Volltext Seite (XML)
Adorker Wochenblatt. MLttheilungen übex örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Neunter Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Beziehung des Blattes durch Botrngelegenheit: 2V Neugroschen. 44. Erscheint jeden Mittwoch. 30. Okt. 1844. Praris unseres constitutioneüen Lebens. Jede Constitution bestimmt und garantirt bekannt lich die öffentlichen Verhältnisse und Befugnisse deS Volks und der Regierung. Zu den Bolksrechten ge hören nach §§. 78. und 86. der BcrfassungSurkunde Has Recht, bei der Gesetzgebung befragt zu werden, nach tz. 90. das SteucrbewiUigungs-, nach §h. 36., 109. und 111. das Beschwerde- und Pelilions-, und endlich nach tz. 29. das Recht der Eigenlhums- und P«rsvnenfreiheit. Kein Gesetz ohne Befragung und Zustimmung der Mehrheit beider Kammern; keine Steuer, ohne daß die gesetzlich gewählte zweite Kam mer sie bewilligt hat; wer bei den Kammern bittet oder sich beschwert, der soll gehört werdest ; heilig vor Allem und unverletzlich sei die Freiheit ünd Sicherheit der Personen und des Elgeülyums! Das sind die Hauptsatze unseres StaätökatechismUs. S'e sind das A und das O unserer bürgerlichen Freiheit, und müssen so hoch und lheuer gehalten werden, als ir gend ein anderes menschliche Gut.' Sie sind uns garantirt durch die genannten Paragraphe unserer be schworenen Verfassung, und nicht ein Fünkchen, nicht ein Unthätchen darf ihnen geschehen, ohne daß es von dem konstitutionellen Theil des sächsischen Volkes ge rügt, wo möglich, verhindert oder, ist es vorbei, re- parirl wird. Das letzte Constitutionsfcst brachte selbst da, wo die selbstständigeren-Männer ihre Feste feierten, unse- rer Regierung die Anerkennung der Verfassungsmä ßigkeit, und erhebend war es, an diesem Lage zu se hest, wie sich unser kleines Volk einstimmig seines Fortschrittes im ruhigen Wege der Gesetzlichkeit freute. Lassen wir uns aber dadurch nicht und überhaupt durch nichts bestechen. Wir sind, wer leugnet das, glücklicher und konstitutioneller regiert, als viele Na tionen deutschen Stammes. Ob aber darum bei uns Alles nach dem Buchstaben geht, ob nicht Manches noch fehlt, ob nicht Vieles noch zu verbessern sei, wer vermag darüber abzusprechen? Geben wir nun in dem Nachstehenden unsere Ge danken über die Praxis einzelner Hauplseiten unseres konstitutionellen Lebens, so geschieht dies weder aus radikaler Ungrnügsamkeit, noch aus tadelsüchtiger Krittelei. Aber es scheint uns, als mangele bei aller Gesetzmäßigkeit unserer Regierenden in der Praxis die Begeisterung für das konstitutionelle Einzelne, für constiturionklle Consequenz. Es fehlt di« dis in'S Kleinste dringende Liebe für praktische Ausbildung und Lekendigmachuug uuHu- sleisiünigen Slaatsform. Man halt die Constitution, wie eine Frau gehalten wird, welche der Mann aus Rücksicht auf die Con- nexionen und Verbindungen ihrer großen Familie nahm; man behandelt sie mit Achtung und Anstand und präsentirl sie wohl auch als die gouvcrnirende Frau vom Hause; aber jene kleinen Zeichen wachsen der Zuneigung, jene Merkmale unverbrüchlicher und heißer Liebe-vermißt man in dieser hohen, aber etwas abgemessenen und steifen Verbindung. Und dies al lein ist es, worauf mir sine ira et »tuckio aufmerksam machen wollen. Unsere Constitution ist noch nicht ganz zu Blut und Leben gekommen. Dem Werke fehlt der letzte Stein, die letzte Feile, und wir möch ten in unfsrem Staate so gern das Muster preisen können. Anlangend nun, um zur Sache zu kommen, die wir mehr andeulen, als umfassen können, das erste und hauptsächlichste Volksrecht: das der Gesetzvcwillr- gung durch die Stände, so wird es in Sachsen aller dings beachtet und man kann dies um so mehr rüh men, als sich zur Zeit noch keine öffentlichen Wahl- corrupiionen, noch keine ungesetzlichen Beichrankungen oer Wahlfrei heil, noch keine Einsprüche gegen freisin-