paul Burger hier ein Sohn. — Am 30. April dem Stnhlbauer und Maschinellarbeiter Karl Paul Hosmann hier eine Tochter. Getauft: Am 29. April Alma Gertrud Henker, Tochter des Bäckermeisters Richard Max Henker hier. Zm Manne des Hodes. Schluß. Ich für meine Prson war nach acht Tagen wieder soweit hergestellt, daß ich ans einem Dampfer anmustern kvnnle, der hierher nach Triest ging. Nnn wissen Sie die Geschichte, Mynheer, und auch den Grund, weswegen ich grüne Kaffeebeercn den lödtlichsten Cargo nannte, den es auf der Well geben kann." Soweit der Bericht des Matroscn. Ich hatte demselben mit zunehmender Aufregung und zuletzt mit Entsetzen zu- gehört. Woher dieses granse Verhängniß, dem die Schiffs besatzung bis fast ans den letzten Mann erliegen mußte? Wohl war es mir bekannt, daß cs Ladungen giebt, deren Ausdünstungen das Leben und die Gesundheit der Mannschaft in hohem Grade gefährden, und unter diesen nimmt z. B. der Rohzucker, der so vielfältig verschifft wird, nicht die letzte Stelle eiu. Ich selber habe zur Keil meiner Westindienfahrten schwer unter dem Dunste solchen Zuckers gelitten, der sich allenthalben als ein grau-schwarzes Wasser an den Wänden des unter Deck liegenden Logis niederschlng und Kleider und Kojenzcug durchnäßte. Allein wir räumten ihm freiwillig das Felo und schliefen und wohnten theils im Großbovl und theils an geeigneten Stellen des Vordecks, sowie unter der Back. Die Gefährlichkeit der Ausdünstungen des grünen Kaffee's aber ist bisher, meines Wissens, nur wenig bekannt geworden, einestheils, weil Kaffcebeeren nur wenig zur Aus fuhr gelangen, anderntheils aber, weil zum Transport der selben, wie anderer gefährlicher Ladungen, in der Regel nur Fahrzeuge verwendet werden, bei denen sich die Kajüte sowohl wie das Matroseulogis in Hänsern über Deck be- sinden. Solchen Räumen kann dann kein giftiger Dunst etwas anhaben. Wo aber die Wohngelasse der Schiffe unter Deck liegen, mithin nur Verschlüge innerhalb des Ladungsraumes sind, da ist die Atmosphäre derselben fast gänzlich von den Einflüssen abhängig, die von der Ladung ansgchen, da die trennenden Wände nur Bretter sind, deren Fugen, besonders bei älteren Schiffen, fingerbreite Spalten bilden. Die Schuld an dem grauenvollen Schicksal der Mann schaft der „Fran Trintje" trägt allein der Rheder dec Brigg, ein reicher holländischer Kausmann. Er mußte wissen, welche unheimliche Ladung er cinnchmen ließ; er tröstete sich eben, wie so viele Andere mit dem Gedanken: es wird schon ein mal gehen! Wohl mag auch der Kapitän die schädlichen Eigenschaften seiner Ladung gekannt haben, sicher aber hatte er dieselben unterschätzt, denn sonst wäre er, ein Familienvater, nicht mit sehenden Angcn in den Nachen des Todes gerannt. Seefahrer sind zuversichtliche Leute, die von dem Grund sätze: Nur frisch daran, dann macht sich's schon," ausgehen gewohnt sind- Und dieser Charaklerzug Janmaats wird von einer gewissen Klasse von Rhedern auf das Unverant wortlichste ausgebeutet. Nm das Loos der Mehrzahl unserer Kauffahrteimatrosen richtig würdigen zu können, muß man mit denselben in ihrem armseligen Logis gewohnt haben; man muß erfahren haben, was es heißt, frostzitlernd und durchnäßt vom kalten, sturm- gepeitschtcn Deck zu kommen und, ohne die Kleider wechseln zu können, in die enge Koje zu kriegen, wo eine harte Stroh matratze und eine dünne, feuchte Decke nur geringe Wärme spenden; und was es dann heißt, zehn Minuten später den Ruf: „Alle Mann auf Deck!" zu hören und, halb im Schlaf, wieder in den kalten Regen und den schäumenden Salzwassergischt zn stürzen, daun in kohlschwarzer Finster niß hinauf zu cilen auf die Naacn, um die eisenharten Segel zu bändigen und zu bergen, die dort mit Donnergetön im Sturme knattern. Man muß selbst empfunden haben, was es heißt, bei all' solchem harten Leben, infolge des Geizes und des Eigennutzes des Rheders, oder der Betrügerei des Kapitäns und Lieferanten, mit verdorbenem Proviant und schlechtem Wasser vorlieb nehmen zu müssen — mit Wasser, welches aus dem schmutzigen Flusse geschöpft wurde, in dem das Schiff zuletzt gelegen, während überall gutes Wasser den Schiffen zum Kauf angcboten wird; und mit Proviant, bestehend aus uralten Hülsenfrüchteu, würmer- durchwimmeltem Brod, unbeschreiblichem Mehl und stinken dem, hvlzhartem Salzfleisch, während heutzutage die treff lichsten Fleisch- und Gemüsekonserven um ein Billiges in größter Menge zu haben sind. Und dazu noch bei schlechtem Wetter in einem Logis unter Deck eingeschlossen zu sein, wo der Dunst und der Gestank der Ladung, der qualmenden Lampe u. s. w. einem den Athem versetzt und fast die Be sinnung raubt — Alles das muß man am eigenen Leibe erfahren haben, um die Entsetzlichkeit eines solchen Looses voll begreifen zn können. Die Matrosen unserer Kriegsmarine bedürfen keiner Fürsprache, alle Welt kümmert sich um sie und um ihre leibliche und geistige Wohlfahrt. Aber von unserem Haudels- matrosen, seinem Leben und seinen Drangsalen weiß die Welt nur wenig, sehr wenig, und je eingehender eiu Schriftsteller sich mit dem Loose des armen Burschen beschäftigt, desto zögernder wird er seine Feder führen, weil er fürchten muß, auf Ungläubigkeit zu stoßen. Trotzdem aber kann die Zeit nicht mehr fern sein, wo der Staat und die Gesellschaft sich dieser ihrer Stiefkinder wirkungsvoll annehmen und die Lage derselben mildern und bessern werden. Von den zunächst Betheiligten, den Rhedern, wird dieser Wandel nimmer in's Werk gesetzt werden, „denn," so heißt es achselzuckend, „es ist ja bisher mit geringen Ausnahmen, immer noch ganz gut gegangen und Janmaat hat sich eigentlich noch nie ernstlich beklagt."