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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumeralionö- Prei« 22i Sgr. (j Tdlr.) vierteljährlich, 3 Th!r. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man vränumerirt aus dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Exocdition der Ällg. Pr. StaatS-Zeitung (Friedrichsstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 34 Berlin, Freitag den 19. März 1841 Schweiz. Ueber Handelsfreiheit und Prohibitiv-Systeme. Vom Prof. Cherbuliez in Genf. ES giebt keinen Industriezweig, von dem man sagen könnte, daß seine Interessen vorzugsweise mit denen des Landes zusammen- stelen. Das ökonomische Interesse jedes Landes besteht in dem mög lichst besten Gebrauche, den es von seinen produktiven Kapitalien macht, und nur in diesen allein. In einem Lande, wo sämmtliche Kapitalien so vorthcilhaft als nur möglich verwendet werden, ist das Gesammt-Jntercffe aller Industrie-Zweige, welche diese Kapitalien nähren und fördern, mit dem des Landes innigst verknüpft, während da, wo schlechte Gesetze die vortheilhafteste Verwendung der Kapi talien verhindern, die Interessen gewisser Industrie-Zweige denen des Landes zuwidcrlaufen. Von zweien Industrie-Zweigen, in denen die Kapitalien eines Landes angelegt werden können, ist in ökonomischer Hinsicht der- * vortheilhafteste, welcher, cererm puribu«, mit demselben Kapital den bedeutendsten Ertrag giebt. Wir sagen cereris puribus, wen man bei dieser Vergleichung die Wagnisse des Unternehmens, die Zeit, welche das Kapital zu seiner Umsetzung bedarf, und dre verschiedenen Formen, unter welchen der Verbrauch des Kapitals vor stch geht, in Anschlag bringen muß. So z. B. verbraucht Frankreich alle Jahr eine gewisse Quanti tät Leinwand, die wir mit 1100 bezeichnen; und diesem Industrie- Artikel ist ein Kapital gewidmet, das 1OOO gleichkommi; allein dasselbe Kapital würde, auf den Weinbau angelegt, eine Quantität Wein hervorbringen, für die man eine der Zahl 1200 gleichkommende Quantität Leinwand eintauschen könnte. Augenscheinlich würde also der Weinbau, unter dieser Voraussetzung, dem Lande vorthcilhaster scyn als die Fabrication der Leinwand, da er für dasselbe Kapital eine doppelte Quantität dieser Waare verschaffen würde. Nun ist aber der vortheilhafteste Industriezweig für das Land nothwendig auch der vortheilhafteste für den Kapitalisten, der ihn ausübt und den Gewinn davon hat, da dieser Gewinn ja nichts Anderes ist, als der Ueberschuß des totalen Ertrages, den das auf die Production verwendete Kapital abgeworfen. Unter obiger Vor aussetzung ergäbe cS sich klar, daß der Weinbau dem Weinbauer das Doppelte des Gewinnes einbrächte, der ihm zuflöffe, wenn er dasselbe Kapital in die Leinwand-Fabrication steckte. Aus dieser Prämisse ergiebt sich als streng logische Folgerung, daß die Kapitalien eines Landes immer durch das bloße Interesse der Produzenten die vortheilhafteste, den ökonomischen Interessen des Landes angemessenste Verwendung erhalten; und daß, wenn diese Gelder nicht einer Industrie geweiht sind, deren Erzeugnisse ein Land durch Tausch erhalten kann, es nie vortheilhast sepn könne, diesen Tausch unmöglich zu machen und somit den Kapitalien einen Weg anzuweisen, den sie nicht von selber eingeschlagen hätten. Die unbegränzte Freiheit des Tauschhandels zwischen verschie denen Ländern ist also für jedes dieser Länder ein Mittel, zur höchsten möglichen Stufe des Wohlstandes sich zu erheben; denn jede Be schränkung dieser Freiheit durch Gesetze hat die unmittelbare und unvermeidliche Folge, daß sie einem Theile der Kapitalien deS Landes eine weniger vortheilhaste Richtung giebt, als diejenige ist, der sie sonst gefolgt scyn würden. Dieses Prinzip duldet, so lange man nur die absolute Vermehrung des Wohlstandes im Auge behalten will, keine Art von Beschränkung, selbst nicht, wie wir weiter unten zeigen werden, mit Beziehung auf ein Land, welches allein im Besitze einer solchen Freiheit wäre und dessen Erzeugnisse von den Nachbar ländern zurückgewiesen würden. Diejenigen Staaten, die ihren internationalen Verkehr durch Verbote und Einfuhr-Zölle am meisten gelähmt haben, gestatte» dessenungeachtet dem Binnenhandel zwischen ihren verschiedenen Pro vinzen unbeschränkte Freiheit und gerathcn so in ein Dilemma, aus dem ihre gesunde Logik sie schwerlich befreien wird. Nehmen wir Frankreich als Beispiel: Dieses Reich zerfällt in 86 Departements, deren Productions- F^igkeiten, die erworbenen wie die natürlichen, sehr verschiedener ss" sind, und welche, Dank dieser Mannigfaltigkeit, unter einander einen Verkehr treiben, gegen den der Verkehr des ganzen Landes E dem Auslande nicht von fern in Betracht kommt. Wenn diese »6 Departements eben so viele verschiedene Staaten bildeten, so würde jeder einzelne dieser Staaten den Prinzipien der Handels- Gesetzgebung sich anbequemen, die jetzt in Frankreich herrschend sind. Sie würden sich bestmöglichst isoliren, den Versuch machen, Alles hervorzubringen, was ihnen Bedürfniß wäre, und zu diesem Ende durch Verbote und Zölle alle Industrie-Zweige schützen, die ohne einen solchen Schutz nicht bestehen könnten. Vermöge eines solchen Systems würden sie den Anwachs des Wohlstandes zu begünstigen vermeinen; und alle ohne Ausnahme, die südlichen wie die nörd lichen, die armen wie die reichen Departements, würden die Handels freiheit als etwas ihrem ökonomischen Gedeihen Nachtheiliges von sich weisen. Thäten sie wohl Recht daran?! Da nun der Reichthum Frankreichs nur die Summe des Reich thums seiner Departements ist, so muß ein System, welches jedem dieser Departements den größten möglichen Wohlstand zuführte, auch für ganz Frankreich das vortheilhafteste seyn. Unsere Marime ist auf so allgemeine Thatsachen gegründet, baß sie in jeder mensch lichen Vergesellschaftung, die eine Nation für sich bildet, Anwendung finden muß; die Größe des Landes und die Zahl seiner Bevölkerung kommen dabei gar nicht in Betracht. Die Freiheit des Binnenhandels war — so wird man sagen — von der Nothwendigkeit diktirt, die verschiedenen Theile des Reichs innig zu vereinen und mit einander zu verschmelzen. Wir ant worten hierauf, daß eine Vereinigung der verschiedenen Nationen Europa's nicht weniger wünschenswerth ist. Was aber die Ver schmelzung und die aus derselben sich ergebende vollkommene Cen- tralisation betrifft, so erscheint uns diese als ein Uebel, als der wesentlichste Mangel in der jetzigen Organisation Frankreichs. Endlich wird man einwenden, daß die Freiheit des Binnenhan dels vollkommen gegenseitig ist, wogegen die des Außenhandels es nicht seyn würde. Dieser Grund mag einen starken Schimmer von Triftigkeit haben; allein er besteht kaum die schwächste Probe. Welches ist die Wirkung der Verbote und der Einfuhr-Zölle, womit eure Nachbarn den Import eurer Produkte behindern? Sie verrin gern die Zahl der Tausche, die ihr mit ihnen machen könnt. Was thut ihr, wenn ihr selbst solche Hindernisse legt? Ihr vollendet das Werk eurer Nachbarn; ihr macht das Uebel ärger, das sie euch an- thun wollen. Indem der Ausländer auf eure Weine ungeheure Zölle legt und eure Seidcnwaaren verbietet, bewirkt er, daß diese beiden Industrie- Artikel für euch minder vorthcilhaft werden, als sie werden könnten; er verringert die Zahl der Tausche, durch welche ihr gewisse Er zeugnisse, wie Eisen und Leinwand, mit einem geringeren Kapital euch verschaffen könnt, als wenn ihr selbst sie anfertigtet. Der Tausch handel hört damit zwar nicht auf, und ihr könnt eure Kapitalien noch zu etwas Besserem als der Fabrication von Leinwand oder Eisenwaaren verwenden. Das ist euch aber unerträglich. Ihr er- wiedert die feindlichen Maßregeln des Auslandes mit ähnlichen Maß regeln; ihr erschwert die Einfuhr der Leinwand und des verarbeite ten Eisens durch Zölle und zwingt das Land, diese Artikel selbst zu fabrizircn, sollten sie auch dann um das Doppelte mehr kosten als früher; ihr verwendet Kapitalien, die sehr Vortheilhaft angelegt waren, auf Industrie-Zweige, aus denen ein weit geringerer Bor- theil resultirt. Ihr vermehrt das Uebel, daS der Ausländer euch zufügt, um ihn selber zu ruiniren. Mitten im Frieden macht ihr von dem Kriegsrechte Gebrauch und verbrennt eure Aerndten, damit der Feind sie nicht bekomme. DaS Prinzip der Handelsfreiheit ist wirklich so einleuchtend, daß wir uns immer von neuem verwundern müssen, dieses Prinzip so geringe Fortschritte machen, und noch mehr, eS von Verständigen und wohlunterrichteten Personen unaufhörlich in Frage stellen zu sehen. Es scheint beinahe, als wäre die Handelsfreiheit ein Gegenstand, über den man ohne alle Kontrolle ins Blaue reden dürste; und nichts ist wunderlicher, als die Gründe, die einige neuere Autoren zur Unterstützung des restriktiven Systems vorbringen. Beleuchten wir daS Gesagte mit drei Beispielen, die aus den Werken Französischer StaatS-Oekonomen, denen man sonst ein richtiges Urtheil nicht ab spreche» kann, aufs Ungefähr ausgezogen sind. Herr Dubois-Aym«, vormals Deputirter, Verfasser einer „Prü fung gewisser national-ökonomischer Fragen", läßt sich in einem Briefe an Herrn Odilon Barrot, der in das Handels-Journal von 1833 eingerückt ist, also vernehmen: „Die Verfechter der unbegränzten Handelsfreiheit sagen uns, es sey im Interesse jedes Franzosen und folglich auch der ganzen Ration, Alles da zu kaufen, wo es am wohlfeilsten ist. Ich leugne nicht eine